Auswirkung des Klimawandels: Das allergene Potential von Ambrosiapollen Heidrun Behrendt und Jörg Durner Zentrum für Allergie und Umwelt, TU München (HB) Institut für Biochemische Pflanzenpathologie, HMGU (JD) durner@helmholtz-muenchen.de
Allergy fact sheet I Genetische Faktoren: Erhöhtes Allergierisiko wenn ein/zwei Elternteile Allergiker sind. Hygienehypothese: Dreck- und Urwaldhypothese : eine mangelnde Aktivierung ( Unterforderung ) des Immunsystems durch übertriebene Hygiene. Veränderungen in der kommensalen Flora: Veränderungen in der Darmflora, Einsatz von Antibiotika, moderne Ernährungsweise Veränderte Lebensgewohnheiten: Rauchen, Autoabgase, Stress, kleinere Familiengrößen, veränderter individueller Lebensstil Umweltverschmutzung: Allergene wie das Hauptallergen der Birke, Bet v 1, können sich an Dieselrußpartikel anheften und in tiefere Lungenabschnitte gelangen Erhöhte Allergenexposition: Zunahme des Pollenflugs, infolge einer Reaktion auf die Erderwärmung, CO 2 oder Schadstoffbelastung, Konsum exotischer Lebensmittel Invasive Arten: In Europa leben mittlerweile mehr als 10.000 eingewanderte Arten
Allergy fact sheet II Allergien in Europa 20 bis 30 % der EU-Bürger leiden an allergischem Schnupfen, 5 bis 15 % an allergischem Asthma, 3 bis 5 % an Neurodermitis Quelle: ECARF, Allergien in Europa: Daten und Fakten Klimawandel und Pollen Die Pollensaison beginnt heute etwa zehn Tage früher als vor 25 Jahren und dauert insgesamt auch länger Quelle: Freie Universität Berlin, Institut für Meteorologie, Pressemitteilung (6.4.2011) Prognose Bleibt ein allergischer Schnupfen unbehandelt, entwickelt sich bei 40 Prozent der Patienten im Laufe der Zeit auch ein allergisches Asthma Quelle: ECARF Kosten für die Gemeinschaft Unbehandelte oder nicht richtig therapierte Allergien verursachen in der Europäischen Union jedes Jahr schätzungsweise 100 Milliarden Euro an Kosten Quelle: GA2LEN Factsheet
Die Beifußblättrige Ambrosie (Ambrosia artimisifolia; Ragweed) ist eine Kurztagspflanze, deren Blüte durch 8 Stunden Dunkelheit eingeleitet wird. Die Pflanze ist in Nordamerika beheimatet. In Mitteleuropa blühen die Pflanze von Juli bis Oktober mit Samenreifung ab September. Die relativ späte Blüte- und Reifezeit der Samen begrenzt die Verbreitung der Pflanze auf Klimazonen mit einer langen Vegetationsperiode. Während der letzten 30 Jahre hat sich die Vegetationsperiode in Deutschland um 8-10 Tage verlängert.
Ambrosia artemisiifolia L.: Das Problem Ambrosia-Pollen können starke Allergien und auch bei Nicht-Allergikern Asthma auslösen. Stärkstes bekanntes Pollenallergen Familie Asteraceae Einjähriges Kraut, 20-200 cm hoch Starkes Ausbreitungspotential Einzelne Pflanze bildet 3 000 bis 6000 Samen, die bis zu 40 Jahren keimfähig bleiben Einzelne Pflanze emittiert bis zu 3 Milliarden Pollen 3-5 Pollen pro m³ erzeugen Allergie Spätsommer- RCA/Asthma
Ambrosia-Allergie in Europa Die Ambrosia-Allergie ist eine Allergie des Erwachsenen Monosensibilisierungen nur in infestierten Gebieten In Mitteleuropa ohne größere Bestände meist Polysensibilisierungen Sensibilisierungen sind schon im Kindesalter nachweisbar Starkes Allergen Protease-Aktivität ROS-Induktoren Kreuzreaktivität mit Beifuss Pollenassoziierte Lebensmittelallergie Ragweed Melone Banane Gurke - Syndrom Primäre Prävention durch Minimierung lokaler Pollenemissionen!
Einschleppungswege für Ambrosia Wichtigste Einbringungswege Futtermittel, insbes. Vogelfutter Saatgut (z.b. Blumenmischungen, Wildackersaatgut, Ansaatmischungen o.ä.) Wichtigste Ausbreitungswege Verfrachtung von kontaminiertem Erdmaterial (z.b. bei Baumaßnahmen) Fahrzeuge (KfZ, landwirtsch. Maschinen, Mähfahrzeuge)
Verschleppung durch landwirtschaftliche Maschinen Karrer 2008
Verschleppung durch landwirtschaftliche Maschinen Karrer 2008
Karrer 2008
Ambrosia Ausbreitung in Europa
Verbreitung in Deutschland 2008 Landkreise mit großen Ambrosia Beständen > 100 Pflanzen (Stand Anfang 2008) Niederlausitz: Derzeit größte Bestände Bayern: 2005 Keine Nachweise 2006 20 Ambrosia-Vorkommen (>100 Individuen) 2007 78 Ambrosia-Vorkommen (>100 Individuen) 2010 154 Ambrosia-Vorkommen (>100 Individuen)
Wien, 11. August 2011 Mit Mundschutz und Handschuhen Auch im Burgenland hat man dem Ragweed den Kampf angesagt: Soldaten entfernen das Kraut und tragen dabei Mundschutz und Handschuhe. Ragweed-Bekämpfung (Bild: ORF) "Es würde im August, September gefährlich werden, wenn die Pflanzen zu blühen beginnen. "Wir verpacken die Pflanzen in Säcke und lassen diese einige Tage in der Sonne stehen, dann sind die Pflanzen tot. Söder will Kampf gegen Ambrosia- Pflanze verstärken 29.07.11 12:58 Uhr Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) will den Kampf gegen die als Allergien auslösend geltende Ambrosia-Pflanze verstärken. Straßenund Autobahnmeistereien sollten Fahrbahnränder beobachten, wo sich die Pflanzen gerne ausbreiten, und diese vernichten, teilte Söder am Freitag mit. 2010 habe es in Bayern 150 Ambrosia-Bestände mit mehr als 100 Pflanzen gegeben. dapd
Eher nicht 8/2011, A8 Bad Reichenhall
Zunahme von Ambrosia Pollenflug und Verbreitung 1990 2005 2008 none 0-2,2 Very low 2,2-8,9 Low 8,9-20,0 Moderate 20,0-35,6 High 35,6-55,6 Very high 55,6 - max
Wir brauchen Maßnahmen zur Prävention und Immunotherapie Problem: Ambrosia ist ein Neophyt, und findet als solcher in Mitteleuropa vermutlich andere Bedingungen als in Nordamerika vor Liegt eine modifizierte Allergenbestückung der Pollen in Mittelauropa vor? Problem: Der Klimawandel beeinflusst Blühzeitpunkt und Pollenmenge Beeinflussen Umweltparameter (UV, Ozon, Trockenheit etc.) auch allergenes Potenzial der Ambrosia Pollen? Werden sie agressiver? Problem: Ambrosia Pollen sind entweder lokalen Ursprungs oder werden über weite Strecken in großer Höhe transportiert Gibt es aggressive und weniger aggressive Pollen? Identifizierung und Charakterisierung von allergenen Komponenten als Basis für Immuntherapie
Allergenes Potential von Ambrosia unter Klimaveränderungen Verändert sich Ambrosia in Mitteleuropa? Umweltfaktoren beeinflussen pflanzliche Gesundheit und Fitness : Nahrung Biomasse Pharmaka Toxine Allergene
Hypothese: Allergisches Potenzial von Pflanzenkomponenten kann von Umweltbedingungen abhängen Beispiel: 25% aller Pflanzenallergene gehören zu den pathogenesis-related proteins (PR) = Stressproteine Stressproteine sind durch eine Vielzahl von externen Faktoren induzierbar Pathogene Schwermetall-Kontamination UV Strahlung Kälte Stress Trockenheit Salz Stress Verwundung.. Global change, Nachteilige Standorte
Ambrosia-Bestände häufig an ungünstigen Standorten und Ökosystemen Pflanzen vermutlich per se gestresst Gärten Neubaugebiete Straßenrand
Wird Ambrosia bei Umweltbelastung (z.b. Ozon) und in neuer Umgebung (invasive species) agressiver? Exposure chambers and solar simulators help to understand plant adaptation plant-atmosphere and plant-soil interactions under future climate conditions Umweltsimulationsanlagen des Helmholtz-Zentrum München
1 Pflanze produziert bis zu 3 Mrd Pollen 3-5 Pollen pro m³ genügen um Allergie auszulösen
Strategie: - Sequenzierung des Ambrosia Genoms - Expressionsanalysen - Proteom (Welche allergenen Komponenten sind präsent?)
270706 110806 230806 210906 101006 Count 0 40 80 120 Welche Umweltfaktoren induzieren welche Gene? Color Key and Histogram Ambrosia reagiert auf typische climate change Parameter: UV-B, Hitze, Ozon, Wassermangel -2-1 0 1 Value UV-B Drought (mod severe) Ozone UV-B/Ozone P8 P1 P2 P8 P7 P10 P8 P4 P7 P8 P9 P7 P8 P9 P8 P9 P7 P2 P8 P7 P9 P10 P7 P9 P10 P7 P9 P7 P1 P9 P7 P9 P7 P8 P7 P6 P1 P7 P5 P8 P6 P8 P7 P2 P8 P4 P3 P8 P2 P7 P1 P4 P7 P6 P8 P7 P2 P4 P3 P8 P7 P10 P2 P7 P4 P1 P4 P6 P4 P5 P6 P4 P1 P4 P6 P4 P6 P5 P6 P8 P5 P6 P5 P8 P5 P6 P5 P7 P5 P6 P5 P6 P4 P5 P6 P5 P4 P5 P6 P5 P6 P5 P10 P4 P5 P9 P6 P4 H9 H3 G10 C4 H9 F6 E1 H8 C9 H12 E5 E3 F1 C6 A8 D6 C1 F2 G4 B11 D5 D1 H11 F4 D3 G12 F8 H6 G4 D9 C10 G8 C2 B9 F4 F3 H11 A7 E11 H5 A6 G12 H10 A11 G3 C10 G9 B10 A10 F6 B5 A5 E2 G11 H3 G10 D6 H12 C7 H7 E10 H6 D7 G6 H12 B7 F1 A9 F12 D10 C3 F11 D11 C3 C7 C2 A4 D11 F7 B12 C10 E11 A3 B3 A12 E10 E5 H3 F4 B8 H11 C9 C11 A3 A1 E11 E6 F12 E9 D3 B8 G6 A12 B2 G5 E11 G5 G3 H8 B6 F10 A7 G1 D8 H5 E11 A12 C8 F10 B8 F5 C9 A1 A11 H8 G7 G8 C1 G4 B5 F6 E8 H3 D1 A1 D3 G6 H8 A6 H9 A2 G12 E6 E2 B1 H7 C8 F4 C5 B4 H10 H4 F10 H2 A6
Welche allergenen Proteine akkumulieren im Pollen? Hier: Ozon-Stress und 2 D-Gelektrophorese, MS/MS, itraq Amb1a: Hauptallergen der Ambrosia, in unterschiedlichen Kombinationen mit weiteren allergenen Proteinen
Relative Abundance Strategy and summary Umweltsimulation (Helmholtz Zentrum) Molekulare Charakterisierung der Pollen Transkriptom Proteom (Helmholtz Zentrum) lindermayr_pep_glu_kin_150min 9/11/2007 1:33:54 PM Klinische Tests (TUM, ZAUM) Immunotherapie, Deallergisierung Test von Allergenen RT: 15.92-30.24 100 50 0 100 50 0 100 50 0 100 50 16.01 441.67374 17.38 579.22308 18.27 579.24414 18.61 579.22308 18.16 579.22308 18.10 579.22308 19.48 426.69305 19.56 426.69305 20.06 441.19687 20.12 19.03 441.19687 579.22308 20.26 441.19687 19.55 426.69305 19.43 426.69305 18.24 426.69305 19.74 426.69305 21.49 426.69312 19.84 426.69305 20.73 441.19687 20.89 441.19687 22.62 426.69339 22.06 Identifizierung 426.69305 von Allergenen (Helmholtz, Uni Salzburg, KKG, 24.19 426.69327 4 23.61 426.69318 24.6 426.69 18.45 441.19687 18.51 TUM, 441.19687 19.73 ZAUM) 22.01 22.66 24.29 426.69305 426.69330 426.69333 426.69339 42 Kreuzreaktion, Orthologe (Helmholtz Zentrum) 0 100 50 0 Ambros 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 Time (min)
Münchner Ambrosia artemisiifolia Studie Prospektive Studie, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Prävalenz von Ambrosia-Sensibilisierungen und Erfassung der klinischen Relevanz Eingeschlossen werden alle Patienten, die sich in der Allergieabteilung vorstellen mit Indikation zur Pricktestung mit Aeroallergenen Fragebogengestützte Anamnese Haut-Prick-Test spez. IgE-Bestimmung (Majorallergene, Panallergene) nasaler bzw. konjunktivaler Provokationstest