Täterloyalität und Täteridentifikation:

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1. Aufbau des Manuals

Transkript:

Folie 1 Täterloyalität und Täteridentifikation: Verstehen, erkennen, verändern Michaela Huber www.michaela-huber.com Folie 2 Was macht Gewalt mit Kindern? Kaskadenmodell von Teicher(ab 2000): 1. Wiederholte frühe Stresserfahrung verändert die Stress-Reaktionssysteme von Grund auf (u.a. epigenetische Veränderung d. Glukokortikoid-Rezeptor-Gens); das bewirkt 2. Veränderungen in der Genexpression, Myelinisierung, neuronaler Morphologie (Bsp. PFC), Neurogenese und Synaptogenese. 3. Das Timing der Schädigung ist wichtig. 4. Dauerhafte Konsequenzen: Schädigungen des Neokortex(v.a. links), verminderte Integration der beiden Großhirnhälften, gesteigerte elektr. Reizbarkeit der Schaltkreise im limbischen System 5. Schwere (psychiatrische) Folgen wie (komplexe) PTBS, Dissozialität und Depression treten oft erst später auf, so dass gilt: 6. Je früher eingreifen, desto besser! 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 2 1

Folie 3 Täterloyalität und Täter-Imitation Auch wenn man das nicht will: Bei Gewalterfahrungen nimmt man über die Spiegelneurone Abbilder ( Spiegel-Splitter ) der TäterInin sich auf. Später tauchen diese in Gedanken, Gefühlen und Verhaltensimpulsen auf: a) Wenn sie getriggert werden b) Wenn die Persönlichkeit sich von dem entfernt, was die Original-TäterIn noch akzeptabel fände c) Wenn sie Teile der Persönlichkeit geworden sind. Viele gequälte Kinder bleiben lebenslang an die TäterIn gebunden ( brav und Liebe-bedürftig, manchmal auch in Schuldgefühlen oder im Hass vereint ). 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 3 Folie 4 Die Entwicklung zum Täter/Täterin Mangel an Affekt- und Impulskontrolle Anfangs leichtere impulsive dissoziale Taten. SexualtäterInnenbeginnen (auch) mit zahlreichen anderen Auffälligkeiten. Kinder/Jugendliche imitieren, was sie erlebt haben. Sexualisierte Gewalt ist Ausdruck von Dominanz- Willen, Machtausübung zum Zweck der Unterwerfung, Einverleibung. Wer bei Sexualtaten bleibt, will häufig Reines, Unschuldiges zerstören stellvertretend für das Zarte in sich. Es geht NICHT um Liebe oder Erotik! 2

Folie 5 Wissen, was man will, ist schwer es dann umsetzen, noch viel mehr Bild: Vögelchen hält sich zwischen 2 Bäumen 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 5 Folie 6 Am besten rechtzeitig damit anfangen Bild: 2 alte Damen sitzen zusammen Text: Life is nothing without friendship 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 6 3

Folie 7 Erprobte Regeln für die Arbeit: 1 3: Aufrichtigkeit 1. Anderen kann man etwas vormachen (Tätern z.b.), aber ich selbst (wir) mache mir/machen uns nichts mehr vor. Psychoedukation, warum Aufrichtigkeit im inneren Kontakt wichtig ist. 2. Man darf in der Therapie (und untereinander im inneren System) Dinge noch verschweigen, Stoppsignale beachten, Grenzen für Offenheit setzen. 3. Aber was man sagt (auch in der Therapie), soll aufrichtig sein (Aufrichtigkeit im th. Kontakt). Folie 8 4

Folie 9 Wieviel positive Energie darf es geben? Bild: Die Sau trägt heut ein neues Kleid, Denn gestern trug sie Herzeleid 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 9 Folie 10 5

Folie 11 Der Raum des Nachdenkens Alle starken Gefühle erst einmal beiseite, und sich selbst innerlich achtsam beobachten: Welche Energien möchtest Du freisetzen? Wovor gibt es Befürchtungen was könnte schlimmstenfalls passieren? Gibt es einen inneren Konflikt, mehrere Seelen in Deiner Brust? Ego-State-Arbeit auf der inneren Bühne. Anschließend überprüfbare Verhaltens-Schritte: Was machst du bis zum nächsten Mal anders, als du es sonst tun würdest? Folie 12 Regeln 4 6: Innere Gewalt-Freiheit und Fragen nach von außen kommender Gewalt 4. Keine Gewalt, weder nach außen, noch nach innen, im Zusammenhang mit dem, was wir hier besprechen, auch nicht hinterher zu Hause. 5. Um Gewaltfreiheit einhalten zu können: Notfall-Liste. 6. a) Gibt es jemanden außen, der heute noch den Körper verletzt? (außen und heute er-klären). 6 b) Gibt es jemanden außen, heute, vor dem oder der man sich fürchtet, mit dem man aber in Kontakt ist? 6

Folie 13 Folie 14 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 14 7

Folie 15 Regeln 7 10: Destruktive und heilsame Bindungen er-klären 7. Wenn Täterkontakt und ggf. weitere Traumatisierung: Priorität für Ausstieg klären. 8. Pro und kontra erörtern mit allen Anteilen. 9. Parallel schon sichere Bindungen aufbauen. 10. TherapeutIn klärt (u.u. in Supervision), wie lange sie bereit ist, den Ausstieg zu begleiten, und bearbeitet ihre (Gegen-) Themen. Folie 16 8

Folie 17 Regel 11: Ausstiegs-Reihenfolge I. Keine radikalen Beschlüsse fassen, ohne das in der Therapie besprochen zu haben. II. Nicht mehr selbst Kontakt zu den TäterInnen/ der Clique aufnehmen (Schritt für Schritt). III. Alle Zugangswege zu sich für die (Mit-)TäterInnenversperren: Wohnung, Telefone, Konto, Email IV. Sich vor den (Mit-)TäterInnenverbergen (Schutzwohnung, FreundInnen, Klinik etc. V. Aktiv die (Mit-)TäterInnenabwehren (Stalking-Anzeige, Polizei, Rechtsanwaltsbrief etc.) Folie 18 Regel 12: Mitfühlend den Täterintrojekten zuhören Sie sind im Moment der höchsten Not entstanden. Sie haben sich gemerkt, wie man sein/was man tun muss, um zu überleben. Sie werden von Tätern getriggert, von Situationen/Erinnerungsdaten. Sie melden sich, wenn die Persönlichkeit sich (zu) weit von dem entfernt, was der Täter noch tolerabel finden würde. Sie müssen mitgenommen werden auf dem Weg, sie bestimmen oft das Tempo! 9

Folie 19 Folie 20 Regel 13: Beziehung in die Waagschale werfen KlientInwird immer wieder innehalten und durch strukturelle Dissoziation überzeugt sein, es gehe nicht weiter. Z.B. bleibt sie in destruktiven Beziehungen. TherapeutInkann dann ihre Beziehung herausfordern: Sie wird den Griffel hinlegen und eine Therapiepause von mehreren Wochen einlegen, wenn es nicht weitergeht. Begründen, dass dies keine Bestrafung ist, sondern dass es sein kann, dass Kl. erst einmal das Erreichte überprüfen bzw. ihr Leben weiterleben kann. Th. macht klar: Sie macht sich nicht zur Komplizin der schlechten Verhältnisse! Evtl. äußere HelferInnen einbeziehen, Helferkonferenz. 10

Folie 21 Folie 22 Regel 14: Konkrete Verhaltens-Schritte heraus, dann erst evtl. anzeigen Realistische Schritte tun, diese stabilisieren. Anzeige: Unterschied zwischen juristischem und psychotherapeutischem Denken deutlich machen: Wenn keine Beweise, dann keine Verurteilung. Sicherheit zuerst, kein Aktionismus! 11

Folie 23 Regel 15: Trauma- und Trauerarbeit Je weiter externe Sicherheit gelebt werden kann, desto mehr kann Traumabearbeitung Thema sein. Trauerprozesse müssen ausgehalten werden! (Achtung auf SVV und Suizidalität, Sucht-Rückfälle, Wiederaufnahme der Kontakte zu den Tätern in dieser Phase etc. Beginn mit aktuellen Beziehungs-Konflikten, dabei Einsatz von Distanzierungs-Techniken (S.O., Tresor, Screen, etc.) Immer wieder Reorientierung, Diskussion des Prozesses auf allen Ebenen der Persönlichkeit! Folie 24 Regel 16: ANPs und EPs verbünden Alltags-Funktionen und innere HelferInnen, BeobachterInnen etc. zuerst zur Funktionstüchtigkeit bringen. Innenarbeit, wobei ANPs aus sicherer Entfernung zuschauen können. Integration (z.b. ANP und EP geben die Hände beim Tappen mit EMDR) th. fördern, dabei Achtung auf (Mangel an) Toleranzen! Innere kleinere Anteile dürfen nur raus, wenn ältere, beschützende dabei sind! 12

Folie 25 Regel 17: Weitere Traumabearbeitung Themen wie Scham, Schuld, Verantwortung für Geschehnisse können nur mit der Zeit angegangen werden. Dafür ist eine bessere Mentalisierungsfähigkeit erforderlich (Beobachten, Bewerten, Einschätzen, Zusammenhänge erkennen, Folgen Durchdenken etc.) Sich selbst zuerst verzeihen, dann erst ggf. anderen! Folie 26 Bild: Waschbär trägt Katze 13

Folie 27 Integration: Non-Dualität Die Spaltung in Opfer und Täter, Opferanteile und Täterintrojekte wird zunehmend aufgehoben. Das Kraftvoll-Energetische, Kontroll-Fähige und Beschützende der ehemaligen Täterintrojekteergänzen das Achtsame, Liebevolle und (Selbst-)Fürsorgliche der ehemaligen Opfer- Anteile plus innerer HelferInnen. Die Fähigkeit, Gutes und Böses zu tun, wird erst reflektiert, statt impulsiv ausgeführt. Die eigenen Kinder werden adäquat behandelt, intergenerationelle Prozesse reflektiert und angemessen innerfamiliär besprochen. Folie 28 Dann kann es doch noch richtig nett werden Bild: Nilpferde kuscheln 09.08.2011 Copyright: Michaela Huber 28 14