Ulrich Kuhnt Rückenfreundliche Gartenarbeit die Chance zur Steigerung der körperlichen Aktivität Benutzen einer Kniehilfe 10 DIE SÄULE 3/2012
In Deutschland gibt es rund 17 Millionen Haus- und Kleingärten mit einer Gesamtfläche von mehr als 930.000 Hektar. Im Jahr 2011 arbeiteten rund 9,6 Millionen Personen mehrmals wöchentlich im Garten. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde bewirtschaften die Hobbygärtner fast fünf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche hierzulande und das überwiegend ohne den Einsatz von Maschinen. Aus der Tatsache, dass sich in Deutschland so viele Personen in ihrer Freizeit in einem Garten betätigen, ergibt sich für Rückenschullehrer ein besonders interessantes Aufgabenfeld. Gartenarbeit zählt zu der körperlichen Bewegung/Aktivität. Der Begriff körperliche Aktivität (physical activity) bezieht sich als Oberbegriff auf jede körperliche Bewegung, die durch die Skelettmuskulatur produziert wird und den Energieverbrauch über den Grundumsatz anhebt. Er sollte eindeutig vom Begriff Sport (körperliche Leistung und Wettkampf) unterschieden werden. Für den positiven Einfluss körperlicher Bewegung im Hinblick auf die Prävention von Rückenschmerzen und die Vorbeugung von Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Kreuzschmerz gibt es in der Literatur gute Belege. Ausdrücklich empfiehlt das Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien, Version 1.2 (www.versorgungsleitlinien. de) körperliche Bewegung zur Vermeidung oder Verkürzung von Kreuzschmerzepisoden und zur Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit. Dabei soll sich die Auswahl des Verfahrens nach den individuellen Präferenzen und Voraussetzungen der Betroffenen richten. Im Kommentar zur Empfehlung wird darauf hingewiesen, dass es vielmehr auf die Regelmäßigkeit der Bewegung als auf bestimmte Arten und Methoden ankommt. Auch zur Intensität der körperlichen Aktivität kann keine Empfehlung abgeleitet werden. Diese Aussagen belegen die Wirksamkeit der körperlichen Aktivität in Zusammenhang mit der Gartenarbeit zur Prävention des unspezifischen Kreuzschmerzes. Das zentrale Anliegen dieses Beitrags ist es, die wertvollen Ressourcen der Gartenarbeit für die Förderung der Rückengesundheit nutzbar zu machen. Besonders interessant ist dabei die Verknüpfung zwischen der Verhaltens- und Verhältnisprävention. Verhaltenspräventive Aspekte behandeln die individuellen Verhaltensempfehlungen und die Verhältnisprävention beschreibt ergonomische Anforderungsprofile der Gartengeräte. Ausdrücklich soll darauf hingewiesen werden, dass es bei dieser Thematik nicht vorrangig um die Schonung und Entlastung des Rückens geht, sondern um die Förderung der körperlichen Aktivität. Ergonomische Verbesserungen der Gartengeräte und ihre rückenfreundliche Benutzung sollen bewirken, dass zuvor inaktive Personen für die Gartenarbeit motiviert werden können oder bewegungseingeschränkte Personen, insbesondere ältere Personen, durch die Hilfestellungen ihre Aktivitäten beibehalten können. Vorteile der körperlichen Aktivität Gartenarbeit Gartenarbeit: gehört zur Freizeitbeschäftigung und daher ist sie relativ frei von Leistungszwängen, kann zeitlich individuell und selbstbestimmt ausgeführt werden, erfordert eine dynamische und abwechslungsreiche Muskelaktivität der wichtigsten Skelettmuskeln, ermöglicht den Haltungs- und Bewegungswechsel zwischen Stehen, Sitzen, Knien, Gehen, Bücken, Heben und Tragen, ist ein guter Ausgleich zu den überwiegend bewegungsarmen Arbeitsplatzverhältnissen, fördert die familiäre und nachbarschaftliche Kommunikation, steigert das Selbstwertgefühl insbesondere von älteren Menschen, steigert das Wohlbefinden und die Selbstwirksamkeit, kann entspannen und der Stressbewältigung dienen. Empfehlungen für rückenfreundliche Verhaltensweisen bei der Gartenarbeit Nach Meinung weiter Teile der Bevölkerung führt Gartenarbeit unvermeidlich zu Rückenbeschwerden. Hier gilt es seitens der Rückenschullehrer Aufklärungsarbeit zu leisten. Tatsache ist, dass Gartenarbeit nicht zwingend notwendig Beschwerden im Rücken auslösen muss. Individuelle Verhaltensweisen können der Entstehung von Rückenbeschwerden entgegenwirken. DIE SÄULE 3/2012 11
Info Tipps für rückenfreundliche Gartenarbeit: Damit die Arbeit im Garten zur Freude und nicht zur Last wird, sollten Sie im Frühling langsam starten und das Arbeitspensum stetig steigern. Viele machen den Fehler, aus lauter Freude über das gute Wetter, plötzlich sechs oder acht Stunden am Stück im Garten zu arbeiten. Sie sollten Ihre Belastungen allmählich steigern und mit ein bis zwei Stunden am Tag anfangen. Wie beim Sport sollte man sich auch vor anstrengender Gartenarbeit ausreichend aufwärmen: Mit dem richtigen Warm-Up der Muskulatur vermindern Sie die Gefahr von Verspannungen, Zerrungen oder Muskelkater. Sie müssen nicht unbedingt spezielle Aufwärmübungen machen, sondern es ist ausreichend, wenn Sie Ihre Gartenarbeit mit körperlich leichten Tätigkeiten, wie z. B. harken oder fegen starten. Danach können Sie zu anstrengenderen Arbeiten wie dem Umgraben übergehen. Teilen Sie sich Ihre Arbeit gut ein und vermeiden Sie einseitige Belastungen. Monotones Heckeschneiden oder Umgraben über Stunden belastet Ihr Skelettsystem sehr einseitig und Beschwerden sind vorprogrammiert. Wechseln Sie daher möglichst stündlich Ihre Tätigkeiten. Gehen Sie z. B. nach einer gebückten Körperhaltung in eine stehende Haltung und wechseln Sie auch fortlaufend zwischen Überkopfarbeiten und sitzenden Arbeiten. Achten Sie auf Ihre Haltungs- und Bewegungsmuster. Beim Heben oder Tragen, beispielsweise eines schweren Blumentopfs, sollte die Beinmuskulatur zum Einsatz kommen und Drehbewegungen im Rücken sowie ruckartige Bewegungen sollten vermieden werden. Schwere Lasten können verteilt werden, indem beispielsweise zwei kleine Gießkannen statt einer großen getragen werden. Haben Sie Mut, auch mal jemanden zu fragen, der Ihnen hilft. Beim Ästeschneiden in Bodenhöhe empfiehlt es sich, in die Hocke zu gehen, um den Rücken nicht dauerhaft zu krümmen. Bei längeren gebückten Arbeiten, etwa beim Unkrautzupfen, sollten Sie sich hinknien oder setzen. Gerade ungeübte Hobbygärtner neigen dazu, die Schultern, z. B. beim Hecke- oder Astschneiden, stark hochzuziehen. Das kann zu unangenehmen Muskelverspannungen im Schulter- und Nackenbereich führen. Außerdem sollten Sie vermeiden, den Kopf über längere Zeit in den Nacken zu legen, wenn Sie über Kopf arbeiten. Benutzen Sie in diesen Situationen eine Leiter oder einen Tritt. Es ist wichtig, ausreichend viele Pausen einzulegen. Diese sind zugleich eine willkommene Gelegenheit für einen Plausch mit dem Nachbarn. Sie sollten nicht den Anspruch haben, an einem Tag alles fertigzustellen. Gartenarbeit soll schließlich keine Belastung darstellen, sondern eher eine wohltuende körperliche Aktivität sein. Ausgleichsgymnastik ist sinnvoll. Wer öfter mal zwischendurch die Wirbelsäule streckt, die Schultern kreist, den Rücken dehnt oder die Handgelenke ausschüttelt, entspannt die Muskulatur. Tragen Sie angemessene Kleidung: Ein verschwitzter Rücken kann schnell auskühlen und zu Verspannungen führen, daher gilt das Zwiebelprinzip. Anfangs sollten Sie sich wärmer anziehen, dann nach und nach ein Kleidungsstück ablegen. Des Weiteren sollte festes Schuhwerk ein Muss sein. Prüfen Sie das Anlegen eines Hochbeetes. Ein Hochbeet erleichtert die Gartenarbeit, da Sie in relativ aufrechter Körperhaltung arbeiten können. 12 DIE SÄULE 3/2012
Empfehlungen für ergonomische Gartengeräte Grundsätzlich können ergonomische Gartengeräte die Arbeit erleichtern. Dazu zählen ausreichend lange Stiele bzw. Teleskopstiele, die sich individuell auf die jeweilige Körpergröße einstellen lassen. Gartengeräte sollten möglichst leicht sein. Auch sollte z. B. das Spatenblatt nicht zu groß, sondern eher etwas kleiner sein, um nicht unnötig viel Erdreich auf einmal bewegen zu müssen. Beispiele für ergonomische Gartengeräte Hinweis: An dieser Stelle werden auch einige Hersteller von besonders bewährten Produkten vorgestellt. Die Angaben sollen Ihnen bei der Internetrecherche behilflich sein und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sicherlich gibt es weitere Hersteller ähnlich ergonomischer Geräte. Rasenmäher Ergonomische Elektro-Rasenmäher, z. B. von Bosch, unterstützen eine rückenschonende Körperhaltung und Handhabung. Die Längenverstellbarkeit der Holme ermöglicht ein Anpassen an verschiedene Körpergrößen und sorgt dadurch für ein ermüdungsfreies Arbeiten in aufrechter Haltung. Die ergonomische Form und Positionierung der Handgriffe verhindert ein Abknicken der Handgelenke beim Lenken des Mähers. Die einfache Bedienung der Schalter sowie die Möglichkeit, verschiedene Handhaltungen einzunehmen, sichern zusätzlich eine physiologische Handhabung. Zudem lassen sich Elektrorasenmäher durch deren geringes Gewicht und die gleichmäßige Gewichtsverteilung sehr leicht transportieren, manövrieren und verstauen. Weiterer Vorteil: Die Rasenmäher sind sehr leise und schonen die Umwelt. Spindelmäher Der Spindelmäher Momentum von Fiskars wird ausschließlich durch Muskelkraft bewegt. Hierin liegt der besondere Vorteil des Gartengerätes. Körperlich gesunde Personen können beim Rasenmähen ihre Kraft- und Ausdauerfähigkeiten verbessern. Der ergonomische Griff des Mähers bietet verschiedene Möglichkeiten, um die Hände komfortabel zu positionieren. Die Höhe des Griffs kann in vier Grundeinstellungen optimal an die Körpergröße des Benutzers angepasst werden. Als Zubehör wird ein Grasfangkorb angeboten, mit dem der Grasschnitt aufgefangen und entsorgt werden kann. Fiskars Rasenmäher Momentum Werkzeugstiele Besser ein gebogener Griff als ein gebogener Rücken, heißt das Motto der ergonomischen Gartengeräte-Linie der Firma ERGOBASE. Das ungewöhnliche Design erlaubt ein multifunktionales, rückenschonendes und kraftsparendes Arbeiten. Der S-förmige Griff optimiert die Handhabung. Er bietet verschiedene Greifhöhen, sodass sich der Nutzer unabhängig von der jeweiligen Arbeitshöhe nicht bücken muss. Die ergonomische Griffkonstruktion reduziert den Kraftaufwand und entlastet damit Rücken und die großen Gelenke. Die Produktpalette reicht von der Spaten-, Spitz- und Flachschaufel, Multifunktionsgabel über Handgeräte bis zum ergonomischen Schneeschieber. Der GARDENA combisystem-ergoline Aluminiumstiel Alu 150 plus erleichtert die Arbeit bei allen ziehenden und schiebenden Anwendungen deutlich und passt für alle combisystem-vorsatzgeräte. Die ergonomisch geformte Stiel-Krümmung ist speziell für ein rückenschonendes und aufrechtes Arbeiten ausgelegt. Der abgewinkelte Griff verhindert ein Abrutschen und verbessert die Haltung der hinteren Führungshand. Damit der 150 cm lange Stiel gut und angenehm in der Hand liegt, ist er mit DIE SÄULE 3/2012 13
S-förmiger Griff Stiel mit ergonomischer Krümmung Aufrechte Haltung beim Rasenkantenschneiden einem geriffelten Kunststoff ummantelt. Der Stiel ist aus Aluminium und dadurch besonders leicht und dennoch sehr stabil. Spaten Neu entwickelte Spaten von Gardena sind mit eingebauter Softec-Stoßdämpfung ausgestattet. Sie federt harte Schläge sanft ab und reduziert die Rückschlagenergie auf Handgelenke und Rücken. Der große Trittschutz mit robustem Profil sorgt zudem für eine optimale Krafteinleitung und verhindert das Abrutschen. Mit dem Telescopic Gärtnerspaten und der Telescopic Spatengabel von Fiskars können Personen unterschiedlicher Körpergröße mit einem Werkzeug arbeiten. Die Stiellänge lässt sich einfach einstellen, sodass für jeden Benutzer die optimale Arbeitshöhe entsteht. Rasenkantenscheren Rasenkantenscheren von Fiskars verfügen über einen ca. 110 cm langen Stiel, der das relativ ermüdungsfreie Arbeiten in aufrechter Körperhaltung unterstützt. Der flexible Schneidkopf lässt sich innerhalb 360 einstellen. Unkrautstecher Der Fiskars Telescopic Unkrautstecher bietet durch den teleskopierbaren Stiel eine praktische Zusatzfunktion: Jeder Benutzer kann die für sich optimale Arbeitshöhe einstellen. Der Unkrautstecher ist einfach und komfortabel zu benutzen. Er ermöglicht das leichte Entfernen von Unkraut im Stehen. Die tief in den Boden reichenden Greifarme fassen die Wurzel des Unkrauts aus verschiedenen Richtungen und ziehen sie aus dem Boden. Spaten mit eingebauter Stoßdämpfung Höhenverstellbarer Spaten Einsatz einer Gartenkralle 14 DIE SÄULE 3/2012
Abfallbehälter mit Rollen Einsatz einer Baumschere Gartenkralle Mit einer höhenverstellbaren Gartenkralle (von 96 107 cm), z. B. von Zeus, können unterschiedliche Böden in aufrechter Körperhaltung mit einer einfachen, halben Drehung gelockert und belüftet werden. Ebenso lässt sich mit diesem Gerät Torfmoos oder Kompost gut untermischen. Der ergonomisch geformte Griff unterstützt eine physiologische Hand- und Armhaltung. Baumscheren Die sogenannten Fiskars Schneidgiraffen erleichtern das Schneiden an schwer erreichbaren Stellen wie Baumkronen und in Bodennähe. Die Produkte ermöglichen ein Arbeiten in ergonomischer Körperhaltung ohne Leiter. Das innen liegende Seilsystem bietet eine spürbare Kraftersparnis beim Schneiden. Der hintere Ziehgriff bietet die Möglichkeit des Schneidens in besonderer Höhe. Eine große Flexibilität in der Auswahl der Schneidposition verleiht der um ca. 230 drehbare und in beliebiger Position fixierbare Schneidkopf. Faltkarren und Transportbehälter Faltbare Schubkarren, z. B. von den Firmen Siena oder Keter, sind besonders leicht zu schieben und gut zu verstauen. Transportbehälter mit Rollen für Gartenabfälle reduzieren Hebe- und Tragebelastungen. Rollwagen und Kniehilfen Der Einsatz eines Rollwagen, wie z. B. von Wenko, kann eine wertvolle Unterstützung bei monotonen Arbeiten auf Bodenhöhe darstellen. Ebenso können Kniehilfen die Kniebelastung erheblich reduzieren. Kindergeräte Damit Kinder schon früh die Freude am Garten kennenlernen und am Gärtner-Leben teilnehmen, hat Fiskars Gartengeräte extra für Kinder entwickelt: Durch die sicheren Köpfe aus Kunststoff können die Kinder sich und andere nicht verletzen. Zusätzlich charakterisieren fröhliche Farben das Sortiment. Empfehlungen für die Arbeit der Rückenschullehrer Die Thematik Rückengerechte Gartenarbeit kann in den Kursen zur präventiven Rückenschule zielgruppenorientiert behandelt werden. Gartenarbeit sollte vom Rückenschullehrer als eine positive körperliche Aktivität dargestellt werden. Insbesondere ältere Personen sollten darin bestärkt werden, ihre Gartenarbeit auch im höheren Alter noch moderat fortzuführen. Wichtig ist die sensible Berücksichtigung der individuellen Wünsche und körperlichen Voraussetzungen der Teilnehmer. Falls die organisatorischen Umstände es ermöglichen, sollten die rückengerechten Körperhaltungen und Bewegungsabläufe bei der Gartenarbeit exemplarisch in einem Garten gemeinsam mit der Gruppe erarbeitet werden. Zusätzlich zu den Rückenschulkursen können Kursleiter diese Inhalte auch in Gartencentern oder Baumärkten an besonderen Aktionstagen ihren Kunden vermitteln. Kontakt Ulrich Kuhnt Rückenschule Hannover Forbacher Str. 14 30559 Hannover E-Mail: kuhnt@ulrich-kuhnt.de Internet: www.ulrich-kuhnt.de DIE SÄULE 3/2012 15