Spezielle Pathologie des Harntraktes. 1. Teil

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Spezielle Pathologie des Harntraktes 1. Teil

Histologie und Physiologie der Niere

Lage der Niere in der Bauchhöhle: Niere Lage der Niere: retroperitoneal d.h. die Niere ist einseitig von Serosa überzogen (grün) Nierenkapsel umgibt die Niere vollständig (blau)

Anteile der Niere: -Kapsel - Nierenrinde (Cortex) - Nierenmark (Medulla) - Papille - Nierenbecken

Histologische Elemente der Niere: - Glomerulum (- a) Nephron (* - Tubulusapparat inkl. Sammelrohre - Gefäßsystem - Interstitium - Nierenbecken (* Hund 400.000 pro Niere Länge jeweils ca. 50 mm Katze 500.000 Schwein 1.000.000 Rind 4.000.000 Pferd 2.700.000

Glomerulum Bowmansche Kapsel - Kapsel - parietales Blatt Schlingenkonvolut - Endothelzellen - Basalmembran - Podozyten (viszerales Blatt) Mesangium - Mesangiumzellen (Myofibroblasten, Phagozytose) - Masangiummatrix - Makrophagen (rd. 10% der Zellen) Hund, Niere, Toluidinblau-Färbung, Epon-Einbettung, Semidünnschnitt

Mesangium - Mesangiumzellen - Mesangiummatrix Basalmembran Podozyten (viszerales Blatt) + Glykokalyx Glomerulum Mesangium Gefäßendothel Basalmembran Podozyten Glykokalix (Heparansulfat) Basalmembran Endothelzelle Kapselraum parietales Blatt der Bowmanschen Kapsel

Glomerulum Schlingenkonvolut Podozyten mit ihren Fußfortsätzen Maus, Niere, Raster-Elektronenmikroskopie

Glomerulum Kapillare Endothel mit Poren

Glomerulum - Filtrationsbarriere: - Moleküle ab einem MG von 65.000d werden ausgeschlossen - effektive Porengröße rd 3,0 nm - Endothelzellen mit fenestrierten Poren (ø 80 nm) - Basalmembran (nur partiell umschließend!) - Schlitzporen der Podozyten (20-30 nm) - Glykokalix (v.a. Heparansulfat) negativ geladen Filtrationsbarriere: elektrostatische Barriere: Basalmembran Glykokalix

Tubuli proximaler Tubulus - Pars convoluta - Pars recta Henlesche Schleife dünner Teil distaler Tubulus - Pars recta - Pars convoluta Verbindungstubulus Sammelrohr Ductus papillaris

Tubuli - Rinde prox. Tubuli dist. Tubuli Sammelrohr beachte das Interstitium > siehe dazu weiter unten Ratte, Niere,Giemsa

Nieren-Papille beim Hund eine einwarzige glatte Papille (Papilla communis) Hund, Niere

Nieren-Papille Mündungen der Ductus papillares auf der Nierenpapille (Area cribrosa) die Öffnungen sind nicht kreisrund sondern schlitzförmig (= Ventileffekt, s.u.)

Histologische Elemente der Niere (3): - Interstitium Anmerkung: - in der normalen Nierenrinde entfallen auf das Interstitium nur 2 Volumenprozent - Gefäße und Tubuli sind sehr eng benachbart

Histologische Elemente der Niere (4): - Gefäßsystem (1) Anmerkung: - die Niere ist ein Endarterien-Gebiet - das Glomerulum ist ein arterielles Wundernetz - nahezu die gesamte arterielle Blutversorgung des Organs erfolgt über die Vasa efferentia der Glomerula - einschließlich der Vasa recta (aus den juxtamedullären Glomerula), die bis zur Nierenpapille ziehen

Gefäße A. renalis A. interlobaris A. arcuata A. interlobularis Vas afferens Glomerulum Vas efferens Rindenkapillaren Arteriolae rectae >>

Histologische Elemente der Niere (5): - Gefäßsystem (2) Verhältnis postglomeruläre Kapillare < > Tubulus: eine enge Nachbarschaft ist erforderlich > Versorgung der Tubuluszellen mit O 2 und Nährstoffen > Abtransport der rückresorbierten Substanzen inkl. H 2 O - rd. 60% der Kapillaroberfläche haben unmittelbaren Kontakt mit Tubuli - rd. 25% der Tubulusoberfläche sind von Kapillaren bedeckt

normale Niere Tubuli postglomeruläre Kapillaren Interstitium beachte den geringen Abstand zwischen Kapillare und tubulärer Basalmembran (Pfeile) Hund, Niere, obb

Histologische Elemente der Niere (6): - Gefäßsystem (3) - Nieren machen etwa 0,5% des KGW aus, sie erhalten aber 25% des Herzminutenvolumens - davon bedienen 90 % die Nierenrinde und weniger als 10 % das Mark - trotzdem beherbergt das Mark rd. 2/3 des Blutgehaltes der Niere (großes Kapillarvolumen mit langsamer Fließgeschwindigkeit > Gefahr der Hypoxie!!)

Physiologie der Niere (Mensch): - aus rd. 1.500 l Blut werden täglich 120 l Primärharn (Ultrafiltrat) und daraus 1,5 l Urin produziert (Mensch) - die Flüssigkeit des Extrazellularraumes wird täglich rd. 10 x umgesetzt - im Gegensatz zu anderen Endstromgebieten findet im Glomerulum keine Rückresorption statt, d.h. der Blutdruck ist in den Gefäßen vergleichsweise hoch - die Menge an Primärharn ist vom Blutdruck abhängig (!!) eff. Filtrationsdruck = Druck im Vas aff. - (tub. Gegendruck + kolloidosm. Druck) 25 mm Hg = 75 mm - ( 20 mm + 30 mm ) >> ein Absinken des systolischen Blutdruck um 20-25 mm Hg führt zum Sistieren der Filtration und damit zur Oligurie oder Anurie (akutes Nierenversagen) bzw. längerfristig zur prärenalen Urämie

Hauptfunktionen der Niere: - Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen - endogen gebildet (Harnstoff, Kreatinin etc.) - exogen zugeführt (Pharmaka, Toxine) - Regulation von Wasser- und Ionenhaushalt (Osmolarität) - Regulation des Säure-Basen-Haushalts - Synthese von Hormonen - Renin > Angiotensin > Blutdruck - Erythropoietin > Erythropoese im KM - Bildung von 1,25 Vit D3 > Erhöhung Ca 2+ im Blut

Grundmechanismen der Nierenfunktionen: - das Grundprinzip besteht darin, daß alle niedermolekularen Substanzen in einer großen Menge an Ultrafiltrat unselektiv ausgeschieden werden (Filtration - Glomerulum) - aus diesem Ultrafiltrat werden dann selektiv Substanzen und Wasser entnommen (Rückresorption - Tubulus) - andererseits werden zusätzlich Substanzen aktiv in den Harn ausgeschieden / sezerniert (Sekretion - Tubulus)