5. Diskussion Die vorliegende Untersucher-initiierte Querschnittsstudie wurde von Mitarbeitern der Dermatologischen Klinik konzipiert und ohne finanzielle Unterstützung durchgeführt. Die Haupteinschränkung der Validität der vorliegenden Studie ist sicher das hohe Risiko eines möglichen Selektionseffektes durch die Musiker selbst (beispielsweise könnten mehr Personen mit Hautveränderungen geantwortet haben). Desweiteren beruhen die Informationen, die wir erhoben haben, auf eigenen Angaben und Erfahrungen der Musiker. Eine Überprüfung der Angaben, die wissenschaftliche Dokumentation der Hautirritationen oder die Anwendung von Allergietestungen durch ärztliches Personal konnten nicht eingesetzt werden. Das sind häufige Probleme, die bei Fragebogen-basierten Querschnittsstudien auftreten. Insgesamt wurden nur 412 (13,2%) der insgesamt 3120 Fragebögen zurück geschickt. Eine Kontrolle der Verteilung und Rückgabe der Fragebögen war unsererseits nicht möglich. Ungewiss bleibt also wie viele Fragebögen wirklich an die Musiker verteilt, ausgefüllte Fragebögen nicht ordnungsgemäß eingesammelt, oder unvollständig ausgefüllte nicht zurück gesandt wurden. Daher können die hier angegebenen Häufigkeiten nicht als repräsentativ für alle Musiker gewertet werden. Die Häufigkeit von Hauterkrankungen (z.b. atopische Dermatitis, Psoriasis) in der deutschen erwachsenen Allgemeinbevölkerung [49,64] gleicht in etwa den erhobenen Daten aus dieser Studie. Auch die Tatsache, dass die hier aufgeführten nicht Instrument-bedingten Hauterkrankungen zum Großteil vom Dermatologen diagnostiziert (68/82; 82,9%) wurden, lässt den Schluss zu dass die Daten in Bezug auf die Häufigkeit der nicht Instrument-bedingten Hautkrankheiten mit der Prävalenz der Allgemeinbevölkerung vergleichbar ist. 89 (21,6%) Musiker gaben an, eine Hauterkrankung durch das Spielen ihres 19
Instrumentes entwickelt zu haben. Davon wurden lediglich 16 (18%) durch einen Dermatologen diagnostiziert. So ist davon auszugehen, dass die restlichen 73 (82%) angegebenen Hauterkrankungen Diagnosen von Hausärzten oder Laienätiologien der Musiker darstellten. Auch die Angabe der leichten bis moderaten (25,8%) und der schwerwiegenden (2,2%) Verschlechterung der Instrument bedingten Hautkrankheit durch das Spielen sind subjektive Angaben der Musiker selbst und konnten nicht wissenschaftlich dokumentiert werden. Dennoch handelt es sich bei der vorliegenden Querschnittsstudie um eine der größten Erhebungen zum Thema Dermatosen bei Musikern. In einer sehr kleinen Studie mit 24 Orchester Spielern wurde gezeigt, dass Hautprobleme am häufigsten auf mechanische Irritation, wie z.b. das Anlegen der Violine am Hals, zurück zu führen waren [45]. Eine weitere Untersuchung mit 41 Orchestermusikern konnte dies bestätigen [35]. Auch in unserer Studie wurden Hornhautbildungen durch mechanische Belastungen bzw. Hautirritationen in der Gruppe der Streich/Zupfinstrumente und Blechblasinstrumente am häufigsten angegeben (42/52; 80,8%). Hornhaut- und Blasenbildung am Zeigefinger durch mechanische Beanspruchung wurde auch in einer Fallbeschreibung eines Harfen Spielers beschrieben [12]. Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei der Hornhautbildung in der Regel um eine von nahezu allen Musikern willkommene Hautveränderung an den Stellen, die häufigen irritierenden Kontakt zu bestimmten Bauteilen des Instrumentes haben. Insgesamt ist die Hornhautbildung in der vorliegenden Studie die am häufigsten genannte Hautveränderung (52/89; 58,4). Von den 412 an unserer Studie teilnehmenden Musikern wiesen 17 (4,1%) eine Kontaktdermatitis auf, davon 13 (11,2%) unter den 116 Violinisten und Violisten. Diese Musiker-Gruppe ist einem besonderen Risiko ausgesetzt, eine Kontaktdermatitis zu entwickeln, da sich oft nickelhaltige Elemente an den Instrumenten befinden und üblicherweise Kolophonium zum Wachsen der Saiten genutzt werden, was ein großes allergisierendes Potential aufweist. Kolophonium-Staub kann sowohl an den Fingern und Händen als auch im Gesicht und Hals allergische Dermatitiden bei Musikern verursachen. In vielen Fallbeschreibungen wurden allergische Kontaktdermatitiden auf unbehandeltes 20
Kolophonium, vor allem bei Streichern wie Violinisten und Cellisten, zurückgeführt [34,18]. Eine nachgewiesene Allergie gegen Kolophonium wurde in unserer Studie lediglich von 1 Musiker angegeben. Von den hier 17 beschriebenen Kontaktallergien wurden 13 (76,5%) von einem Dermatologen diagnostiziert. Unklar bleibt wie umfangreich die Epikutantests waren und ob mögliche Fehlerquellen oder falsch positive Ergebnisse mit einflossen. Das Ergebnis einer nachgewiesenen Nickelallergie liegt bei allen teilnehmenden Musikern bei 2,7% (11/412), das heißt unter der zu erwartenden Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung. Die geschätzte Prävalenz einer im Epikutantest nachgewiesenen Nickelsensibilisierung liegt laut Metaanalysen bei etwa 10% [50,51]. Es war ein höheres Auftreten der Nickelallergie zu erwarten, da die Musiker einem intensiveren Kontakt zwischen Instrument und Haut ausgesetzt sind. Andererseits handelt es sich wie bereits zuvor erwähnt um selbstberichtete Daten die wirkliche Sensibilisierungshäufigkeit wäre wahrscheinlich bei zusätzlicher Epikutantestung höher ausgefallen. Desweiteren kam in unserer Untersuchung heraus, dass 17 (14,7%) der 116 teilnehmenden Violinisten und Violisten einen Geigerfleck aufwiesen. Bei allen übrigen Teilnehmern aus anderen Instrumenten-Gruppen kamen ähnliche Hautveränderungen nicht vor. Daher ist davon auszugehen, dass diese Art der Hauterkrankung spezifisch für Violinisten und Violisten ist. In einer weiteren Untersuchung eines professionellen Orchesters wurde bei allen Violinisten und Violisten ein Geigerfleck beobachtet [45]. Allerdings waren bei der oben genannten Untersuchung [45] alle Teilnehmer professionelle Musiker. Demgegenüber war in unserer Studie auch ein großer Teil von halbprofessionellen und Amateur-Spielern mit einer wöchentlichen Spieldauer zwischen 7-21 Stunden (175/412; 42,5%) dabei. Die Analyse ergab erwartungsgemäß, dass das Auftreten einer Hauterkrankung signifikant mit einem professionellen Status (P=0,002) und einer hohen wöchentlichen Spieldauer (P<0,001) einher geht. Kritisch zu bemerken ist hierbei, dass die Musiker sich den Status eines professionellen Spielers selbst zuordneten. Auch erfolgten keine genauen Zeitmessungen inwieweit das Ausmaß der wöchentlichen Spieldauer zutraf. Bei der Angabe der Gesamtspielzeit in Jahren wurden eventuelle Spielpausen über Wochen, Monate oder sogar Jahre nicht berücksichtigt. 21
Der professionelle Status als Risikofaktor wurde auch in einer Studie mit 594 Musikstudenten nachgewiesen. Weitere signifikante Risikofaktoren für das Auftreten von Dermatosen bei Musikern waren das männliche Geschlecht, Alter > 20 Jahre, Gesamtspieldauer > 5 Jahre, wöchentliche Spieldauer > 10 Stunden und Schlaginstrumente [3]. In unseren Analysen konnte eine Signifikanz für das Geschlecht (P=0,78), dem Alter (P=0,37), des Musik-Genres (P=0,97) oder der Gesamtspieldauer (P=0,63) nicht nachgewiesen werden. Trotz der erheblichen Einschränkungen, die mit dem Studiendesign der vorliegenden Untersuchung verbunden waren, konnten in einer bundesweiten Erhebung mit einer relativen großen Studienpopulation interessante Informationen über das Auftreten von Instrument-bedingten Hauterkrankungen bei Musikern gesammelt und ausgewertet werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund eines Mangels an epidemiologischen Untersuchungen zu diesem Thema. Aus den oben dargestellten Untersuchungsergebnissen lassen sich hinsichtlich der Zielsetzung zusammenfassend folgende Schlussfolgerungen ziehen: Die häufigsten angegebenen Hautprobleme, die durch das Spielen eines Musikinstrumentes auftreten können, sind irritativer und/oder allergischer Natur. Insbesondere bei Saiteninstrumentalisten sind adaptive Verhornungen in stark beanspruchten Hautarealen (z.b. Fingerkuppen) zu beobachten, die aber in der Regel keine pathologische Bedeutung haben. Akute sowie chronische Hautentzündungen, wie z.b. Blasenbildung oder der Geigerfleck, können in sehr stark exponierten Arealen vorkommen. Bei entzündlichen Hautveränderungen, die auch über die eigentlichen Kontaktflächen mit dem Instrument hinausgehen, muss an ein allergisches Geschehen gedacht werden. Allergologische Untersuchungen sind beim Auftreten entzündlicher, insbesondere ekzematöser Hautveränderungen unerlässlich. In der Epikutantestung sollten möglichst auch Instrumentenspezifische Substanzen wie Holz- oder Metallteile getestet werden, um die Relevanz einer positiven Testreaktion zu bestätigen. Die häufigsten Musiker-relevanten Allergene scheinen Edelhölzer, Metalle (z.b. Nickel), Kolophonium, Propolis und Farbstoffbestandteile zu sein. Durch die beim Musizieren verstärkte Beanspruchung bestimmter Hautpartien kann es sekundär zu einer Verschlechterung von veranlagten entzündlichen Hauterkrankungen, wie der atopischen Dermatitis oder der Psoriasis, kommen. Außerdem kann eine 22
gestörte Hautbarriere in stark beanspruchten Hautregionen auch zum Auftreten von Infektionen wie HSV-1 oder Pyodermien führen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass im Zusammenhang mit dem Spielen eines Instrumentes Hautveränderungen auftreten können. Die Häufigkeit des Musizierens scheint dabei der wichtigste Faktor zu sein, der zur Entwicklung Instrumenteninduzierter Hautläsionen führen kann, wobei insbesondere Zupfund Streichinstrumentalisten betroffen sind. 23