Vortrag. von Ministerialrat Dirk Schüller (BMBF) zum Thema. Vorstellungen und Erwartungen des Bundes zur Neuregelung des Befristungsrechts

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1. WANN DARF EIN ARBEITNEHMER BEFRISTET EINGESTELLT WERDEN?

Transkript:

Vortrag von Ministerialrat Dirk Schüller (BMBF) zum Thema Vorstellungen und Erwartungen des Bundes zur Neuregelung des Befristungsrechts im Rahmen der Tagung des Arbeitskreises Fortbildung der Universitätskanzlerinnen und -kanzler zum neuen Tarifrecht und Befristungsrecht am 6. Juni 2007 in Frankfurt Sehr geehrte Frau Dr. Frost, sehr geehrter Herr Dr. Herrmann, sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen heute eine Geschichte erzählen, von der ich nicht weiß, ob sie ein happy end haben wird. Ich hoffe es natürlich. Aber entscheiden werden Sie es. Die Rede ist von der Geschichte des Befristungsrechts. Mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz hat der Bundesgesetzgeber gerade ein neues Kapitel eröffnet. Die Fortschreibung dieses Kapitel liegt nun in Ihren Händen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre hoffe ich sehr, dass das neue Recht genutzt wird, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Anschluss an ihre Qualifizierungsphase bessere Beschäftigungsperspektiven zu eröffnen, als das in der Vergangenheit möglich war.

2 Ich danke dem Sprecherkreis der Kanzlerinnen und -kanzler sehr für die Ausrichtung dieser Tagung und für die Gelegenheit, das neue Recht vorstellen und Fragen zu seiner Anwendung beantworten zu können. Das Interesse an dieser Veranstaltung ist wie ich gehört habe so groß, dass sie im Juli sogar noch einmal wiederholt werden wird. Ich werte dies als positives Zeichen und als Hinweis darauf, dass das WissZeitVG in den Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf eine deutlich positivere Resonanz stößt als es das Teilzeit- und Befristungsgesetz 2002 getan hat. Ich möchte meinen Vortrag gerne in drei Teile gliedern: Zunächst möchte ich die Geschichte des Befristungsrechts noch einmal kurz in Erinnerung rufen, daran anschließend Vorstellungen und Erwartungen des Bundes zur Neuregelung des Befristungsrechts darlegen und im dritten Teil zu einzelnen Fragen Hinweise geben. Es handelt sich dabei um Fragestellungen, die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes an das BMBF herangetragen wurden und von denen ich annehme, dass sie auch in Ihre Arbeit eine Rolle spielen werden. 1. Die Geschichte des Befristungsrechts Bis 1985 wurden befristete Arbeitsverträge auf der Basis der Sonderregelung 2y des BAT abgeschlossen. Die danach zulässigen 5 Jahre waren bei dem Sachgrund Qualifizierung mit der Promotion vielfach schon ausgeschöpft. Für eine anschließende Postdoc-Zeit blieb dann kein Raum mehr. Der Gesetzgeber hat dies 1985 mit der ersten Zeitvertragsregelung im HRG dahingehend geändert, dass nunmehr 5 Jahre nach der Promotion zulässig waren. Auch diese Regelung wurde in der Folgezeit als nicht hinreichend kritisiert. Zahlreiche Drittmittelprojekte hätten eine längere Laufzeit als 5 Jahre und daher sei eine Verlängerung der Befristungsmöglichkeiten für Postdocs auf 6, 7 oder 8 Jahre erforderlich.

3 Auch diesem Wunsch hat sich der Gesetzgeber letztendlich nicht verschlossen und im Jahr 2002 den Befristungsrahmen von 12 Jahren, in der Medizin von 15 Jahren für die Qualifizierungsphase geschaffen und diese Regelung zur Erleichterung der Praxis als sachgrundlose Befristung ausgestaltet. Wer allerdings wie auch ich - geglaubt hat, damit würde die Kritik an den Zeitvertragsregelungen verstummen, wurde schon bald nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eines besseren belehrt. Dabei ging es allerdings nicht um die Qualifizierungsphase, vielmehr um die Zeit danach. Nach dem Recht von 1985 sollte eine Postdoc-Tätigkeit zwar auf 5 Jahre begrenzt sein. Diese Frist lief aber nach einem Wechsel des Arbeitgebers jeweils neu und ließ so auch längerfristige Beschäftigungen in Drittmittelprojekten zu. Der Bundesgesetzgeber ging damals davon aus, dass derartige Beschäftigungen ü- ber die Qualifizierungsphase hinaus auch weiterhin möglich blieben, und zwar aufgrund des 2002 ebenfalls neu geschaffenen TzBfG. Es war aber sehr schnell zu erkennen, dass dieses Gesetz zumindest von den Hochschulen für die betreffende Personengruppe nur sehr zögerlich oder überhaupt nicht angewandt wurde. Soweit ich das sehe, lag das vor allem daran, dass man befürchtete, nach bereits 12 Jahren befristeter Beschäftigung bei weiteren Befristungen vor den Arbeitsgerichten zu scheitern. Da arbeitsrechtliche Rechtsprechung zu den beiden neuen Gesetzen damals noch nicht vorlag, hat der Gesetzgeber umgehend eine Übergangsregelung geschaffen, die es ermöglichte, die betreffenden Wissenschaftler bis zur Klärung der Problematik weiter zu beschäftigen. Der Wissenschaftsrat hat sich dann auf die Suche nach einer dauerhaften Lösung gemacht. Dies geschah unter Beteiligung hochrangiger Experten wie des Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichtes. Im Ergebnis schlug der Wissenschaftsrat 2004 auch mit Unterstützung des BMBF - folgendes Modell vor: unbefristete Beschäftigung mit der Möglichkeit der betriebsbedingten Kündigung bei Wegfall von Drittmitteln.

4 Voraussetzungen hierfür waren eine Änderung des Kündigungsschutzgesetzes sowie die Aufhebung des Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen im BAT. Beides hat sich in der Folgezeit als nicht durchsetzbar erwiesen. Damit ging die Suche nach einer tragfähigen Lösung von neuem los, diesmal aber im Bereich der befristeten Beschäftigung. Das Ergebnis der Suche liegt Ihnen nunmehr vor. Es ist das neue Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Es ist in enger Abstimmung mit der Wissenschaft erarbeitet worden. Allen, die uns dabei unterstützt habe, darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal ganz herzlich danken. Das gilt in ganz besonderer Weise Frau Dr. Frost, die uns auch in Bonn immer wieder mit Ihrem Rat zur Verfügung gestanden hat. 2. Vorstellungen und Erwartungen des Bundes zur Neuregelung des Befristungsrechts Ich komme damit zum zweiten Teil meines Vortrags, den Vorstellungen und Erwartungen des Bundes zur Neuregelung des Befristungsrechts. Ausgangspunkt der Überlegungen war das zu lösende Kernproblem: Am Ende ihrer Qualifizierungsphase haben viele Nachwuchswissenschaftler weder eine Professur noch eine anderweitige Daueranstellung in der Wissenschaft erreicht. Für berufliche Alternativen außerhalb der Wissenschaft ist es meist schon zu spät. Drittmittel für eine Weiterbeschäftigung stehen vielfach zur Verfügung und wurden teilweise sogar von den Nachwuchswissenschaftlern selbst eingeworben. Ihre Qualifikation und ihre Arbeitsmotivation sind hoch. Die Institutsleiter wollen sie weiter beschäftigen. Dennoch kam es vielfach nicht zum Vertragsabschluß. Es ist müßig, darüber zu streiten, ob das TzBfG eine arbeitsgerichtsfeste rechtliche Grundlage bietet oder nicht. Tatsache ist, dass viele Personalverantwortliche vor dem Risiko einer Entfristungsklage zurückgeschreckt sind. Aus der Sicht der betroffenen Wissenschaftler blieben dann nur die Alternativen: Arbeitslosigkeit oder Ausland.

5 Aufgabe der gesetzlichen Neuregelung war es daher, jungen Forscherinnen und Forschern bessere berufliche Perspektiven in Deutschland zu eröffnen, und zwar insbesondere in der Zeit nach der Qualifikationsphase. Die Planbarkeit einer Karriere in der deutschen Wissenschaft muss verbessert werden. Dazu zählt der tenure track für Juniorprofessoren ebenso wie verbesserte Beschäftigungsmöglichkeiten in Drittmittelprojekten. Das bisher bestehende hohe Maß an Unsicherheit bei einer wissenschaftlichen Karriere in Deutschland schadet auch der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes bei der Anwerbung hochqualifizierter Nachwuchskräfte aus dem Ausland. Bisher wurde der weit überwiegende Teil der Personalmittel in Drittmittelprojekten für die Beschäftigung von Personal in der Qualifizierungsphase eingesetzt. Verträge für die Zeit danach wurden aus den geschilderten arbeitsrechtlichen Gründen nicht angeboten. Dies führt viel zu viele junge Menschen in eine berufliche Sackgasse. Ein weiteres Ziel der gesetzlichen Neuregelung ist es daher, durch die Nutzung des neuen Drittmittelbefristungstatbestandes eine ausgewogenere Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten in und nach der Qualifizierungsphase zu ermöglichen und zu erreichen. In Zukunft soll es heißen: Projektkarriere statt Arbeitslosigkeit oder Ausland. Unbestritten bleibt natürlich, dass die höchste Attraktivität von tenure-positionen ausgeht. Insofern wäre es eine gravierende Fehlentwicklung, wenn bisherige Dauerstellen wegen der verbesserten Möglichkeiten der Befristung in befristete Positionen umgewandelt würden. Im Gegenteil sollte auch im Hochschulbereich geprüft werden, ob nicht zumindest bei größeren Forschungszentren ein Teil der Drittmittel für unbefristete Anstellungen genutzt werden kann. Die außeruniversitären Forschungseinrichtungen besitzen entsprechende haushaltsrechtliche Ermächtigungen und praktizieren dies schon seit langem. Um die genannten Ziele zu erreichen, wird in dem neuen Gesetz eine ausdrückliche Regelung für die befristete Beschäftigung in Drittmittelprojekten geschaffen. Sie soll

6 die nötige Rechtssicherheit für Hochschulen, Forschungsinstitute und ihre Mitarbeiter bieten. Damit Projektteams unter einheitlichen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen arbeiten können, gilt der neue Befristungsgrund auch für das nichtwissenschaftliche Personal. Die bisherigen Regelungen für die Qualifizierungsphase wurden aus dem Hochschulrahmengesetz in das neue Gesetz überführt. Sie haben sich in der Praxis bewährt. Schließlich wurde eine weitere familienfreundliche Komponente eingeführt. Sie soll den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, Familie und Beruf leichter als bisher miteinander zu vereinbaren, und zwar in den Fällen, in denen die bisher schon bestehenden Verlängerungsmöglichkeiten nicht greifen, weil sie entweder eine Beurlaubung oder eine Arbeitszeitreduzierung voraussetzen. 3. Fragen und Antworten zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz Damit komme ich zum dritten Teil, den Fragen und Antworten zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Den vorbereitenden Unterlagen habe ich entnommen, dass in den folgenden Vorträgen auch zur Frage der Anwendung des WissZeitVG auf die Exzellenzinitiative, den Hochschulpakt und Studiengebühren referiert werden wird. Ich spare diese Bereiche daher wie viele andere Fragen auch hier aus. Ich stehe aber in der anschließenden Diskussion für alle Ihre Fragen gern zur Verfügung. 3.1 Familienpolitische Komponente Die meisten Fragen haben uns zur familienpolitischen Komponente erreicht. Deshalb hier in knapper Form die wichtigsten Antworten, die wir hierzu gegeben haben: Von der Regelung werden nicht nur leibliche und adoptierte Kinder, sondern alle Kinder erfasst. Das Gesetz stellt nur auf die faktische Betreuung von Kindern ab. Die ist bei gemeinsamem Hausstand regelmäßig anzunehmen, auch wenn es sich um Kinder des Lebenspartners und nicht um leibliche, adoptierte oder Pflegekinder handelt.

7 Die Kinderbetreuung muss während der Zeit der Qualifizierungsphase erfolgt sein. Dieser Zeitraum umfasst auch die Zeit einer Vertragsverlängerung nach 2 Abs. 5. Beginnt die Betreuung eines zweiten oder eines weiteren Kindes in der Verlängerungsphase nach 2 Abs. 1 Satz 3, löst auch dies eine weitere Verlängerung des Befristungsrahmens aus. Die Qualifizierungsphase ist insofern durch die Betreuung des ersten Kindes verlängert. Das Gesetz macht keine Vorgaben zur konkreten Dauer oder Intensität der Betreuung, die erforderlich sind, um eine volle Verlängerung von zwei Jahren zu rechtfertigen. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung sollte der Zusammenhang zwischen der zeitlichen Belastung durch die Kinderbetreuung und der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses allerdings angemessen sein. Wenn die Kinderbetreuung beispielsweise nur während eines Monats erfolgt ist, wäre eine Verlängerung um volle zwei Jahre unangemessen. Der Gesetzgeber hat den Beteiligten soviel Freiheit wie möglich eingeräumt. Er geht davon aus, dass mit den Möglichkeiten des Gesetzes verantwortungsvoll umgegangen wird. 3.2 Drittmittelprojekte Zahlreiche Fragen wurden natürlich auch zu der neuen Drittmittelbefristung gestellt. Vielfach wird gefragt, wie oft eine Mehrfach-Befristung in den Drittmittelfällen erfolgen kann und ob weiterhin die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu beachten ist, nach der mit zunehmender Dauer die Anforderungen an den Befristungsgrund steigen. Zunächst einmal enthält das Wissenschaftszeitvertragsgesetz keine Obergrenze für die Gesamtdauer einer Beschäftigung auf Basis befristeter Arbeitsverträge in Drittmittelprojekten. Das BAG hat immer wieder die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer hervorgehoben. Dabei hat es jedoch folgende wesentliche Differenzierung vorgenommen:

8 Die Anforderungen an die Prognose über den künftigen Wegfall des Beschäftigungsbedarfs steigen, wenn der Arbeitsvertrag aus demselben Sachgrund, immer wieder verlängert wurde. Beispiel: mehrfach verlängerte Mitwirkung in ein- und demselben Forschungsvorhaben, das aus Haushaltsmitteln finanziert wird. Um einen derartigen Fall handelt es sich jedoch nicht bei einer Befristung in einem mit Drittmitteln finanzierten Forschungsprojekt. Hier bezieht sich die Prognose nur auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in dem konkret bewilligten Projekt. Der Umstand, dass der Arbeitgeber beabsichtigt, das Vorhaben im Falle einer Anschlussförderung fortzuführen, ist unschädlich. Zu klären ist daher nur, ob der Arbeitgeber bereits bei Vertragsschluss von einer Anschlussförderung fest ausgehen konnte. Ist die Anschlussförderung wie im Regelfall von einer neuen Antragstellung und Bewilligung durch den Drittmittelgeber abhängig, begründet die Anschlussförderung ein neues Projekt und einen neuen, eigenständigen Sachgrund für eine befristete Beschäftigung. Ob bei Vertragsabschluss Anhaltspunkte für die Annahme bestanden, dass der Wissenschaftler nach dem Ende des Projektes bzw. des Förderzeitraumes in anderen Projekten eingesetzt werden könnte, ist nicht von Bedeutung. Ist die Drittmittelfinanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt, steht per gesetzlicher Vermutung fest, dass sich Arbeitgeber und Drittmittelgeber mit den Verhältnissen des konkreten Arbeitsplatzes und der dort zu erledigenden Aufgabe befasst haben. Auf Stellenpläne kommt es daher nicht an. Auf einzelne Fallgestaltungen der Praxis angewandt bedeutet dies, dass eine befristete Beschäftigung auch in folgenden Fallkonstellationen unproblematisch ist: - gegenseitige Deckungsfähigkeit von Sach-, Personal- und Investitionsmitteln wie bei DFG-Vorhaben: Dort können bis zu 30% der einzelnen Ansätze bei Einsparung an anderer Stelle ohne Zustimmung der DFG überschritten werden.

9 - pauschale Bewilligung von Personalmitteln ohne Stellenplan - pauschale Gesamtbewilligung ohne Unterscheidung zwischen Sach-, Personal- und Investitionsmitteln. Entscheidend ist, dass die Bewilligung der Drittmittelfinanzierung für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer erfolgt und dass der Mitarbeiter überwiegend mit dieser bestimmten Aufgabe betraut ist und überwiegend aus den für diese Aufgabe bewilligten Drittmitteln bezahlt wird. Noch ein Hinweis zum Thema Nichtwissenschaftler: Die neue Drittmittelbefristungregelung erfasst das nichtwissenschaftliche Unterstützungspersonal, das in wissenschaftlichen und künstlerischen Projekten benötigt wird, nicht dagegen Personal, das außerhalb wissenschaftlicher Projekte mit rein administrativen Aufgaben betraut ist. Wird beispielsweise im Rahmen einer Projektförderung in der zentralen Hochschulverwaltung eine Servicestelle für die Betreuung von Spitzenwissenschaftler neu eingerichtet und erprobt, liegt kein wissenschaftliches Projekt vor. Als Befristungsgrundlage ist in diesen Fällen 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG heranzuziehen. 3.3 Drittmittelprojekte in der Lehre Zu den mit Drittmitteln geförderten Projekten in der Lehre wurde gefragt, ob die Rechtsprechung des BAG hierzu noch aktuell ist. Das BAG hatte zu dem bis 2002 geltenden Recht die Auffassung vertreten, wegen eines Zusammenhangs mit 25 HRG, der allgemeinen Regelung über Drittmittelforschung an Hochschulen, sei eine Drittmittelbefristung nach 57b HRG nicht auf Drittmittelprojekte in der Lehre anwendbar. Seit dem Inkrafttreten des WissZeitVG besteht ein solcher Zusammenhang jedoch nicht mehr. Der Gesetzeswortlaut sieht keine Beschränkung auf Forschungsprojekte vor. Auch in den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise auf einen derartigen Willen des Gesetzgebers.

10 Auch wenn Drittmittelprojekte in der Forschung der weitaus häufigste Anwendungsfall sein werden, ist hieraus nicht zu schließen, dass Projekte in anderen Bereichen ausgeschlossen sind. So ist neben dem wissenschaftlichen auch das künstlerische Personal der Hochschulen ausdrücklich in den Anwendungsbereich der Regelung einbezogen. Alle Fragen, die uns gestellt und von uns beantwortet werden, bereiten wir auf für eine Fortschreibung der Rubrik Häufig gestellte Fragen auf der BMBF-Homepage, um die von uns gegebenen Hinweise auch allgemein zugänglich zu machen. Zögern Sie nicht, uns Ihre Fragen zu schicken. Wir bemühen uns um eine rasche Beantwortung. Schlussbemerkungen Die letzte Frage möchte ich mir nun selbst stellen: Haben wir jetzt alle Probleme gelöst? Erfreulicherweise ist zu vermerken, dass die Neuregelung offenbar positiv aufgenommen worden ist und bisher nicht zu Protesten wie im Jahr 2002 geführt hat. Dennoch sehe ich durchaus noch einige Risiken: Eine Befristungsmöglichkeit ist noch kein befristeter Vertrag. Erst wenn das Gesetz im Sinne der von mir geschilderten Erwartungen des Gesetzgebers angewandt wird, ist ein wirklicher Schritt in Richtung Problemlösung getan. Auf die Gefahr eines Abbaus von Dauerstellen hatte ich bereits hingewiesen. Auch könnte die Möglichkeit der Drittmittelbefristung dazu benutzt werden, die Promotionsphase wieder über 6 Jahre hinaus auszudehnen oder die Verlängerungsregelungen beispielsweise bei Elternzeit in der Qualifizierungsphase zu umgehen. Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, den neuen Drittmitteltatbestand an die Voraussetzung zu knüpfen, dass die 12-Jahresfrist bereits komplett abgelaufen ist. Er wollte damit eine Erleichterung für die Praxis schaffen, damit gegen Ende der Qualifizierungsphase nicht neue

11 Drittmittelverträge mit unterschiedlicher Befristungsgrundlage abgeschlossen werden müssen. Es besteht kein Zweifel: Der Gesetzgeber will unverändert keine Promotionszeiten von mehr als 6 Jahren. An der hiesigen Universität gibt es meines Wissens einen gleich lautenden Beschluss. Das ist eindeutig zu begrüßen. Die Bundesregierung wird im Rahmen der geplanten Evaluation genau prüfen, wie sich die Praxis entwickelt. Wenn sich hierbei Anhaltspunkte ergeben sollten, dass die mit dem neuen Recht eröffneten Handlungsspielräume nicht angemessen genutzt werden, wird die Bundesregierung hierauf reagieren müssen. Der Gesetzgeber hat den Beteiligten aber soviel Freiheit wie möglich eingeräumt, weil er darauf vertraut, dass mit den Möglichkeiten des Gesetzes verantwortungsvoll umgegangen werden wird. In diesem Sinne liegt es jetzt in Ihren Händen, ob die Geschichte ein happy end haben wird.