"Historische Gebäude - bewohnbar gemacht" Vortrag von Bezirksheimatpfleger Dr. Franz Xaver Scheuerer im Rahmen der architek"tour" im Landkreis Cham am 9. Oktober 1999 (Für die Darstellung im Netz umgearbeitet am 09.03.2010) Erlauben Sie, daß ich zu meinem Thema zunächst etwas Grundsätzliches sage. Den Titel meines kurzen Beitrags - "Historische Gebäude - bewohnbar gemacht" - könnte man nach der landläufigen Ansicht Vieler in die Frage umwandeln: "Sollte man historische Gebäude überhaupt noch bewohnbar machen?" Häufig trifft man auf den Standpunkt, alte Gebäude seien mit ihren oft engen, niedrigen, lichtarmen Räumen und ihrem nassen und teilweise stockenden Mauerwerk höchstens noch den Abbruch wert. Eine Erneuerung wäre viel zu teuer und auf jeden Fall unrentabel. Zugegeben - wenn ein historisches Gebäude restauriert und mit Hilfe moderner Bautechnik in eine Wohnung oder in Nutzräume umgebaut wird, die modernsten Ansprüchen genügen müssen, so kann das in vielen Fällen teurer als ein Neubau kommen. Stellt man die Frage der Rentabilität nur nach dem Aspekt der Finanzen und der wirtschaftlichen Effektivität, so wird in den meisten Fällen einem Neubau der Vorzug gegeben werden müssen. Es gibt allerdings auch nicht wenige Fälle, in denen die Sanierung des Altbaus die wirtschaftlichere Variante war. Gottseidank ist es aber so, daß bei der Abwägung Neubau gegen Altbausanierung nicht nur Gründe der reinen Wirtschaftlichkeit zählen.
2 Wer einmal die besondere Ausstrahlung gespürt hat, die von einem historischen Gebäude ausgehen kann, der trägt möglicherweise schon einen Keim der Zuneigung zu alten Häusern in sich. Alte Häuser erzählen Geschichten, die im Gegenwärtigen stillschweigend präsent sind. Sie sind in der Lage, die Schranken der Zeit aufzuheben und die Gegenwart als Schnittstelle von Vergangenheit und Zukunft fühlbar werden zu lassen. Ihre Bewohner und Besucher sind eingefaßt in diese zeitliche Grundspannung. Sie haben den Eindruck, das Haus lebt und spricht sie an. Ein Eindruck, der rational nicht erfassbar und dennoch kaum zu leugnen ist. An diesem Punkt angelangt kann die Zuneigung zu alten Häusern sich steigern zur Liebe, ja zur Leidenschaft. Daß dies möglich ist, davon zeugen viele restaurierte Altbauten in unseren Städten, Märkten und Dörfern. Dankenswerterweise ist das auch bei uns in der Oberpfalz so. Und glauben Sie mir, meine Damen und Herren, bei den zahlreichen Sanierungsobjekten, die ich in meiner bisherigen Amtszeit mitbetreuen durfte, standen am Anfang einer Maßnahme meistens sehr skeptische, am Ende immer begeisterte Bauherrn, die ihr restauriertes historisches Haus mit keinem Neubau der Welt tauschen mochten. Selbstverständlich sind sanierte historische Häuser mit modernstem Wohnkomfort versehen. In einer langen und oft abenteuerlichen Bauphase wurden ihre Bauherren nach und nach von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt und hingen schließlich mit einer Liebe zum Detail an ihrer Sanierungsmaßnahme, wie sie nur bei restlos Begeisterten anzutreffen ist.
3 Und was das Erstaunlichste ist: Nachbarn, Bekannte und Freunde, von denen sie wegen ihres Sanierungsentschlusses zunächst viel Abschätziges und Spöttisches zu hören bekamen, loben jetzt Werk und Meister und sind nicht selten von einem gewissen Neid erfüllt. Es kommt aber noch eine weitere Dimension dazu. Die zuerst verlachten Bauherrn haben sich in Wirklichkeit als die weitsichtigeren und verantwortungsvolleren Mitbürger erwiesen. Sie haben mit ihrer Sanierungsleistung einen wertvollen Beitrag zum Erhalt unseres gemeinsamen Kulturerbes geleistet. Und die traditionellen Hauslandschaften unserer Region sind ein ganz wesentliches Kulturerbe, das unseren Städten, Märkten und Dörfern ihr unverwechselbares Antlitz verleiht. Historische Gebäude sind das Markenzeichen und die individuelle Visitenkarte eines Ortes. Das bezieht sich nicht nur auf die herausragenden Sakralbauten, Schlösser und Burgen sondern auch auf jedes einzelne historische Bürgerhaus in Städten und Märkten und auf jedes Bauerngehöft, das im herkömmlichen Stil einer typischen Hauslandschaft gebaut ist. Wenn sie einen Blick in die Fremdenverkehrsbroschüren werfen, werden Sie feststellen, daß jede Region in Europa, ja in der ganzen Welt, in allererster Linie mit Bildern seiner jeweils typischen Bauwerke wirbt. Berühmte Kathedralen, Burgen, Schlösser aber auch mittelalterliche Ensembles städtischer Bürgerhäuser und nicht zuletzt alte, malerische Dörfer im jeweils landesüblichen Baustil sind in schönen Farbbildern dargestellt. Nicht selten ist der so angelockte Urlauber schockiert, wenn er neben den malerischen Ortskernen aus der Broschüre die steingewordene Wirklichkeit der gegenwärtigen Baumarktkultur entdeckt. Aber deshalb hat er ja den Ort nicht in sein Besichtigungsprogramm aufgenommen. Das hat er zu Hause im nahezu identischen Ausmaß vor Augen.
4 Sie sehen also, meine Damen und Herren, die Sanierung und Bewohnbarmachung eines alten Hauses ist immer auch ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der eigenen und unverwechselbaren historischen Kulturlandschaft. Und wenn Sie sich unsere historischen Gebäude genauer betrachten, werden Sie schnell feststellen, daß nahezu jedes einzelne ein in sich geschlossenes Kunstwerk alter Handwerkskultur ist. Selbst in den kleineren und unbedeutenderen Bauwerken ist immer noch hingebungsvolle Detailarbeit in Ausstattung und Gestaltung zu entdecken. Eine alte Haustüre kann ein Kunstwerk sein, alte Dachbalken weisen Ornamente und Schnitzwerk auf usw. Vor allem aber sind es die hundertprozentig stimmigen Größenverhältnisse, die an alten Häusern immer besonders auffallen. Unsere Vorfahren hatten ein überaus gutes Gespür für richtige Proportionen und Linienführungen. All diese Gegebenheiten, die hier nur angedeutet werden können, sollten verantwortungsbewußt in eine Abwägung über Sanierung oder Neubau miteinbezogen werden. Staatliche und kommunale Stellen haben den Wert historischer Kulturlandschaften erkannt und tragen mit differenzierten Zuschußund Darlehensprogrammen zur Sanierung denkmalgeschützter historischer Gebäude bei. Sicher sind die Zuschußanteile heute im Normalfall nicht mehr so hoch wie noch in den 70er und 80er Jahren. In der Regel decken sie aber immer noch den denkmalpflegerischen Mehraufwand. Das heißt, daß die Mehrkosten, die durch eine Altbau- bzw. Denkmalsanierung gegenüber einem Neubau entstehen können, mindestens noch abgedeckt sind.
5 Voraussetzung ist immer, daß ein altes, historisches Gebäude in die Denkmalliste des Landesamtes für Denkmalpflege eingetragen ist. In der Regel tritt der Besitzer eines solchen Gebäudes im Falle baulicher Veränderungen mit der unteren Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt oder bei der Stadt in Verbindung. Diese Stelle wird bei Baugenehmigungsverfahren ohnehin von selbst tätig, wenn es sich um denkmalgeschützte Bauten handelt. Er kann sich aber auch schon vor der Einleitung eines Genehmigungsverfahrens an das Landesamt für Denkmalpflege selbst oder an den Bezirksheimatpfleger wenden. Bauherren, die am Erhalt und an der Sanierung ihres historischen Gebäudes von sich aus Interesse haben, bevorzugen diesen Weg, weil er ihnen ein Mehr an Vorberatung und Information bringen kann. Falls sich der Bauherr für eine Sanierung seines denkmalgeschützten Hauses entschließt, kann er auf Beantragung über die untere Denkmalschutzbehörde auch vom Landesamt für Denkmalpflege und vom Bezirk Oberpfalz Zuschüsse erhalten. Zusammengenommen decken diese Zuschüsse in der Regel den denkmalpflegerischen Mehraufwand mindestens ab. Häufig wird auch bei einem Ortstermin ein Zuschußkonzept durch Vertreter der betreffenden Förderstellen erarbeitet. Der verantwortungsbewußte Bauherr wird also nicht allein gelassen, wenn er sich für eine Sanierung entschließt. Es gibt darüber hinaus eine ganze Reihe steuerlicher Vergünstigungen, die der Staat für Besitzer oder Käufer von Denkmälern im Sanierungsfalle gewährleistet (vgl. 7i, 10f, 10g, 11b EStG). In der Oberpfalz haben der Bezirk Oberpfalz, das Landesamt für Denkmalpflege, die "Dorferneuerung" bei der Direktion für ländliche Entwicklung, die "Städtbauförderung" bei der Regierung der Oberpfalz und die 5b-Stelle der Abteilung Landwirtschaft bei der Regierung der Oberpfalz ein sogenanntes "Bauernhausprogramm" für die Sanierung alter Bauernhäuser im landschaftsgebundenen Baustil abgestimmt.
6 Damit ist auch für historische Bauten auf dem flachen Land gesorgt. Das ist für unsere Region von besonderer Bedeutung, denn erst die traditionellen Hauslandschaften der Oberpfalz im Zusammenklang mit ihren vielfältigen Landschaftsbildern und Naturräumen ergeben das unverwechselbare Gesicht unserer heimatlichen Kulturlandschaft. Vor dem Hintergrund des grundlegenden Wandels in der Agrarwirtschaft ist die Sanierung alter Bauernhöfe besonders wichtig. Viele davon haben nämlich ihre Funktion als Hofstelle verloren und werden künftig Wohnzwecken und anderen Nutzungen dienen. Es droht also die Ausräumung ganzer Dörfer und ihre Umwandlung in austauschbare Wohn- und Schlafsiedlungen, die von eintönigen Neubaugebieten kaum mehr zu unterscheiden sind. Das über Jahrhunderte gewachsene Gesicht unserer Kulturlandschaften ginge dann verloren. Dabei kann es sehr reizvoll sein, einen Bauernhof für moderne Wohnund Gewerbezwecke so zu sanieren, daß seine charakteristische Traditionsbauweise erhalten bleibt. Nebengebäude (Scheune, Stall) können gut umfunktioniert werden in moderne Nutzräume. Die Palette reicht von der Garage über Werkstatt bis hin zu Studio und Fitnessräumen. Immerhin haben in den vergangenen 10 Jahren 99 Besitzer historischer Bauernhöfe in der Oberpfalz das Bauernhausprogramm in Anspruch genommen und ihre alten Höfe saniert und modernisiert. Trotz umfangreichen Abbrüchen und Entkernungen alter Bausubstanz gibt es auch für die Zukunft noch viele Altbauten in Stadt und Land, die saniert werden könnten für moderne Nutzung. Lassen Sie uns das als Chance für unsere Zukunft sehen!