Die Realitäten im Bereich Innovation



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Also heißt es einmal mehr, immer eine eigene Meinungen bilden, nicht beeinflussen lassen, niemals von anderen irgend eine Meinung aufdrängen lassen.

Transkript:

10 Optimierung des Innovationsablaufs Wenn der Innovationsablauf innoviert werden muss Planung, zeitliche Verkürzung und Risikoaufteilung sind nötig, damit der Innovationsfluss im Unternehmen zu bestmöglichen Resultaten führt. _VON ANDREAS SUTER UND HUGO TSCHIRKY overview Ist Ihr Innovationsbereich stark genug? Entspricht der Innovationsfluss den Erwartungen? Kann Ihr Unternehmen die Innovationen so steuern, dass sie planbar sind? In den meisten Fällen müssen diese und ähnliche Fragen abschlägig beantwortet werden. Der Innovationsablauf ist in der Mehrzahl der Unternehmen viel zu komplex. Ein Vorgehen nach dem Grundsatz «weniger wäre mehr» wäre hilfreich. Der Artikel erläutert am Fallbeispiel eines Süsswarenherstellers die Paradigmenwechsel, die nötig sind, um eine wirkungsvolle «Innovationsmaschine» zu generieren. ANDREAS SUTER ist Chief Business Architect und Partner der MacroProjects AG in Baar (CH). andreas.suter@soudronic.com PROF. DR. HUGO TSCHIRKY ist Professor em. für Technologie- und Innovationsmanagement am Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI) der ETH Zürich und Partner der Business Results GmbH in Zürich. hugo.tschirky@ethz.ch Die Realitäten im Bereich Innovation sind vielerorts ernüchternd: Die meisten Innovationen sind verspätet und ihr Erfolg eher zufällig als geplant. Ein Beispiel ist ein Unternehmen im elektrotechnischen Apparatebau, das vor rund vier Jahren mit der Erneuerung einer Produktlinie begonnen hat. Nach kumulierten Ausgaben von zwei Jahresgewinnen (vor Steuern!) ist es noch immer nicht bereit für die Markteinführung und musste feststellen, dass das Kostenziel um 50 Prozent verfehlt wurde. Ein Unternehmen aus dem Süsswarenbereich beklagte, dass seine jeweils rund zwei Jahre dauern und damit der optimale Zeitpunkt für den Markteintritt regelmässig verpasst werde. Auch ein Telekommunikationsbetrieb, der sich als innovativ bezeichnet, stellte fest, dass sich die neu lancierten Mehrwertdienstleistungen schlecht kapitalisieren lassen und schleichend zur Steigerung der betrieblichen Komplexität beitragen. Was läuft falsch? Selten fehlt es an Mitteln, jedoch oft an Systematik und Strukturen. Denn ungenügende Systematik und ungeeignete Strukturen führen zu Kreativität am falschen Ort. Das verschlechtert die Innovationsausbeute und schlimmer noch vertieft die Innovationsschwäche systematisch. Dagegen wirken isolierte Massnahmen wie Portfoliomanagement, «Roundtables», Freigabeverfahren, Meilensteinverfolgung oder Projektreporting wenig. Im Gegenteil: Sie erhöhen lediglich die Organisationskomplexität und die Entwicklungsleute beklagen eine «Verbürokratisierung» und Behinderung des Kreativpotenzials. So waren beim Süsswarenhersteller 40 verschiedene Formulare für das Management von Innovationsprojekten im Umlauf. Lean Innovation: Weniger bringt mehr Als gerade wieder einmal ein Markteintritt verpasst wurde, stellte der Süsswarenhersteller fest, dass seine Innovationspipeline durch zu viele, parallele verstopft war. Er erkannte, dass inkrementelle, also schrittweise Verbesserungen in der Art und Weise, wie geplant und abgewickelt wurden, nicht mehr genügten. Vielmehr war der Innovationsablauf selbst von Grund auf zu innovieren. In Anbetracht der hohen Innovationsrisiken, der langen Entwicklungszeiten und der verspäteten Markteintritte, der betreffend Markterfolg ungenügenden Innovationstreffer und der enormen Budgetüberschreitungen waren im Sinne einer «Lean Innovation» radikale Veränderungen erforderlich. Schliesslich hatte der Süss-

Optimierung des Innovationsablaufs 11 warenhersteller im eigenen Haus positive Erfahrungen mit «Lean Production» gemacht. Damit war die Idee der «Innovationsmaschine» entstanden. Sie ersetzte die zufälligen Fügungen im Innovationsgeschehen durch planbare Erneuerungen. Der Süsswarenhersteller erkannte, dass paradoxerweise nur eine drastische Verringerung der zur Stärkung der Innovationsfähigkeit beitragen konnte. Genauso konnte Flexibilität im Innovationsbereich nicht durch eine langfristige Ressourcenvorhaltung, sondern nur durch Beschleunigung der gewonnen werden. Die Innovationstreffer würden nicht durch die Ausdehnung des Umfangs der einzelnen, sondern durch eine Reduktion erhöht. Und die Risiken würden nicht durch zeitintensive Evaluierungs- und Freigabeverfahren, sondern durch systematische Marktbeobachtung und die präzise Spezifikation der zu Beginn minimiert. Darüber hinaus erkannte die Firma, dass zwischen und Geschäftsaufträgen eine grössere Ähnlichkeit bestand, als angenommen worden war: Ähnlich wie die Marktbearbeitung, Güterproduktion oder das Erbringen von Dienstleistungen können auch strukturiert und in einem Geschäftsprozess bearbeitet werden. Denn lassen sich wie Kundenaufträge systematisch abwickeln also gemäss einer strukturierten und wiederholbaren Abfolge von bestimmten Aktivitäten. Diese strukturierte Abfolge ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Fluss von Innovationen entsteht. In der Folge definierte der Süsswarenhersteller seinen Innovationsprozess neu und legte konkrete Arbeitsanweisungen für die fest. Diese liessen sich wiederholen, wodurch der Innovationsprozess gesteuert werden konnte. Das erste, als Pilotprojekt lancierte neue Produkt wurde bereits nach vier Monaten mit grossem Erfolg im Markt eingeführt. Die nächsten Innovationstreffer folgten schon bald darauf. Diese Verkürzung des Prozesses war nur deshalb möglich, weil der Innovationsumfang verringert und weil auf vorhandene Rezepturen zurückgegriffen wurde. Zwei Jahre nach der Einführung der «Innovationsmaschine» stellte der CEO fest: «Wir sind so innovativ und schnell geworden, dass wir inzwischen die Marktführerschaft übernommen haben. Unsere Sorge ist heute, dass unsere Supply Chain die Nachfrage einmal nicht erfüllen kann.» Welches waren die grundlegenden Veränderungen? Das Unternehmen vollzog drei Paradigmenwechsel: 1. Von der zufälligen Ad-hoc-Organisation zum definierten Innovationsprozess. 2. Von den unberechenbaren Lang- Abb. 1: Voraussagen zu Markt- und Technologieanforderungen werden immer unsicherer Fall A: Typisches Hohe Unsicherheit (Markt- und Technologieveränderungen) Opportunitätenverfolgung Lastenheftdefinition Konzept Entwicklung Analyse/ Pflichtenhefterstellung Konzeptänderung Nachentwicklung/ Pilotierung Transfer Fall B: Beschleunigtes Geringe Unsicherheit (Marktund Technologieveränderungen) Opportunitätenverfolgung Lastenheftdefinition Analyse/ Pflichtenhefterstellung Konzept Entwicklung Transfer Bei einem beschleunigten (Fall B) sinkt das Risiko, dass sich die Marktanforderungen bereits geändert haben.

12 Optimierung des Innovationsablaufs zeitprojekten zur zeitkomprimierten Innovation. 3. Vom riskanten Wurf zum beherrschbaren Innovationsauftrag mit aufgeteilten Risiken. 1. Von der Ad-hoc-Organisation zum definierten Innovationsprozess Mit der Abwicklung der über einen definierten Innovationsprozess vollzog der Süsswarenhersteller einen ersten Paradigmawechsel. Inzwischen haben auch andere Unternehmen den Innovationsprozess erfolgreich institutionalisiert. Aus ihren Erfahrungen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Der Innovationsprozess ist wie alle anderen Geschäftsprozesse eine klar definierte Abfolge von Aktivitäten mit ebenso klar definiertem Output. Analog zum üblichen Geschäftsprozess, der Kundenaufträge erfüllt, werden im Innovationsprozess bearbeitet. Genauso hat auch der Innovationsprozess einen Prozess-Eigner und verfügt über alle notwendigen Ressourcen, Methoden und Informationen, um seine Aufgabe zu erfüllen. Den Verantwortlichen im Unternehmen war klar, dass die Abwicklung über einen definierten Innovationsprozess nur den ersten Schritt zu einer «Innovationsmaschine» darstellte. Damit wurde zwar Wiederholbarkeit ermöglicht, für die Produktivitätsfortschritte im Innovationsbereich durch Lernen waren allerdings weitere Paradigmenwechsel erforderlich. 2. Vom Langzeitprojekt zur zeitkomprimierten Innovation Üblicherweise wird argumentiert, dass für Innovationen viel Zeit verfügbar sein muss. Die Verspätungen scheinen diese Sicht zu belegen. Grundlegendes Problem der Zeit ist allerdings die Unsicherheit der Voraussagen, die mit dem Zeithorizont überproportional zunimmt (siehe Abbildung 1 auf Seite 11). Abb. 2: Generischer Innovationsprozess für Unternehmen Umfeld Veränderungen Opportunitäten Innovationsauftrag Realisierte Innovationen Davon sind vor allem die Marktrisiken einer Innovation betroffen. Ähnlich dem Wurftaubenschiessen handelt es sich bei der Innovation um ein Treffen eines bewegten Ziels mit abnehmender Vorhersehbarkeit der Marktbedürfnisse. Wie beim Wurftaubenschiessen die Taumelbewegungen der Wurfscheibe mit der Flugdauer immer unberechenbarer werden und die Sichtbarkeit mit der Entfernung abnimmt, verändern sich die Innovationsvorgaben seien es spezielle Markt- oder Technologieanforderungen zunehmend chaotisch und sind mit zunehmendem Zeithorizont schwieriger bestimmbar. In vielen Märkten, wie z. B. für modische Konsumgüter, können die Marktbedürfnisse über einen Zeitraum von zwölf bis achtzehn Monaten hinaus kaum mehr genügend exakt bestimmt werden. Mit umfangreichen Lastenheften, die unzählige Anforderungen, Erwartungen und Wünsche an geplante Produkte auflisten, wird meist versucht, diesen Unsi- Folgeinnovationen Trendmonitoring Disposition Realisierung Perfektionierung Ω Auswahl der Suchfelder sowohl marktseitig als auch technologieseitig Ω Gerichtete und ungerichtete Suche von Veränderungen im Umfeld der bearbeiteten Marktsegmente Ω Erkennung und Beobachtung von Veränderungen und Trends in den Segmenten und den Technologieentwicklungen Ω Bewertung der Veränderungen und Trends (Relevanz, Ausmass und Dringlichkeit) Ω Ableitung von Opportunitäten Ω Spezifische Informationsbeschaffung zur Validierung der Opportunitäten Ω Informationsaufbereitung und Dokumentation der Trends, Veränderungen und Opportunitäten Ω Ideengenerierung Ω Strukturierung und Verifizierung der Idee Ω Machbarkeitsanalyse und Nutzenabklärung Ω Identifizierung der verfügbaren Kompetenzen und Wissensbasen (intern und extern) Ω Gesamtevaluierung des Portfolios (Marktleistungen, Kompetenzen, Risikomanagement) Ω Abgleich und Priorisierung mit den laufenden Ω Evaluierung der hinsichtlich Inhalt, Notwendigkeit, Zeitpunkt, Mittel, externe Herkunft sowie Pay-back Ω Freigabe der mit Anforderungen (Lastenheft) und Budget Ω Analyse der Anforderungen/ technische Spezifikation (Pflichtenheft) Ω Erarbeitung von Lösungskonzepten sowie deren Bewertung Ω «Prototyping» und Feldtests Ω Detaillierte Ausarbeitung Ω Überprüfung z.b. mit breit angelegten Feldtests Ω Planung des Transfers, z.b. in den Markt resp. in das Anlagenengineering Ω Roll-out der Innovation Ω Monitoring nach der Einführung der Innovation Ω Optimierung und Modifikation Ω Pflege der Innovationen Ω Sicherstellung der Wiederverwendung von Innovationen (z.b. in einer anderen Geschäftseinheit) Ω Einleitung von Neu-/Weiterentwicklungen Ω Erfahrungssicherung Ω Rückschlüsse für die Optimierung des Innovationsprozesses In der ersten von vier Phasen, dem «Trendmonitoring», muss der Innovationsprozess an das Umfeld der Firma angekoppelt werden.

Optimierung des Innovationsablaufs 13 Abb. 3: «Innovationsmaschine» mit Kaskadenstufen am Beispiel des Süsswarenherstellers Zuständigkeiten Planung und Steuerung des Innovationsgeschehens Trendmonitoring Disposition Realisierung (Überwachung) Perfektionierung Klar definierter Innovationsauftrag Abschluss des Innovationsauftrags durch Transfer Erneuerung des Produktportfolios basierend auf beherrschten Technologien Produktionsentwicklung inkl. Kommunikationskonzept und Markteinführung Produktpflege Segmentierung nach Produktfamilien Erneuerung des Portfolios beherrschter Technologien Entwicklung von Rezepturen inkl. Produktionsvorschriften Rezepturenpflege Segmentierung nach Rezepturtypen Erneuerung des Portfolios verstandener wissenschaftlicher Erkentnisse Forschung in Lebensmitteltechnologie & Ernährungswissenschaften Externe Forschungsinstitute ad-hoc Das Beispiel zeigt, wie die «Innovationsmaschine» den Innovationsprozess aufbauend auf den vier Phasen kanalisiert. cherheiten zu begegnen. Dadurch erhöht sich wiederum der Zeitbedarf, und schon ist man in einem Teufelskreis. Durch radikales Umdenken lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen: Innovationen mit geringem Umfang sind schneller und sicherer ins Ziel zu bringen als umfangreiche Vorhaben. Allerdings muss die Vorstellung verinnerlicht werden, dass Innovationen sich innerhalb von einem Viertel des üblichen Zeitbedarfs realisieren lassen. Das ist möglich, da wegen der Zeitverkürzung nur geringe Unsicherheiten bezüglich der Markt- und Technologieentwicklungen einbezogen werden müssen. Durch die Zeitverkürzung entsteht die Chance, frühere Vorhaben nach Treffergenauigkeit auszuwerten. Indem der Süsswarenhersteller die Erfahrungen aus einer Markteinführung verwertet, kann er die nächste Markteinführung noch genauer ins Ziel zu führen. Denn kurze Innovationszyklen sind Voraussetzung dafür, dass die «Innovationsmaschine» steuer- und regelbar ist. Nach einem anerkannten Prinzip aus der Regeltechnik ist die «Innovationsmaschine» dann regelbar, wenn die Rückschlüsse aus den Innovationstreffern mindestens doppelt so häufig erfolgen, als sich das Marktumfeld verändert. Für den Süsswarenhersteller in einem saisonalen Marktumfeld bedeutete dies eine Verkürzung auf drei Monate. Zudem erlauben solche Verkürzungen, mit Wiederholung und Routine die Prozessbeherrschung zu verbessern. Bei langjährigen ist dies fast unmöglich, weil die Beteiligten wechseln oder sich niemand mehr an die genauen Umstände erinnern kann. 3. Vom riskanten Wurf zur Innovation mit aufgeteilten Risiken Die Abwicklung über einen definierten Innovationsprozess und die Verkürzung der Innovationszeit sind wesentliche Voraussetzungen, aber für das erfolgreiche Management der Innovationspipeline noch nicht ausreichend. Mit weiteren strukturellen Massnahmen muss den Innovationsrisiken begegnet werden. Üblicherweise werden Risiken gestreut, indem umfangreiche Artikel zum «io new management»-trendbarometer Im aktuellen «io new management»- Trendbarometer (vorgestellt in Ausgabe 1-2/2005) setzt das «io new management»-expertenteam den Innovationsdruck bei Produkten und Prozessen auf Platz 1 der für Unternehmen entscheidenden «Driving Forces». Dieser Artikel zeigt Lösungsansätze und Strategien auf, um im eigenen Unternehmen innovativ zu sein. Ω Das aktuelle «io new management»-trendbarometer finden Sie in Ausgabe 1-2/2005 (zu bestellen unter Tel. +41 (0)44 288 35 46).

14 Optimierung des Innovationsablaufs Portfolios angelegt werden. Ein anderer Weg schlägt vor, die Risiken selbst zu teilen, um sie beherrschbar zu machen. Abgesehen von der Akzeptanz im Markt betreffen die Innovationsrisiken vor allem die technologische Machbarkeit. Die Marktrisiken werden wie erwähnt durch Verkürzung der Innovationszeit verringert. Die technologischen Machbarkeitsrisiken hängen vom Stand der Technik und den vom Betrieb schon beherrschten Kompetenzen ab. Die Machbarkeitsrisiken lassen sich senken, indem erstens ein umfangreiches in kleine Schritte aufgeteilt wird (horizontale Aufteilung). Damit werden die mit einzelnen Schritten verbundenen Risiken transparent und behandelbar. Die Risiken lassen sich weiter senken, wenn zweitens die Entwicklung von Grundlagen und Technologien von der Entwicklung des eigentlichen Produkts entkoppelt wird (vertikale Aufteilung). Der Süsswarenhersteller erkannte, dass die kurzfristige Lancierung eines neuen Produktes nur möglich war, wenn auf schon entwickelte und von Konsumenten getestete Rezepturen zurückgegriffen werden konnte und keine grundlegenden technologischen Probleme mehr bestanden, z. B. die Verträglichkeit von neuen Zutaten wie künstlichen Süssstoffen oder neuen Stabilisatoren. Strukturierte «Innovationsmaschine» Ω Ω Damit Nutzen aus der Abwicklung über einen definierten Innovationsprozess, der Verkürzung der Zeit sowie der Risikoaufteilung entsteht, sollte der Innovationsprozess in folgende vier Phasen strukturiert werden (siehe Abbildung 2 auf Seite 12): Ω Phase «Trendmonitoring»: Der Innovationsprozess muss an das Umfeld des Unternehmens angekoppelt werden, indem Opportunitäten aus Umfeldveränderungen, Trends, usw. abgeleitet werden. Ω Phase «Disposition»: Die entscheidenden Weichenstellungen finden statt, indem zunächst aus den Opportunitäten Innovationsideen erzeugt werden. Um die Machbarkeitsrisiken aufzuteilen, werden die Ideen in einzelne zerlegt, die sich als klar definierte Aufträge (mit Budget und Termin) bearbeiten lassen. Phase «Realisierung»: Der Innovationsauftrag wird nach Plan realisiert. Diese Phase endet mit dem Transfer der Neuerungen zum Nutzniesser, beispielsweise in den Markt. Phase «Perfektionierung»: Der Innovationserfolg wird überwacht, wo nötig optimiert und modifiziert. Bei Bedarf werden Folgeinnovationen eingeleitet, aber es wird auch sichergestellt, dass bestehende Innovationen in einem neuen Zusammenhang weiterverwendet werden. Ebenso werden hier Massnahmen eingeleitet, die der Erfahrungssicherung und der Optimierung des Innovationsprozesses selbst dienen. Diese Phasen bilden das Grundgerüst für die in Abbildung 3 auf Seite 13 dargestellte unternehmensspezifische «Innovationsmaschine», die sich mit speziellen Modellierungstechniken aus dem Innovationsprozess entwickeln lässt (Suter 2004). Indem die «Innovationsmaschine» eine kanalisierende Abb. 4: Unstrukturiertheit und Kreativität im Innovationsprozess Umfeld Veränderungen Opportunitäten Innovationsauftrag Realisierte Innovationen Folgeinnovationen Unklare Ideen Trendmonitoring Disposition der Kreative Approaches Realisierung Perfektionierung Unstrukturiertheit Kreativität Ausführung Ω Suche nach Veränderungen und Trends («schwache Signale viele Geräusche») Ω Projektion & Interpretation von unklaren Informationen Ω Opportunitäten-Erkennung Ω Kreative Architektur-Arbeit Ω Kreative Planung und Strukturierung der Ω Abarbeitung von klar definierten Ω Befolgung von «Standard Operation Procedures» Beschränkt sich die Unstrukturiertheit auf den Prozessbeginn, können die mit ihr verbundenen Risiken frühzeitig begrenzt werden.

Optimierung des Innovationsablaufs 15 Struktur vorgibt, lassen sich die beschleunigen und die Risiken teilen. So werden umfangreiche Innovationsideen schon in der Dispositionsphase aufgebrochen, um die Risiken aufzuteilen. Die Risikoaufteilung erfolgt durch Zuweisung von Innovationsvorstufen an die entsprechende Kaskadenstufe. Durch diesen Aufbruch können die Innovationsaufträge zeitlich unterschiedlich angesetzt und vor allem risikogerecht abgearbeitet werden. Mit der derart strukturierten «Innovationsmaschine» lässt sich das immer wieder gestellte Postulat, Zeit- und Ressourcenbudgets ins Vorfeld zu verlagern, tatsächlich umsetzen. Als Hebel zur Steigerung der Innovationsfähigkeit noch bedeutsamer sind jedoch folgende Merkmale der «Innovationsmaschine» (siehe Abbildung 4 auf der linken Seite): Die Möglichkeit, den Innovationsprozess zu planen und zu steuern, indem Unschärfe und Unstrukturiertheit an den Beginn des Prozesses gelegt werden: Naturbedingt ist das Innovationsmanagement mit Unschärfen wie schwachen Marktsignalen, unscharfen Trends, vagen und unstrukturierten Ideen etc. konfrontiert. Diese bilden den Nährboden für Innovationen. Allerdings ist diese Unschärfe und Unstrukturiertheit auf den Beginn des Innovationsprozesses zu beschränken. Denn dadurch werden frühzeitig die Risiken eliminiert, die durch vage Ideen, Unbestimmtheit oder Unstrukturiertheit entstehen. Termine und Kosten einhalten Das Vermeiden von Überraschungen, indem die Kreativität auf die Definition und Strukturierung des s fokussiert wird: Aus Opportunitäten innovative Ideen zu generieren, ist an sich schon ein kreativer Akt. Noch kreativer ist die Entwicklung von Produkt- und Systemarchitekturen (z. B. modularen Plattformen), die es ermöglicht, den Innovationsfluss zu strukturieren und die innovativen Ideen aufeinander abzustimmen. Letztlich geht es darum, unliebsame Überraschungen in der aufwändigen «Realisierungs»- Phase zu vermeiden. Eine Reduktion der Risiken, indem das Vorhaben vertikal aufgeteilt wird: Die systematische Trennung von Innovationen in solche, die konkrete Produkte und Dienstleistungen, und solche, die zu verwendende Technologien oder Prozesse betreffen, reduziert nicht nur den Zeitbedarf, sondern vor allem das damit verbundene Entwicklungsrisiko. Eine Abwicklung von als klar definierte Aufträge: Die zeit- und budgetgerechte Erfüllung der Innovationsaufträge steht in der «Realisierungs»-Phase im Vordergrund. Damit die engen Termine und Kostenvorgaben geplant und eingehalten werden, sind standardisierte Abläufe notwendig. Denn nur auf Grund von standardisierten Abläufen lassen sich Erfahrungswerte für die Planung von Meilensteinen und von notwendigen Ressourcen sammeln und später wieder nutzen. Literatur Schaad, D. (2001): Modellierung unternehmensspezifischer Innovations-Prozessmodelle. Dissertation ETH Zürich. Suter, A. (2004): Die Wertschöpfungsmaschine. Wie Strategien ihre Stosskraft entwickeln. Edition «io new management», Verlag Orell Füssli, Zürich, für Verlag Industrielle Organisation. Verlag Industrielle Organisation orell füssli Verlag Wider den betrieblichen Leerlauf Grössenvorteile lassen sich nur nützen, wenn die Geschäftsprozesse strategiegerecht festgelegt und die organisatorischen Schnittstellen geklärt sind. Der Autor beschreibt anhand zahlreicher Beispiele, wie man mit wenigen Gestaltungsprinzipien ein Unternehmen zur «Wertschöpfungsmaschine» macht. «Die Wertschöpfungsmaschine löst nachhaltige Performancesprünge aus sogar dort, wo kaum Potenziale vermutet werden. Auch für Weltmarktführer sind solche Anstösse notwendig.» Beat E.Lüthi, Mettler-Toledo Intl.Inc. Bestelltalon Gerne bestelle(n) ich/wir fest mit Rechnung (inkl. MwSt, zuzüglich Versandspesen)... Ex. Andreas Suter Die Wertschöpfungsmaschine Edition io new Management 2004, 336 Seiten Fr. 69. / 1 [D] 41.50 ISBN 3-85743-724-3 Name, Vorname Firma, Telefon Strasse, Nummer Postleitzahl, Ort Datum, Unterschrift edition io new management Schicken Sie diesen Coupon an HandelsZeitung, Buchversand, Postfach, 8027 Zürich, oder bestellen Sie online unter: www.handelszeitung.ch