Fakultät für Physik Physik und ihre Didaktik Prof. Dr. Bärbel Fromme. Die Sache mit dem Plopp. oder:

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Transkript:

Universität Bielefeld Fakultät für Physik Physik und ihre Didaktik Prof. Dr. Bärbel Fromme Die Sache mit dem Plopp oder: Wie man die Druckbäuche von stehenden Wellen in einem einseitig geschlossenen Blasinstrument misst. oder: Wie man mit einem Gasdrucksensor die Schallgeschwindigkeit misst. (siehe Veröffentlichung: Ein Geräusch: Plopp ) Wenn man aus einer Spritze den Kolben schnell herauszieht, so gibt es ein lautes Plopp- Geräusch. Hält man die Spritze vorne zu, so ist es besonders laut. Woher kommt das Geräusch? Das Geräusch entsteht genauso wie die Töne in Blasinstrumenten bzw. Orgelpfeifen, die ja auch letztlich Blasinstrumente sind. Wiederholung: Stehende Wellen bzw. schwingende Luftsäulen in einem Blasinstrument Schallwellen sind longitudinale Druckwellen. Teilchen eines Mediums häufig Luft werden durch den schwingenden Tonerzeuger (Saite, Stimmband, Lautsprechermembran etc.) angestoßen, bewegen sich ein Stück und stoßen dabei andere Teilchen an. Das führt zu periodischen Luftverdichtungen und -verdünnungen, die sich dann als Schallwelle ausbreiten. Hört man bei einem Blasinstrument einen Ton, so wird der dadurch hervorgerufen, dass in dem Instrument eine stehende Longitudinalwelle - im Prinzip eine stehende Schallwelle erzeugt und so lange aufrechterhalten wird, wie der Ton zu hören ist. Zur Erinnerung: eine stehende Welle breitet sich nicht aus. Die Amplitude einzelner Schwinger (das sind hier die Luftteilchen) des Systems ist ortsabhängig, aber konstant: Abhängig vom Ort, an dem sich ein Schwinger des schwingenden Systems befindet, bewegt er sich entweder gar nicht (Schwingungsknoten), etwas, oder bis hin zur Maximalamplitude (Schwingungsbauch). Im Blasinstrument bewegen sich die Teilchen also an manchen Stellen mit großer Auslenkung hin und her ( Schwingungsbauch ), der Druck variiert hier nicht ( Druckknoten ). An manchen Stellen bewegen sich die Teilchen nicht ( Schwingungsknoten ). Gegen diese Stellen drücken aber von der Seite sich bewegende Teilchen wir haben hier also hohe Druckschwankungen ( Druckbauch ).

Beidseitig offene Röhren Nun gibt es Blasinstrument und Orgelpfeifen, die an beiden Enden offen sind (siehe Naturtrompete in der Abbildung unten), und solche, die nur an einem Ende offen sind (wie unsere Spritze). Offenes Ende: können sich Luftteilchen ungehindert ein und aus bzw. hin- und herbewegen. Hier liegt also in jedem Fall ein Bewegungsbauch, also maximale Auslenkung der Teilchen vor. Andererseits muss der Druck an dieser Stelle dem Außenluftdruck entsprechen sonst würden da merkwürdige Strömungen entstehen. Hier hat man also keine oder allenfalls kleine Druckschwankungen, also einen Druckknoten. Die Bedingung Druckknoten bzw. Bewegunngsbauch am offenen Ende führt zwangsläufig dazu, dass es nur ganz bestimmte Schwingungsmoden (Grund- und Obertöne) in einem Blasinstrument geben kann. Die Wellenlänge der stehenden Welle und damit ihre Frequenz gemäß cschall, Luft = f λ wird durch die Länge L der Tröte festgelegt. Die größte Wellenlänge bei der beidseitig offenen Röhre und damit geringste Frequenz (Grundton) erhält man für die stehende Welle mit nur einem Druckbauch = Bewegungsknoten in der Mitte der Röhre. Hier gilt: L = λ/2 bzw. λ = 2 L (Grundton, beide Seiten offen) Obertöne erhält man bei 2, 3, 4, Bewegungsknoten in der Röhre. Grundton Bewegungs- bzw. Schwingungsknoten: keine Teilchenbewegung Aber: maximale Druckänderung (Druckbauch) 1. Oberton Bewegungssbäuche: maximale Teilchenbewegung Aber: keine Druckänderung (Druckknoten) Abb. aus: Cornelsen, Physik für Gymnasien, Sek. I, Länderausgabe D, Gesamtband

Einseitig geschlossene Röhren Bei Röhren, die nur an einem Ende offen sind, sieht das etwas anders aus. Geschlossenes Ende: Hier liegt gezwungenermaßen ein Bewegungsknoten vor, denn die Teilchen werden durch die Wand an der Hin- und Herbewegung gehindert. Sie kommen sozusagen an der Wand zu Ruhe. Am geschlossenen Ende haben wir aber einen Druckbauch, denn die in der Röhre hin- und herschwingenden Teilchen üben dabei natürlich hier einen wechselnden Druck aus. Am offenen Ende der einseitig geschlossenen Röhre haben wir nach wie vor den Schwingungsbauch (Druckknoten). Bei gleicher Länge L erhalten wir hier durch diese Randbedingungen andere Wellenlängen und Frequenzen für Grund und Obertöne als bei der beidseitig offenen Röhre. Hier gilt für den Grundton: L = λ/4 bzw. λ = 4L Die Unterschiede für offene und geschlossene Röhren sind in der nächsten Abbildung zusammengefasst. Bewegungsknoten bzw. Druckbauch (große Druckänderung) am geschlossenen Ende. Diese Druckänderung können wir bei der Spritze mit einem Drucksensor messen! Abb. aus: Alonso-Finn, Fundamental University Physics II,

Druckbauch beim Plopp der Spritze Wenn man den Kolben plötzlich aus einer einseitig geschlossenen Spritze zieht, regt man die Luftsäule in der Spritze zu Eigenschwingungen an. Es entstehen stehende Wellen, deren Wellenlänge und Frequenz von der Länge der Spritze abhängt. Die kurzzeitig in der Spritze schwingende Luft erzeugt ebenso kurzzeitig eine Schallwelle im Außenbereich, die wir als Plopp hören. Die stehende Welle in der Spritze hat am geschlossenen Ende einen Druckbauch, was bedeutet, dass sich der Druck hier periodisch ändert und diese Änderung kann man mit einem Gas-Druck-Sensor messen. Versuchsaufbau und Durchführung Gasdrucksenor mit TI-nspire verbinden Kolben der Spritze ganz einschieben Spritze auf den Gasdrucksensor schrauben Der Sensor zeigt dann den herrschenden Luftdruck an, der in der Größenordnung von 100 kpa liegt. Kolben plötzlich herausziehen und dabei den Druckverlauf messen. Achtung: Beim Herausziehen des Kolbens Spritze festhalten - nicht den Sensor!!!! Erwarteter Druckverlauf: wegen Boyle-Mariotte (pv = const.) sollte der Druck bei der Volumenvergrößerung stark abnehmen. Im Moment des Plopp, also wenn der Kolben aus der Spritze rutscht, steigt der Druck wieder auf normalen Luftdruck an. Das misst man auch: Einstellungen für die Messung: 1000 Stichproben pro Sekunde Dauer: 0.7 s Trigger setzen mit: Abnahme über Schwellenwert Schwellenwert 1 kpa kleiner als herrschenden Luftdruck Prozentsatz von Punkten vor Auslöseereignis: 1

Wodurch kommt nun das Plopp? Dazu kann man sich den Bereich am Ende des plötzlichen Druckanstiegs, also wenn der Kolben die Spritze verlässt, mal genauer (mit besserer Zeitauflösung gemessen) ansehen. Einstellungen bei dieser Messung 10000 Stichproben pro Sekunde Dauer: 0.249 s Trigger Abnahme über Schwellenwert Schwellenwert 10 kpa Prozentsatz von Punkten vor Auslöseereignis: 1 (oder so ) Das Plopp hört man im Moment, wenn der Kolben die Spritze verlässt. Dann strömt die Außenluft plötzlich ein, wird am Gasdrucksensor, dem geschlossenen Ende der Spritze, reflektiert, am offenen auch wieder usw.: es entsteht kurzzeitig eine stehende Welle mit Druckbauch am geschlossenen Ende, deren Schwingungen sich über Wand und Öffnung der Spritze auf die äußeren Luftteilchen überträgt und die Plopp-Schallwelle erzeugt. Die periodischen Druckschwankungen des Druckbauchs werden vom Drucksensor hervorragend nachgewiesen, wie die Ausschnittsvergrößerung der Messung (rechte Abbildung) zeigt. Bestimmung der Schallgeschwindigkeit aus der Periodendauer der Druckschwankungen im Druckbauch Ausmessen der Druckschwingungsdauer liefert die Frequenz, mit der die Luftteilchen bzw. der Druck in der stehenden Welle schwingt. Mit Hilfe der Länge der Spritze lässt sich daraus die Schallgeschwindigkeit ermitteln: T 0.00104 s ν 959 Hz Nehmen wir mal an, dass das der Grundton unseres Plopps ist. Dann ist die Wellenlänge

dieses Tons bei einer einseitig geschlossenen Röhre 4L. Die Spritzenlänge beträgt unter Einbeziehung der abgeschrägten Fläche zur Spitze hin π mal Daumen 8.8 cm. Damit: λ = 4L 35.2 cm c = f λ 339 m/s Messung der Plopp-Tonfrequenz mit Mikrofon Dass die mit dem Drucksensor bestimmte Frequenz der Druckschwankung auch tatsächlich was mit dem gehörten Plopp zu tun hat, kann man nachweisen, indem man das Plopp mit dem Mikrofon aufnimmt, den Ausschnitt vergrößert und analysiert. Das sieht zum Beispiel so aus: Einstellungen: Sensor Mikrofon auf Null setzen 10000 Stichproben pro s Dauer: 0.1 s Trigger setzen: Zunahme über Schwellenwert Schwellenwert z. B. 0.2 Prozentsatz Messpunkte vorher: 0 Aus der abgebildeten Messung ergibt sich: T = 0.00103 s f = 971 Hz, also die Frequenz der stehenden Welle, die aus der Druckschwankung im Druckbauch am geschlossenen Ende der Spritze bestimmt wurde. Die Idee für dieses Experiment habe ich aus einer Veröffentlichung, die keine Hinweise auf Autor oder Veröffentlichungsort trägt. Es gibt nur die Aufschrift: Socrates Minerva Programme 99843-CP-1-2002-1-PL