A Unified Theory of Underreaction, Momentum Trading and Overreaction in Asset Markets Das Kapitel 14 aus Richard H. Thalers Advances in Behavioral Finance Volume II basiert auf der leicht überarbeiteten Fassung des gleichnamigen Artikels, welcher im Dezember 1999 im Journal of Finance veröffentlicht wurde. Die Forschung erhielt Unterstützung von der National Science Foundation und dem Finance Research Center am MIT. Autoren Harrison Hong: Jeremy C. Stein: -Professor of Economics and Finance, Princeton University, New Jersey -Director of American Finance Association -Redakteur beim Journal of Finance & Journal of Financial Intermediation -Professor of Economics, Harvard University, Cambridge -Mitherausgeber des Journal of Economic Perspectives -Präsident der American Finance Association -Dient der Obama-Administration als Senior Advisor des Finanzministers Gemeinsame Arbeiten 2008: Do Hedge-Funds Profit From Mutual-Fund Distress? 2005: The Only Game in Town: Stock-Price Consequences of Local Bias 2003: Simple Forecasts and Paradigm Shifts 2001: Social Interaction and Stock-Market Participation 1 Hintergrund Viele empirische Studien versuchen, künftige Renditen aufgrund von historischen Daten vorauszusagen. Traditionelle Modelle wie z.b. das CAPM haben Probleme bei der Unterscheidung zwischen kurzfristigem Momentum und langfristiger Korrektur (Reversal). Die Behavioral Finance distanziert sich von traditionellen Annahmen wie vollständige Effizienz der Märkte (EMH) und strikter Rationalität der Investoren (Hong und Stein, 1997: 1). 2 Zielsetzung und Vorgehensweise Ziel des Papers ist die Entwicklung eines vereinheitlichten Verhaltensmodells unter Berücksichtigung von neuen, verbesserten Kriterien der modernen Finance. Dabei sollen die Verhaltensmuster der Newswatcher und der Momentum Trader analysiert und die daraus resultierenden Preisentwicklungen erklärt werden. In einem zusätzlichen Schritt erweitern die Autoren das Modell mit weiteren Investorengruppen, den Contrarians und den Smart Money. 3 Begriffserklärung 3.1 Unterreaktion Trägheit der Markteilnehmer, alte Einschätzungen oder Verhaltensweisen nur unzureichend an neue (positive/negative) Informationen anzupassen. Dies hat zur Folge, dass der aktuelle Preis unter/über dem fundamental richtigen Wert zu liegen kommt. 3.2 Überreaktion Marktteilnehmer tendieren dazu, die jüngsten (positiven/negativen) Entwicklungen überzubewerten. Dies führt dazu, dass kurzfristige Preise über/unter dem fundamental richtigen Preis zu liegen kommen. Langfristig findet eine Korrektur statt. Peter-Paul Aerne, Markus Scherrer, Silvan Galletti, Robert Fehr 1
3.3 Momentum Ein Momentum ist die Richtung und Intensität eines Trends, welcher von Marktteilnehmern ausgenutzt werden kann, um kurzfristige Gewinne zu erzielen. 3.4 Newswatchers (NW) NW sind beschränkt rational agierende, risikoaverse Händler. Sie handeln aufgrund von privaten (Fundamental-) Informationen, jedoch unabhängig von Preisen der Vergangenheit und der Gegenwart. Zudem haben sie keinen endlichen Zeithorizont. 3.5 Momentum Traders (MT) MT sind kurzfristig orientierte, risikoneutrale Händler. Sie machen ihre Prognosen aufgrund der Analyse von historischen Preisen. Sie kümmern sich nicht um die fundamentalen Daten einer Unternehmung. Ihr einziges Ziel ist es, ein kurzfristiger Gewinn zu erwirtschaften. 4 Traditionelle Finance vs. Moderne Finance Die traditionelle Finance (z.b. EMH) geht davon aus, dass Investoren rational agieren, die Renditen nicht vorhersehbar sind und es somit nicht möglich ist, den Markt zu schlagen. Weiter sagt sie aus, dass Kurse Random Walks folgen und der Markt korrekt und umgehend auf neue Informationen reagiert. Im Gegensatz dazu steht die Behavioral Finance. Sie geht davon aus, dass die Investoren eingeschränkt rational agieren, die Renditen statistisch vorhersehbar sind und es somit möglich ist, den Markt zu schlagen. Weiter gibt es Unter- und Überreaktionen auf neue Informationen (Hens, 2003: 20ff.). 5 Das Modell 5.1 Voraussetzungen Um schlussendlich spezifische Aussagen über das Verhalten der Marktteilnehmer und über die Preisbildung zu machen, werden von den Autoren einige zusätzliche Restriktionen festgelegt. Die NW gehen davon aus, dass die risikobehafteten Anlagen auf dem Markt eine einmalige Liquidationsdividende D T zu einem späteren Zeitpunkt t auszahlen. Die Berechnung dieser Dividende erfolgt dabei mit folgender Formel: D T = D 0 + T j=0 j Zudem wird angenommen, dass sich neue, private Informationen langsam und schrittweise verbreiten. Dabei erfolgt die Teilung aller NW in z gleichgrosse Gruppen. Demzufolge kann die Information, welche zum Zeitpunkt t bekannt wird, als j+z-1 beschrieben werden. Dies führt dazu, dass durch die schrittweise Verbreitung alle NW durchschnittlich gleich informiert sind. Es entsteht somit eine Informationssymmetrie. Zur Vereinfachung des Modells fügen die Autoren beiden Investorengruppen die Eigenschaft CARA (Constant Absolute Risk Aversion) hinzu, eine gleichbleibende Risikoaversion. 5.2 Modellierung Entsteht ein Newsschock zum Zeitpunkt t, werden die NW aktiv und analysieren diese Neuigkeit. Aufgrund dieser schätzen sie ein, ob ein Einstieg sinnvoll wäre. Da die NW über einen unbefristeten Zeithorizont verfügen, treten sie mit der Einstellung in den Markt, die Anlage bis zur Liquidation zu halten. Der Preis der Anlage steigt nun aufgrund der Käufe der NW an, wobei durch die nur schrittweise verbreitenden Informationen eine Unterreaktion entsteht und der korrekte Preis somit nicht erreicht wird. Dieser Preisanstieg wird von einer ersten Generation von MT zum Zeitpunkt t+1 erkannt, wobei sie das Zeitintervall P t-1 P t-k-1 für die Preisvorhersage verwenden. Entscheidet sich diese erste Peter-Paul Aerne, Markus Scherrer, Silvan Galletti, Robert Fehr 2
Generation, den Trend zu nutzen, wird ihr Eintritt von den NW als uninformativer Angebotsschock wahrgenommen (Hong und Stein, 1997: 12). Die NW treten zudem als Market Maker auf, was die MT zu Preisnehmern macht. Durch die Transaktionen der ersten MT entscheidet sich auch eine zweite Generation MT einzusteigen. Die erste Generation schafft eine negative Externalität für die zweite, da zwingend eine Überreaktion entstehen wird. Langfristig jedoch neigen die Preise dazu, diese Überreaktion auszugleichen und zum korrekten Wert zurück zu finden. Diese Eigenschaft macht die MT, welche zu spät eingestiegen sind, zu Verlierern. Mit der Zeit wissen die NW jedoch, dass durch den ausgelösten Trend MT auftreten werden. Daher beginnen sie, aggressiver auf Nachrichten zu reagieren. Dieses Verhalten, welches frontrunning genannt wird, führt dazu, dass die Unterreaktion verkleinert wird. Eine vollkommene Eliminierung ist jedoch nicht möglich, da sich die Neuigkeiten nach wie vor nur langsam verbreiten. 5.3 Hauptaussagen Das Modell kann genutzt werden, um einige allgemeine Ergebnisse aufzuzeigen. Gemäss Hong und Stein entsteht aufgrund eines Newsschocks j+z-1 immer eine Unterreaktion wie auch eine Überreaktion. Wenn nun ein Investor als NW agiert und weiss, dass ein positiver Newsschock ansteht, dann ist für ihn ein sicherer Gewinn im Zeitintervall t+j möglich. Für die MT ist ein systematischer Gewinn dann möglich, wenn sie zu einem frühen Zeitpunkt des Momentums einsteigen und rechtzeitig wieder aussteigen. 6 Statistische Experimente bei MT Um auf die Eigenschaften des Modells vertieft einzugehen, wurden verschiedene statistische Experimente durchgeführt, welche die Impuls-Reaktionen bei den MT beobachten. Die erste statistische Analyse untersucht, inwiefern sich die Preise bei der jeweils gleichen Informationsstreuung z verhalten, wenn der Zeithorizont j der MT verändert wird. Einerseits führt eine Erweiterung von j dazu, dass gleichzeitig zu jedem Zeitpunkt mehr MT im Markt aktiv sind. Andererseits erkennen jedoch die MT, dass bei höherem j ein höheres Risiko besteht. Dies führt zu einem uneinheitlichen Ergebnis (Abbildung 1). Die zweite Analyse untersucht, wie sich die Veränderung der Risikotoleranz der MT auf das Preisequilibrium auswirkt. Je höher desto aggressiver reagieren die MT auf vergangene Preisänderungen und erhöhen dadurch die Preise als auch deren Höchstwerte. Dadurch entstehen Überreaktionen, welche später zu stärkeren Preiskorrekturen führen. Eine weitere Untersuchung hat zudem ergeben, dass bei einer langsameren Informationsausbreitung z unter den NW die Gewinnchancen für MT ansteigen und dadurch zu einer aggressiveren Dynamik führt. Im Gegenzug führt diese Dynamik auch in der Korrekturphase zu höheren Autokorrelationen und daher zu stärkeren Ausschlägen nach unten (Abbildung 2). Abbildung 1: Auswirkungen bei Veränderung j Abbildung 2: Auswirkungen bei Veränderung z Peter-Paul Aerne, Markus Scherrer, Silvan Galletti, Robert Fehr 3
7 Erweiterung: Contrarians Während die MT so lange wie möglich das Momentum ausnutzen, werden Contrarians (C) aktiv, um von der vorhandenen Überreaktion zu profitieren, indem sie gegen den Trend des Marktes setzen. Voraussetzung für die Implementierung einer Contrarian-Strategie (CS) ist jedoch, dass die Gewinnmöglichkeit mindestens jener der Momentum-Strategie (MS) entspricht. Im Modell werden CS integriert, indem die Risikotoleranz massiv erhöht wird. Dies führt zu tieferen erwarteten Gewinnen in der MS. Diese Umstände müssen gegeben sein, damit ein Teil der MT zu den C wechselt. Untenstehende Grafik zeigt auf, dass die C eine stabilisierende Wirkung für den Markt verursachen (Hong und Stein, 1997: 22ff.). Abbildung 1: Auswirkungen bei Veränderung j 8 Erweiterung: Smart Money Um zu prüfen, ob das Basismodell auch in Märkten mit vollständig rational handelnden Investoren anzuwenden ist, wird das Modell mit den Smart Money Trader erweitert. Diese verfügen über die Eigenschaft, dass sie einerseits News verarbeiten, andererseits aber auch gegenwärtige und vergangene Preise analysieren. Nebst grosser Erfahrung kennen sie die Marktmechanismen und beobachten die Märkte ständig auf allen Zeitebenen. Bei der Implementierung der Smart Money Trader wurde herausgefunden, dass bei einer unbegrenzten Risikotoleranz die Preise einem Random Walk folgen und es somit kein Momentum Trading gibt. Die Behauptung zeigt auf, dass risikoaverse, rational agierende Arbitragehändler wohl die erzeugten Effekte von nicht rationalen Investoren verkleinern, nicht aber eliminieren (Hong und Stein, 1997: 26ff.). 9 Würdigung und Kritik In diesem Modell wird übersichtlich und auf einfache Art und Weise das Zusammenspiel zwischen den NW und MT aufgezeigt. Die Autoren haben die gegenseitigen Auswirkungen genau untersucht und zeigen auf, dass systematische Gewinne bei NW und MT der 1. Generation möglich sind. Raum für Kritik bietet jedoch die Tatsache, dass das Modell sehr stark auf Annahmen beruht. Auch wird nicht erläutert, wie sich die Situation bei mehreren aufeinanderfolgenden Newsshocks innert kürzester Zeit präsentieren würde. In der Realität ist es zudem sehr schwierig abzuschätzen, wie schnell sich private Informationen verbreiten. Peter-Paul Aerne, Markus Scherrer, Silvan Galletti, Robert Fehr 4
Literaturverzeichnis Barberis, N., Thaler, R. H., (2005). Advances in Behavioral Finance Vol. 2, New Jersey: Princeton University Press EDHEC-Risk (2009).EDHEC-Risk Institute PhD in Finance - Programme Faculty Biographies. 2009. URL: http://www.edhec-risk.com/aieducation/phd_finance/faculty_bios [27.11.2009] Harvard Economics (2009). Jeremy C. Stein. September 2009. URL: http://www.economics.harvard.edu/faculty/stein/cv/stein-bio.pdf [27.11.2009] Hens, T. (2003). Standortbestimmung der Finanzmärkte aus Sicht der Finanzmarktforschung. 20. März 2003. URL: http://www.behavioralfinance.ch/domains/behavioralfinance_ch/data Catalog/101008/Sarasin.pdf [26.11.2009] Hong H., Stein J. (1997), A Unified Theory of Underreaction, Momentum Trading and Overreaction in Asset Markets, Journal of Finance. Dezember 1999. The National Bureau of Economic Research (2009). NBER Publications by Harrison Hong. 2009. URL: http://www.nber.org/authors/harrison_hong [26.11.2009] Peter-Paul Aerne, Markus Scherrer, Silvan Galletti, Robert Fehr 5