Ein Schulprojekt: Haltungsturnen im Schuljahr 2010/2011 (1. Klassen BRG Rohrbach) Feststellung von relevanten Parametern für mögliche Haltungsschäden und deren Beeinflussung durch ein gezieltes Haltungsturnen Mag. Elisabeth Mayrhauser, Dr. Elisabetta Loi Michlmayr, Dr. Franz Burghuber, Dr. Christoph Michlmayr, Im Rahmen eines Schulprojektes wurden von den 7. Klassen des BRG Rohrbach, nachdem sie von Hr. Dr. Michlmayr, Facharzt für Orthopädie, eine mehrstündige Einführung in die Thematik Bewegungsapparat und Funktion der Wirbelsäule, erhalten haben, ein Trainingsprogramm für Kinder und Jugendliche zusammengestellt. Das Ziel dieses Projektes war eine Optimierung und Verbesserung des bereits bestehenden Haltungsturnens (unverbindlicher Freigegenstand) für Kinder des 1. Jahrganges des BRG Rohrbach. Die entsprechenden Übungen wurden gesammelt, fotografiert, beschrieben und ausgearbeitet. Abschließend wurde das Übungsprogramm mit Dr. Michlmayr kontrolliert, überarbeitet und zusammengestellt (vgl. Anhang 1). Der zweite Punkt dieses Projektes war eine orthopädische Untersuchung aller Schülerinnen und Schüler des 1. Jahrganges des BRG Rohrbach, nach einer standardisierten Untersuchungsgang, der sich für ähnliche Projekte bereits bewährt hatte und von Dr. Michlmayr und Univ.Prof. Dr. Hans Tilscher entwickelt wurde (vgl. Anhang 2). Es wurde hier sowohl nach Schmerzen, wie auch nach Fehlhaltungen und muskulären Veränderungen untersucht, sowie mittels des S3-Tests der Fa. MFT auch die koordinativen Leistungen der Schüler getestet. Die Testergebnisse wurden dann ausgewertet (Abweichungen wurden registriert und bewertet) und die Schüler mit den meisten Veränderungen zum Haltungsturnen, welches 1x wöchentlich während des Schuljahres stattgefunden hat, eingeladen. Ebenso wurden die diversen Übungen auch in den regulären Unterricht für Bewegung und Sport übernommen. Am Ende des Schuljahres wurden diese Kinder neuerlich untersucht und als Vergleichsgruppe eine gleich große Anzahl von Kindern willkürlich aus dem Rest der 1. Schulstufe nachuntersucht. Die Auswertung der vorliegenden Ergebnisse sollte nun Rückschluss darüber geben, inwieweit das Haltungsturnen erfolgreich war. Ergebnisse: Wie aus Voruntersuchungen bereits bekannt, sind Schmerzen in diesem Alter meist eher auf eine akute Verletzungen zurückzuführen und deswegen im Rahmen dieser Fragestellung nicht zu verwerten.
Schmerzen Es wurde zwar nach Schmerzen gefragt, jedoch konnte keinerlei chronische Schmerzsymptomatik festgestellt werden. Die Angaben betrafen meistens Verletzungen der letzten Tage, die im Rahmen des Sportes oder der Freizeit passiert waren. In diesem Sinne ist hier der Vergleich zwischen den Gruppen mit und ohne Haltungsturnen nicht sinnvoll. Es ergab sich hier auch kein signifikanter Unterschied. Skoliose Der nächste Punkt, der abgefragt wurde, war unter der Gruppe Skoliose, darunter Fehlstellungen wie Beinlängendifferenzen, Asymmetrien des Taillendreieckes, die Feststellung eines Lendenwulstes oder Rippenbuckels und auch die Quantifizierung dieser Parameter mit einem Skoliometer, wobei der Cut-Off für relevante Veränderungen bei 7 gelegt wurde. Spine Scan (Scoliometer, www.orthotechscan.com) Grundlage dieser Festlegung war eine größere Studie aus dem amerikanischen Raum, wobei dabei dieser Wert festgelegt wurde (Outcome of Spinal Screening by William P.Bunell, MD., Scoliosis research Society). Die Erfahrungen von Dr. Michlmayr in der Ordination unterstützen diesen Wert. Voraussetzend muss gesagt werden, dass natürlich im Rahmen eines Gruppenschulunterrichtes keine Skoliosetherapie gemacht werden kann, d.h. die Ergebnisse hier sind nur angeführt, sollten aber nicht zur Bewertung der Maßnahmen herangezogen werden. Auch muss ergänzt werden, dass die Altersgruppe, die hier untersucht wurde, einem sehr starken Wachstumseffekt unterliegt, der bei Skoliosen als negativ anzusehen ist. D.h. Kinder in den verschiedenen Gruppen, bei denen der Verdacht auf eine Skoliose bestand, waren durch die gesetzten Maßnahmen nicht gezielt zu behandeln. Dies kann und war nicht die Idee dieser Maßnahmen. Obwohl Sport gerade bei diesen Kindern durchaus als sinnvoll anzusehen ist. Umgekehrt steht bei Kindern die primär keine skoliosetypischen Veränderungen gezeigt haben, nicht zu erwarten, dass diese entsprechende Veränderungen entwickeln. Insofern sollten die Ergebnisse hier nur unter diesen Voraussetzungen gesehen werden.
Abb.1 Unterschiede zum Thema Skoliose im Vergleich Gruppe Haltungsturnen gegen Gesamtkollektiv Zusammenfassend ist hier kein signifikanter Unterschied aufgetreten. Haltung und Muskelfunktion Interessant sind jedoch die Auswertungen im Bereich der Haltung und der untersuchten Muskelfunktion. Im Bereich der Muskelfunktion wurden die wichtigsten Muskeln der unteren Extremität getestet. Die Haltung wurde auf Fehlhaltungen im Bereich des Kopfes, der Schultern, der Brust- und Lendenwirbelsäule hin untersucht. Beim Vergleich der Gruppe der Kinder, welche das Haltungsturnen besucht haben mit dem gesamtem Kollektiv (alle Kinder des 1. Jahrganges) finden sich folgende, sehr positiv zu verwertende Veränderungen. Die Kopfhaltung war verbessert, die BWS-Haltung war verbessert, die Verkürzungen im Bereich der ischiokuralen Muskulatur, des M. psoas major und des M. rectus femoris waren deutlich vermindert. Lediglich die LWS-Haltung ist schlechter geworden.
Abb.2: Vergleich der Haltungsparameter und muskulären Parameter der Gruppen mit Haltungsturnen gegen Gesamtkollektiv Zusammenfassend deutlich positive Effekte im Bereich Haltung und Muskelfunktion. Diskussion Unserer Meinung nach ist der wichtigste Befund der Vergleich der Gruppe der Kinder mit Therapie gegen den Ausgangswert. Hier konnten deutlich positive Effekte durch die Teilnahme am Haltungsturnen erzielt werden. Praktisch alle von uns als relevant angesehenen Parameter wurden positiv beeinflusst. Ein weiterer positiver Aspekt dieses Projektes war die Vereinheitlichung des Untersuchungsganges durch den Schularzt und die Betonung der wichtigen Parameter. Wir konnten eine Gruppe von Kindern ausfiltern, die deutliche Abnormitäten im Bereich des Bewegungsapparates gezeigt haben. Diese sind nicht unbedingt mit Schmerzen verbunden, allerdings tragen sie die Potenz in sich zukünftig durch das Fixieren der Fehlhaltungen sogenannte degenerative Veränderungen auszulösen und damit längerfristig Beschwerden zu verursachen. Hier kann ganz eindeutig gesagt werden, dass die meisten der untersuchten Parameter eine Besserung gezeigt haben. Für uns steht daher fest, dass der Einsatz einer gezielten Gymnastik im schulischen Bereich zur Verbesserung von durch typische Fehlbelastungen und einseitigen Belastungen ausgelösten Veränderungen sinnvoll ist. Insbesondere muss man den Kostenfaktor berücksichtigen, da hier eigentlich mit sehr geringen Kosten ein sehr guter Effekt erzielt werden kann.
Insgesamt kann man aufgrund der durchgeführten Untersuchung folgende positive Schlüsse ziehen. Es ist gelungen (aufgrund des standardisierten Untersuchungsbogens) den orthopädischen Teil einer schulärztlichen Untersuchung zu normieren und die Ergebnisse entsprechen internationalen Daten von der Häufigkeit von Veränderungen. Wichtig ist auch die Wertlegung auf andere Parameter, als sie bisher abgefragt wurden. Der klassische Knick-Senkfuß, der sehr häufig zur orthopädischen Zuweisung geführt hat (meistens ohne pathologische Bedeutung) oder Fehlstellungen des Knies sind damit relativiert worden. Wichtiger sind Veränderungen im Bereich der Muskulatur und der Haltung, welche auch mittels der normierten Untersuchung mit einem Skoliometer reproduzierbar geworden sind. Das Bewegungsprogramm hat positive Effekte gezeigt und kann damit sicherlich zur Besserung des körperlichen Zustandes beitragen.
Anhang 2/1 Untersuchungbogen zu dem Thema Haltung und Statik Schmerzen Untersuchungsbogen Name: Geburtsdatum:.. Klasse:. 1. Bestehen irgendwelche Schmerzen? Ja nein 2. Sind die Schmerzen belastungsabhängig? Ja nein Statik Ansicht posterior-anterior Schulterhochstand links rechts Taillendreieck asymmetrisch ja nein Beckenschiefstand/tiefer links rechts Knie varisch links rechts Knie valgisch links rechts Symmetrisch Asymmetrisch Fersenvalgus verstärkt links rechts Symmetrisch Asymmetrisch Vorbeugetest Rippenbuckel links rechts Lendenwulst links rechts Winkel nach Bunell (Maximaler Wert) Inspektion von der Seite / Haltung Kopf normal vorgeschoben Schulter normal vorgezogen Brustwirbelsäule Kyphose gestreckt normal kyphotisch Kyphose vermehrt Lendenwirbelsäule Lordose:.. abgeflacht normal hyperlordotisch Haltungstest nach Mathias/ Haltungsschwäche ja nein Koordination Einbeinstand erschwert links rechts
Anhang 2/2 Untersuchungsbogen zum Thema Muskulatur Untersuchungsbogen Name: Geburtsdatum:.. Klasse:. Muskelfunktion 1. Ischiocrurale Muskulatur links verkürzt Ja nein 2. Ischiocrurale Muskulatur rechts verkürzt Ja nein 3. Muskulus psoas major links verkürzt Ja nein 4. Muskulus psoas major rechts verkürzt Ja nein 5. Muskulus rectus femoris links verkürzt Ja nein 6. Muskulus rectus femoris rechts verkürzt Ja nein