Substitution oder Delegation: Muss es immer der Arzt sein?

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2 Sehr geehrte Frau Tutt, sehr geehrte Frau Müller, sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie sind abends zu Hause und Ihrem Partner geht es nicht gut. Er klagt über Magenschmerzen, hat dabei leichte Krämpfe und fühlt sich insgesamt elend. Was tun Sie? Genau: Sie rufen den ärztlichen Bereitschaftsdienst! Sie wollen, dass ein Arzt 1 zu Ihnen nach Hause kommt und Ihren Partner nach allen Regeln der ärztlichen Kunst untersucht, eine Diagnose stellt und eine Behandlung vorschlägt. Sie kämen doch gar nicht erst auf die Idee, dass eine Krankenschwester oder ein Angehöriger eines anderen nicht medizinischen Fachberufes diese Aufgabe erledigen könnte. Denn es erfordert das gesamte Wissen und Können eines approbierten Arztes mit einer Facharztweiterbildung, um eine Diagnose und die Erstbehandlung vorzunehmen. Anderer Fall. Ein älteres Ehepaar ist zu Hause. Eine Betreuung durch den Pflegedienst ist noch nicht notwendig. Beide sind seit langer Zeit mit ihren chronischen Erkrankungen bei ihrem Hausarzt in Behandlung. Leider sind sie nicht mehr so mobil wie früher. Ein Besuch in der Arztpraxis wird zunehmend zur Belastung. Jetzt steht eine Kontrolle bestimmter Werte an, um den aktuellen Gesundheitsstatus zu erheben, wie etwa Blutzucker- und Blutdruckmessung. Außerdem müssen die gewohnten Arzneimittel wieder verordnet werden. Der behandelnde Hausarzt kennt das Ehepaar seit Jahren sehr gut, weiß um deren Erkrankungen, kennt die Begleitumstände. Er beauftragt eine besonders qualifizierte Mitarbeiterin in seiner Praxis, das Ehepaar zu Hause aufzusuchen. Dort soll sie die notwendigen Messungen durchführen und auf Veränderungen im Gesundheitszustand und bei der Medikamenteneinnahme achten. Das ist auch ein Hausbesuch. Aber einer unter anderen Prämissen! Ich bin sicher: Die allermeisten Patienten wären sofort damit einverstanden, dass in diesem Fall anstelle des Arztes selbst eine qualifizierte Mitarbeiterin kommt. Weshalb ist das eine in der ambulanten medizinischen Versorgung inakzeptabel und das andere sinnvoll? Der Unterschied liegt in der Art der Tätigkeit und darin, wer letztlich die Verantwortung für die Tätigkeit trägt. Im ersten Fall ist es ganz klar: Nur ein ausgebildeter Arzt ist in der Lage, eine Diagnose zu stellen und gemeinsam mit dem Patienten eine Behandlung festzulegen. Er ist in der Lage, über die Dringlichkeit zu entscheiden und die Verantwortung für seine Entscheidung zu tragen. Denn das ist Inhalt seines langen Studiums und seiner langen Facharztweiterbildung. 1 Die Bezeichnung Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut, Arzt oder Psychotherapeut wird einheitlich und neutral für Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeutinnen und Vertragspsychotherapeuten, Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verwendet.

3 Im zweiten Fall ist ebenfalls klar: Die notwendigen Tätigkeiten sind von einer entsprechend qualifizierten Praxismitarbeiterin sehr wohl kompetent zu erledigen. Sie arbeitet in enger Anbindung an den Hausarzt, sie arbeitet unter seiner Verantwortung und berichtet die Ergebnisse direkt an ihn. Er kann dann anhand der erhobenen Befunde feststellen, ob eine Veränderung der Behandlung notwendig ist dann würde er die Patienten selbst nochmals untersuchen oder ob die Behandlung so weitergeführt werden kann. Zugegeben: Diese Beispiele sind so gewählt, dass die Abgrenzung zwischen dem, was vom Arzt geleistet werden muss und dem, was eine Krankenschwester oder eine Praxisassistentin nach dem Delegationsprinzip ebenso gut leisten kann, klar und eindeutig ist. Aber sie zeigen auch, worum es geht: Wer kann was tun, wer kann was verantworten? Und sie zeigen, weshalb es sinnvoll, ja geradezu notwendig ist, rechtssichere Grundlagen dafür zu schaffen, dass auch entsprechend qualifizierte nicht ärztliche Gesundheitsfachberufe Patienten im Auftrag des behandelnden Arztes aufsuchen und vorbeugende, delegierbare Tätigkeiten dort übernehmen können. Denn angesichts des steigenden Anteils älterer, oft multimorbider Patienten ist eine bessere Betreuung dieser Patienten sinnvoll und notwendig. Der Arzt braucht dabei kompetente Unterstützung. Denn er alleine kann die notwendige präventive engmaschigere Betreuung gar nicht übernehmen; dafür fehlen die zeitlichen Kapazitäten. Und es ist auch nicht notwendig, dass der Arzt immer alles macht. Es kommt darauf an, dass das Richtige delegiert wird, und es kommt darauf an, dass die ärztliche Verantwortung erhalten bleibt. Deswegen ist für uns die gezielte Delegation der richtige Weg, nicht jedoch eine Substitution bestimmter Leistungen. Denn eine Substitution führt zu einer schleichenden Aushöhlung des medizinischen Versorgungsniveaus. Ich darf dazu nur an die minute-care-units in den USA erinnern! Was könnte denn sinnvoll im Interesse der Patienten delegiert werden? Das wichtigste Beispiel habe ich bereits genannt: aufsuchende Tätigkeiten in der Häuslichkeit des Patienten. Die Leistungen, die dort von einer Praxisassistentin erbracht werden können, gehen aber sicherlich über das Genannte hinaus. Denn viele präventive und unterstützende Leistungen sind sinnvoll. Es geht darum, die Eigenkompetenz der Patienten zu stärken. Es geht darum, deren Ressourcen im Wohnumfeld zu stärken. Das kann von der Anleitung der Angehörigen zur Überwachung der Medikamentengabe über eine Früherkennung von Demenzen bis hin zu einer Sturzrisikobeurteilung und der daraus folgenden Beratung zur Sturzprävention reichen. Das Ziel ist, das Versorgungssystem so zu gestalten, dass pro-aktiv gehandelt wird und der Patient daran aktiv teilhat. Das Versorgungsmanagement für chronisch Kranke kann so neu strukturiert und spürbar verbessert werden. Eine komplexe Rundumversorgung sorgt für eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse chronisch Kranker. Die Unterstützung durch eine entsprechende Fachkraft ist dabei unverzichtbar! Diese ist auch das perfekte Bindeglied zwischen Pflegedienst und Arztpraxis, denn nur sie kann beispielsweise frühzeitig eine verminderte Alltagskompetenz erkennen und entsprechende Hilfe veranlassen. Aber nicht nur beim Hausbesuch ist eine solche Unterstützung des Arztes sinnvoll. Im Rahmen der Behandlung von chronisch

4 Kranken sind viele Aufgaben vorstellbar, die eine besonders qualifizierte Arzthelferin übernehmen kann. Dabei sind die berufsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen zu berücksichtigen. Das, was in die höchstpersönliche Leistungspflicht des Arztes fällt, muss auch weiterhin fraglos von ihm selbst ausgeführt werden. Das heißt, neben der Diagnostik sind alle Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen unter Einsatz seiner spezifischen Fachkenntnis selbst erbringen muss, nicht delegierbar. Bei den Leistungen, die delegierbar sind, gilt: Die Praxisassistentin muss über die notwendigen Qualifikationen verfügen, und der Arzt muss sich davon überzeugt haben, dass sie die Leistungen mit der erforderlichen Qualität und Sorgfalt erbringt. Innerhalb dieses Rahmens ist sie eigenverantwortlich tätig. Weshalb legen wir dabei so großen Wert darauf, dass diese in den Praxen angestellt sind? Dafür gibt es drei ausschlaggebende Gründe: Erstens ist zu gewährleisten, dass die gegenseitige Information zwischen der nicht ärztlichen Fachkraft und dem Arzt immer und ohne zusätzlichen Abstimmungsaufwand gegeben ist. Der Arzt muss sich auf die Mitarbeiterin verlassen können. Das setzt ein intensives Vertrauensverhältnis voraus. Das ist nur möglich, wenn die Praxisassistentin dem Praxisteam angehört und dort auch angestellt ist. Außerdem kann die notwendige Dokumentation sofort in die Patientenakte integriert werden, auftretende Probleme können sofort besprochen und gelöst werden. Der Arzt muss dabei für die Fachkraft auch immer erreichbar sein. Zweitens kennen der Patient und dessen Familie das Praxisteam bereits seit vielen Jahren und das meist sehr gut. Umgekehrt kennt auch das Praxisteam den Patienten sehr gut. Eine in der Praxis angestellte Fachkraft stellt somit bereits im Vorfeld das natürliche Bindeglied zwischen Patient, dessen Familie und Arzt dar. Das ist ein unschätzbarer Vorteil, den Fremdkräfte, die im Wege der Substitution tätig werden, nicht haben. Gleichzeitig erhöht es die Wirtschaftlichkeit dieser Leistung, denn in den Praxen angestellte Fachkräfte sind flexibel einsetzbar: Sie können in der häuslichen Umgebung des Patienten delegierbare Tätigkeiten übernehmen, und sie sind gleichzeitig in der Praxis tätig. Es muss also keine hundertprozentige Auslastung mit vorbeugenden Hausbesuchen geschaffen werden! Drittens können die an eine Praxisassistentin delegierten Leistungen vom Vertragsarzt direkt mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Der Bewertungsausschuss hat bereits den Auftrag, den EBM um entsprechende Ziffern zu erweitern. Daran arbeiten wir gerade. Eine weitere Leistungserbringerebene mit eigenständigen Verträgen und Abrechnungswegen entfällt damit. Das spart Bürokratie und fördert die enge Kooperation. Die direkte Anbindung an die Praxis und den Vertragsarzt stellt auch den entscheidenden Vorteil gegenüber Konzepten dar, wie sie etwa die Apotheker mit der sogenannten Carepoint-Apotheke in die Diskussion bringen. Diese als ein Mittel gegen die drohende Unterversorgung wegen Ärztemangels zu preisen, halte ich im Übrigen

5 für absurd: selbst wenn Ärzte in einigen Regionen knapp werden, kann diese Lücke mit Sicherheit nicht über Apotheken gefüllt werden, denn diese werden in solchen Regionen noch knapper sein! Als Voraussetzungen für die skizzierte Art von Praxisassistentin gelten nach unseren Vorstellungen eine abgeschlossene Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege, als Sprechstundenschwester, als Arzthelferin oder als medizinische Fachangestellte. Sie muss dazu über eine gewisse Berufserfahrung verfügen. Wir schlagen dafür eine mindestens dreijährige Berufstätigkeit in einer hausärztlichen Praxis dafür vor. Darüber hinaus muss sie über eine entsprechende Fortbildung verfügen, wie sie etwa die Ärztekammern anbieten. Mit dem vermehrten Einsatz von Praxisassistentinnen in der häuslichen Umgebung der Patienten wird deren Aufgabenbereich deutlich erweitert, sie erhalten mehr Verantwortung, sie haben Aufstiegsmöglichkeiten und sie können auch mehr Geld verdienen. All das wird die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen in unseren Praxen erhöhen, das Team stärken und damit zu einer höheren Motivation und damit besseren Versorgung beitragen. Sehr geehrte Damen und Herren, ob die Modelle nun AGnES (Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Healthgestützte, Systemische Intervention), Verah (Versorgungsassistentin in der hausärztlichen Praxis) oder MoPra (mobile Praxisassistentin) heißen, gemeinsam ist ihnen eines: sie zielen darauf ab, die Versorgung insbesondere chronisch Kranker zu verbessern. Dabei gibt es auch Modelle, die von einer Substitution genau definierter ärztlicher Leistungen ausgehen. Diesen Weg lehnen wir ab. Die Gründe dafür habe ich bereits genannt: Wir brauchen eine enge, auch organisatorische Anbindung der Praxisassistentin an den behandelnden Hausarzt, und wir brauchen definitiv keine weitere Leistungsebene, die die Versorgung mit neuen Schnittstellenproblematiken erschwert. Was wir brauchen, ist eine Weiterentwicklung der bisher schon vertrauensvollen Zusammenarbeit der unterschiedlichen Gesundheitsberufe im Team. Wir Ärzte können und wollen deutlich mehr als bisher delegieren. Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte können damit auch deutlich mehr Eigenverantwortung übernehmen. Weil es um die Patienten geht, muss dabei immer die Optimierung der Versorgung im Vordergrund stehen. Und die geht gemeinsam am allerbesten! Vielen Dank.