Tinnitus Alarm im Ohr

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Hintergrundinformation Tinnitus Alarm im Ohr Brummen, Summen, Pfeifen und kein Ende. Millionen Menschen leiden an quälenden Ohrgeräuschen, medizinisch Tinnitus genannt. Deren Ursachen sind so vielfältig wie die Behandlungsangebote. Hier eine Zusammenfassung wichtiger Fakten und wissenswerter Informationen: Der Dauerton im Ohr Der Begriff Tinnitus leitet sich vom lateinischen Wort tinnire (= klingeln) ab und bezeichnet Hörwahrnehmungen, die nicht von einer äußeren Schallquelle kommen. Viele Menschen beschreiben ihren Tinnitus tatsächlich als ein Klingeln, andere vernehmen ein Brummen, Summen oder Pfeifen. Eines haben die unterschiedlichen Höreindrücke gemeinsam: Sie sind niemals angenehm. Ein Symptom keine Krankheit Ein Tinnitus ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Es zeigt Störungen im hörverarbeitenden System an und kann mit ganz unterschiedlichen Krankheitsbildern gekoppelt sein. Ein häufiges, ein altes Leiden Tinnitus ist kein Leiden der Neuzeit. Es war schon im alten Ägypten als Sturm im Ohr bekannt. Gelehrte wie Hippokrates und Paracelsus beschrieben das tönende Phänomen. Persönlichkeiten der Geschichte, darunter Luther und Beethoven, litten an quälenden Ohrgeräuschen. Heutzutage sind etwa 25 Prozent der Bevölkerung in Industrienationen zumindest einmal im Leben von Tinnitus betroffen. Bei zehn bis 20 Prozent von ihnen bleibt der Tinnitus über einen längeren Zeitraum oder dauerhaft, etwa drei Prozent sind behandlungsbedürftig. Seite 1 von 5

Subjektiv, doch nicht eingebildet Die Medizin unterscheidet zwischen objektivem und subjektivem Tinnitus: Ein objektiver Tinnitus ist auch für den Arzt hörbar. Er tritt sehr selten auf und verschwindet in der Regel nach Behebung der Ursache. Die meisten Ohrgeräusche können jedoch nur von den Betroffenen selbst gehört werden. Sie bezeichnet man als subjektiven Tinnitus. Kommt der Betroffene damit zurecht und fühlt sich in seiner Lebensqualität nicht erheblich eingeschränkt, spricht man von kompensiertem Tinnitus. Beeinträchtigt der Tinnitus dagegen das Leben so stark, dass er Krankheitswert bekommt, spricht man von chronisch komplexem bzw. dekompensiertem Tinnitus. Die Gefahr, dass der Betroffene seine Ohrgeräusche nicht überhören kann und unter einen erheblichen Leidensdruck kommt, besteht im akuten wie im subakuten Stadium (Dauer bis zu 12 Monate), vor allem aber bei chronischen Fällen, wenn ein Tinnitus länger als zwölf Monate andauert. Lange Zeit wurde der subjektive Tinnitus als eingebildete Krankheit betrachtet. Nicht Wenige haben eine Odyssee hinter sich, wurden von uneingelösten Heilsversprechen enttäuscht, von unseriösen Hilfsangeboten getäuscht oder fühlten sich als Hypochonder verkannt. Inzwischen ist Tinnitus auf vielen wissenschaftlichen Tagungen und in zahlreichen Publikationen ein wichtiges Thema. Unterschiedliche Fachbereiche beschäftigen sich damit und gewinnen mehr und mehr Einsichten in das Leidensbild. Dank moderner, Bild gebender Verfahren konnten mittlerweile auch organisatorische Veränderungen im Gehirn Betroffener nachgewiesen werden. Diese sprechen nicht nur dafür, Tinnitus als Leiden ernst zu nehmen, sondern können auch neue Wege aufzeigen, den unliebsamen Begleiter zu beherrschen. Rätselhaft, aber nicht gefährlich Trotz der intensiven Forschung können eindeutige Tinnitus-Auslöser bislang nur sehr selten identifiziert werden. Die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen auf Seite 2 von 5

eine Vielzahl an Ursachen schließen. Folgerichtig gibt es nach wie vor nicht die eine Therapie, die das Symptom Tinnitus auslöschen könnte. Die Wissenschaft hat inzwischen allerdings Strategien entwickelt, mit denen die lästigen Ohrgeräusche, wenn schon nicht beseitigt, so doch beherrscht werden können. Die Zusammenarbeit verschiedener medizinischer Fachgebiete und integrative Therapieansätze können inzwischen den meisten Betroffenen wirksame Hilfe bieten. Hören - Ruhe im Kopf Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Behandlung ist es, die akustische Aufmerksamkeit der Patienten vom unerwünschten Ohrgeräusch wegzulenken, möglichst von Beginn an, um eine Chronifizierung zu vermeiden. Aber auch, wenn sich der fälschlich ausgelöste Höreindruck bereits im Gedächtnis des Sinnessystems festgesetzt hat, kann durch eine Ab- bzw. Umlenkung der Wahrnehmung das Geräusch in den Hintergrund gedrängt und zumindest erträglich gemacht werden. Eine apparative Versorgung kann viele Tinnitus-Patienten auf diesem Weg wirksam unterstützen. Noiser - das therapeutische Gegengeräusch Die Notwendigkeit, den Hörsinn der Patienten umzulenken und das Hören wieder positiv zu besetzen, bildet die Grundlage für die Entwicklung von Tinnitus- Rauschgeräten, so genannter Noiser oder Masker. Sie sorgen für eine akustische Ablenkung vom Ohrgeräusch und helfen, das Hören wieder auf äußere Geräusche zu lenken und mit neuen, angenehmen Höreindrücken das negativ besetzte Ohrgeräusch zu verdrängen. Häufig werden sie auch im Rahmen der so genannten Tinnitus-Retraining-Therapie (Retraining = Umlernen/Verlernen) bzw. bei Habituationsverfahren eingesetzt. Diese zielen darauf ab, dem unerwünschten Ton im Ohr das Unausweichliche, das Bedrohliche zu nehmen. Gleichzeitig wird das Bewusstsein für das Ohrgeräusch desensibilisiert und so eine Gewöhnung an den täglichen Begleiter Tinnitus erreicht. Da das komplette Maskieren, also das akustische Verdecken eines Ohrgeräusches, eine mindestens so hohe Lautstärke wie das Tinnitusgeräusch erfordert, kann das auf die Dauer unangenehm sein. Darum werden inzwischen Noiser eingesetzt, deren Rauschen leiser als der Tinnitus eingestellt wird. Sie stimulieren das Hörsystem mit Seite 3 von 5

einem angenehmen, vom Patienten wählbaren Geräusch und tragen auf diese Weise dazu bei, das innere Geräusch zu verdrängen und im Idealfall vergessen zu lassen. Noiser können im chronischen wie im Akutfall hilfreich sein. Hörgeräte - aktives Hören Die meisten Menschen mit Tinnitus sind gleichzeitig schwerhörig. Viele von ihnen können bereits durch das Tragen von Hörgeräten ihr Problem lindern und damit auch einer möglichen Dekompensation vorbeugen. Dies lässt sich folgendermaßen erklären: Schwerhörige Menschen nehmen Tinnitus stärker wahr, da die überdeckenden Außengeräusche teilweise fehlen. Hörgeräte gleichen den Hörverlust aus. Die Betroffenen können sich wieder auf die Geräusche von außen konzentrieren, die inneren Geräusche verlieren an Bedeutung. Damit erfüllen Hörgeräte eine ähnliche Funktion wie Rauschgeräte. Für die Tinnitus-Betrachtung bei gleichzeitiger Schwerhörigkeit ist folgende Sichtweise interessant: Normalerweise werden etwa 30% der Geräusche von außen bewusst wahrgenommen, der Rest wird unbewusst ausgeblendet. Bei intakter Filterfunktion gelingt es, auch subjektive Ohrgeräusche zu überhören. Geschädigte Haarzellen im Innenohr können aber nicht mehr angemessen auf einen Schallreiz reagieren und geben einen Dauerimpuls weiter. Denkbar ist auch, dass noch ungeschädigte Haarzellen übersteigerte Nervenimpulse freisetzen. Beides kann die fälschlichen Hörwahrnehmungen auslösen. Wird der Hörsinn schließlich lange und intensiv stimuliert, kann das dazu führen, dass die Sinneswahrnehmung bestehen bleibt, selbst, wenn der auslösende Reiz längst weggefallen ist, weshalb man Tinnitus oft auch den Phantomschmerz des Ohres nennt. Diesem Phantomschmerz entgegenzuwirken, ist darum wesentlicher Teil einer Tinnitus-Therapie. Hat sich die fälschlich ausgelöste Sinneswahrnehmung bereits im Gedächtnis des Sinnessystems festgesetzt, kann durch eine Ab- bzw. Umlenkung Seite 4 von 5

der Wahrnehmung das Geräusch in den Hintergrund gedrängt und erträglich gemacht werden. Defekte Haarzellen sind Hauptursache der meisten Hörminderungen. Sind Schwerhörige von Tinnitus betroffen, liegt dieser in der Regel im gleichen Frequenzbereich wie die Schwerhörigkeit. Insofern rechtfertigt auch diese Erkenntnis einen Vergleich des Tinnitus mit Phantomschmerzen und legt eine Anpassung von Hörgeräten nahe. Kombinations-Geräte - doppelter Nutzen Bleiben Ohrgeräusche auch mit Hörgeräten dominant, bieten sich Kombinationsgeräte aus Hörgerät und Noiser an. Sie vereinen Hörgerätefunktion und Rauschgenerator in einem Gerät und sind auch wahlweise zu nutzen. Diese Geräte helfen, vom inneren Dauerton wegzuhören und gleichzeitig das Gehör nach außen zu richten. Die Anpassung von Hörgeräten und/oder Noisern ist ein anerkanntes Element im Rahmen verschiedener Therapieansätze. In jedem Fall aber muss eine eingehende Analyse der Symptomatik und individuellen Lebensumstände eines Betroffenen vorausgehen. Integrative Therapien und die interdisziplinäre Zusammenarbeit unterschiedlicher Experten wie HNO-Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, aber auch Audiologen und Hörgeräteakustikern haben sich in den meisten Fällen bewährt. Kontakt: Erika Weigmann E-Mail: Erika.weigmann@siemens.com Stand: Februar 2012 Seite 5 von 5