kind.gerecht. Ausbeutung hat einen Namen: Kinderarbeit Kaufen mit guten Gewissen: Fairtrade Wenn Kinder töten müssen S. 8 S. 18 S.

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Transkript:

kind.gerecht. Eine Initiative der CDA gegen ausbeuterische Kinderarbeit Ausbeutung hat einen Namen: Kinderarbeit S. 8 Kaufen mit guten Gewissen: Fairtrade S. 18 Wenn Kinder töten müssen 1 S. 26

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Editorial kind.gerecht ist gedruckt auf 100% Recyclingpapier Wir brauchen ein Ende der Kinderarbeit 25. Juli 1869, Liebfrauenheide bei Offenbach, Bistum Mainz. Tausende, womöglich gar 10.000 Arbeiter haben sich versammelt, um die Liebfrauenpredigt des Bischofs von Mainz zu hören. Emmanuel von Ketteler, 1811 in Münster geboren, war nach Stationen in Beckum, Hopsten und Berlin inzwischen Bischof von Mainz und er war zum Arbeiter-Bischof geworden, der sich theoretisch und praktisch für die Lösung der sozialen Frage im Zuge der Industrialisierung in Deutschland einsetzte. Eine seiner zentralen Forderungen: Ein Verbot der Kinderarbeit in Fabriken. Viele Kinder arbeiteten, waren gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen, schufteten in Kohlegruben, wurden ausgebeutet. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern und Amerika. Nur zögernd wurde gehandelt. In der ersten Sozialenzyklika Rerum Novarum griff Papst Leo XIII. das Thema 1891 erneut auf und stellte unmissverständlich klar, es wäre nicht zuzulassen, dass Kinder in die Werkstatt oder Fabrik eintreten, ehe Leib und Geist zur gehörigen Reife gediehen sind. Schon früh also haben sich Christlich-Soziale gegen Kinderarbeit engagiert und bei uns ist das Problem heute glücklicherweise überwunden. Doch heute arbeiten über 200 Millionen Kinder weltweit, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, unter ausbeuterischen Bedingungen. Schon Papst Leo XIII. hatte die fatalen Konsequenzen der Kinderarbeit aufgezeigt. Die Entfaltung der Kräfte wird in den jungen Wesen durch vorzeitige Anspannung erstickt, und ist einmal die Blüte des kindlichen Alters gebrochen, so ist es um die ganze Entwicklung in traurigster Weise geschehen, heißt es in Rerum Novarum. Mit anderen Worten: Die Gesundheit der Kinder Karl-Josef Laumann MdL, CDA-Bundesvorsitzender leidet, die Kinder haben kaum Chancen auf Bildung, ihnen wird die Zukunft verbaut. Die Würde des Menschen ist unantastbar und die Würde hängt nicht davon ab, auf welchem Fleck der Erde ein Mensch lebt. Deswegen ist es unsere Pflicht, uns heute in gleicher Weise für die Beseitigung der Kinderarbeit in Entwicklungs- und Schwellenländern starkzumachen, wie Christlich- Soziale im 19. Jahrhundert in Deutschland und Europa das Verbot der Fabrikarbeit von Kindern erstritten haben. Und deswegen hat die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft die Initiative kind.gerecht. gegen ausbeuterische Kinderarbeit auf den Weg gebracht. Wenn wir um der betroffenen Kinder in Asien, Afrika und Lateinamerika willen einen Beitrag zur Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit leisten, so dient das zugleich der Sache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weltweit, auch bei uns. Denn wenn Kinderarbeit, wo auch immer auf der Welt, geduldet wird, verstärkt das den Druck auf Preise, auf Löhne, auf Arbeitsbedingungen. Wollen wir die Marktwirtschaft auch international zu einer Sozialen Marktwirtschaft machen, so bedeutet das: Wir brauchen einen Ordnungsrahmen, nicht nur für Finanzmärkte, sondern auch für Arbeitsmärkte. Und das heißt: Wir brauchen Schutz vor Schmutzkonkurrenz und Sozialdumping, wir brauchen soziale Mindeststandards. Wir brauchen ein Ende der Kinderarbeit. 3

Inhalt 3 5 6 7 8 10 12 13 14 15 16 18 19 20 22 23 24 26 27 Wir brauchen ein Ende der Kinderarbeit Editorial von Karl-Josef Laumann Kinderrechte Kinderrechte nach den UN-Kinderrechtskonventionen Das Ziel ist eine Welt ohne Kinderarbeit Angela Merkel freut sich über die CDA-Initiative Die CDA macht es vor! Das CDA-Projekt Schule statt Steinbruch Ausbeutung hat einen Namen: Kinderarbeit Aber: Jeder kann bei sich beginnen! Von Dr. Norbert Blüm Mit 30 ist das Leben zu Ende Kinderarbeit in Indien Von Karl-Josef Laumann Nicht nur Geschichte oder Skandal! Kinderarbeit in Europa ist auch im 21. Jahrhundert gang und gäbe 10 Schritte zum XertifiX-Siegel Steine, die garantiert ohne Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt wurden XertifiX ist eine unverzichtbare Instanz, um Kinderarbeit in Indien einzudämmen Interview mit Ingrid Sehrbock, der neuen Xertifix-Vorsitzenden Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun Interview mit Peter Weiß MdB, Schatzmeister von XertifiX Politik mitgestalten! Engagement gegen Kinderarbeit vor Ort Kaufen mit gutem Gewissen: Fairtrade Die andere Schokoladenseite Die Wachstumskurve steigt steil nach oben Interview mit Jeanette Klauza, Vorstandsmitglied bei TransFair Schatten über glänzenden Steinen Keiner lässt sein Kind gern arbeiten Bildung und Mikrokredite für Frauen als Instrumente im Kampf gegen Kinderarbeit Spiel, Schule und Berufsbildung für Straßenkinder in Konstanza Straßenkinder in Rumänien Wenn Kinder töten müssen Kindersoldaten www.cda-gegen-kinderarbeit.de Die Kampagnenhomepage der CDA 4

Kinderrechte Recht auf Schule, Ausbildung und Selbstständigkeit Recht auf Gesellschaft und Freunde jeder Art Recht auf eine gewaltfreie Erziehung Recht auf Eigentum Recht auf Fürsorge Recht auf Ernährung Recht auf Bildung Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit Recht auf Schutz vor körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt Schutz vor Ausbeutung Recht auf Partizipation Recht auf Meinungsäußerung Recht auf staatliche Unterstützung bei Erziehungsproblemen Rechte der Familie auf Schutz Recht auf Freiheit 5

Das Ziel ist eine Welt ohne Kinderarbeit Angela Merkel freut sich über die CDA-Initiative Dr. Angela Merkel MdB, Vorsitzende der CDU Deutschlands, Bundeskanzlerin Gesellschaftlicher Reichtum lässt sich nicht nur in Geld und Besitz messen, sondern auch darin, was eine Gesellschaft für Kinder tut. Die Aufmerksamkeit gegenüber Kindern hat weit reichende Folgen für Wohlstand und Wohlfahrt einer Gesellschaft. Wenn es stimmt, dass Bildung der Schlüssel zu Teilhabe und für ein selbstbestimmtes Leben ist, dann müssen wir dafür eintreten, dass möglichst alle Kinder weltweit einen Zugang zu Bildung bekommen. In vielen Ländern gehören Armut und Kinderarbeit zusammen. Dort besitzen Kinder weder Bildungschancen noch eine Perspektive, jemals ausbeuterischer Abhängigkeit zu entgehen. Statt in der Schule zu lernen, müssen sie unwürdige Beschäftigungen in Fabriken, Steinbrüchen oder Plantagen annehmen, um den Lebensunterhalt ihrer Familien zu sichern. Viele sind den schlimmsten Formen der Ausbeutung ausgeliefert wie der Prostitution und dem Einsatz als Kindersoldaten. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Hoffnung und Optimismus für Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern wachsen. Die Erfolge der internationalen Arbeitsorganisation in den vergangenen Jahren sind ermutigend und zeigen, dass wir in unserem Engagement nicht nachlassen dürfen. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass sich die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft mit der Initiative kind.gerecht. erfolgreich bei der Bekämpfung von Kinderarbeit und Ausbeutung engagiert. Die Spirale aus Armut und Abhängigkeit von Kindern ist mit unserem christlichen Verständnis unvereinbar. Das Ziel ist eine Welt ohne Kinderarbeit, es braucht den Beitrag aller. Dazu gehören weltweit faire Bedingungen für Arbeit, Handel und Kapital. 6 Foto: Bundesregierung / Bernd Kühler

Die CDA macht es vor! Schule statt Steinbruch Martin Kamp Im Jahr 2010 hatte der CDA-Vorsitzende Karl-Josef Laumann Indien besucht, sich von den Steinbrüchen und Betrieben, in denen Kinder schuften, ein Bild gemacht. Wer als Kind im Steinbruch arbeiten muss, dessen Leben endet, bevor es richtig anfängt: Viele erkranken an Staublunge und sterben früh. Und sie können nicht zur Schule gehen, so Laumann. Daher komme es nicht nur darauf an, Kinderarbeit zu bekämpfen. Entscheidend sei, den jungen Menschen eine Alternative zu bieten nämlich den Besuch einer Schule. Diesen Worten lassen die CDU-Sozialausschüsse jetzt Taten folgen. Sie setzen sich nicht nur politisch für bessere Bildungschancen für Kinder in Entwicklungs- und Schwellenländern ein, sondern unterstützen eine Schule bei Kota (Bhilwara) im indischen Bundesstaat Rajasthan eine Schule, in der Laumann im Rahmen seines Trips auf den Subkontinent auch zu Gast war. Ich habe dort in viele glückliche Augen geguckt, berichtet der CDA-Vorsitzende noch heute bewegt. Kinder, deren Schicksal lange Zeit durch harte körperliche Arbeit, Krankheit und einen frühen Tod besiegelt schien, erhielten dort die Chance auf eine bessere Zukunft. Doch sie brauchen unsere Hilfe. Trotz erheblicher Anstrengungen des indischen Staates, der dort geltenden Schulpflicht und des Rechts auf kostenlosen Schulbesuch erhalten nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen mindestens sieben Millionen Kinder in Indien überhaupt keine Schulbildung. Weil es bei der Umsetzung der engagierten Ziele hapert, engagieren sich gemeinnützige Organisationen gerade zu Gunsten benachteiligter Kinder wie Kinder von Migranten, Straßenkinder und Kinderarbeiter, übrigens allesamt meist Kinder von Kastenlosen. Die von Laumann besuchte Schule wird von der indischen Organisation NEG Fire und von Misereor getragen. Die CDU- Karl-Josef Laumann spricht mit einem Kinderarbeiter Sozialausschüsse wollen nun für drei Jahre durch Spenden die Finanzierung garantieren. Daher ruft der CDA-Bundesvorstand die Gliederungen der CDA dazu auf, für diese Schule Geld zu sammeln zum Beispiel mit einem Stand und einer Sammelbüchse bei Kreisparteitagen, mit einem Sponsoren- Lauf oder Versteigerungen. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, so Laumann. Viele Tipps für konkrete Aktionen finden sich auf der Homepage www.cda-gegen-kinderarbeit. de Jede einzelne noch so kleine Spende ist ein wichtiger Beitrag zur Finanzierung des Projektes. Mitmachen Geld für das Projekt nicht auf eines der CDA-Konten, sondern direkt auf das Konto von Misereor (Stichwort: P70087 CDA-NEG, Konto 101010, Pax Bank BLZ 370 60193) überweisen. 7

Ausbeutung hat einen Namen: Kinderarbeit Aber: Jeder kann bei sich beginnen! Dr. Norbert Blüm Man kann sich über das Elend der Welt entrüsten, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen... und dann zur Tagesordnung übergehen. So ist beiden geholfen: dem eigenen guten Gewissen und den Ausbeutern dieser Welt. Das gute Gewissen ist beruhigt, schläft auf seinem sanften Ruhekissen weiter und die Ausbeuter bleiben in ihren Geschäften ungestört. Folgenlose Empörung stabilisiert die Ausbeutung. Wer die Welt verändern will, muss praktisch werden. Die Härte von Hunger, Elend, Krankheit, Heimat und Obdachlosigkeit wird mit Statistiken und Beschreibungen nicht gelindert. Worte werden genug auf der Welt gewechselt. Mangel herrscht an Praxis. Wer praktisch wird, muss Hand anlegen. Klug ist es dabei, sich einen Angriffspunkt auszusuchen, an dem sich ein Hebel ansetzen lässt, mit dem man weitergehende Wirkungen auslösen kann. Alles auf einmal zu wollen, heißt nichts erreichen. Es gehört zu den Träumereien von Revolutionären, das Unrecht auf einen Schlag zu beseitigen. Es gehört zur Klugheit der Pragmatiker, Schritt für Schritt vorzugehen, sich dabei aber nicht auf Nebensächlichkeiten abdrängen zu lassen, sondern zielbewusst die Schlüsselstellen zu knacken. Wo also ist eine Stelle, bei der wir mit dem Aushebeln der Armut ansetzen können? Die nachhaltigste Armutsproduktion ist die Kinderarbeit. Sie pflanzt die Armut über Generationen fort: Weil die Kinder arbeiten, gehen sie nicht in die Schule. Weil sie nicht in die Schule gehen, sind sie als Erwachsene arbeitslos - und weil sie dann arbeitslos sind, werden sie ihre Kinder wieder in die Arbeit schicken. Der Teufelskreis der Verelendung wälzt sich so durch die Zeiten und Generationen fort. Diesen Teufelskreis gilt es zu durchbrechen. Kinderarbeit muss weltweit verboten werden. Die Alternative zur Kinderarbeit ist Schulbildung. Also Verbieten und Helfen sind die Hebel. Für diese Doppelstrategie hat die Internationale Arbeits-Organisation ILO bereits eine Konvention zum Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit verabschiedet und ein Hilfsprogramm gestartet. Doch die ILO ist ein bürokratisches Monstrum, das seine vermeintliche Lebendigkeit durch fortgesetztes Palavern vortäuscht. Tamtam ohne Folgen. Ungezählte Konferenzen haben das Thema Kinderarbeit besprochen. Ein Meeting reiht sich an das andere. Dicke Berichte und viel Papier haben inzwischen die ILO verlassen. Weit über 100 Staaten haben die Konvention unterschrieben. Hurra! Und? Verändert hat sich wenig auf der Welt, weil die ILO zu feige ist, die Ausbeuter an den Pranger zu stellen und jene Staaten vorzuführen, die sich nicht an das halten, was sie unterschrieben haben. Es genügt, ernst zu nehmen, was die Staaten zugesagt haben. Wo ist auch nur ein Kinderausbeuter in einem Land verurteilt worden, das die Verbots-Konvention unterschrieben hat? Die ILO hat Druckmittel und Zähne. Aber sie beißt nicht, sondern palavert. Die ILO besitzt ein offizielles Mahnverfahren, das bisher nicht auch nur im Ansatz genutzt wurde. Der Direktor der ILO reist durch die Welt und hält große Ansprachen. Als Kongress-Profi und Enquete- Experte verdient er sein Brot. Das war s. Wenn er nicht reden und reisen würde, merkte es auch keiner. Auch ich bin für die ILO gereist. In Marokko beispielsweise verteilt die ILO Schutzhandschuhe an Kinder, die in Schmie- 8

Quelle: UNICEF dewerkstätten arbeiten. Deutlicher kann man seine Inkonsequenz nicht offenbaren. Wer Kinderarbeit verbietet, kann nicht Handschuhe für Kinderarbeit liefern. Das ist so ähnlich, als würde die Polizei beim Einbruch noch Schmiere stehen. In Paraguay unterhält die ILO ein Büro, in dem auch ein Mitarbeiter für Parlamentskontakte angestellt ist. Dieser hat aber noch nie einen Abgeordneten gesehen. Dabei gäbe es viel zu tun: Kinderprostitution hat in den Tourismuszentren Paraguays große Absatzgebiete. Mit Hilfsprogrammen wird Kindern geholfen, die von der Prostitution befreit werden konnten. Aber der Nachschub ist über Nacht organisiert und die freien Stellen wieder besetzt. Ohne Razzien, Verhaftungen und Verurteilungen ist alle ILO-Hilfe weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein. In Sankt Petersburg wusste der ILO-Vertreter noch nicht einmal den genauen Standort des Hilfsprojektes, das er betreute. Er musste wenige Straßenzüge vorher Passanten fragen, wo das Haus liegt. Selbst für einen Amateurdetektiv, wie ich es bin, war klar, dass er offenbar noch nie in dem Haus war. Was nützt die ILO-Konvention, wenn die ILO auf ihre Einhaltung nicht achtet und wie die Katze um den heißen Brei wort- und gestenreich herumschleicht? Das und noch mehr habe ich der ILO berichtet. Die Reaktion entsprach der eines Ochsen, dem man ins Horn gekniffen hat. Die ILO ist eine der großen UN- Organisationen. Ihr Spezialgebiet sind die sozialen Fragen. Eigentlich müsste diese Organisation im Brennpunkt der Globalisierung stehen. Und? Schon mal was gehört? Die ILO hat den Vorteil, dreigliedrig zu sein, also von Staatsvertretern, Gewerkschaften und Arbeitgebern getragen zu werden. Das ist ein zukunftsträchtiges Modell für die Zusammenarbeit von Staaten und Nichtregierungsorganisationen. Was hat die ILO Aufsehenerregendes aus dieser ihrer originellen Chance gemacht? Konventionen verabschiedet und Geld verteilt und...! Was ist daraus praktisch geworden? Wer küsst das Dornröschen ILO wach? Wer endlich macht einmal der ILO Feuer unter dem Hintern? Gewerkschaften, Staaten, wer eigentlich? Warte nicht auf die ILO! Also warten wir nicht auf andere. Jeder kann bei sich beginnen. Jeder kann ein kleiner Soldat im Krieg gegen die Kinderarbeit sein. Man muss keine Teppiche kaufen, die mit Kinderhänden geknüpft wurden. GoodWeave bietet eine Zertifizierung an. Teppiche, die mit diesem Label gekennzeichnet sind, sind ohne Kinderarbeit hergestellt. XertifiX macht Grabsteine kenntlich, die aus indischen Steinbrüchen kommen, die ohne Kinderarbeit auskommen. Keine Gemeinde darf auf ihren Friedhöfen Grabsteine dulden, die aus Steinbrüchen kommen, in denen sich Kinder ihre Knochen brechen. TransFair kennzeichnet Handelsprodukte, die nicht auf Ausbeutung basieren. Alles sind nur kleine Schritte, aber jede große Reise beginnt mit kleinen Schritten. Internationale Arbeitsorganisation (ILO) Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen ist die ILO damit beauftragt den Weltfrieden durch eine Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen aller Menschen zu sichern. Mit weltweit anerkannten Sozialstandards soll verhindert werden, dass sich einzelne Teilnehmer am internationalen Handel durch Abbau von Arbeitnehmerrechten und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen Vorteile verschaffen. Als Grundprinzipien bei allen Aktivitäten setzt die ILO auf Vereinigungsfreiheit, Diskriminierungsverbot und Beseitigung der Kinder- und Zwangsarbeit. Weitere Informationen: www.ilo.org 9

Mit 30 ist das Leben zu Ende In Indien fangen schon die Kleinsten an, im Steinbruch zu arbeiten mit fatalen Folgen. Der CDA-Bundesvorsitzende Karl-Josef Laumann hat sich das angesehen. Karl-Josef Laumann guckt sich die Hände der Kinder an und ist beruhigt. Keine Schwielen, keine Blasen, zarte Kinderhände. Diese Hände müssen nicht körperlich arbeiten, das sieht man, sagt der CDA-Bundesvorsitzende. Er ist nach Budhpura in den indischen Bundesstaat Rajasthan, 600 Kilometer von Delhi entfernt, gekommen dort, wo in riesigen Steinbrüchen Sandstein abgebaut wird und dorthin, wo die Reste des Sandsteinabbaus zu Pflastersteinen klein gehauen werden. In Handarbeit. Oft von Kinderhand. Steine, die vielfach in Deutschland Verwendung finden als Grabsteine, als Pflastersteine, als Baumaterial in privaten Häusern. Laumann spricht mit den Kindern solchen mit den zarten Händen, die inzwischen nicht mehr arbeiten, und solchen, die noch immer viele Stunden am Tag schuften. Marin ist einer von ihnen. Der Achtjährige weiß zwar, wie er heißt. Seinen Namen schreiben kann er aber nicht, denn eine Schule hat er noch nie von innen gesehen. Statt dessen arbeitet er, Steine sind sein Leben. Er ist einer von tausen den allein in Rajasthan. Viele werden im Steinbruch groß, werden schon als Babys dorthin mitgenommen. Je größer die Kinder, desto größer die Hämmer, erläutert der Misereor- Kinderrechtsexperte Benjamin Pütter, der Laumann begleitet. Alt werden die Kinder dort nicht. Wer schon als Kind mit in den Steinbruch genommen wird, hat eine Lebenserwartung von gerade mal 30 Jahren. Und wer mit 18 oder 20 anfängt, Steine zu klopfen, wird im Durchschnitt auch nur 40 Jahre alt. Fast alle sterben sie an Staublunge. Und damit beginnt oft ein Teufelskreis: Stirbt der Vater oder die Mutter, fehlt das Einkommen für die Familie ein Grund mehr dafür, dass die Kinder arbeiten müssen. Und fehlende Schulen sind ein anderer. Was sollen unsere Kinder denn den ganzen Tag Seit frühester Kindheit ohne die Chance, etwas anderes zu lernen. Foto: Benjamin Pütter / Misereor machen, wenn wir arbeiten und sie nicht zur Schule gehen können, bekommt man immer wieder von den Eltern zu hören. Hilfsprojekte zur Überwindung der Kinderarbeit setzen denn auch vor allem da an. So haben die indische Organisation NEG Fire und Misereor eine Schule neben die Steinbetriebe gebaut. 52 Kinder werden dort unterrichtet. Fast alle haben vorher gearbeitet, erzählt der Schulleiter dem CDA- Bundesvorsitzenden. Laumann ist angetan, würdigt das Engagement: Bildung sei der entscheidende Schlüssel dafür, dass die Kinder es einmal besser haben. Und der zweite Hebel, um Kinderarbeit zu überwinden: Dafür sorgen, dass möglichst nur noch Steine ohne Kinderarbeit gekauft werden. So hat Benjamin Pütter gemeinsam mit Nor- 10

xxx bert Blüm das Xertifix -Siegel aufgebaut für Steine, die garantiert ohne Kinderarbeit auskommen. Unabhängige, unangemeldete Kontrollen bilden die Grundlage für die Vergabe des Siegels. Karl-Josef Laumann besucht in Budhpura einen der Betriebe, die dieses Siegel tragen. Arbeitsbedingungen wie in Westeuropa herrschen dort auch nicht. Da hocken die Arbeiter dann auch am Sonntag, hämmern aus Steinplatten einen Pflasterstein nach dem anderen, jeder 14 mal 14 Zentimeter groß. Aber immerhin: Kinder schuften dort nicht. Und die Erwachsenen können von ihrem Lohn leben. 1 Rupie bekommen sie pro Stein, umgerechnet 1,5 Cent. 200 bis 250 Steine schaffe er mit seiner Frau zusammen am Tag, erzählt ein Arbeiter im Gespräch mit Laumann. Das ergibt einen Tageslohn von 3 bis 4 Euro für beide zusammen ein Betrag, der gerade so reicht, um über die Runden zu kommen. Karl-Josef Laumann tritt dafür ein, Steine mit einem nachvollziehbaren, sicheren, unabhängigen Siegel zu kaufen. Auch im Gespräch mit Steinexporteuren in der Stadt Kota in Rajasthan betont der CDA-Chef, dass Menschenrechte und Sozialstandards eingehalten werden sollten. Er macht ihnen den fairen Handel schmackhaft: Wer Steine nach Deutschland verkaufen will, ist gut beraten, auf Kinderarbeit zu verzichten. Das erhöht die Absatzchancen. Denn die deutschen Verbraucher sind hier sehr sensibel. Laumann selbst will sich politisch dafür starkmachen, dass auf Friedhöfen keine Steine aus Kinderarbeit mehr aufgestellt werden. 11

Nicht nur Geschichte oder Skandal! Kinderarbeit in Europa ist auch im 21. Jahrhundert gang und gäbe Kinderarbeit kommt im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht nur in so genannten Entwicklungsländern vor, sondern ist auch im 21. Jahrhundert in Europa vor allem in Süd- und Osteuropa an der Tagesordnung. Hier in Europa kommen uns vor allem Bilder aus der Zeit der Industrialisierung in den Sinn, die den Einsatz von Kindern in Bergwerken und Fabriken dokumentieren und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen belegen. Heute ist es in der Bundesrepublik verboten, dass Kinder im Alter unter 15 Jahren arbeiten. Auch in allen anderen EU-Staaten ist die Erwerbstätigkeit von Kindern und Jugendlichen grundsätzlich verboten. Dabei geht es nicht um das Arbeiten von Kindern an sich, sondern um die Ausbeutung. Die Ausbeutung von Kindern ist in fast allen Staaten der Welt verboten. Die ILO-Konvention 182 gegen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit ist die am schnellsten ratifizierte Konvention der ILO. Bisher haben mehr als 160 Staaten unterzeichnet. Trotz dieser Verbote kommt im Gegensatz zur Bundesrepublik ausbeuterische Kinderarbeit zum Teil in anderen europäischen Ländern nachweislich in einem erheblichen Maße vor. Neben allen Formen von Zwangsarbeit, Leibeigenschaft und Sklaverei zählen zu ausbeuterischer Kinderarbeit auch der Missbrauch von Kindern durch Prostitution, Pornografie oder Drogenhandel. Nach den Angaben der ILO erkennt man ausbeuterische Kinderarbeit daran, dass Kinder zu früh einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen müssen, ihr Arbeitszeiten zu lang sind, die Arbeit schlecht bezahlt wird, die Tätigkeit langweilig und monoton ist, das Arbeitsumfeld Gesundheit, Sicherheit oder Moral der Kinder gefährdet und keine Zeit und Kraft für den Schulbesuch und die Schularbeiten bleiben. So gehen Kinder in Italien, Großbritannien, Spanien und Portugal trotz Schulpflicht einer meist illegalen Arbeit nach, die sie vom Schulbesuch ganz oder zumindest teilweise abhält. Beispielsweise arbeiten in Portugal trotz mehrerer Bewusstseinskampagnen zum Thema Kinderarbeit und einem Plan zur Beseitigung von Kinderarbeit nach Schätzungen bis zu 200.000 Kinder. Davon sind 62% unterhalb des Mindestarbeitsalters in der Schuh- und Textilindustrie beschäftigt. Aber auch bei der Herstellung von Keramikprodukten oder in den Granitsteinbrüchen des Nordens wurde ausbeuterische Kinderarbeit nachgewiesen. Auch in osteuropäischen Ländern sind Formen von ausbeuterischer Kinderarbeit nachgewiesen. Zugleich sind osteuropäische Länder wie Rumänien und Bulgarien vor allem Ausgangs- oder Durchgangsland für Kinderhandel. Nach Schätzungen internationaler Organisationen werden mehr als eine Million Kinder jährlich in die Ausbeutung verkauft. So gelangen jährlich unzählige Mädchen und Jungen auch nach Europa. Sie müssen beispielsweise in der Landwirtschaft schuften oder werden als Bettler, Diebe, Drogenkuriere oder Prostituierte missbraucht. Im Blick auf Kinderhandel fordert die UN-Kinderrechtskonvention: Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten innerstaatlichen, zweiseitigen und mehrseitigen Maßnahmen, um die Entführung und den Verkauf von Kindern sowie den Handel mit Kindern zu irgendeinem Zweck und in irgendeiner Form zu verhindern. (Artikel 35). Und dennoch finden sich die entsprechenden Beispiele. Mit unterschiedlichen Strategien wird in Europa jedoch auf dasselbe Ziel hingearbeitet, dass ausbeuterische Kinderarbeit Geschichte ist. Handel und Hilfswerke etablieren Siegel für Produkte ohne Kinderarbeit. Unternehmen verpflichten sich und ihre Zulieferer, die grundlegenden Arbeitsrechte einzuhalten. Jeder kann selbst etwas gegen die Ausbeutung von Kindern tun und nachfragen, sensibilisieren und aufklären sowie zu alternativen, fair gehandelten Waren greifen. Aber es müssen auch Alternativen für die Kinder vor allem in Form von Bildungsprogrammen gefunden werden. Außerdem müssen Kinder und Jugendliche an der Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen, die sie betreffen, beteiligt werden. Weitere Informationen: www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de/ www.tdh.de 12

10 Schritte zum XertifiX-Siegel Der Verein XertifiX wurde im Jahre 2005 gegründet. Er vergibt das XertifiX-Siegel für Steine, die garantiert ohne Kinder- und Sklavenarbeit hergestellt sind. 1. Ein Importeur von indischen Natursteinen, der sichergehen will, keine Steine aus illegalen Produktionsbedingungen zu verkaufen, wendet sich an XertifiX. 2. Der Importeur unterschreibt einen Lizenzvertrag mit XertifiX Deutschland und akzeptiert die darin enthaltenen Bedingungen. Arbeit für unter 15-Jährige nicht erlaubt : Steine aus diesem Betrieben tragen das Xertifix-Siegel. 3. 4. 5. 6. Der neue Lizenznehmer nennt uns seine indischen Exporteure. Der indische Exporteur teilt uns daraufhin seine Zulieferer mit und nennt uns die Orte, wo seine Steinbrüche und Fabriken zu finden sind. Er willigt schriftlich ein, dass wir jederzeit und unangekündigt seine Steinbrüche, Fabriken und sonstigen Stationen der Wertschöpfungskette betreten dürfen. XertifiX India, eine Unterorganisation von XertifiX Deutschland, darf nun zu jeder Zeit unangekündigte Kontrollen vor Ort in den Steinbrüchen und Fabriken durchführen. Dabei wird hauptsächlich überprüft, dass in den Exportsteinbrüchen keine Kinder im Sinne der ILO-Konvention Nr. 182 beschäftigt werden. Daneben wird auch darauf geachtet, dass den erwachsenen Arbeitern wenigstens der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird und das Zugangsrecht für Gewerkschaften gegeben ist. 7. 8. 9. 10. Bei einer ersten Inspektion der Steinbrüche ist es grundsätzlich nicht problematisch, wenn dort Kinder gefunden werden; das Zertifikat wird daraufhin nicht verweigert. Denn arbeiten Kinder in dem Steinbruch, sollen sie nicht versteckt oder vertrieben werden, um dann auf der Straße zu landen, an einem anderen Ort weiter arbeiten zu müssen oder gar zur Prostitution gezwungen zu werden. Wir nehmen die Namen aller dort gefundenen Kinder auf und organisieren für sie Rehabilitations- und Sozialmaßnahmen wie beispielsweise einen Schulbesuch, Berufsbildungsmaßnahmen und eine mobile Klinik. Wo keine staatliche Schule existiert, helfen wir mit nicht formalen Bildungszentren. Werden bei folgenden Kontrollen Verstöße in den indischen Steinbrüchen festgestellt, wird zunächst eine Verwarnung ausgesprochen und später gegebenenfalls das Zertifikat entzogen. Solange keine Kinder angetroffen und sich gegebenenfalls die Arbeitsbedingungen in den Steinbrüchen verbessert haben, wird das Zertifikat erteilt. Das Zertifikat wird immer pro Lieferung erteilt. Eine Lizenzgebühr in Höhe von 3 Prozent des FOB-Wertes der Steine (Free-On-Board Wert: Verkaufswert, wenn der Stein Indien verlässt) bzw. 2 Prozent vom C&F- (Cost and Freight / Warenwert und Frachtkosten) oder CIF-Wert (Insurance and Freight / Versicherung und Frachtkosten) ist nur vom Importeur/Lizenznehmer an XertifiX Deutschland zu zahlen. Ein Fünftel dieses Betrages wird an MISEREOR weitergeleitet, die dann Reha- und Sozialmaßnahmen organisieren und hierfür über den Betrag aus Lizenzgebühren hinaus eigene Mittel zur Verfügung stellen. Nachdem vom Steinbruch bis zum Schiff kontrolliert wurde, können die zertifizierten Steine an den Lizenznehmer/Händler ausgeliefert werden. Innerhalb von wenigen Wochen kann somit ein Zertifikat ausgestellt werden, das Ihre Steine zu sauberen und fairen Steinen macht! Quelle: www.xertifix.de [letzter Aufruf: 18. Juli 2011] 13

XertifiX ist eine unverzichtbare Instanz, um Kinderarbeit in Indien einzudämmen Interview mit Ingrid Sehrbock, der neuen Xertifix-Vorsitzenden Foto: Steinle/DGB Warum engagierst Du Dich bei Xertifix? Xertifix ist eine unverzichtbare Instanz, um Kinderarbeit in Indien einzudämmen und Kindern bessere Chancen einzuräumen, eine Schule zu besuchen. Es gibt Kommunen und einzelne Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit, dass Standards der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) zum Schutze der Arbeitnehmer eingehalten werden (keine Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit, Recht aus Zusammenschluss von Arbeitnehmern u. v. m.) Wie sieht die Arbeit von XertifiX vor Ort in Indien aus? Wir haben drei Inspektorenteams in Indien, einen fest bei XertifiX angestellten Inspektor in Nordindien und zwei Inspektoren in Südindien, die jeweils ihre eigene Organisation leiten und auf Bedarf für XertifiX Kontrollen durchführen. Alle drei Inspektoren sind langjährige Projektpartner von deutschen Hilfswerken wie Misereor oder Terre des Hommes und haben sich einen ausgezeichneten Leumund erworben. Dies ist Voraussetzung für unsere Arbeit. Wir sind uns sicher, dass wir unseren Inspektoren vertrauen können. Der XertifiX Geschäftsführer Walter Schmidt bzw. sein Vorgänger und XertifiX-Vorstandsmitglied Benjamin Pütter sind regelmäßig in Indien und kontrollieren gemeinsam mit den Inspektoren Steinbrüche, um einen eigenen Eindruck zu gewinnen. Werden da Kinderarbeiter vorgefunden, machen die Inspektoren die Eltern ausfindig und organisieren gemeinsam mit diesen, wie die Kinder wieder eine Schule besuchen können. Hierbei kann sich XertifiX auch auf das Netzwerk seiner Partnerorganisation Misereor stützen. Gleichzeitig werden gezielt Schulen bzw. Vorschulen gefördert, um das teils marode staatliche Schulsystem zu verbessern. Wofür steht das XertifiX-Siegel? XertifiX will die Arbeitsbedingungen in indischen Steinbrüchen und Fabriken verbessern und den Kindern und deren Familien helfen. Dazu gibt der Verein das Siegel heraus, das sicherstellt, dass die ILO-Kernarbeitsnormen (unter anderem keine Kinder- und Sklavenarbeit) in indischen Steinbrüchen und Fabriken eingehalten werden. Finanziert wird das Siegel von den Natursteinimporteuren (3% des Exportwerts der Natursteine - Free on Board ). Es steht dafür, dass die Steinbrüche und Fabriken in Indien regelmäßig von XertifiX-Inspektoren kontrolliert und die Kontrollkriterien eingehalten werden. 20% der Lizenzeinnahmen gehen an Misereor. Damit werden z.b. Kinder in Vorschulen und Schulen gefördert. J. Manoharan (XertifiX India) und B. Pütter (XertifiX Deutschland) im Gespräch mit einem Kinderarbeiter in der Nähe von Bangalore. Foto: Benjamin Pütter / misereor Wann könnte für Dich persönlich das Siegel von Bedeutung werden? Wenn ich meine Zufahrt zur Garage oder Wege im Garten pflastern lasse. Das werde ich demnächst tun. Da werde ich persönlich testen können, ob und wie Xertifix funktioniert. Es dient auch der Sensibilisierung der Beteiligten. 14

Wir können es uns nicht leisten, nichts zu tun Interview mit Peter Weiß MdB, Schatzmeister von XertifiX Wie kam es zur Gründung von XertifiX? In den 90er-Jahren war die Kinderarbeit in der indischen Teppichindustrie ein großes Thema. Damals hat Misereor mit anderen erfolgreich ein Siegel zur Bekämpfung der Kinderarbeit entwickelt. Wir gingen eigentlich davon aus, dass der Natursteinbereich davon nicht betroffen ist. Umso erschreckender war es, als die Undercover-Recherchen des Kinderarbeitsexperten Benjamin Pütter, einem Schulfreund von mir, teils katastrophale Zustände in indischen Steinbrüchen zu Tage gebracht haben. Kinder klopfen mit schwerem Arbeitsmaterial Steine oder arbeiten an 45kg schweren Schlagbohrmaschinen. Durch den feinen Steinstaub und die Vibrationen sind sie schwersten gesundheitlichen Risiken ausgesetzt, an erster Stelle durch die Lungenerkrankung Silikose, durch die die Betroffenen eine Lebenserwartung von nur etwa 40 Jahren haben. Das alles spielt sich nicht in lokalen Steinbrüchen ab, sondern in so genannten Exportsteinbrüchen, die für den deutschen oder europäischen Markt produzieren. Mit anderen Worten: Wir kaufen hier bei uns in Deutschland Natursteine, die in Kinderarbeit hergestellt sein können. Wir beschlossen, etwas dagegen zu tun. 2005 wurde der Verein XertifiX gegründet. Warum engagierst Du Dich bei XertifiX? Das Problem der Kinderarbeit in der Natursteinindustrie ist zu groß, als dass wir es uns leisten könnten, nichts zu tun. Ein Siegel wie das von XertifiX kann nicht erfolgreich sein, etwas an den katastrophalen Zuständen in Indien zu ändern, wenn dies nicht auch durch die ganze Gesellschaft, also auch durch die Politik, unterstützt wird. Hier sehe ich auch meine Aufgabe als Bundestagsabgeordneter. Die Politik ist beispielsweise gefragt, wenn es um Handelsgesetze geht, bei denen auch die Produktionsbedingungen im Ausland eine Rolle spielen. Oder wenn es darum geht, dass Kommunen das Recht haben, mit ihren Friedhofssatzungen Grabsteine aus Kinderarbeit auszuschließen. Nach jüngeren Verwaltungsgerichtsurteilen geht das nur, wenn es durch eine entsprechende Landesgesetzgebung ermöglicht wird. Bislang ist das nur im Saarland und in Bremen der Fall. Gleichzeitig stellen wir fest, dass es mittlerweile in ganz Europa neue Initiativen gibt, die ebenfalls ein Siegel für Natursteine herausgeben. Hier gilt es zu vermitteln, inwieweit man die Initiativen harmonisieren kann, um den Einkauf für Verbraucher und Beschaffer zu erleichtern. Auch hier kann ich meine politische Erfahrung einbringen. Du siehst, dass es auch auf politischer Ebene einiges zu tun gibt, um den Zielen eines Imports von indischem Naturstein ohne Kinderarbeit und der Hilfe für die Betroffenen in Indien näher zu kommen. In diesen Strohhütten leben die Steinbrucharbeiterfamilien am Rande der Steinbrüche; Foto: Benjamin Pütter / misereor Wann könnte für Dich persönlich das Siegel von Bedeutung werden? Das Siegel hat für mich schon heute Bedeutung! Denn indischer Naturstein umgibt uns seit einigen Jahren ich möchte fast sagen überall! Wir sehen indische Natursteine an Häuserfassaden, wir laufen auf ihnen über den Marktplatz, wir verschönern unsere Gärten mit ihnen und ein Gang über den Friedhof zeigt auch reihenweise Grabmale aus indischem Naturstein. Aus dem Grund ist das XertifiX-Siegel nicht nur für mich, sondern für jeden von uns heute und schon längst von Bedeutung. Und übrigens: Ich kann mich doch nicht glaubwürdig für gute Arbeitsbedingungen in Deutschland einsetzen und gleichzeitig nichts gegen die schreiende Ungerechtigkeit in der Welt tun. 15

Politik mitgestalten! Engagement gegen Kinderarbeit vor Ort Soziale Verantwortung fängt bei jedem Einzelnen an und kann in unterschiedlicher Weise wahrgenommen werden. Entsprechend diesem Gedanken fordert die CDA jedes Mitglied auf, sich gegen Kinderarbeit zu engagieren. Ohne viel Aufwand ist dieses Engagement möglich! Auf www.cda-gegen-kinderarbeit.de bieten wir unter der Rubrik Service jedem Interessierten die Möglichkeit, in Form von Musteranträgen aktiv vor Ort Politik mitzugestalten. Einfach downloaden und los geht s. Niedersachsen Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 05.12.2007 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 15 12 0 2 1 Nordrhein-Westfalen Runderlass zur Vermeidung der Beschaffung von Produkten aus schlimmsten Formen der Kinderarbeit Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 84 57 23 2 2 Rheinland-Pfalz Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 26.06.2009 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 10 10 2 0 0 Mit Ratsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit. Ohne formalen Ratsbeschluss, aber die Verwaltungsspitze spricht sich gegen ausbeuterische Kinderarbeit aus oder wird anderweitig aktiv. Baden-Württemberg Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 26.06.2008 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 28 23 4 1 0 Mit Antrag im Rat gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit. Mit vom Rat abgelehntem Antrag gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit. Eigene Darstellung nach Daten von www.aktiv-gegen-kinderarbeit.de 16

Schleswig-Holstein Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 31.03.2007 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 4 4 0 0 0 Brandenburg Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 30.04.2008 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 4 4 0 0 0 Sachsen Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 13.12.2007 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 3 3 0 0 0 Bayern Landtagsbeschluss gegen Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit: 18.07.2007 Erfasste Städte, Gemeinden und Landkreise: 70 65 4 0 1 Werden Sie selbst aktiv! Das seit Frühjahr 2009 geltende Vergaberecht erlaubt öffentlichen Auftragnehmern explizit, soziale und ökologische Kriterien bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Damit ist nun eindeutig klargestellt, dass beispielsweise Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit bei der öffentlichen Beschaffung ausgeschlossen werden dürfen. Die Deutschlandkarte illustriert den Stand über die Umsetzung des geänderten Vergaberechts in den Bundesländern, den Städten, Gemeinden und Landkreisen. Weitere Informationen erhalten Sie auf www.aktivgegen-kinderarbeit.de. Informieren Sie sich über den Stand bei sich vor Ort und nutzen Sie die Gelegenheit, selbst aktiv zu werden. 17

Kaufen mit gutem Gewissen: Fairtrade Muss ein Rendezvous oder ein Hochzeitstag mit einem schlechten Gewissen enden dann nämlich, wenn ich feststelle, unter welchen Bedingungen die meiner oder meinem Liebsten überreichten roten Rosen gezüchtet wurden? Kann, muss aber nicht. Martin Kamp Zwar stammt ein Drittel aller Rosen, die in Deutschland verkauft werden, aus Kenia. Und die Arbeiter dort werden meist schlecht bezahlt. Doch es geht auch anders: So schön kann fair sein. So steht es auf einem Flyer, in dem für Fairtrade-Rosen geworben wird. Fairtrade-Rosen trügen zu einem menschenwürdigen Leben im größtmöglichen Einklang mit der Natur bei zum Beispiel auf Blumenfarmen in Kenia und Tansania -, heißt es in dem Prospekt. Die Arbeiter auf den Rosenfarmen spüren die Wirkungen des fairen Handels konkret. Durch die Fairtrade-Rosen konnten in Ostafrika Schulstipendien, Brunnenbohrungen und Moskitonetze finanziert werden, erklärt Dieter Overath, Geschäftsführer von TransFair, dem Verein, der in Deutschland das Fairtrade-Siegel vergibt. Fairtrade-Rosen sind nur eines von vielen Produkten, die das international anerkannte Fairtrade-Siegel tragen. Dazu gehören Kaffee, Kakao und Schokolade, Bananen, Tee und Wein, außerdem Fußbälle und seit Neuestem auch Kleidungsstücke. Wer sich als Kunde für Produkte mit diesem Siegel entscheidet, kann sicher sein: In illegaler Kinderarbeit sind sie nicht hergestellt worden. Auch andere wichtige Sozialstandards werden kontrolliert. Über 7 Millionen Kleinbauern, Arbeiter und deren Familien in 59 Ländern profitieren vom fairen Handel. Bauernfamilien können ihre Produkte zu fairen Preisen verkaufen, heißt es bei Transfair. Neben dem eigentlichen fairen Preis zahlt man bei fair gehandelten Produkten einen Aufschlag, mit denen Projekte zu Gunsten der betroffenen Bauern, Arbeiter und Kinder finanziert werden. Auf diese Weise wird auch das Schulgeld für Kinder einer Bananen-Genossenschaft in El Guabo, Ecuador, aufgebracht. Faire Mindestpreise für Bananen sind für die betroffenen Kleinbauern ein Segen: In Ecuador mussten Arbeiterin auf einer Fairtrade-Blumenfarm in Tansania: Alle Rechte TransFair e.v. bereits über die Hälfte der Kleinbauern ihre Felder aufgeben und bevölkern nun die städtischen Slums, so Overath. Denn im konventionellen Bananenhandel hätten Kleinbauern oft keine Chance, ihre Bananen in Konkurrenz zu den Konzernen kostendeckend zu verkaufen. Auch wer fair trinkt, bewirkt etwas Gutes. 9,5 Liter Orangensaft trinkt jeder hier zu Lande jährlich. In Brasilien werden vier Fünftel der Apfelsinen für die Saftproduktion von Tagelöhnern gepflückt. Schwerste Arbeit, selbst junge Menschen müssen 2.000 Kilogramm Orangen pflücken pro Tag. Für Transfair ist denn auch klar: Die höheren Preise für den fairen Saft sind ein wirksames Instrument gegen illegale Kinderarbeit. Ähnliches gilt für fairen Kaffee, fairen Tee, faire Fußbälle und nun auch für faire Baumwolle. 18

Die andere Schokoladenseite In Afrika schuften hunderttausende Kinder im Kakaobohnenanbau. Die Schokoladenhersteller wollen seit zehn Jahren dagegen vorgehen. Doch nur wenig passiert. Martin Kamp Zwar haben die Verbände der Kakao- und Schokoladenhersteller schon 2001 das Harkin-Engel-Protokoll unterzeichnet. Bis 2004 sollten die schlimmsten Formen der Kinderarbeit eigentlich vollständig beseitigt sein doch noch immer ist das Ziel nicht erreicht. Ein internationaler Rechtsrahmen, der die Einhaltung der Menschenrechte in den Lieferketten der Unternehmen durchsetzt, wird gefordert. Kakaoschote: Alle Rechte TransFair e.v. / Foto: Frank EichingerGentilhomme Ob Schoko-Weihnachtsmann, der Schokoriegel zwischendurch oder die quadratisch-praktische Tafel mehr als 8 Kilogramm Schokolade isst jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr. Doch wo kommt der Rohstoff, nämlich Kakao, für diese Leckerei her und unter welchen Bedingungen wirdwwww er angebaut? Friedel Hütz-Adams vom Siegburger Südwind-Institut ist diesen Fragen in der Studie Menschenrechte im Anbau von Kakao nachgegangen. Und er kommt zu teilweise erschütternden Ergebnissen. 5,5 Millionen Kleinbauern bauen weltweit Kakao an. Allein in der Elfenbeinküste arbeiten Stand 2009 260.000 Kinder in einem Maße, das gegen die einschlägigen Konventionen der internationalen Arbeitsorganisation verstößt. Niedrige und infolge von Preisschwankungen unsichere Einkommen, schlechte Arbeitsbedingungen sowie Kinderarbeit sind in diesem Sektor weit verbreitet, heißt es denn auch in der Studie. In einer aktuellen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema bekennt sich die Bundesregierung klar zur gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Sie unterstützt das Ziel, Kinderarbeit weltweit zu ächten. Die Regierung verweist darauf, wie sie konkret die Situation verbessert: So hat sie in den Jahren 2004 bis 2009 ein Projekt zur Bekämpfung des Kinderhandels und der schlimmsten Formen der Kinderarbeit mit 2,9 Millionen Euro finanziert. Und derzeit unterstützt sie drei regionale Vorhaben in Westund Zentralafrika zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Kakaoproduktion, wozu ausdrücklich auch die Überwindung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit gehört; das Gesamtvolumen dafür beträgt 10,6 Millionen Euro. www.kompass-nachhaltigkeit.de Faire Beschaffung per Mausklick Ob Kakao oder Kaffee, Natursteine oder Berufsbekleidung wie öffentliche Beschaffer diese Produkte einkaufen können und dabei soziale und ökologische Standards einhalten, darüber informiert die neue Internetplattform www.kompass-nachhaltigkeit.de. Die Webseite präsentiert Praxisbeispiele, beinhaltete eine Datenbank und informiert über das Vergaberecht. 19

Die Wachstumskurve steigt steil nach oben Die CDA ist Mitglied bei TransFair dem Verein, der das Fairtrade-Siegel vergibt. Dort vertritt Jeanette Klauza sie im Vorstand. Im Gespräch mit dem kind.gerecht.-magazin erläutert sie den Einsatz von Trans- Fair für eine menschenwürdige Globalisierung. steigt seit sechs Jahren ununterbrochen nach oben. 2010 stieg der Umsatz mit zertifizierten Fairtrade-Produkten Produkten um 27 Prozent auf 340 Millionen Euro. Für seine Arbeit erhielt TransFair 2009 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie Deutschlands nachhaltigste Dienstleistungen eine Bestätigung des Beitrages von Fairtrade zur Entwicklungshilfe und Armutsbekämpfung in den Ländern des Südens. Jeanette Klauza vertritt die CDA seit 2009 im Vorstand von TransFair e.v. k.g.-magazin: Plakate und Anzeigen mit Joachim Król, Cosima Shiva Hagen, Hannes Jaenicke und dem Fairtrade-Logo wofür werben die? Was ist das Ziel? Jeanette Klauza: Das Engagement dieser Prominenten ist Teil unserer Botschafter-Kampagne. Damit erreichen wir Menschen, die mit dem Thema fairer Handel bisher noch nicht in Berührung gekommen sind. Ziel ist es also, die Konsumenten für den fairen Handel zu sensibilisieren? Genau, wir wollen möglichst viele Menschen dafür gewinnen, bewusst einzukaufen. Ist denn fairer Einkauf eher etwas für wenige? Nein, das ist längst nicht mehr so. Die Wachstumskurve Das heißt also, Fairtrade hat auch einen politischen Anspruch? Unbedingt, Fairtrade ist nicht nur ein verlässliches Siegel auf immer mehr Alltagsprodukten, sondern auch eine klare Stimme in den Debatten um die gerechte Gestaltung der Globalisierung, um unsere Wirtschaftsweise und unser Konsumverhalten. Wir stehen in ständigem Dialog mit Wirtschaft, Politik sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern. Außer beim Einkauf achtsam zu sein wie bezieht der Verein Menschen vor Ort mit ein? 2009 startete in Deutschland die internationale Kampagne Fairtrade Towns. Städte, Kreise und Gemeinden können sich nach Erfüllung von fünf Kriterien für den Titel Fairtrade-Stadt bewerben. Die Kampagne wird von TransFair e.v. getragen und bringt unterschiedliche Akteure aus Handel, Politik und Zivilgesellschaft zusammen. Als erste Stadt erhielt Saarbrücken Anfang April 2009 den Titel inzwischen gibt es bereits um die 40 Fairtrade-Towns in Deutschland. Wie kann sich die CDA einbringen? Unser Appell richtet sich an alle Kommunalpolitikerinnen 20

www.fairtrade-code.de 3448002 das ist der Fairtrade-Code von Davert Basmati Reis im Kochbeutel. Wer diesen Code auf www.fairtrade-code.de eingibt, erfährt mehr über das Produkt: So stammt der Basmati Reis aus dem Fairtrade-Projekt Khaddar am Fuße des Himalayas im Norden Indiens. Die indischen Demeter-Bauern kultivieren dort unter idealen Naturvoraussetzungen die beste Reissorte der Welt. Achten Sie beim Einkauf auf dieses Siegel Alle Rechte TransFair e.v. und Kommunalpolitiker: Achtet bei der Beschaffung darauf, dass die Fairtrade-Kriterien eingehalten werden ob beim Kaffee für die Rathauskantine oder bei der Dienstkleidung für städtische Beschäftigte! Was hat sich Fairtrade außer der Beachtung sozialer Standards noch auf die Fahnen geschrieben? Die Zukunft stellt den fairen Handel vor neue Aufgaben: Neben der Armutsbekämpfung ist in den nächsten Jahrzehnten auch der Klimawandel eine wichtige Herausforderung. Was geschieht da konkret? Fairtrade setzt hier in zweifacher Hinsicht an. Zum einen werden die Produzenten gestärkt und durch feste Mindestpreise und Fairtrade-Prämien in eine bessere Lage versetzt, um auf Veränderungen zu reagieren. Zum anderen führen ökologische Kriterien in den Fairtrade-Standards zu umwelt- und klimaschonenden Anbauweisen und einer Sensibilisierung aller Beteiligten für den Umweltschutz. Und wenn ich genau wissen will, woher ein Fairtrade- Produkt stammt? Ganz einfach: Fairtrade-Code von der Verpackung notieren, ab ins Internet und dort die Infos über die Herkunft des Produktes abrufen. Angaben zum Nährwert und zu Fairtrade- Partnerfirmen liefert die Seite ebenfalls und leckere Rezepte auch, zum Beispiel Reispudding mit Vanille. Und einen Produkte-Finder gibt s auf www.fairtrade-deutschland.de Übrigens: Eine Smartphone-App zum Thema gibt es auch. 21

Aus erster Hand Schatten über glänzenden Steinen Die Freude über schönen Schmuck ist groß. Doch Kinder müssen dafür Flussufer durchwühlen und in Stollen klettern. Friedel Hütz-Adams Der 12-jährige Wilson Pete aus Tansania sagt in einem Interview, wenn er Präsident würde, ginge er gegen Kinderarbeit in Minen vor: Ich lasse alle Menschen einsperren, die erlauben, dass Kinder in Minen arbeiten. Diese Aussage überrascht nicht, denn viele Kinder wissen, dass die Arbeit, die sie in den Minen verrichten, gesundheitsschädlich und eigentlich verboten ist. Sie wissen häufig auch, dass ihnen ohne die Möglichkeit, die Schule zu besuchen, vermutlich ein Leben in Armut bevorsteht. Was allerdings überrascht, ist die Antwort auf die Frage, was diese Kinder in den Minen eigentlich fördern. In Sierra Leone durchwühlen sie Flussufer nach Diamanten und in Tansania klettern sie in tiefe Stollen, um Tansanite zu suchen, blau schimmernde und wertvolle Edelsteine. Kinder arbeiten bei der Herstellung von Produkten mit, die beispielsweise in einem europäischen Geschäft, d.h. am Ende der Produktionskette, hunderte oder gar tausende Euro kosten. Die weite Reise des Schmucks Die Schilderungen über Kinderarbeit werfen ein Schlaglicht auf die Herstellungskette von Schmuck. Zwar entsprechen die Förderbedingungen in einigen Minen internationalen Standards und leisten einen wichtigen Beitrag zu Schaffung von Arbeitsplätzen und Steuereinnahmen. Doch ein erheblicher Teil der Rohstoffe wird in Minen gewonnen, in denen bei sehr niedrigen Löhnen kein Gesundheits- und Arbeitsschutz existiert. Hinzu kommen die Probleme im Umfeld der Minen. Vertreibungen der Bevölkerung, Zerstörung der Lebensgrundlage bei mangelnder Entschädigung und massive Umweltzerstörungen sind an der Tagesordnung. Von den hohen Umsätzen kommt bei den vom Bergbau betroffenen Menschen wenig an. Hier findet sich die eigentliche Ursache der Kinderarbeit. Weltweite Fertigung Nicht nur die Förderung der Rohstoffe ist internationalisiert. Zwar stellen Juweliere in Deutschland noch Schmuck aus importierten Rohstoffen her und es gibt noch Schmuckfabriken, die vor allem hochwertige Ware fertigen. Doch Schmuck stammt heute zu einem großen Teil aus Billiglohnländern Anbieter von Schmuck vom Juwelier über die Kaufhäuser bis zu den Versandhäusern beziehen inzwischen einen großen Teil ihrer Ware aus Billiglohnländern. Ein Teil der Produktion findet in modernen Fabriken statt, in denen ortsübliche Löhne gezahlt werden. Ein Teil des Schmucks stammt dagegen aus Fabriken, in denen unter menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet wird. Vor allem in Asien haben die Fabriken ganze Produktionsbereiche in den informellen Sektor von Hinterhofwerkstätten bis zur Heimarbeit mit sehr unsicheren Arbeitsverhältnissen ausgelagert. Arbeit an neuen Strukturen Die Schmuckhersteller haben größtenteils keinen Überblick, woher die Rohstoffe kommen und unter welchen Bedingungen sie gewonnen wurden. Der Handel, von Juwelieren bis hin zu den Einzelhandelsunternehmen, hat meist nicht nachgefragt, woher ihre Ware stammt. Die Missstände sind so groß, dass Verbesserungen Jahre in Anspruch nehmen werden. Dazu sind Investitionen nötig: In höhere Löhne, bessere Umweltstandards, mehr Transparenz und eine Überwachung der Produktionskette. Nur wenn ein höheres Lohnniveau erreicht wird, das den Familien eine Existenzsicherung garantiert, kann Kinderarbeit der Vergangenheit angehören. 22