1 Zahlenverhältnisse als Gestaltungskriterium Eine Medaille Friedrichs des Weisen "Locumtenensthaler werden die Thaler und Medaillen des Churfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen genannt, welche zum Andenken des ihm von Kaiser Maximilian I. verliehenen Amtes eines Generalstatthalters (Locumtenens generalis) geschlagen worden" sind. 1 Im Jahr 1507 "hatte Kaiser Maximilian Friedrich dem Weisen auf dem Reichstag in Konstanz das Amt eines Generalstatthalters des Reichs übertragen. Friedrich sollte während der Abwesenheit des Kaisers [...] die Reichsgeschäfte führen." 2 Die Medaillen, die auf dieses Ereignis hinweisen, sind mit lediglich abweichenden Jahreszahlen bis zum Tod Maximilians (1519) hergestellt worden. Über den großen Aufwand und die technischen Schwierigkeiten, die bei ihrer Herstellung entstanden sind, ist relativ viel bekannt, ebenso über die hergestellten Anzahlen, über die Empfänger, deren Reaktionen usw. 3 Unbekannt ist bisher jedoch, was das Besondere an diesen Medaillen gewesen sein könnte. Die Medaillen zeigen auf der Vorderseite ein Bild Friedrichs mit (in diesem Fall) der Jahreszahl 1514; die Umschrift dazu ist in vier Viertel geteilt und lautet FRID DVX SAX + ELECT IMPERI + QVE LOCVM TE + NES GENERAL 4 ("Friedrich, Herzog von Sachsen, Kurfürst und Reichsgeneralstatthalter"), jeweils durch ein Wappen voneinander getrennt. Die Rückseite trägt das Bild eines heraldischen Adlers mit Heiligenschein und Wappenschild, die Umschrift lautet 1 Carl Christoph Schmieder 1815: Nachtrag zu dem Handwörterbuch der gesammten Münzkunde, S. 117 f. 2 Hermann Maué in GNM Anzeiger 1998, S. 261. 3 Vgl. Paul Grotemeyer 1970: Die Statthaltermedaillen des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen, in: Münchner Jahrbuch der Bildenden Kunst, Bd. XXI, S. 143-166. 4 Ergänzt: FRID[ericus] DVX SAX[oniae] ELECT[or] IMPERI[i]QVE LOCVM TENE[n]S GENERAL[is].
2 MAXIMILIANVS + ROMANORVM + REX + SEMPER + AVGVST ("Maximilian, stets erhabener König der Römer"). Nun müssen die beiden Umschriften Qualitäten besitzen, die verständlich machen, dass sie jahrelang unverändert verwendet worden sind. Unbeantwortet ist insbesondere die Frage, weshalb Maximilian (nur) als König bezeichnet wird, obwohl er bereits 1508 den Titel eines "Erwählten römischen Kaisers" angenommen hatte. Wenn es nicht ganz besondere Gründe gegeben hätte, wäre das ein massiver und bei der Haltung Friedrichs gegenüber Maximilian ganz undenkbarer Affront gewesen. Und diese Gründe können nicht im offen lesbaren Inhalt der Texte liegen, sie müssen sich irgendwie verborgen und trotzdem nachvollziehbar in zweiten Ebenen befinden. Es ist gegenwärtig nicht mehr allgemein bekannt, dass die Bezeichnung von Zahlen als "rund" ursprünglich nichts mit der Null zu tun hat. Sie bezieht sich vielmehr auf die Kreisberechnung nach Archimedes, die bis in die frühe Neuzeit angewendet worden ist, nämlich bis Verbreitung der Ziffern (und damit der Null). Der Umfang des archimedischen Normkreises ist 22 bei einem Durchmesser von 7, das heißt, in diesem Sinn waren alle durch 22 (bzw. 11) teilbaren Zahlen "rund". Nun kann am Namen MAXIMILIANVS auffallen, dass sich unter den zwölf Buchstaben acht befinden, die auch als römische Zahlen verstanden werden können: M+XI+MI+LI+V. Bemerkenswert ist daran nun, dass diese Zahlen zusammen die Summe 1000+11+101+51+5 = 2068 ergeben, denn im Sinn von 22x94
3 handelt es sich dabei um eine im archimedischen Sinn "runde" Summe. Die Idee, auch beim Konzipieren der Medaillenumschriften auf die Doppelbedeutung von Buchstaben als römische Zahlzeichen zu achten, dürfte sich dann aus Folgendem ergeben haben. Friedrich erhielt das Amt eines Statthalters (Locum tenens) im Jahr 1507, das ist soviel wie 11x137. Im Ausdruck LOCVM TENENS selbst befinden sich, als Zahlzeichen verstehbar, LCVM = 1155 = 11x105. Das heißt, der Ausdruck LOCVM TENENS + 1507 enthält, so gesehen, die Summe 1155+1507 = 2662 = 11x11x22. Das konnte natürlich als ein besonderes, gutes Omen angesehen werden. Der Text der Vorderseite der Medaille ist dann so gestaltet und geschrieben worden, dass sich in FRID DVX SAX + ELECT IMPERI, also im oberen und im rechten Viertel der Umschrift, die römischen Zahlen I+D+DV+X+X+L+C+I+M+I befinden, die zusammen 2178 = 22x99 ergeben. Und in das untere und das linke Viertel ist QVE LOCVM TE + NES GENERAL gesetzt worden, was die Zahlen V+L+CV+M+L enthält und 1210 = 22x55 ergibt. Das heißt, für die ganze Umschrift der Vorderseite erhält man, so gesehen 2178+1210 = 3388 = 44x77. Auf der Rückseite ist der Name MAXIMILIANVS in ein Drittel des zur Verfügung stehenden Raum gesetzt worden. Die beiden anderen Drittel (ROMANORVM REX + SEMPER AVGVST) enthalten die römischen Zahlzeichen M+V+M+X+M+V+V, was
sogar 3025 = 55x55 ergibt. Der gesamte Text der Rückseite enthält also in römischen Zahlen die Summe 2068+3025 = 5093 = 11x463. Auffällig ist im gegeben Zusammenhang natürlich, dass "ausgerechnet" der Abschnitt mit dem Namen MAXIMILIANVS nur durch 11 und nicht wie alle anderen durch 11x11 teilbar ist. Mit der Summe 2068 enthält er 11 Punkte oder XI zuviel (denn 2057 = 11x11x17). Darin verbirgt sich aber gerade etwas ganz Besonderes. Streicht man nämlich in MAXIMILIANVS die Buchstaben XI (= 11), dann bleibt MA-MILIA-NVS übrig. MILIA MANVS bedeutet soviel wie "tausende Hände", wobei manus auch "der Hände Werke" und ähnliches bedeuten kann. An die Stelle des Namens Maximilianus tritt also gewissermaßen "der Tausendhänder". Durch diesen Eingriff hat die Rückseite der Medaille in den römischen Zahlen die Summe 5093-11 = 5082 = 66x77; und beide Seiten zusammen ergeben dann 3388+5082 = 8470 = 110x77. Dazu sei noch auf Folgendes hingewiesen. Die römischen Zahlzeichen in MAXIMILIANVS ergeben, wie gesagt, MXIMILIV 2068 = 11x188, die in FRIDERICVS DVX ergeben IDICV DVX 1122 = 11x102, die in SAXONIAE 11 und die in LOCVM TENES 1155 = 11x105, das heißt, zusammen machen die römischen Zahlzeichen des Ausdrucks MAXIMILIANVS + FRIDERICVS DVX SAXONIAE LOCVM TENENS ("Maximilian + Friedrich Herzog von Sachsen, Statthalter") also 2068+ 1122+11+1155 = 4356 = 66x66. Nun macht die Berücksichtigung römischer Zahlen beim Konzipieren des Textes zwar verständlich, dass auf der Vorderseite das überflüssige Wort QVE eingeführt worden ist und dass das I am Ende von IMPERI weggelassen werden musste. Unerklärt bleibt dabei aber das Fehlen eines N im Wort TENENS, für das es offensichtlich einen anderen Grund geben muss. Und der dürfte darin gelegen haben, dass auch die Summen berücksichtigt worden sind, die sich mit dem lateinischen Rangsystem ergeben. Tatsächlich erhält man, mit diesem System gerechnet, im oberen Viertel der Vorderseite für FRID DVX SAX die Summe 121 = 11x11. Es folgt im rechten Viertel ELECT IMPERI 110 = 11x10 und in den beiden anderen QVE LOCVM TE + NES GENERAL 4
5 125+95 = 220 = 11x20. Für die ganze Umschrift der Vorderseite macht das 121+110+220 = 451 = 11x41. 5 Für die Rückseite scheint sich damit aber keine besondere Summe zu ergeben, denn MAXIMILIANVS ROMANORVM REX SEM- PER AVGVST ergibt 456 6. Ersetzt man dann aber das Wort REX ("König") durch die Abkürzung CAES (für Caesar "Kaiser"), dann erhält man 456-43+27 = 440. Vorder- und Rückseite ergeben dann zusammen 451+440 = 891 = 99x9. Die Möglichkeit, REX durch CAES zu ersetzen, macht verständlich, dass die Medaille Maximilian noch als König bezeichnen konnte, nachdem er 1508 den Titel eines Kaisers angenommen hatte. 5 FRID 36 DVX 45 SAX 40 ELECT 43 IMPERI 67 QVE 41 LOCVM 60 TENES 60 GENERAL 59 = 451 6 MAXIMILIANVS 136 ROMANORVM 120 REX 43 SEMPER 72 AVGVST 85 = 456