Direktvergaben im Personenverkehr nach der Verordnung (EG) 1370/07

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Transkript:

Direktvergaben im Personenverkehr nach der Verordnung (EG) 1370/07 Dr. Hans-Joachim Prieß, LL.M Dr. Marcel Kaufmann, LL.M Berlin, 6. Juni 2008 DAC3273906

Überblick zum Ablauf des Vortrags I. Übersicht zur VO (EG) 1370/07 II. Direktvergabe von SPNV-Leistungen nach der VO (EG) 1370/07 III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte bei Vergabe im Schienen- und Straßenpersonennahverkehr

I. Übersicht zur VO (EG) 1370/07 (1) Leitbild /übergeordnete Zielsetzung Gewährleistung sicherer, effizienter und hochwertiger Personenverkehrsdienste; Mehr Rechtssicherheit durch Schaffung eines spezifischen vergabe- und beihilferechtlichen Rahmens für den Bereich des öffentlichen Personenverkehrs; Konzept der Vereinfachung, Flexibilisierung und Subsidiarität; Regulierter Wettbewerb. 3

I. Übersicht zur VO (EG) 1370/07 (2) Begriff und Funktion des Dienstleistungsauftrags Begriff, Art. 2 lit. i Funktion Ein oder mehrere rechtsverbindliche Akte, die die Übereinkunft zwischen einer zuständigen Behörde und einem Betreiber eines öffentlichen Dienstes bekunden, diesen Betreiber eines öffentlichen Dienstes mit der Verwaltung und Erbringung von öffentlichen Personenverkehrsdiensten zu betrauen, die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unterliegen; gemäß der jeweiligen Rechtsordnung der Mitglied- staaten können diese rechtsverbindlichen Akte auch in einer Entscheidung der zuständigen Behörde bestehen. Auffangfunktion: Weit zu verstehender Begriff, der keine den Anwendungsbereich der VO 1370/07 begrenzende Funktion hat, d. h. grundsätzlich jede Form rechtsverbindlichen Handelns erfassen soll, zum Beispiel: Dienstleistungsauftrag i.s.d. Vergaberichtlinien, Dienstleistungskonzession i.s.d. Vergaberichtlinien, Verwaltungsakt, Gesetz. 4

I. Übersicht zur VO (EG) 1370/07 (3) Vergabe von öffentlichen Personenverkehrsleistungen SPNV, U-Bahn, Dienstleistungskonzessionen im Bereich Bus- und Straßenbahn Dienstleistungsaufträge i.s.d. RL 2004/18/EG im Bereich Bus und Straßenbahn Vergabe nach VO (EG) 1370/07 Vergabe nach 97 ff. GWB Vergaben im Wettbewerb Direktvergaben + Art. 4 Abs. 1 VO 1370/07 Verbot der Überkompensation! 5

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/2007 (1) Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags an einen bestimmten Bewerber eines öffentlichen Dienstes ohne Durchführung eines vorherigen wettbewerblichen Vergabeverfahrens. (Art. 2 lit.h) Direktvergaben Art. 5 Abs. 2, 4, 5, 6 Notmaßnahmen bei Unterbrechung des Verkehrs Art. 5 Abs. 5 Eisenbahnregionaloder -fernverkehr Art. 5 Abs. 6, Art. 2 lit. m Selbsterbringung durch örtliche Behörde oder Vergabe an interne Betreiber Art. 5 Abs. 2, Art. 2 lit. c und j Bagatellfälle (1 Mio. EUR/p.a. oder 300.000 km/p.a.) Art. 5 Abs. 4 6

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/07 (2) Gegenwärtige Rechtslage vor VO (EG) 1370/07 Ermessen des Aufgabenträgers, die Vergabe von SPNV-Leistungen förmlich auszuschreiben oder mit einem möglichen Vertragspartner frei über die Ausgestaltung und den Abschluss eines Vertrages zu verhandeln, (OLG Brandenburg, Beschl. v. Verg W 3/03 und Verg 5/03, NZBau 2003, 688, 692; BVerfG Beschl. v. 06.12.2006, 1 BvR 2085/03). Führt der Aufgabenträger ein förmliches Vergabeverfahren durch, ist diese Entscheidung für ihn bindend, so dass die Vergabe den 97 ff. GWB unterliegt und die Nachprüfung i.s.d. 102 ff. GWB möglich ist. Wählt der Aufgabenträger eine Direktvergabe im Sinne der VO 1191/69, muss er nicht die Vorgaben der 97 ff. GWB, sondern nur die der VO 1191/69 und des Fünf-Schritte-Papiers einhalten. 7

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/07 (3) Vergabe von SPNV-Leistungen an externe Betreiber SPNV-Leistungen dürfen weiterhin direkt vergeben werden Aufgabenträger besitzen weiterhin Ermessen, SPNV-Leistungen im wettbewerblichen Verfahren nach Art. 5 Abs. 3 VO 1370/07 zu vergeben oder nach Art. 5 Abs. 6 VO (EG) 1370/2007 eine Direktvergabe durchzuführen. SPNV behält Ausnahmestellung im System des öffentlichen Personenverkehrs Kapazitäten der Eisenbahnverkehrsunternehmen; Versorgungsdefizite und problematische Anbieterstrukturen; Zeit- und Kostenaufwand europaweiter Vergabeverfahren in diesem Bereich; etc. Geringe verfahrensrechtliche Anforderungen gemäß Art. 7 Abs. 2 und 3 VO 1370/07 Ex-ante-Veröffentlichungspflicht gem. Art. 7 Abs. 2 VO 1370/07 Ex-post-Veröffentlichungspflicht gem. Art. 7 Abs. 3 VO 1370/07 8

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/2007 (4) Vergabe von SPNV-Leistungen an interne Betreiber, Art. 5 Abs. 2 Allgemeines: - Möglichkeit der Wahl zwischen Eigenerbringung und Vergabe im wettbewerblichen Verfahren; - Einschränkung des praktischen Anwendungsbereich durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 u. 3 VO 1370/2007 in Bezug auf Dienstleistungsaufträge i.s.d. Richtlinie 2004/18/EG im Bus- und Straßenbahnverkehr Voraussetzungen der In-house-Vergabe gemäß Art. 5 Abs. 2 - Beherrschungskriterium: In-house-Vergabe auch an gemischtwirtschaftliche Unternehmen zulässig -> Problem: Erforderlicher Mindestbeherrschungsgrad? - Kontrollkriterium: Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle erforderlich, strenge Anforderung, vgl. Erwägungsgrund 18 - Reziprozitätsprinzip: Kein Tätigwerden interner Betreiber / Tochterunternehmen in Drittmärkten -> Problem: Schwesterunternehmen 9

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/07 (5) Hot topics Keine zusätzlichen Verfahrens- / Transparenzpflichten bei der Direktvergabe von SPNV-Leistungen auf Grund von EG-Primärrecht (Kommission) Aus Ex-ante-Veröffentlichung gem. Art. 7 Abs. 2 folgt keine Verpflichtung zur Berücksichtigung etwaiger Initiativbewerbungen (Kommission) Faktische Vorwirkung der VO 1370/07 (Kommission) Direktänderung von laufenden Verkehrsverträgen ist u. E. zulässig 15 Abs. 2 AEG ist u. E. eine dynamische Verweisung 10

II. Direktvergaben nach der VO (EG) 1370/07 (6) OLG München, Beschluss v. 21.05.2008, Verg 05/08 Vergabe von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr; Nettovertrag; Ausgleichsleistungen und Infrastrukturerstattungskosten erst mit Zuschlagserteilung bezifferbar; Zuschlag an interne Betreiberin einer anderen Kommune: Abgrenzung Dienstleistungsauftrag / Dienstleistungskonzession: Kann eine sichere Aussage über die Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht getroffen werden und besteht deshalb die Möglichkeit, dass das wirtschaftliche Risiko in nennenswertem Umfang beim Auftraggeber verbleibt, ist im Interesse eines fairen und transparenten Wettbewerbs von einem Dienstleistungsauftrag auszugehen. Tätigwerden interner Betreiber auf Drittmärkten : Es ist festzustellen, dass weder eine gültige nationale Norm noch europarechtliche Verordnungen oder Vorgaben der Rechtsprechung bestehen, die einem Unternehmen, das möglicherweise einen In- House-Auftrag erhalten hat, die Tätigkeit auf Drittmärkten verbietet. 11

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (1) 1. Verfahrensvorschriften Transparenz Art. 7 VO 1370/07 Ex-ante-Veröffentlichung ein Jahr vor Verfahrenseinleitung eines Wettbewerbs bzw. Abschluss einer Direktvergabe Information über beabsichtigte Auftragsvergabe im Amtsblatt EG (Art. 7 Abs. 2 VO) Inhalt: Art des geplanten Vergabeverfahrens (Direktvergabe/Wettbewerb) Name/ Anschrift zuständige Behörde Von Vergabe möglicherweise betroffene Dienste und Gebiete Ausnahme: Dienstleistungsauftrag öffentl. Personenverkehrsleistung < 50 000 km/jahr Notmaßnahmen nach Art. 5 Abs. 5 VO Für Direktvergaben zusätzlich: Ex-post -Veröffentlichung innerhalb eines Jahres nach Auftragsvergabe Veröffentlichung (Art. 7 Abs. 3 VO) Name des Auftraggebers, Eigentümer und Partei, die rechtliche Kontrolle ausübt Beschreibung der vergebenen Leistung Parameter für finanzielle Ausgleichsleistung Qualitätsziele Bedingungen in Bezug auf die wichtigsten Wirtschaftsgüter auf Antrag interessierter Parteien, Übermittlung der Gründe für Entscheidung über Direktvergabe (Art. 7 Abs. 4 VO) Nicht: Gründe für die Auswahl eines bestimmten Unternehmens 12

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (2) 2. Zusätzliche Verfahrenspflichten bei Direktvergaben aus EG-Primärrecht Rspr. des EuGH zum Vergabeprimärrecht - allgemeines Transparenzgebot : [...] Transparenzpflicht besteht darin, dass zugunsten der potenziellen Bieter ein angemessener Grad an Öffentlichkeit sicherzustellen ist [...]. (EuGH, Urt. v. 13.10.2005, Rs. C-458/03 Parking Brixen, Rn. 49); Restriktive Anwendung der Vorgaben des EG-Primärrechts auf die Vergabe von Aufträgen, die nicht in den Anwendungsbereich der RL 2004/18/EG und 2004/17/EG fallen (EuGH, Urt. v. 13.11.2007, Rs. C- 507/03 Irish Post, Rn. 25: Hinsichtlich der Dienstleistungen des Anhangs IB der RL 92/50 ist der Gemeinschaftsgesetzgeber [...] davon ausgegangen, dass Aufträgen über solche Dienstleistungen wegen ihres spezifischen Charakters a priori keine grenzüberschreitende Bedeutung zukommt, die es rechtfertigen kann, dass sie in einem Ausschreibungsverfahren vergeben werden [...]. ) Aber: Gemessen am Wert von Verkehrsverträgen ist der erforderliche grenzüberschreitende Bezug gegeben! Werden die Vorgaben der VO 1370/07 erfüllt, sind auch die Vorgaben des EG-Primärrechts eingehalten! 13

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (3) 3. Subsidiarität des EG-Rechts/Vorbehalt nationales Rechts, Art. 5 Abs. 6 VO "Sofern dies nicht nach nationalem Recht untersagt ist, können die zuständigen Behörden entscheiden, öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr [...] direkt zu vergeben." Keine entgegenstehenden Vorschriften im nationalen Recht: Einfachgesetzlich: Art. 15 Abs. 2 AEG mit Anwendungsvorrang Verfassungsrechtliche Anforderungen: (ggf. Auslegung durch Gerichte) keine verpflichtende Anwendung des GWB-Vergabeverfahren (OLG Brandenburg, Verg W 3/03 und Verg 5/03, NZBau 2003, 688, 692; BVerfG Beschl. v. 06.12.2006, 1 BvR 2085/03) Art. 12 I GG Berufsfreiheit: Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Direktvergabe als Eingriff? Art. 3 I: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Anspruch auf willkürfreie Entscheidung über Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens? 14

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (4) 4. Vereinbarkeit mit Art. 12 Abs. 1 GG Berufsfreiheit Schutzbereich: Freiheit des ausgeübten Berufes, dabei Aufnahme und Ausübung Nicht: Chance, von staatlichen Stellen beauftragt zu werden Nicht: Schutz vor Misserfolg im Wettbewerb Vergabeentscheidung beeinflusst Wettbewerb nicht Keine Monopolstellung oder marktbeherrschende Stellung (Vielzahl von Aufgabenträgern) Entscheidung Pflegedienste (BVerwG 3 C 45/03 vom 13.05.2004) nicht übertragbar (keine Parallelen zu Beschaffungstätigkeit im SPNV Folge: Schutzbereich des Art. 12 GG schon nicht eröffnet Jedoch ist Aufgabenträger als staatliche Stelle dem Gleichheitssatz verpflichtet 15

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (5) 5. Art. 3 Abs. 1 GG - Gleichbehandlungsgrundsatz Gleichbehandlungsgrundsatz schützt vor willkürlichen Entscheidungen in einem Vergabeverfahren zweifelhaft, ob Anspruch auf willkürfreie Entscheidung über die Einleitung eines Vergabeverfahrens aus Art. 3 ableitbar Selbst wenn: Niedrige Rechtfertigungsschwelle Sektorspezifische Erwägungen des Gemeinschaftsgesetzgebers: besondere Investitionslast und Infrastrukturkosten, fehlende Liberalisierung im Bereich des Schienenpersonenverkehrs unterschiedliche territoriale Organisation der Mitgliedstaaten 16

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (6) 6. Verfassungsrechtliche Beurteilung der Inhouse-Vergabe Schutzbereich des Art. 12, Abs. 1 GG: Schutzbereich kann generell bei Verdrängungswettbewerb durch die staatliche Konkurrenz oder unangemessene Wettbewerbsvorteile für öffentliche Unternehmen berührt sein Verwehrung der eigenständigen Erbringung von Personenbeförderungsleistungen? Zusammenschluss einer Gruppe von Behörden, z.b. in einem Ballungsgebiet Unabhängig von konkreter Grundrechtsbetroffenheit steht Inhouse- Vergabe im Spannungsverhältnis zur beruflichen Betätigung privater Verkehrsunternehmen Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Inhouse-Vergabe Spannungsverhältnis Bestandssicherung für kommunale Verkehrsunternehmen? Kommunale Selbstverwaltungsgarantie, innerbehördliche Organisationsentscheidung? Sicherung einer ausreichenden Verkehrsbedienung? Mögliche Lösungen Gestaltungsmöglichkeiten für das Spannungsverhältnis: Zulässigkeit der Inhouse-Vergabe nur, wenn Privater kein wirtschaftlicheres Angebot abgibt? Verpflichtung zur Unterauftragsvergabe an private Dritte? Erleichterung der Beteiligungsmöglichkeiten an Kommunalen Verkehrsunternehmen 17

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (7) Besonderheiten im Hinblick auf PBefG: 1. Zuständigkeiten Genehmigungsbehörde: Erteilung von Genehmigungen - 13, 13a PBefG Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften - 54 Abs. 1 Satz 1 PBefG Gestaltungsauftrag - 8 Abs. Satz 1 PBefG Zustimmung zu Beförderungsentgelten, Fahrplänen und deren Änderungen, 39 Abs. 2, 40 Abs. 2 Satz 1 PBef G Aufgabenträger: 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG (Zusammen mit Genehmigungsbehörde und Verkehrsunternehmen) ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV - 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG Aufstellung des Nahverkehrplans - 8 Abs. 3 PBefG Vorgaben VO 1370 Art. 1 Abs. 2: Interventionsrecht des Aufgabenträgers Ausbau der Stellung des Aufgabenträgers Abschaffung Genehmigungsbehörde? Erfordernis des Einvernehmens mit Aufgabenträger? Trennung zwischen subjektiver Genehmigung und Liniengenehmigung? 18

III. Verfahrens- und Verfassungsrechtliche Aspekte (9) Besonderheiten im Hinblick auf PBefG 2. Nahverkehrsplan, 8 PBefG Nahverkehrsplan nach bisherigem Recht: Integrationsfunktion des Nahverkehrsplans zwischen den Akteuren des ÖPNV Kooperation aller Akteure einschließlich der vorhandenen Verkehrsunternehmen bei der Aufstellung Mittelbare Steuerungswirkung des Nahverkehrsplanes im Genehmigungsverfahren Genehmigungsverfahren, 13 PBefG Auswahl bei Bewerberüberhang im Rahmen konkurrierender eigenwirtschaftlicher Anträge, 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG Wiedererteilung einer Konzession Bindungswirkung und Justiziabilität im Einzelnen streitig Funktionszuwachs? Funktionszuwachs des Nahverkehrplanes im neuen Recht? Planerische Funktion des Nahverkehrsplanes Wettbewerbssteuernde Funktion des Nahverkehrsplanes? Genehmigungsrechtliche Funktion Subjektive und objektive Zulassungsprüfung, 13 Abs. 1, Satz 2, Nr. 2, 2a PBefG Konkurrierende Anträge 19

Vielen Dank! Dr. Hans-Joachim Prieß, LL.M. Dr. Marcel Kaufmann, LL.M Freshfields Bruckhaus Deringer Potsdamer Platz 1 10785 Berlin hans-joachim.priess@freshfields.com Marcel.Kaufmann@freshfields.com 20