550 Jahre Pfarrkirche Sistrans

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Transkript:

550 Jahre Pfarrkirche Sistrans Das unscheinbare Kirchlein beherbergt in ihrem Inneren eine der bedeutendsten Stuckmarmorarbeiten Tirols Kirche Sistrans, Ansicht von Westen Oberhalb von Innsbruck am Waldrand des südlichen Mittelgebirges liegt die Gemeinde Sistrans mit der Pfarrkirche zur hl. Gertraud von Nivelles. Die nach außen hin relativ unscheinbar wirkende Kirche beherbergt in ihrem Inneren eine der bedeutendsten Stuckmarmorarbeiten Tirols, weshalb sie auch Teil der Tiroler Ausstellungsstraße für Barock und Rokoko ist. Dabei ist das Gebäude ursprünglich im gotischen Stil errichtet worden und als solche ursprünglich bereits 1339 in Ablassbriefen erwähnt worden. 1457 weihte Kardinal Nikolaus Cusanos von Brixen Chor und Hochaltar. Aus diesem Grund wird 2007 auch die 550- Jahrfeier begangen. Es ist ein schmaler hochgiebeliger Bau, von außen gesehen im Wesentlichen spätgotisch, mit einem fast unmerklich eingezogenen Chor und von leicht zierlicher Wirkung. Den Eingang bildet bis heute ein spitzbogiges Steinportal. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde das Gebäude erweitert und 1741 begann die Barockisierung, durch die das Innere heute bestimmt wird.

Im Zuge dieser Arbeiten hat man die gotischen Rippen abgeschlagen und das Gewölbe einschließlich der Kapitelle, Fensterbekrönungen und Wandbilder mit duftigem Rokokostuck augsburgscher Prägung versehen. Verdeckt wurden im Zuge dieser Barockisierung unter anderem auch wertvolle gotische Fresken aus dem 17. Jahrhundert. Südseitig im Chor gelegen hat man ein gotisches Abendmahlfresko freigelegt, so dass es heute wieder besichtigt werden kann. Freigelegtes gotisches Abendmahlfresko aus dem 17. Jahrhundert Maßgeblichen Anteil an der Barockisierung dieses Bauwerkes hatten die ortsansässigen Stuckateurfamilien Mussack und Kienast, die über mehrere Generationen und Jahrzehnte diesen Kirchenbau prägten. Allein die Barockisierung erstreckte sich, je nach Quelle, zwischen 30 und 45 (!) Jahren und soll 1803 abgeschlossen worden sein. Die vorhin erwähnten Stuckmarmorarbeiten befinden sich im Chor, an den Altären und an der Kanzel, wobei an der Kanzel der Einfluss des Rokoko bereits deutlich erkennbar ist.

Stuckmarmor Stuckmarmor ist nicht wetterfest und somit nur für Innenarbeiten geeignet. Er besteht aus einer Mischung von Gips, Leimwasser als Verzögerer sowie licht- und kalkechten Pigmenten. Nur die allerbesten Zutaten verleihen dem fertigen Marmor die gewünschte Frische und Tiefe. Die Farben sollten mit Leimwasser angerührt werden, da Mischungen mit Wasser den Gips ungleichmäßig zum Erhärten bringen. Da Gips darüber hinaus rostfördernd wirkt, und sich Rostflecken später unschön an der Oberfläche abzeichnen, sollten sämtliche Werkzeuge aus Messing, Horn, Buchenholz oder anderen rostfreien Materialien bestehen. Zum Anmischen der Masse reicht ein Holztisch. Auf diesem wird die Masse in den gewünschten Farbtönen angerichtet und kann nun entweder direkt angetragen werden oder bei häufig wiederkehrenden Formen auch in eine Negativform eingelegt werden. Bei größeren Bauteilen empfiehlt sich überdies eine rückseitige Bewehrung. Nach ungefähr einer Stunde können die sich an der Oberfläche befindenden Unebenheiten abgeschnitten werden, und schließt dabei sämtliche noch vorhandenen Poren. Den typischen Glanz erhält der Stuckmarmor in der Regel ausschließlich durch das Schleifen mit verschiedenen Steinen. Begonnen wird dabei mit Bimsstein (Entstehung aus gasreicher Lava) von grob nach fein mit jeweiliger Zwischenspachtelung in einem mittleren Farbton. Es folgen Grünstein (Grüner Schiefer), Gelbstein, Zieher, Glanzer und Blutstein (Hämatit). Allein diese aufwändigsten Schleifvorgänge erzeugen einen solchen Glanz, dass auf ein ölen oder eine Wachspolitur verzichtet werden kann. Jedoch wird eingeräumt, dass sich durch den Einsatz von Wachsen der Glanz wesentlich schneller einstellt.

Solch anspruchvolle Bauwerke bedürfen natürlich einer ständigen Wartung und Pflege. Die letzten größeren Restauriermaßnahmen sind im Innenraum 1975 und an der Fassade 1990 durchgeführt worden. Daneben sind ständig eine große Zahl von kleineren Arbeiten zu bewältigen, wie im Jubiläumsjahr 2007 die Maler- und Restaurierarbeiten in der Sakristei. Da nicht öffentlich zugänglich scheint dieser Bereich, wie in vielen anderen Fällen auch, bisher sträflich vernachlässigt worden zu sein. In Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Bauamt und dem Landeskonservator hat man hier versucht, nach einer eingehenden Analyse des Bestandes, den Raum möglichst authentisch zu rekonstruieren. Die für einen reibungslosen Kirchenbetrieb notwendige Technik musste darüber hinaus auch noch untergebracht werden. Dabei verursachte Putzschlitze im massiven Bruchsteinmauerwerk sind mit direkt gelöschtem Kalkmörtel geschlossen worden, der sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er auch bei größeren Schichtdicken kaum reißt. Dieser Umstand ist darauf zurück zu führen, dass sich das frisch gelöschte Material während der Trocknung noch leicht ausdehnt, und somit das Schwinden durch den damit einhergehenden Wasserverlust in etwa ausgeglichen wird. Der Barockstuck, der zum Teil dick übertüncht war, musste bis auf eine definierte Leitschicht freigelegt und teilweise rekonstruiert werden. Sakristei vor der Bearbeitung Abgesehen von der Gipsstuckrekonstruktion sind sämtliche Arbeiten in Kalktechnik ausgeführt worden, so auch die farbliche Neufassung. Aufgrund der Inhomogenität des Untergrundes gab man dem Sumpfkalk etwas Leinölfirnis hinzu. Zum einen reguliert dies das Saugverhalten des Untergrundes und zum anderen erleichtert es die Verarbeitung des Kalkes doch wesentlich. Die Kalkbürste rutscht sprichwörtlich wie geölt über die Oberfläche.

Sakristei nach der Bearbeitung Nordseitig befindet sich noch eine schmale, in Naturstein gefasste Schlupfpforte. Der Naturstein konnte freigelegt werden und die geschmiedeten Eisenteile erhielten einen vor Korrosion schützenden Ölfarbenanstrich. Ingesamt ergibt sich somit ein harmonisches Gesamtbild mit einem Höchstmaß an Authentizität. Schlupfpforte mit freigelegtem Naturstein und Ölfarbenanstrich

Ausbesserungen in Kalktechnik vorher und nachher Text und Fotos: Günther Follmann