Zolpidem. Neuroleptika. 1.5 Prämedikation

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Transkript:

1.5 Prämedikation 7 Medikamente, Darreichungsformen und Dosierung In Tabelle 1-3 sind die zur Prämedikation am häufigsten verwendeten Benzodiazepine und deren Dosierungen aufgelistet. Zolpidem Inzwischen kommt öfter auch Zolpidem (z. B. Stilnox ; Filmtablette mit 5/10 mg) im Rahmen der Prämedikation zum Einsatz. Zolpidem gehört nicht zu den Benzodiazepinen, es weist aber den gleichen Wirkmechanismus (Wirkung über die sog. GABA-Rezeptoren) auf. Die muskelrelaxierende und die antikonvulsive Wirkung ist geringer ausgeprägt als bei den Benzodiazepinen ( S. 6). Die Wirkungsdauer von Zolpidem ist relativ kurz. Als Dosierung für Zolpidem werden für Erwachsene 10 mg und für geschwächte oder ältere Patienten 5 mg angegeben. Die Nebenwirkungen und Gegenanzeigen für Zolpidem entsprechen weitgehend denen der Benzodiazepine. Bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren ist es nicht zugelassen. Neuroleptika Wirkungen Sedierung, Gleichgültigkeit, Antriebsminderung antiemetische Wirkung (= Verminderung von Übelkeit und Brechreiz) Antihistaminwirkung (= Verminderung von allergischen und pseudoallergischen Reaktionen) Nebenwirkungen eventuell extrapyramidale Bewegungsstörungen Neigung zu orthostatischer Hypotonie (= Kollapsneigung) durch Blockade der für die Gefäßengstellung wichtigen Alpharezeptoren (a-rezeptoren; S. 65, 138, 327) Erniedrigung der zerebralen Krampfschwelle und damit Begünstigung von epileptischen Anfällen Indikationen Neuroleptika werden außer in der Psychiatrie zur Behandlung der Schizophrenie öfter auch zur Behandlung von Unruhe- und Erregungszuständen vor allem bei älteren, verwirrten Patienten eingesetzt. Bei diesen Patienten werden Neuroleptika öfter auch als Schlafmedikament, manchmal auch zur Prämedikation verabreicht. Hierzu wird inzwischen neben dem relativ schwachen Neuroleptikum Promethazin (Atosil ) zunehmend häufiger Melperon (z. B. Eunerpan ) eingesetzt. Kontraindikationen Neuroleptika sind wegen der Nebenwirkungen kontraindiziert bei Patienten mit Parkinson- Krankheit und bei Epileptikern. Medikamente, Darreichungsformen und Dosierung Promethazin (Atosil ): Filmtabletten mit 25 mg Tropfen: 1 ml = 20 Tropfen = 20 mg intravenöse Injektionslösung: 1 Ampulle = 2 ml = 50 mg als Schlafmedikation oder zur Prämedikation falls Benzodiazepine nicht geeignet sind: 20 30 Tropfen Atosil (= 20 30 mg) oder 1 Filmtablette zur Prämedikation (oder bei Unruhe- oder Erregungszuständen) vor allem bei älteren Patienten (ca. 0,5 mg/kg KG intravenös bei akuten Unruhe- oder Erregungszuständen bei Erwachsenen) Melperon (z. B. Eunerpan ) Tabletten mit 10, 25, 50 oder 100 mg Saft (z. B. Eunerpan Liquidum): 1 ml = 5 mg als Schlafmedikation oder zur Prämedikation falls Benzodiaezpine nicht geeignet sind: 10 25 mg oral (vor allem bei Unruhe, Erregungs- oder Verwirrtheitszuständen bei älteren Patienten: initial 20 75 mg pro Tag auf mehrere Tagesdosen verteilt)

8 1 Anästhesie allgemeiner Teil Sympathikolytika (Clonidin) Manchmal (z. B. bei [ehemaligen] drogenabhängigen Patienten) wird zur Prämedikation auch Clonidin verabreicht. Wirkungen Verminderung des Sympathikotonus Erniedrigung der Herzfrequenz Erniedrigung des Blutdrucks Sedierung Verminderung des intraoperativen Bedarfs an Anästhetika Nebenwirkungen stärkerer Abfall der Herzfrequenz stärkerer Abfall des Blutdrucks Medikamente und Dosierung Clonidin-rationpharm ; Kapseln mit 75, 150 oder 300 µg ca. 5 µg/kg KG oral; oft werden bei Erwachsenen 300 µg oral verabreicht 1.5.3 Durchführung Die orale Prämedikation mit einem Benzodiazepin stellt inzwischen das allgemein anerkannte Standardverfahren dar. Die dazu benützte geringe Wassermenge zum Hinunterspülen der Tablette wird schnell resorbiert und widerspricht daher nicht dem Nüchternheitsgebot ( S. 5). Zum Einsatz kommt hierbei häufig Midazolam (z. B. 7,5 mg beim Erwachsenen) oder Dikaliumclorazepat (z. B. 20 mg beim Erwachsenen) (vgl. Tab. 1-3). Wichtig ist es, die Prämedikation ca. 45 Minuten vor Narkosebeginn zu verabreichen. In! der Praxis wird leider oft die Prämedikation erst unmittelbar vor dem Transport in den Operationssaal verabreicht. Dies ist zu spät! Die Wirkung der Prämedikation hat dann noch nicht eingesetzt, wenn die Patienten im Operationssaal ankommen und mit der Narkose begonnen wird. Das entscheidende Ziel einer modernen Prämedikation ist die Angstlösung. Eine Angstlösung (= Anxiolyse) und leichte Sedierung für die präoperative Nacht kann am besten durch ein lang wirksames Benzodiazepin, das als Schlafmedikation verabreicht wird, erreicht werden. Hierzu eignen sich z. B. 20 mg Dikaliumclorazepat (Tranxilium ) oder 1 mg Lormetazepam (Noctamid ) oral. Circa 45 Minuten vor Operationsbeginn sollte nochmals ein Benzodiazepin oral verabreicht werden (z. B. 7,5 mg Midazolam oder 20 mg Dikaliumclorazepat). Die meisten Patienten leiden präoperativ nicht an Schmerzen, sodass keine zusätzliche Schmerzlinderung (= Analgesie) notwendig ist. Falls wegen akuter Schmerzen (z. B. frischer Knochenbruch) ein Analgetikum verabreicht werden soll, dann sollte zusätzlich zu einer üblichen oralen Prämedikation mit einem Benzodiazepin z. B. vor der schmerzhaften Umlagerung des Patienten von seinem Bett auf den Operationstisch eine zusätzliche bedarfsorientierte intravenöse Opioidgabe durchgeführt werden ( S. 357). Für eine orale Prämedikation haben sich vor! allem Midazolam (Dormicum ; z. B. 7,5 mg) oder Dikaliumclorazepat (Tranxilium ; z. B. 20 mg) bewährt. 1.6 Narkoseapparat 1.6.1 Narkosesysteme Zur Durchführung einer Narkose stehen neben den intravenös zu verabreichenden Medikamenten auch Inhalationsanästhetika zur Verfügung. Inhalationsanästhetika sind Gase (z. B. Lachgas; S. 38) oder Dämpfe von leicht verdampfbaren Flüssigkeiten (z. B. Isofluran, Sevofluran, Desfluran; S. 41), die der Einatmungsluft zugemischt und über die Lungen ins Blut aufgenommen werden.

1.6 Narkoseapparat 9 Es werden folgende 4 verschiedene Narkosesysteme unterschieden: offenes System halboffenes System halbgeschlossenes System geschlossenes System Offenes System Beim offenen System atmet der Patient Luft aus der Umgebung ein. Das Ausatemvolumen wird wieder in die Umgebung abgegeben. Der Einatemluft wird ein Inhalationsanästhetikum zugemischt. Das bekannteste Beispiel für ein offenes System ist die früher übliche Ethertropfnarkose. Mithilfe einer Schimmelbusch-Maske (vgl. Abb. 1-1) wurden der Einatemluft Etherdämpfe zugemischt. Eine Schimmelbusch-Maske ist ein dem spontan atmenden Patienten über Mund und Nase gelegter Metallrahmen, der mit einigen Lagen Mull bespannt ist, auf die kontinuierlich Ether aufgetropft wird ( S. 45). Die dabei entstehenden Etherdämpfe werden mit eingeatmet. Vorteil der Schimmelbusch-Maske ist die Einfachheit der Anwendung. Entscheidender Nachteil ist jedoch, dass mit einem offenen System die zugeführten Gaskonzentrationen nicht überwacht werden können. Außerdem können die Atemgase weder befeuchtet noch angewärmt werden und der Narkosemittelverbrauch ist sehr hoch, da ein großer Teil des verdunstenden Ethers im Raum verloren geht (und das Personal belastet). Halboffenes System Beim halboffenen System wird das Einatmungsgemisch (= Inspirationsgemisch) aus einem Reservoir (z. B. Sauerstoffflaschen) bezogen und über ein Schlauchsystem zum Patienten geleitet. Dem Inspirationsgemisch wird ein Inhalationsanästhetikum zugemischt. Das Ausatmungsgemisch (= Exspirationsgemisch) wird dagegen in den freien Raum abgegeben. Abb. 1-1 Anwendung der Schimmelbusch-Maske (offenes System) Beim halboffenen System muss der Frischgasfluss aus dem Reservoir mindestens das 2- bis 3-Fache des Atemminutenvolumens betragen. Dies ist folgendermaßen zu erklären: Ein Atemzyklus setzt sich aus Einatmung und Ausatmung zusammen. Da das Frischgas auch während der Ausatmung des Patienten weiterströmt, die Einatmungszeit aber nur zwischen ca. 50 % (1 ₂) und ca. 33 % (1 3) des Atemzyklus ausmacht, muss der Frischgasfluss so hoch sein, dass in 50 bis 33 % des Atemzyklus das ganze Atemzugvolumen als Frischgas zur Verfügung gestellt wird. Durch diesen hohen Frischgasverbrauch ist das halboffene System relativ teuer. Die eingeatmeten Frischgase aus dem Reservoir enthalten keine Feuchtigkeit und sind relativ kühl. Sie müssen daher in den Atemwegen stark angefeuchtet und angewärmt werden. Da jedoch das gesamte Ausatemvolumen in die Umgebung abgegeben wird, droht damit beim halboffenen System ein

10 1 Anästhesie allgemeiner Teil großer Feuchtigkeits- und Wärmeverlust über die Lungen. Außerdem wird die Umgebung mit den abgeatmeten Narkosegasen belastet. Das bekannteste Beispiel für ein halboffenes System war das in der Kinderanästhesie früher übliche, inzwischen aber nicht mehr verwendete Kuhn- System. Halbgeschlossenes System Beim halbgeschlossenen System wird ein (variabler) Teil des Ausatemvolumens nach Herausfiltern des darin enthaltenen Kohlendioxids (= CO 2 ) mittels eines CO 2 -Absorbers ( S. 19) wieder zurückgeatmet. Der restliche Teil des Ausatemvolumens wird in eine zentrale Absaugvorrichtung abgegeben. Zusätzlich atmet der Patient noch Frischgas aus einem Reservoir (vgl. halboffenes System) ein. Der Patient erhält automatisch immer so viel Frischgas pro Minute zugeführt wie Ausatemluft pro Minute in die Absaugvorrichtung gelangt. Nur dadurch ist eine Volumenkonstanz im Beatmungssystem möglich. Aufgrund dieser teilweisen Rückatmung des Ausatemgemisches genügt ein wesentlich geringerer Frischgasfluss als beim halboffenen System. Beim Erwachsenen genügen 3( 6) l/min Frischgas. Der Wärme- und Feuchtigkeitsverlust über die Lungen ist durch diese teilweise stattfindende Rückatmung wesentlich geringer als beim halboffenen System. Fast alle gebräuchlichen Narkosegeräte arbeiten nach diesem Prinzip des halbgeschlossenen Systems. In den letzten Jahren gewannen sog. Low-Flow- Systeme bzw. Minimal-Flow-Systeme ( S. 125) zunehmend an Bedeutung. Hierbei handelt es sich um halbgeschlossene Systeme mit geringem bzw. sehr geringem Frischgasfluss. Beim Low-Flow-System werden normalerweise 1 l/ min Frischgas (z. B. 0,5 l/min O 2 und 0,5 l/min Luft bzw. N 2 O) und beim Minimal-Flow-System werden normalerweise 0,5 l/min (z. B. 0,3 l/ min O 2 und 0,2 l/min Luft bzw. N 2 O) verabreicht. Bei geringem bzw. sehr geringem Frischgasfluss gelangen auch nur geringe oder sehr geringe Mengen des Ausatemgemisches in die Absaugung, normalerweise nur 1 l/min bzw. 0,5 l/min. Sowohl bei der Low-Flow- als auch bei der Minimal-Flow-Anästhesie muss zur Ein- und Ausleitung ein hoher Frischgasfluss eingestellt werden, um in einer angemessenen Zeit eine ausreichende Narkosegasanflutung bzw. abatmung zu erzielen. Wird (das gut im Körper lösliche) Lachgas verwendet, dann müssen für die ersten 10 Minuten (bei späterem low flow ) bzw. für die ersten 20 Minuten (bei späterem minimal flow ) z. B. 2 Liter O 2 /min und 4 Liter N 2 O/min zugeführt werden. Erst danach kann auf einen low flow oder minimal flow reduziert werden ( S. 125). Wird auf Lachgas verzichtet, kann deutlich früher der Frischgasfluss reduziert werden. Geschlossenes System Beim geschlossenen System wird das gesamte Ausatmungsgemisch, nach Herausfiltern des darin enthaltenen CO 2 mit einem CO 2 -Absorber ( S. 19), dem Patienten wieder zugeführt. Es findet also eine totale Rückatmung statt. Als Frischgas müssen nur der vom Körper im Stoffwechsel verbrauchte Sauerstoff von ca. 3,5 ml/kg KG/min (ca. 250 ml/min beim Erwachsenen) sowie die vom Körper verstoffwechselten Anteile der Inhalationsanästhetika zugeführt werden. Vorteile des geschlossenen Systems sind der sehr niedrige Frischgasverbrauch und bedingt durch die vollständige Rückatmung ein fehlender Wärme- und Feuchtigkeitsverlust über die Lungen. Außerdem besteht keine Umweltbelastung durch abgeatmete Narkosegase. Das geschlossene System konnte mit den bisher üblichen Narkosegeräten jedoch nicht (!) zur Narkoseeinleitung oder zur Narkoseausleitung verwendet werden. Es eignete sich nur zur Aufrechterhaltung einer konstanten Narkosetiefe. Für die Narkoseein- und ausleitung musste (wie auch beim Low-Flowbzw. Minimal-Flow-System; oben) ein hoher Frischgasfluss eingestellt werden.

1.6 Narkoseapparat 11 Seit 2004 steht mit dem Zeus -Narkosegerät (Fa. Dräger; S. 22) ein Gerät zur Verfügung, das nach dem Prinzip des geschlossenen Systems arbeitet und zusätzlich auch eine Narkoseein- und ausleitung im geschlossenen System erlaubt (sog. quantitatives System/Uptake). Das Narkosegerät Zeus kann außerdem im halboffenen und halbgeschlossenen System betrieben werden. 8 7 2 6 3 4 6 11 10a Kreissystem Beim halbgeschlossenen (bzw. beim geschlossenen) System wird das Ausatemvolumen zum Teil (bzw. vollständig) wieder zum Patienten zurückgeleitet. Das hierfür notwendige Schlauchsystem wird als Kreissystem bezeichnet. a 1 5 9 10 Frischgas b Abb. 1-2 Kreissystem eines älteren Narkoseapparates für Erwachsene. Da an älteren Narkosesystemen die einzelnen Funktionselemente noch gut erkennbar sind, erfolgt die Erklärung anhand eines solchen Gerätes. Bei modernen Narkosegeräten (z. B. Zeus ; Abb. 1-20c) sind die einzelnen Bauelemente oft nicht mehr zu erkennen; a schematisch ( Text); b Dräger Kreissystem 8 ISO. Da die gebräuchlichen Narkoseapparate fast alle nach dem Prinzip des halbgeschlossenen Systems ( S. 10) arbeiten, soll das Funktionsprinzip des Kreissystems anhand des halbgeschlossenen Systems nachfolgend ausführlich beschrieben werden (vgl. Abb. 1-2). Da an älteren Narkosesystemen die einzelnen Funktionselemente noch gut zu erkennen sind, erfolgt die Erklärung des Kreissystems anhand eines solchen älteren Gerätes. (Bei modernen Narkosegeräten [z. B. Zeus -Gerät; Abb. 1-20c] sind die einzelnen Bauelemente oft nicht mehr zu unterscheiden). Das vom Patienten abgeatmete Gas strömt über den sog. Exspirationsschlauch (1) und das Exspirationsventil (2) ab. Ein eingebautes Volumeter (3) misst das Ausatemvolumen. Ein mechanisch arbeitendes Manometer (4) oder inzwischen zumeist ein elektronisch arbeitendes Manometer zeigt die während des Atemzyklus auftretenden Drücke an. Diese Elemente werden zusammen als Ausatem- oder Exspirationsschenkel bezeichnet. (Mechanisch arbeitende Manometer sind inzwischen nur noch bei manueller Beatmung erlaubt. Wird eine maschinelle Beatmung durchgeführt, dann ist ein elektronisch arbeitendes Manometer vorgeschrieben. Hierbei ist an der Stelle des mechanischen Manometers nur ein Druckaufnehmer für das elektronisch arbeitende Manometer im Kreissystem eingebaut [vgl. 2 in Abb. 1-16]. Die Druckanzeige erfolgt dann im Display des elektronischen