Pathologisches Glücksspiel defizitäres Decision Making?

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Transkript:

Pathologisches Glücksspiel defizitäres Decision Making? Regina Prunnlechner-Neumann 2. Spielsuchttagung der Medizinischen Universität Wien 27.03. 28.03.2009 Bad Aussee

Spielen ist menschlich Spielen ist in jeder Lebensphase unentbehrlich. Fertigkeiten können trainiert, eine soziale Identität entwickelt, Wohlbefinden erreicht und Unbehagen ausgeglichen werden. Spielverhalten kann im Bereich des Glücksspiels eskalieren, entgleisen und sich prozesshaft zu einer schweren Störung entwickeln. Erstmalige Anerkennung als psychische Störung im DSM III 1980 als eine Form der Impulskontrollstörung. 1993 ICD 10 Störung der Impulskontrolle. Prävalenz 0,1 1,7 % (diagnostische Systeme, Komorbiditäten, etc.)

Kriterien des pathologischen (Glücks)Spielens nach ICD-10 und DSM-IV Hauptkriterien nach ICD-10 (F 63.0) Dauerndes, wiederholtes Glücksspielen Anhaltendes und oft noch gesteigertes Glücksspielen trotz negativer Konsequenzen Diagnostische Kriterien nach DSM-IV (312.31) Starkes (kognitives) Eingenommensein vom Glücksspielen Einsatzsteigerung zur Erlangung der gewünschten Erregung Gescheiterte Versuche zur Einschränkung oder Einstellung des Glücksspielens Unruhe/Gereiztheit bei Einschränkungs- und Einstellversuchen Glücksspielen zur Vermeidung von Problemen / negativen Gefühlen Den Verlusten durch erneutes Glücksspielen hinterher jagen Vertuschen der Glücksspielproblematik gegenüber nahen Bezugspersonen Illegale Handlungen zur Finanzierung des Glücksspielens Glücksspielbedingte Gefährdung / Verlust von Bezugspersonen oder Berufschancen Nutzung des Geldes anderer Personen zur Sanierung der finanziellen Misere

Heuristisches Rahmenmodell zur Entstehung und Aufrechterhaltung pathologischen Spielens (F.Müller-Spahn; J. Margraf 2003) Umweltfaktoren (Verfügbarkeit von Glücksspielen, Soziale Normen, sozioökonomische Lage) Individuelle Faktoren (Prädispositionen / Vulnerabilität) Auslösende Bedingungen (Belastungen, Stress, niedriger sozioökonomischer Status, beruflicher und privater Misserfolg, peer-group pressure und Modelllernen) positive Rückkoppelung= Teufelskreis des Suchtverhaltens Aufrechterhaltende Bedingungen (kognitive Verzerrungen, antisoziales Verhalten, veränderte soziale Normen, Psychopathologie, vermeidender Bewältigungsstil)

Individuelle Faktoren Prädispositionen / Vulnerabilität Genetik Neurobiologische Faktoren Modelllernen Persönlichkeit Bewältigungsstile Kognitive Variablen Impulsivität Kontrollillusion Aufmerksamkeitsdefizite Vermeidende und impulsive Fehlerhafte Spielbezogenes Arousal Bewältigungsstile Kausalattribution Alexithymie Geringere Intelligenz Persönlichkeitsstörung Geringer Selbstwert Unrealistische Gewinnerwartung Bindung an eine fixe Strategie

Neurobiologische Hypothesen zur Entstehung der Spielsucht Biologisches System Biologische Funktion Datenlage Genetische Disposition Erhöhte oder erniedrigte Vulnerabilität 50-60% der Spielsüchtigen verfügen über das D2A1-Allel des Dopamin-D2-Rezeptor Gens Aktivierung des körpereigenen Opioidsystems Dysfunktion des Serotonin- Systems Dysfunktion des Noradrenalinsystems Endogenes Belohnungssystem Wichtiger Neurotransmitter für Affektregulation und Impulskontrolle Wichtiger Neurotransmitter für Steuerung der Erregung, der Affekte und der Wachheit Zum Teil nachgewiesen Zum Teil nachgewiesen Zum Teil nachgewiesen Erniedrigte Aktivität des Monoaminoxidase Wichtiges Enzym für dem Abbau biogener Amine wie Serotonin, Noradrenalin, Dopamin Zum Teil nachgewiesen

NUCLEUS ACCUMBENS zentrale Einheit des Belohnungssystems erhält dopaminergen Input aus dem Mesenzephalon Aktivierung des Nucleus beim Spielen und bei Drogenkonsum (PG < gesunde Kontrollen) beim impulsiven Spielen ventrale Region (re < li) beim zwanghaft / habituellen die dorsale PRÄFRONTALER KORTEX hemmende Impulse zum ventralen Striatum der linke ventromediale präfrontale Kortex hat bei PG- Patienten reduzierte Aktivität gegenüber gesunden Kontrollen Potenza 2005

Verminderte Aktivierung des ventralen Striatums Reuter et al, Nature Neuroscience 2005

Indirekte Korrelation zwischen Aktivierung des ventromedialen Kortex und Schweregrad der Sucht

The Neural Basis of Loss Aversion in Decision Making Under Risk Sabrina M.Tom, Craig R.Fox, Christopher Trepel, Russell A.Poldrack Background: People typically exhibit greater sensitivity to losses than to equivalent gains when making decisions Methods: We investigated (fmri) neural correlates of loss aversion while individuals decided whether to accept or reject gambles that offered a 50/50 chance of gaining or losing money. Results: A broad set of areas (including midbrain dopaminergic regions and their targets) showed increasing activity as potential gains increased. Potential losses were represented by decreasing activity in several of these same gain-sensitive areas. Finally, individual differences in behavioral loss aversion were predicted by a measure of neural loss aversion in several regions, including the ventral striatum and prefrontal cortex. Sciene Vol 315 26 January 2007

Knowing When to Stop: The Brain Mechanisms of Chasing Losses I Daniel K. Campbell-Meiklejohn, Mark W.Woolrich, Richard E.Passingham, and Robert Dr.Rogers Background: Continued gambling to recover previous losses ( loss-chasing ) is cntral to pathological gambling. However, very little is known about the neural mechanisms that mediate this behavior Methods: We used funktional magnetic resonance imaging (fmri) to examine neural activity while healthy adult participants decided to chase losses or decided to quit gambling to prevent further losses.

Knowing When to Stop: The Brain Mechanisms of Chasing Losses II Results: Chasing losses was associated with increased activity in cortical areas linked to incentive-motivation and an expectation of reward. By contrast, quitting was associated with decreased activity in these areas but increased activity in areas associated with anxiety and conflict monitoring. Activity within the anterior cingulate cortex associated with the experience of chasing and then losing predicted decisions to stop chasing losses at the next opportunity. Conclusions: Excessive loss-chasing in pathological gambling might involve a failure to appropriately balance activity within neural systems coding conflicting motivational states. Similar mechanisms might underlie the loss-of-control over appetitive behaviors in other impulse control disorders.

more vulnerable (Bechara 2005) more resistant against addiction WILLPOWER BOTTOM-UP-INFLUENCE TOP DOWN CONTROL Amygdala! pleasant or adversive stimuli quick, automatic, obligatory affective/ emotional responses IMPULSIVE SYSTEM affective state patterns brainstem nuclei somatosensory cortices VMPC! REFLECTIVE SYSTEM poor decision making, abnormal social functioning

ANTOINE BECHARA 2005 1. Decision making is a complex process depending on systems for memory, emotion and feeling that should lead to a homeostasis 2. I suggest that addiction is the product of an imbalance between two separate, but interacting, neural systems that control decision making. 3. My hypothesis is that poor decision making in addiction is not the product of drug use or PG; rather, poor decision making is what leads to addiction.

Decision making and the brain the BG Reward System reward (gain) Basal ganglia (NA, STN) & Mesencephalon reward amount & prediction immediate reward system reward valence and magnitude computation of prediction error for gains

Decision making and the brain the Limbic Reward System Ventromedial And Orbitofrontal cortex Amygdala Hypothalamus & insula Integration of sensory stimuli Reward: -memory for values (reinforcers, punishers) -monitoring expectations and outcome -experience of regret -response selection control of emotions and impulsivity evaluation and memory of emotional stimuli ambiguity loss related predictions somatic markers, autonomic control

Decision making and the brain the Reasoning System Dorsolateral prefrontal Cortex & loop planning, executive control, monitoring, working memory, attention etc. act to obtain large future rewards Dorsomedial prefrontal Cortex (ACC) & loop action monitoring decision uncertainty conflict management, attention detection of unfavorable outcomes cost-benefit analysis cognitive control of emotions