Einführung in die Spielfilmanalyse am Beispiel von NS-Propagandafilmen (Fortbildung des Berliner LISUM, die jedes Halbjahr angeboten wird: Dozent: Gerhard Teuscher / Ort: Bundesarchiv-Filmarchiv [Anmeldung unter www.lisum.de]) 1. Kurzer Vortrag (Frau Werth-Mühl, BA-Filmarchiv): Ein Vorbehaltsfilm was ist das eigentlich? Zum Umgang mit dem Filmerbe der Nationalsozialisten 2. Anmerkungen zum NS-Propagandafilm in der Schule 3. Exkurs Film und Geschichtsunterricht 4. Grundlagen der Filmanalyse kurz erläutert 5. Sichtung der ersten ½ Stunde von Hans Steinhoffs Hitlerjunge Quex (1933) 6. Analyse zweier Szenen aus Hitlerjunge Quex : - Exposition - Wochendausflug 7. Vergleich der Ausflugs-Szene im Film mit dem Roman Der Hitlerjunge Quex von Karl Aloys Schenzinger 8. Sichtung einiger zentraler Szenen des antisemitischen Hetzfilmes Jud Süß (1940) von Veit Harlan 9. Vorstellung von Literatur zum Thema NS-Propagandafilme
Hitlerjunge Quex, ein propagandistischer NS-Spielfilm als Zeitdokument/ historische Quelle Ziel der Unterrichtsreihe: Gefahr der Verführbarkeit durch den Film Hitlerjunge Quex zutreffend einzuschätzen Diskussion: Bildet der Film die historische Wirklichkeit authentisch ab oder liefert er ein propagandistisches Zerrbild? Frage: Wie wurden die Medien für die nationalsozialistische Propaganda genutzt? Mit HJ Quex lassen sich historische und auch medienspezifische Problemstellungen/ Aspekte behandeln. Wirklich große Gefahr: Schüler glauben, dass Stereotype des Spielfilms zutreffen. Fragen dazu für den Unterricht: Was wussten wir vor der Sichtung über das Thema? Woher stammt unser Wissen? Wie zuverlässig sind unsere Informationsquellen? Was haben wir bisher gelernt? Welche Informationen brauchen wir noch? Weiteres Ziel: Unterschiedliche Qualität der Informationen die Schule und Medien anbieten kritisch und differenziert einschätzen und selbstverantwortlich nutzen können.
ANALYSE-ASPEKTE BEI HITLERJUNGE QUEX : Analyse-Szenen: Exposition, Wochenendfahrt-Szene, Oberbannführer, Vater und Heini in Reha-Klinik (Vater im Schatten, resigniert, Aufsicht, wirkt klein und demütig, Bannführer sitzt im Sonnenlicht, Vogelperspektive, selbstbewusste Vaterfigur, ist überlegen) Der NS-Propagandafilm HJ Quex ist nach Meinung der Filmwissenschaft und Filmkritik technisch und ästhetisch gesehen ein hervorragender Film: - an Realismus angelehnt - raffinierter Einsatz von Licht und Schatten - das Einbeziehen einer großstädtischen Szenerie - Bedeutung von Gesichtern in Großaufnahmen - geschickter Schnitt - dramaturgisch geschichter Aufbau - mitreißende Musik - besondere Szene: Dramaturgie des Selbstmords, Exposition, Volksfest- Charme, Mord am Schluss
Beobachtungsauftrag zur Ganzsichtung von Hitlerjunge Quex von Hans Steinhoff 1. Erarbeiten Sie die propaganditischen Elemente in dem Spielfilm Hitlerjunge Quex! 2. Achten Sie auf die Gestaltungsmittel des Films! Notieren Sie Stichpunkte u. a. zu: Kameraarbeit, Bildgestaltung, Schnitt, Sprache, Ton/Filmmusik, Ausstattung, Licht und Darstellerleistung!
2. Methodenvorschlag für die Arbeit nach der ersten Sichtung des Films: Direkt nach Sichtung erste Eindrücke erstmal auf Karteikarten notieren lassen (evtl. auf 5 Aspekte beschränken) daraus Tafelbild erstellen (Schüler schreiben an). Anschließend Arbeitsblatt 1 auswerten.
3. Arbeitsblatt Hitlerjunge Quex Analyse der Exposition Sie sehen nun die Exposition aus Hitlerjunge Quex (1933) von Hans Steinhoff: 1. Achten Sie in der sog. Apfel-Szene auf die Bildgestaltung; insbesondere auf die gewählten Einstellungsgrößen, Kameraperspektiven und Kamerabewegungen! Wählen Sie drei Einzelbilder, sog. Stills, aus! Beschreiben Sie jeweils kurz den Bildinhalt und bestimmen Sie die Einstellungsgröße und die Kameraperspektive (sowie evtl. die Kamerabewegung)! 2. Welche Funktion haben Ihrer Meinung nach die verschiedenen Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven (sowie evtl. Kamerabewegungen) für die Filmerzählung in dieser Szene? 3. Machen Sie sich ebenfalls Notizen zur Licht- und dramaturgischen Gestaltung in der Exposition!
Beschreibung der Einstellung Einstellungsgröße und deren Wirkung/ Funktion Kameraperspektive und deren Wirkung/ Funktion Anmerkungen zur Kamerabewegung + Funktion Licht E
5. Die Ausflugsszene in Hitlerjunge Quex (1933) von Hans Steinhoff 1. Beschreiben Sie, wie die beiden Jugendgruppen dargestellt werden (z.b. Sprache, Kleidung, Auftreten, Musik)! Gehen Sie dabei nicht nur auf inhaltliche sondern auch auf filmgestalterische Aspekte ein! Kommunisten Hitlerjugend 2. Erläutern Sie die Darstellung und das Verhalten Heinis! 3. Beschreiben Sie die propagandistischen Aspekte dieser Szene! 4. Stellen Sie Vermutungen an, ob diese Propaganda zur Zeit des Nationalsozialismus ihre beabsichtigte Wirkung erzielte!
6. Vorschlag für vertiefenden Arbeitsauftrag zu Hitlerjunge Quex Beschreibung der Handlungssituation: Sie sind der Regisseur des Films Hitlerjunge Quex und wollen diesen der Staatsführung als propaganditsich wertvoll anpreisen. Schreiben Sie dazu einen für den Film werbenden Brief an den Propagandminister Joseph Goebbels. Ziel: Kritische Distanz der Schüler zum Dargestellten verstärken!
Arbeitsblatt zu Jud Süß (1940) von Veit Harlan 1. Erarbeiten Sie die antisemitischen Aspekte in Jud Süß! 2. Beschreiben Sie die Mittel, mit denen der Antisemitismus filmisch dargestellt wird (Themen, Ästhetik, Dramaturgie etc.)! 3. Schätzen Sie ein, ob die antisemitischen (und damit propagandistischen) Elemente des Films damals und auch heute für die Mehrheit der Bevölkerung offen erkennbar waren bzw. sind! 4. Sollte man diesen Film heute im Fernsehen oder im Kino frei zeigen oder als DVD vertreiben? Begründen Sie Ihre Ansicht!
Filmplakat zur Premiere zu Jud Süß aus dem Jahre 1940
Abschlussdiskussion/ Rollenspiel zu Hitlerjunge Quex (1933) und Jud Süß (1940) ( Die Schüler sollen deren propagandistisches Potential heute einschätzen) Aufgabe (Gruppenarbeit): Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie sind Programmplaner eines Fersehsenders und sollen in einer Diskussion unter Einbeziehung ihrer erworbenen Kenntnisse entscheiden, ob und warum der Film Hitlerjunge Quex bzw. Jud Süß ins Programm aufgenommen werden soll - oder eben nicht. Machen Sie gegebenenfalls Angaben zu Sendezeit, Altersfreigabe etc. Bestimmen Sie zu Beginn der Besprechung den das Ressort leitenden Redakteur. Er koodiniert die Debatte.