Rede des Herrn Staatsministers Frank Kupfer Anlass: Nachwuchsoffensive Grüne Berufe am: 21.04.2010 Ort: Dresden-Pillnitz Es gilt das gesprochene Wort! Anrede, je länger ich mich mit der Landwirtschaft befasse, umso mehr bin ich davon überzeugt, dass Landwirt der schönste Beruf ist: vielseitig, umgeben von Pflanzen, Tieren und Menschen, modern und technisch anspruchsvoll. Daher habe ich mich im ersten Moment auch gefreut, als die Sächsische Bauernzeitung kürzlich verkündete, dass der Bund im nächsten Schuljahr ein Pflichtfach Landwirtschaft in die Grundschule einführen will. Leider war es die Ausgabe vom 1. April... Doch das, was als Aprilscherz gemeint war, hat einen ernsten, sogar einen sehr ernsten Hintergrund. Wir könnten durchaus auch solche Werbung für die Landwirtschaft gebrauchen. Denn leider sind die Zeiten vorbei, in denen die Lehrlinge fast selbstverständlich aus den umliegenden Orten in die Betriebe strömten. Im vergangenen Jahr wollten noch 274 junge Menschen Landwirt werden! 274 Lehrlinge, die sich auf die Spezialisierungen Tierwirt, Landwirte und Fachkraft Agrarservice aufteilen. Benötigt werden ca. 500 Lehrlinge pro Jahr! Und leider ist die geringe Nachfrage keine Momentaufnahme. Sie ist ein Trend. Zwischen 2006 und 2009 sanken die eingetragenen Ausbildungsverhältnisse bei Landund Tierwirten sowie bei den Gärtnern um rund 40 %. Das ist alarmierend! Wenn das so weiter geht, ist unsere Technik bald jünger als der Mitarbeiterstamm. Und kein noch so guter Fütterungscomputer oder GPS-gestützter Traktor kann einen Menschen ersetzen!
2 Die Zukunft der Landwirtschaft wird sich daher in der Aus- und Weiterbildung entscheiden, meine Damen und Herren. Wir wissen alle, dass im Wettbewerb nur die Unternehmen bestehen können, die über hervorragend ausgebildete Fachkräfte verfügen. Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen haben gezeigt, je qualifizierter die Mitarbeiter, umso größer der Betriebserfolg. Doch keine Fachkräfte ohne Auszubildende. In Folge des Bevölkerungsrückgangs stehen immer weniger Schulabgänger für eine landwirtschaftliche Berufsausbildung zur Verfügung. An den allgemeinbildenden Schulen sind die Abgängerzahlen seit 2002 rückläufig. Bis 2020 werden 30 % weniger Schüler die Schule verlassen als 2007. Das heißt, wir werden künftig zusammen mit 348 anderen Berufen um die besten Lehrlinge konkurrieren. Wie können wir diesen Wettbewerb gewinnen? Wir können ihn nur gewinnen, wenn zum einen die Rahmenbedingungen für die jungen Leute stimmen und zum anderen das Berufsbild, also Aufgaben und Aufstiegsmöglichkeiten, mehr als bisher in der Öffentlichkeit bekannt sind. Insofern hätte ich ja ein Unterrichtsfach Landwirtschaft gar nicht so schlecht gefunden. Da aber in Zukunft nicht damit zu rechnen ist, müssen wir Verbände, Verwaltung und jedes einzelne Unternehmen auf die Schulabgänger zugehen. Gerade die Unternehmen müssen lernen, nicht nur für ihre Produkte zu werben, sondern auch für ihren Berufszweig. Das, was viele Betriebe bei der Vermarktung immer mehr beachten, gilt auch beim Wettbewerb um den besten Berufsnachwuchs. Sie müssen die Werbetrommel rühren! Der Volksmund sagt nicht umsonst: Wer nicht wirbt stirbt! Was spricht beispielsweise dagegen, wenn sich Agrarbetriebe mit ihren Lehrlingen bei Ausbildungsmessen wie z. B. der Karriere-Start in Dresden, den Azubi- und Studientagen in Leipzig oder bei Informationsveranstaltungen zur Berufsbildung stärker mit beteiligen?
3 Warum nicht einmal einen Fernsehspot schalten? Wer weiß von den Städtern schon so genau, wo das Schnitzel und die knusprigen Bratkartoffeln letztendlich herkommen? Wer weiß schon, dass Landwirte bei Artenkenntnissen, Pflanzenschutz, Düngemitteln, Futterrationen und Qualitätsnormen genauso sicher sein müssen wie in der Betriebswirtschaft und am Computer? Warum anderen das Feld überlassen? Kein Beruf ist so abwechslungsreich wie der des Landwirts! Und genau diese Botschaft muss jedes Landwirtschaftsunternehmen zu den jungen Menschen bringen. Deshalb rate ich allen Unternehmen: Gehen Sie in die Schulen! Schließen Sie sich mit Ausbildungsberatern zusammen! Öffnen Sie Ihre Hoftore für Schulen. Bieten Sie Praktika an! Denken Sie immer daran: Auch qualifizierter Berufsnachwuchs entscheidet maßgeblich über Ihr Sein oder Nichtsein auf den künftigen Märkten! Daher lohnt es sich, sowohl in das eigene Berufsmarketing zu investieren, als auch in attraktive und moderne Ausbildungsplätze. Technisch anspruchsvolle Maschinen lassen sich nun einmal nur von gut qualifizierten Mitarbeitern bedienen! Wer wissen möchte, wie gut die Ausbildung im eigenen Unternehmen läuft, dem empfehle ich, bei QEK Qualität-Ertrag-Kosten mitzumachen. Das Wirtschaftsministerium hat diese Landesinitiative gestartet. Das Know how stammt, wie ich mir habe sagen lassen, von Herrn Prof. Rauner. Herr Prof. Rauner, schön, dass Sie heute hier zu Gast sind und Ihr Wissen in diese Runde einbringen. Ich freue mich, dass die Landwirtschaft die erste Berufsgruppe ist, die von der Landesinitiative profitiert. Und ich empfehle unseren Unternehmen, dieses Angebot auch zu nutzen. Nichts ist so gut, dass es nicht noch besser gemacht werden könnte. Angesichts der wirklich dramatischen Ausbildungszahlen sollte jeder Betrieb alles, aber auch alles in seiner Macht Stehende tun, um für Berufsnachwuchs zu sorgen. Noch liegt es in Ihrer Hand, aber auch in der Hand der Verbände, der Schulen, der Politik und der Verwaltung, gute Mitarbeiter zu finden.
4 Der Freistaat steht Ihnen zur Seite. Er hat in den letzten Jahren sehr viel für den landwirtschaftlichen Berufsstand investiert: In der überbetrieblichen Ausbildungsstätte Köllitzsch entstanden eine Multifunktionslehrwerkstatt, Lehrwerkstätten für Tier- und Produktkunde sowie Technik der Innenwirtschaft und das Internat. Die Produktionsstätten und die technischen Ausrüstungen sind auf dem neusten Stand. Auch in Dresden-Pillnitz hat der Freistaat Sachsen für modernste Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für die Gärtnerinnen und Gärtner gesorgt. Für die Teilnahme an der staatlichen überbetrieblichen Ausbildung erheben wir keine Lehrgangsgebühren, um Ausbildungsbetriebe nicht noch weiter finanziell zu belasten. Neben verbesserten materiellen Bedingungen wurden auch die Lehrgangspläne inhaltlich überarbeitet und fachlich sowie methodisch auf den neuesten Stand gebracht. Auch die Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten wurden noch einmal verbessert. Wir haben zum einen die Durchlässigkeit der Bildungswege erleichtert. Wer nach seiner Berufsausbildung ein Praktikum absolviert hat, kann sich anschließend sofort und ohne Wartezeit an der Fachschule fortbilden. Zum anderen wurden die Lehrpläne auch an den Fachschulen neu konzipiert. Diese orientieren sich verstärkt an den Praxisanforderungen und beschreiben die praktischen Aufgaben eines Landwirts. So gibt es nun kein separates Fach Bodenkunde oder Pflanzenschutz mehr, sondern ein Lernfeld Landwirtschaftliche Flächen umweltschonend und nachhaltig bewirtschaften. Meine Damen und Herren, so wie an den Fachschulen fachübergreifend unterrichtet wird, so müssen wir auch behördenübergreifend die Nachwuchsoffensive Grüne Berufe angehen. Daher freue ich mich, dass heute so viele Akteure rund um die Grünen Berufe gekommen sind. Wir brauchen Sie alle: die Verbände, die Bildungsträger, die allgemeinbildenden Schulen, die Berufs- und Hochschulen und die Arbeitsverwaltung, kann doch jeder auf seinem Gebiet eine Schneiße für die Grünen Berufe schlagen.
5 Große Industrieunternehmen haben schon längst begonnen, Vorsorge zu treffen, Personal langfristig zu binden. Diesen Beispielen müssen wir folgen. Dazu hoffe ich auf Ihre Ideen aus dieser Leuchtturmveranstaltung. Leuchttürme dienen ja bekanntermaßen dazu, Wege zu finden. Und so soll heute nach Wegen gesucht werden, wie wir den Wettbewerb um die besten Schulabgänger gewinnen können. In erster Linie ist jedes Unternehmen selbst gefordert, in seine Zukunft zu investieren: Ausbildungsplätze bereitzustellen, für ein angenehmes Arbeitsklima und eine ansprechende Vergütung zu sorgen sowie, wie bereits gesagt, offensiv zu werben. Unterstützung können hierbei der Berufstand, die Agenturen für Arbeit und die Agrarverwaltung geben. Die Staatsregierung hat vor fast einem Jahr eine Vereinbarung mit der sächsischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit unterzeichnet, um die Zusammenarbeit zwischen Agrarverwaltung und den Agenturen für Arbeit zu verbessern. Die Berufsstände sollten den Berufsberatern der Agenturen agrarspezifische Informationen zur Verfügung stellen, damit sie gezielter Kontakte zwischen Betrieben und Interessenten herstellen. Auch die Ausbildungsberatung an den unteren Landwirtschaftsbehörden bei den Landratsämtern ist gefordert. Die Berater können aufgrund ihrer herausragenden Vor- Ort-Kenntnis zwischen den Ausbildungsbetrieben und der Berufsberatung bei den Agenturen für Arbeit vermitteln. Und sie können die Betriebe bei der Suche nach geeigneten Kandidaten für die Ausbildungsplätze unterstützen. Stellen, die in einem Jahr nicht besetzt werden können, sollten z. B. über das Internet in Form einer Ausbildungsplatzbörse bekanntgemacht werden. Ein behördenübergreifendes Miteinander der Ausbildungsberater der Landratsämter, der Berufsschullehrer des Kultusministeriums, der Fachschullehrer im LfULG bzw. dem Landratsamt Mittelsachsen, der Ausbilder in den Betrieben, der berufsständischen Verbände vor Ort und der Agenturen für Arbeit ist das A und O, um qualifizierten Berufsnachwuchs in der Agrarproduktion zu sichern.
6 Gemeinsam können und müssen wir etwas bewegen. Und zwar mehr als nur die Klapptische dieses Hörsaals! Es geht um die Zukunft unserer Landwirtschaft, um unser tägliches Brotes, um auch künftig gepflegte Wiesen, Felder und Wälder. Ich bitte Sie um Ihre Unterstützung! Finden Sie vor Ort flexible und bedarfsgerechte Lösungen! Gehen Sie auf die jungen Leute zu! Lassen Sie uns zusammen dafür sorgen, dass Grüne Berufe wieder In sind! Ich bin sicher, es gibt noch mehr, die das genauso sehen: Landwirt ist und bleibt der schönste Beruf!