Ökobilanzierung und Nachhaltigkeit - Ökologische Aspekte der Holznutzung Michael Risse Technische Universität München Holzforschung München Lehrstuhl für Holzwissenschaft Bauen mit Holz Ein nachhaltiger Beitrag zum Klimaschutz München, 30.09.2015 risse@hfm.tum.de
Vorteile der Holznutzung Nachteile der Holznutzung Teil des Ökosystems Wald Erneuerbarer Rohstoff Aufnahme von CO 2 und Sonnenenergie Veränderung des Ökosystems Wald Landnutzung Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 2
Vorteile der Holznutzung Nachteile der Holznutzung Energieeffizient: Energiebedarf zur Herstellung von Holzprodukten gering Bereitstellung von Holz benötigt Energie Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 3
Vorteile der Holznutzung Nachteile der Holznutzung Kohlenstoffspeicherung Substitution Energie- und emissionsintensiver Materialien Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 4
Kohlenstoff in t/ha Kohlenstoffspeicherung Der Beitrag der Kohlenstoffspeicherung zum Klimaschutz steigt mit der Nutzungsdauer eines Holzprodukts 10/5/2015 (Lippke et al. 2011) 5
Substitution emissionsintensiver Materialien Vergleich der Umweltwirkungen eines landwirtschaftlichen Gebäudes in Holzbzw. Stahlbauweise mit Hilfe der Ökobilanz Bauphase Holzbau Modell Holzbau 10/5/2015 (Helm 2013; Simon 2013) 6
Exkurs: Methode der Ökobilanzierung Ökobilanzierung ist eine Methode zur Analyse von Umweltwirkungen die während aller Lebenszyklusabschnitte eines Produktes (z.b. Gebäude) auftreten. Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 7
Exkurs: Methode der Ökobilanzierung - Umweltwirkungen Primärenergieverbrauch fossil Primärenergieverbrauch erneuerbar Treibhauspotential Photooxidantienbildung Ozonabbaupotential Versauerungspotential Eutrophierungspotential 10/5/2015 (Albrecht et al. 2008) 8
Holz trägt zur Substitution Energie- und emissionsintensiver Materialien bei Substitution emissionsintensiver Materialien: Ergebnisse Einsparungen Holz vs. Stahl 550.000 km (C0 2 PKW) 10/5/2015 (Helm et al. 2013) 9
Vorteile der Holznutzung Nachteile der Holznutzung Keine Abfallprodukte am Ende des Lebenszyklus Freisetzung von Energie bei energetischer Nutzung Bisher ungenutztes Potential der Kaskadennutzung Feinstaubemissionen bei Verbrennung Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 10
Anteile der Energieträger an der Endenergiemenge, den THG Emissionen sowie den Partikelemissionen für die Bereitstellung von Wärme in BY [%] Endenergiemenge Steinkohle Andere Braunkohle Fernwärme Heizöl Strom Erdgas Andere Erneuerbare Flüssiggas Feste Feste Biobrennstoffe 10/5/2015 (Wolf et al. 2015, in Vorb.) 11
Anteile der Energieträger an der Endenergiemenge, den THG Emissionen sowie den Partikelemissionen für die Bereitstellung von Wärme in BY [%] Endenergiemenge Steinkohle THG - Emissionen Andere Braunkohle 1,7% Fernwärme Heizöl Strom Erdgas Andere Erneuerbare Flüssiggas Feste Feste Biobrennstoffe 10/5/2015 (Wolf et al. 2015, in Vorb.) 12
Anteile der Energieträger an der Endenergiemenge, den THG Emissionen sowie den Partikelemissionen für die Bereitstellung von Wärme in BY [%] Endenergiemenge Steinkohle THG - Emissionen Andere Braunkohle 1,7% Fernwärme Heizöl Feinstaubemissionen bei Verbrennung Ganzheitliche Bewertung notwendig Strom Erdgas Feinstaubemissionen Andere Erneuerbare Flüssiggas 80% Feste Biobrennstoffe 10/5/2015 (Wolf et al. 2015, in Vorb.) 13
Potentiale der Kaskadennutzung - Ein Blick in die Zukunft Angebot Nachfrage 10/5/2015 14
Prinzip der Kaskadennutzung 10/5/2015 (Höglmeier et al. 2014) 15
Umweltwirkungen der Kaskadennutzung Frischholznutzung Vorteil Kaskade: AH OSB SP -15% -10% -5% 0% 5% 10% 15% HTP [kg DCB-eq.] AP [kg SO2-eq.] GWP fossil [kg CO2-eq] Primary energy fossil [MJ] Humantoxizität Versauerungspotential Treibhauspotential Primärenergiebedarf fossil Kaskadennutzung reduziert die Umweltwirkungen 10/5/2015 (Höglmeier et al. 2014) 16
Recycling von Vollholz Aufarbeitungsprozess Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 17
Zusammenfassung Holz hat viele ökologische Vorteile, aber auch Nachteile Es darf daher nicht auf seine Kohlenstoff- oder Energiebilanz reduziert werden Hochwertige stoffliche Nutzung birgt größtes ökologisches Potential Kaskadennutzung trägt zur effizienten Nutzung und zur Reduktion der Umweltwirkungen bei Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Nutzungsphase End-of-life Phase 10/5/2015 (Wegener et al. 2010) 18
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit Michael Risse Technische Universität München Holzforschung München Lehrstuhl für Holzwissenschaft risse@hfm.tum.de /woodcascade @CascadingWood carewood.eu Acknowledgments The author gratefully acknowledges the funding by the German Federal Ministry of Food and Agriculture (BMEL) and the support by the European Union under the framework of the ERA-NET Plus initiative Wood Wisdom-Net+. List of references can be provided by the author. 10/5/2015 19
CaReWood-Idee Altholz Kontrolle der Dekontamination Dekontamination des Altholzes Verklebung zu Holzbauteilen Design for Recycling 10/5/2015 20
INTERREG-Fallstudie: Bauen mit regionalem Holz Stallgebäude Vergleich gesamtes Gebäude Stallgebäude Holzbauweise Pilotbetrieb A (originale Planung) Gleicher Nutzen: Größe Statik Anzahl Tierplätze u.a. Stahlbauweise Pilotbetrieb A (theoretische Planung) (Helm et al. 2013; Simon 2013) 10/5/2015 21
Umweltwirkungen der Kaskadennutzung Kaskaden 1 t Altholz OSB aus 100% AH Spanplatte aus 100% AH Wärme 1 t Frischholz Wärme Frischholz 1 t Altholz OSB aus 100% AH Wärme 1 t Frischholz Spanplatte aus 100% FH Wärme 10/5/2015 (Höglmeier et al. 2014) 22
Methode der Ökobilanzierung Ökobilanzierung ist eine Methode zur Analyse von Umweltwirkungen die während aller Lebenszyklusabschnitte (Rohmaterialgewinnung, Herstellung, Nutzung, Reparatur, Wiederverwertung, Beseitigung) eines Produktes auftreten Vergleich der Umweltwirkungen von mehreren Produkten oder Dienstleistungen Verwendung Produktentwicklung Aufdecken von Optimierungspotential Strategische Planung Politikberatung Marketing 10/5/2015 23
Methode der Ökobilanzierung - Funktionsweise Rohprodukte Energie Hilfsmaterialien Herstellung eines Stuhls Stuhl Nebenprodukte Hilfsmaterialien Abfall Emissionen 10/5/2015 24
Primärenergieverbrauch fossil Primärenergieverbrauch erneuerbar Treibhauspotential Photooxidantienbildung Ozonabbaupotential Versauerungspotential Eutrophierungspotential Methode der Ökobilanzierung - Ergebnisdarstellung Beispiel: 3-Schicht Parkett [Quelle: Albrecht et al. 2008] 10/5/2015 25
Methode der Ökobilanzierung - Herausforderungen Herausforderungen Ergebnisse nicht leicht zu verstehen und zu kommunizieren Erschwert die Entscheidung Für alle Produkte unspezifisch trotz Norm Vergleichbarkeit von Ökobilanzergebnissen nicht gewährleistet Lösungsansatz Harmonisierung der Methodik für Produktgruppen 10/5/2015 26
Zwischenfazit Holz hat viele positive, aber auch negative Eigenschaften Stoffliche Nutzung hat andere Vor- und Nachteile als die energetische Nutzung Isolierte Betrachtung des Treibhauspotentials zur Bewertung der Holznutzung ist unzureichend und kann zu Fehlentscheidungen führen Ziel: Die richtige Verwendung des Materials identifizieren auf Basis umfassender Analysen Lösung Was kann dabei helfen? Ökobilanzierung 10/5/2015 27
Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden Bisher: Energieeinsparung während der Nutzungsphase Heute und zukünftig: lebenszyklusorientierte Nachhaltigkeitsbewertung Doch, was heißt das überhaupt? Lebenszyklusorientiert Rohmaterialbereitstellung Produktherstellung Bauphase Nutzungsphase Abriss & End-of-life Phase Nachhaltigkeitsbewertung Ökologische, soziale und ökonomische Aspekte gleichwertig analysieren Umfassende Umweltwirkungen des Gesamtlebenszyklus bewerten, nicht nur THG-Emissionen oder Energieverbrauch 10/5/2015 28
Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden Vergleich konventioneller Bauweise und Holzbauweise Vergleich von Sanierung und Neubau Vergleich des Einsatzes verschiedener Bauprodukte Problem Gebäude sind sehr komplexe Systeme Lange Lebensdauer Viele Einflussfaktoren während des Lebenswegs Viele verschiedene Szenarien denkbar Lösung Entwicklung von Produktkategorie Regeln für Bauprodukte EPDs 10/5/2015 29
EPD = Environmental Product Declaration Datengrundlage um Umwelteigenschaften eines Produktes darzustellen Erleichtert die Auswahl der Baustoffe für Gebäude Product Categorie Rules (PCR) für Bauprodukte Regeln Anforderungen und erforderlichen Daten, die für die jeweilige Baustoffgruppe (definiert über ähnliche Funktion) erfüllen müssen DIN EN 15804:2014-07 Grundregeln für Bauprodukte (PCR) DIN EN ISO 14025:2011-10 Grundsätze und Verfahren (EPDs) Kritische Prüfung durch unabhängige Gutachter Online vom IBU veröffentlicht Basiert auf Ökobilanz Modular aufgebaut 10/5/2015 30
Rohstoffbereitstellung Transport Herstellung Transport Bau-/Einbau Nutzung Wartung Reparatur Austausch Modernisierung Abbruch Transport Abfallbehandlung Deponierung Rückgewinnung Recycling EPDs für Bauprodukte nach DIN EN 15804:2014-07 Herstellungsphase Bauphase Nutzungsphase Entsorgungsphase Potentiale A1 A2 A3 A4 A5 B1 B2 B3 B4 B5 C1 C2 C3 C4 D D 10/5/2015 31
EPDs Systemgrenzen der EPDs sehr unterschiedlich Ungleiche Erfassung der Umweltwirkungen Lückenhaftes Bild der ökologischen Performance Vergleichbarkeit von Bauprodukten über EPDs erschwert Bau- und Nutzenphase unberücksichtigt aber bei Gebäuden besonders wichtig! Lebensdauer unterschiedlich manche Bauprodukte müssen ausgetauscht werden, andere nicht Erst im Gebäude entwickelt ein Baustoff seine Umweltwirkungen Was heißt das für die ökologische Bewertung von Gebäuden? 10/5/2015 32
Nachhaltigkeitsbewertung von Gebäuden Die Summe aller EPDs entspricht nicht (nur in Teilen) der ökologischen Performance eines Gebäudes. Sie ist abhängig von: individueller Nutzungsweise Ausstattung, Design Regionale Aspekte (Umgebungsklima) Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Gebäude nicht gegeben Ein Gebäude ist mehr als die Summe seiner Bauprodukte! Ökologische Bewertung von Gebäuden auf Basis von EPDs möglich, aber unvollständig umfassende Ökobilanzierung unumgänglich 10/5/2015 33
Exkurs: Alternative zu Ökobilanzen bei der ökologischen Analyse von Gebäuden? Beispiel Stallgebäude Verhältnismäßig einfach Wenig Bauprodukte Schwerpunkt auf dem Vergleich von Holz- und Stahlbauweise Im Vergleich zu Wohngebäuden Sehr komplexe Systeme Mehr Bauprodukte eingesetzt Größere Variationen möglich Weitere Anwendungsfragen Vergleich von Sanierung und Neubau Vergleich des Einsatzes verschiedener Bauprodukte 10/5/2015 34
Exkurs: Alternative zu Ökobilanzen bei der ökologischen Analyse von Gebäuden? Weitere Herausforderungen Beispiel aus einem Forschungsprojekt Luxus Gebäude haben eine lange Lebensdauer Nutzungsphase beeinflusst Ökobilanz eines Hauses ÖB sind sehr aufwendig und mit hohen Kosten verbunden (Datenverfügbarkeit, technisches Verständnis, Methodik, ) Vergleichbarkeit von Ökobilanzergebnissen nicht gewährleistet Lösung Entwicklung von Produktkategorie Regeln für Bauprodukte EPDs 10/5/2015 35
EPD = Environmental Product Declaration Stellt die Umwelteigenschaften eines Produktes dar Basiert auf Ökobilanz Erleichtert die Auswahl der Bauprodukte für Gebäude DIN EN 15804:2014-07 Grundregeln für Bauprodukte (PCR) DIN EN ISO 14025:2011-10 Grundsätze und Verfahren (EPDs) Kritische Prüfung durch unabhängige Gutachter Online vom IBU veröffentlicht Modular aufgebaut 10/5/2015 36
Rohstoffbereitstellung Transport Herstellung Transport Bau-/Einbau Nutzung Wartung Reparatur Austausch Modernisierung Abbruch Transport Abfallbehandlung Deponierung Rückgewinnung Recycling EPDs für Bauprodukte nach DIN EN 15804:2014-07 Herstellungsphase Bauphase Nutzungsphase Entsorgungsphase Potentiale A1 A2 A3 A4 A5 B1 B2 B3 B4 B5 C1 C2 C3 C4 D D 10/5/2015 37
EPDs Bau- und Nutzenphase unberücksichtigt aber bei Gebäuden besonders wichtig! Lebensdauer unterschiedlich manche Bauprodukte müssen ausgetauscht werden, andere nicht Erst im Gebäude entwickelt ein Baustoff seine Umweltwirkungen Die Summe aller EPDs entspricht nicht (nur in Teilen) der ökologischen Performance eines Gebäudes. Sie ist abhängig von: individueller Nutzungsweise Regionale Aspekte (Umgebungsklima) Ökologische Bewertung von Gebäuden auf Basis von EPDs möglich, aber unvollständig umfassende Ökobilanzierung unumgänglich 10/5/2015 38