1. Steirische Gesundheitskonferenz women s health Gesundheitspolitik frauengerecht mitgestalten 29. Juni 2006 Zusammenfassung IMPRESSUM: Medieninhaber: Gesundheitsplattform Steiermark, 8010 Graz, Burggasse 4 Für den Inhalt verantwortlich: Gesundheitsplattform Steiermark, 8010 Graz, Burggasse 4 Redaktion: FH JOANNEUM Gesellschaft mbh / Mag a. Christa Peinhaupt, Kaiser-Franz-Josef-Straße 418, 8344 Bad Gleichenberg Verlagsort: Graz / Bad Gleichenberg
Zusammenfassung der 1. Steirischen Gesundheitskonferenz - women s health Gesundheitspolitik frauengerecht mitgestalten Die 1. Steirische Gesundheitskonferenz stand unter dem Schwerpunktthema Frauengesundheit. Eine frauenspezifische Perspektive beizubehalten ist bei Entscheidungen im Gesundheitswesen wichtig, um eine Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Frauen in der Steiermark sicherstellen zu können. Das Land Steiermark hat bereits 1998 mit dem Frauen- und Mädchengesundheitsbericht und auch 2003 mit dem Frauengesundheitsbericht (Grasser, 2003; Rásky 1998) 1 eine Schwerpunktsetzung in diese Richtung gemacht. Den gesetzlichen Rahmen der 1. Steirischen Gesundheitskonferenz bildet das mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretene Steiermärkische Gesundheitsfonds-Gesetz. Entsprechend dieses Gesetzes ist zur Beratung des Fonds eine Gesundheitskonferenz einzurichten, in der die wesentlichen Akteurinnen und Akteure des Gesundheitswesens vertreten sind. Das Ziel, das mit der Einrichtung einer Gesundheitskonferenz erreicht werden soll, ist die Weiterentwicklung der Gesundheitspolitik mit allen AkteurInnen und Betroffenen. Die 1. Steirische Gesundheitskonferenz, die am 29. Juni 2006 stattfand, ist daher als Auftakt eines partizipativen Prozesses für die Steirische Gesundheitspolitik zu sehen. MitarbeiterInnen der FH JOANNEUM, Studiengang Gesundheitsmanagement im Tourismus (Mag a. (FH) Maria Auer, Mag a. Christa Peinhaupt), konzipierten und organisierten die Konferenz. Inhaltlich wurde die Konferenz vom Wissenschaftlichen Komitee (Mag a. Gerlinde Grasser MScPH, Mag a. Sylvia Groth MAS, Mag a. Christa Peinhaupt und Univ.-Prof in.dr in. Éva Rásky MME) vorbereitet. 200 Personen nahmen an der Konferenz teil. Etwa ein Viertel der TeilnehmerInnen kam aus dem Bereich der Versorgung (Krankenhaus, Pflege), ein weiteres Viertel aus dem Bereich des Landes Steiermark und aus Einrichtungen wie der Arbeiterkammer, Berufsförderungsinstitut usw. Etwa ein Fünftel nahm aus dem Bereich der Schulen (großteils Schulen für Gesundheitsberufe) und Universi- 1 Grasser, G. (2003). Frauengesundheitsbericht 2003 für die Steiermark. Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung 8B Gesundheitswesen. Download vom 9. August 2006 von http://www.verwaltung.steiermark.at/cms/dokumente/10141885_3763997/5af24bca/frauen04.pdf Rásky, É. (1998). Frauen & Mädchen Gesundheitsbericht Graz und Steiermark. Institut für Sozialmedizin, Karl-Franzens- Universität Graz. 2
täten teil, ein weiteres Fünftel kam aus dem Bereich der Vereine und Non-Government-Organisationen. Weitere TeilnehmerInnen kamen von Versicherungen, sonstigen Beratungseinrichtungen, Berufsverbänden und Einrichtungen außerhalb der Steiermark. Nach der Eröffnung durch Landesrat Mag. Helmut Hirt und der Erläuterung der neuen Strukturen des Steirischen Gesundheitswesens durch den Geschäftsführer der Gesundheitsplattform, DI Hofrat Harald Gaugg, wurden drei Plenarvorträge von renommierten Wissenschafterinnen gehalten. Frau Dr in. Ellen Kuhlmann vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen beleuchtete in ihrem Vortrag Gesundheitsreformen aus der Gender-Perspektive. Sie zeigte auf, dass die Frauengesundheitsbewegung ein wesentlicher Motor in der Umorientierung im Gesundheitssystem war. Sie sprach in diesem Zusammenhang Aspekte wie PatientInnenorientierung, interdisziplinäre Kooperation im Gesundheitswesen, integrierte Versorgung, Gesundheitsförderung und Prävention an. Eine genderspezifische Perspektive auf das Gesundheitswesen ist relevant als eye-opener für Versorgungsdefizite und als Innovationspotential für Gesundheitsreformen. Frau Dr in. Judith Fuchs vom Zentrum für Geschlechterforschung in der Medizin an der Charité in Berlin beleuchtete in ihrem Vortrag Unterschiede zwischen Frauengesundheit und Männergesundheit und gab auch einen Einblick in unterschiedliche Frauengesundheiten. Zu Letzterem ist die Datenlage spärlich weitere Forschung in diesem Bereich sollte forciert werden. Der Unterschied zwischen Frauen- und Männergesundheit liegt u.a. darin, dass sich Krankheiten bzw. Symptome bei Frauen und Männern unterschiedlich äußern. Vielfach beruhen wissenschaftliche Erkenntnisse auf männerdominierten Studien, wodurch für Frauen ein erheblicher Nachteil in Diagnose und Behandlung besteht. Frau Univ.-Prof in.dr in. Éva Rásky, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie der Medizinischen Universität Graz, ging in Ihrem Beitrag auf Rahmenbedingungen und Handlungsbedarf der Steirischen Politik für Frauengesundheit ein. Sie differenzierte auf Basis des sozialen Gesundheitsbegriffs die soziale Geschlechterrolle, das Alter, unterschiedliche Lebensphasen und situationen, unterschiedliche Präferenzen von Frauen, etc. als relevante Determinanten für unterschiedliche Frauengesundheiten. Eine ihrer Kernthesen war, dass (Frauen)Gesundheit nicht individuell herstellbar ist. Ihre Empfehlungen für die steirische Gesundheitspolitik sind breit: Eine zielgruppenspezifische Planung setzt zielgruppenspezifische Daten voraus. Gesundheitsförderung muss einen höheren Stellenwert bekommen und insbesondere die sozialen Determinanten von Gesundheit müssen in der Versorgungs- und Angebotsplanung stärker berücksichtigt werden. Insbesondere in der Gesundheitsplattform soll Gender Mainstreaming in Gremien, Inhalten und Entscheidungsprozessen realisiert werden. 3
Am Nachmittag wurde der partizipative Ansatz der Gesundheitskonferenz in drei parallelen Workshops aktiv gelebt. ExpertInnen aus der Steiermark gaben Inputs zu den Workshopthemen, im Anschluss an die Inputs wurden die Workshopthemen von allen TeilnehmerInnen diskutiert. Ziel der Workshops war es, konkrete Handlungsempfehlungen für die Gesundheitsplattform vorzuschlagen. Der erste Workshop Gesundes Leben für Frauen beschäftigte sich mit den Rahmenbedingungen für ein gesundes Leben. Der Fokus dieses Workshops mit Inputs von Landesrat Mag. Helmut Hirt, Josef Pesserl (Obmann der Steirischen Gebietskrankenkasse) und Mag a. Karin Reis-Klingspiegl (Geschäftsführerin von Styria vitalis), wurde auf Gesundheitsförderung gelegt. Die Kurzstatements der VertreterInnen am Podium, sowie auch die zusammenfassenden Schlussstatements befassten sich weitgehend damit, dass Frauengesundheitsförderung ein langfristiger Prozess ist. Frauengesundheit wird nicht allein vom Gesundheitsressort gefördert und beeinflusst, sondern durch eine Vielzahl an Entscheidungen und Handlungen in anderen Sektoren, wie z.b. Soziales, Bildung, Arbeit. Frauengesundheit kann durch die Veränderung der Rahmenbedingungen nachhaltig verbessert werden. Hierfür bedarf es eines partnerschaftlichen und sektorenübergreifenden sowie settingorientierten Ansatzes. Um diese Veränderungen herbei zu führen, bedarf es allerdings auch des Know-hows im Public Health Bereich, wo bereits einiges erreicht wurde, allerdings noch viel an Kapazitäten aufzubauen ist. Neben diesen Aspekten wird in der Diskussion als Beitrag zur Förderung der Frauengesundheit die stärkere Einbindung der Pflege in die Entscheidungsfindung der Gesundheitspolitik bzw. konkret die Einbindung der Pflege in die Gesundheitsplattform gefordert. Im Workshop Gesunde Gesundheitsberufe wurden Rahmenbedingungen, Strategien und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements in Einrichtungen des Gesundheitswesens diskutiert. Nicht zuletzt da die Pflege der größte und weiblichste Gesundheitsberuf ist, wurden Problemlagen und Potentiale exemplarisch anhand dieser Berufsgruppe diskutiert. Zu beachten ist, dass die Arbeitsbedingungen und die Möglichkeiten zu Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz in der mobilen Pflege, der stationären Akut- und der stationären Langzeitpflege unterschiedliche sind. Auch sind die Bedürfnisse von jungen und älteren ArbeitnehmerInnen andere - Maßnahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements sollten diese Unterschiede berücksichtigen. Es wurde kritisch angemerkt, dass nicht zuletzt im Zusammenhang mit einem höheren Pflegebedarf aufgrund des demographischen Wandels die Personalbedarfsplanung und innovative Ausbildungen (z.b. zur Family Nurse) von der Gesundheitspolitik in Angriff genommen werden müssen. Die Inputs dieses Workshops wurden von Mag. Alexander Gratzer (Arbeiterkammer Steiermark), Pflegedirektorin Annemarie Gigl (Österreichischer Gesundheits- und Krankenpflegeverband, Pflegedirektorin für Gesundheits- und Soziale Dienste des Roten Kreuzes Steiermark), Pflegedirektorin Susanna Reisinger MAS (LKH Weiz) und Mag a. Beate Atzler (Stellvertretende Leiterin des Wissenschaftszentrums Gesundheitsförderung/Prävention der VAEB) gegeben. 4
Der Workshop Frauengerechte Versorgung beleuchtete die Chancen(un)gleichheit im Zugang zum Gesundheitssystem auf Basis genderspezifischer Unterschiede. Kurzstatements wurden von Mag a. Sylvia Groth MAS (Geschäftsführerin Frauengesundheitszentrum, Graz), Dr. Siegfried Marchel (Geschäftsführer Gesundheitsplattform Steiermark), Univ. Prof. Dr. Thomas Pieber (Ärztlicher Leiter LKH-Univ.Klinikum Graz) und Mag a. Renate Skledar (PatientInnen- und Pflegeombudsfrau des Landes Steiermark) gegeben. Frauen erleben das Gesundheitssystem aus verschiedenen Blickwinkeln. Zum einen sind sie als Patientinnen Nutzerinnen des Systems, zum anderen tragen sie es als Mitarbeiterinnen mit. Frauengerechte Versorgung kann nur möglich werden, wenn Frauen in ihren verschiedenen Rollen und Funktionen beteiligt werden und in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Im niedergelassenen Bereich ist das Angebot männerdominiert, auch im Krankenhausbereich wird der Anteil an Frauen mit jeder höheren Führungsebene geringer. Da Frauen aber das System mehr in Anspruch nehmen als Männer, ergibt sich hier ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Bedarf. Entscheidungen werden vorwiegend durch Männer getroffen. Nur die Pflege von PatientInnen wird weiterhin überwiegend von Frauen ausgeführt. Schon die Ausbildungen sollten daher ein Gender-Bewusstsein schaffen, wie auch ein Bewusstsein und Lösungen dafür, wie Frauen in ihren Doppelbelastungen entlastet werden können und auch die Möglichkeit haben, beruflich bis in höchste Ebenen erfolgreich zu sein. PatientInnen auf der anderen Seite müssen fähig sein zu zeigen, was sie brauchen. Hier nehmen Selbsthilfegruppen eine wichtige Rolle für das Empowerment von PatientInnen ein. Die Interessensvertretung von PatientInnen sollte ein Qualitätsmerkmal im Gesundheitswesen sein. Die Diskussion in allen drei Workshops war sehr rege und konstruktiv. Der Auftrag der Workshops bestand in der Formulierung konkreter Handlungsempfehlungen für die Gesundheitsplattform. Die zentralen Empfehlungen der Workshops wurden im Abschlussplenum ( Kolloquium ) von den Moderatorinnen der Workshops (Dr in. Brigitte Steingruber, Mag a. Christa Peinhaupt, Univ.-Prof in. Dr in. Éva Rásky) den VertreterInnen der Gesundheitsplattform präsentiert. Die VertreterInnen der Gesundheitsplattform waren: DI Mag. Dr. Gerd Hartinger MPH (Städtebund), Vorstandsdirektor Ernst Hecke (KAGES), Mag. Helmut Hirt (Landesrat für Gesundheit, Spitäler und Personal), LAbg. Mag a. Ursula Lackner (Land Steiermark), LAbg. Ingrid Lechner-Sonnek (Die Grünen), Obmann Josef Pesserl (Sozialversicherung), Dr. Martin Piaty (Sonstige steirische Fonds-Krankenhäuser), LGFStv. Dietmar Pilz (Gemeindebund), Mag a. Renate Skledar (PatientInnen- und Pflegeombudsschaft), Direktor Nikolaus Koller MAS, (Vertretung Johann Bacher, Land Steiermark). 5
Handlungsempfehlungen für die Gesundheitsplattform aus dem Workshop Gesundes Leben für Frauen : Einbindung der Pflege als frauendominierter Bereich in die Entscheidungsfindung in der Gesundheitspolitik bzw. konkret in die Gesundheitsplattform. Aufbau von Public Health Kapazität, um effektive Frauengesundheitsförderung zu ermöglichen. Partnerschaftliche, sektorenübergreifende und settingorientierte Frauengesundheitsförderung ist notwendig. Empfehlungen aus dem Workshop Gesunde Gesundheitsberufe : Festschreibung von gesunde Arbeitswelt (für Gesundheitsberufe) als Gesundheitsziel. Erstellung eines Steirischen Pflegeberichts, da es noch keine einheitliche Pflegebedarfserhebung gibt. Einrichtung einer ständigen Vertretung der Pflege- und Gesundheitsberufe in der Gesundheitsplattform - zumindest in der Form eines kontinuierlich beratenden Gremiums. Handlungsempfehlungen aus dem Workshop Frauengerechte Versorgung : Einrichtung eines ständigen beratenden Gremiums für die Gesundheitsplattform, das sich mit Frauengesundheit auseinandersetzt. Sicherung des Zugangs zum Gesundheitswesen für alle benachteiligten Gruppen als allgemeines Qualitätskriterium des Gesundheitswesens. Förderung von Aus-, Fort- und Weiterbildung in allen Gesundheitsberufen und darin Etablierung von Frauengesundheit als Qualitätskriterium. Alle Empfehlungen aus den Workshops wurden von den VetreterInnen der Gesundheitsplattform positiv aufgenommen. Josef Pesserl als Vertreter der Sozialversicherung in der Gesundheitsplattform unterstrich die Bedeutung von beratenden Gremien aus Wissenschaft und Praxis für die Gesundheitsplattform. Eine zentrale Aufgabe der Gesundheitsplattform wird es sein sich mit der Struktur der Gesundheitsversorgung zu beschäftigen. Richtige Leistungen müssen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort erbracht werden. Dabei geht es nicht nur um die Krankenbehandlung, sondern um Rahmenbedingungen für ein gesundes Leben. Diese Themen sollten nicht parteipolitisch bearbeitet werden. Generell sollen für den Gesundheitsbereich mehr Mittel aufgebracht werden und jeder Mensch soll einen nahezu uneingeschränkten Zugang zu den Leistungen des Gesundheitswesens haben. Landesrat Mag. Helmut Hirt sprach in seinem Abschlussstatement die Alterung der Bevölkerung an, die das Gesundheitswesen vor große Herausforderungen stellt. Dabei stellt sich die Frage, ob das 6
bestehende Modell beibehalten oder zugunsten eines wettbewerbsfähigeren Modells zurückgesetzt werden soll. Landesrat Hirt plädierte dafür, das bestehende Modell aufrecht zu erhalten, auch wenn damit höhere Kosten verbunden sind, denn Ineffizienz zu beseitigen reicht nicht aus, um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen. Die Politik muss nachvollziehbar arbeiten, vernetzt denken und handeln. So sollen es auch die Plattform und die Gesundheitskonferenz handhaben. Wichtig waren ihm der Dialog mit der Bevölkerung und das Beibehalten von Gesundheitskonferenzen. Bezugnehmend auf die präsentierten Handlungsempfehlungen aus den Workshops unterstrich er, dass ein ständiger Dialog zwischen Gesundheitsplattform und Pflege eingerichtet werden sollte. Weiters soll ein Gender-Controllingbeirat 2 zur Gesundheitsplattform eingeführt werden. Die Gemeinde als Lebensort ist wichtig für die Gesellschaft und birgt große Potentiale für Gesundheitsförderung, wie anhand der Gesunden Gemeinde sichtbar wird. Ein Vorschlag dieses gesundheitsfördernden Potentials der Gemeinden auch in Hinblick auf Frauengesundheit zu stärken, wäre die Einrichtung einer Frauengemeinderätin. Abschließend bedankte sich Landesrat Hirt bei allen Anwesenden für eine erfolgreiche 1. Steirische Gesundheitskonferenz und regt die Fortsetzung dieses partizipativen Prozesses in Form von weiteren Gesundheitskonferenzen und Dialogen mit ExpertInnen und der Bevölkerung an. 2 Mag a. Groth MAS (GF Frauengesundheitszentrum, Graz) erhielt in der Zwischenzeit bereits den Auftrag zu Erstellung eines Konzepts für einen Fachbeirat Frauengesundheit für die Gesundheitsplattform 7