Strafvollzug in Österreich. Autorenverzeichnis S. 03 Vorwort S. 04

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Transkript:

Inhaltsverzeichnis Strafvollzug in Österreich Autorenverzeichnis S. 03 Vorwort S. 04 1. Rechtsgrundlagen S. 05 1.1. Strafvollzug, Bundesverfassung und relevante internationale S. 05 Rechtsquellen (Timm) 1.2. Systematik des StVG, Vollzugsbestimmungen in JGG und StPO (Timm) S. 07 1.3. Zwecke des Strafvollzuges (Gratz) S. 10 1.4. Formen des Strafvollzuges (Timm) S. 12 1.5. Vollzug der Untersuchungshaft ( 183 ff StPO) (Timm) S. 13 1.6. Jugendvollzug ( 51 ff JGG) (Timm) S. 14 1.7. Maßnahmenvollzug ( 157 ff StVG) (Timm) S. 16 1.8. Vollzugsordnung (VZO) (Timm) S. 19 2. Grundinformationen zur Vollzugspraxis S. 22 2.1. Beschreibung der Justizanstalten (Gratz) S. 22 2.2. Kosten (Gratz) S. 23 2.3 Mitarbeiter des Strafvollzuges (Gratz) S. 23 2.4. Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter (Doleschell, Gratz) S. 25 2.5. Insassenpopulationen (Gratz) S. 27 2.6. Justizanstalten als totale Institutionen (Gratz) S. 28 2.7. Justizanstalten als Dienstleistungsbetriebe (Gratz) S. 34 2.8. Die Flexibilisierungs-Klausel (Adam, Mörwald) S. 38 2.9. Justizanstalten als Teil eines komplexen Leistungs- S. 40 und Entscheidungssystems (Timm) 2.10. Die Organisation und das Management von Justizanstalten (Gratz) S. 46 2.11. Integrierte Vollzugsverwaltung IVV (Kriebaum) S. 48-1 -

3. Haftbedingungen und Rechtsstellung der Insassen S. 50 3.1. Tagesabläufe von verschiedenen Insassengruppen (Huber) S. 50 3.2. Rechte und Pflichten, Vergünstigungen (Timm) S. 54 3.3. Besondere Sicherheitsmaßnahmen, Unmittelbarer Zwang und Waffengebrauch, Zwangsernährung, -behandlung und -untersuchung, besondere Exekutivbefugnisse (Timm) S. 56 3.4. Ordnungswidrigkeiten, Ordnungsstrafen und Ordnungsstrafverfahren (Timm) S. 59 3.5. Ansuchen und Beschwerdewesen ( 119 ff StVG) (Timm) S. 63 3.6. Klassifizierung, Vollzugs-/Behandlungsplan (Timm) S. 66 3.7. Arbeit und Berufsausbildung, Sozialversicherung (Huber) S. 67 3.8. Ärztliche Betreuung (Gratz) S. 71 3.9. Psychologische Betreuung (Minkendorfer) S. 73 3.10. Sozialarbeiterische Betreuung (Lehner) S. 74 3.11. Seelsorgerische Betreuung (Kuhn) S. 76 3.12. Maßnahmen gegen den illegalen Drogenkonsum (Kahl) S. 77 3.13. Sexualstraftäter Maßnahmenpaket zur Rückfallprävention (Eher) S. 79 3.14. Group Counselling (Strak) S. 82 3.15. Selbstmord und Selbstbeschädigung (Fuchs) S. 83 3.16. Kontakte zur Außenwelt und Vollzugslockerungen (Huber) S. 84 3.17. Entlassungsvollzug, bedingte Entlassung, Begnadigung, Amnestie, Entlassung (Timm) S. 90 4. Zusammenfassende Einschätzung des österreichischen Strafvollzuges (Gratz) S. 95 Anhang: Literaturverzeichnis S. 99 Musterorganigramm S.100 Soweit in diesem Skriptum personenbezogene Bezeichnungen verwendet werden, beziehen sich diese auf Frauen und Männer gleichermaßen. Bei der Anwendung auf bestimmte Personen sind sie in der jeweils geschlechtsspezifischen Form zu verwenden. - 2 -

Autorenverzeichnis Adam, Josef, Leiter der Justizanstalt Leoben Doleschell, Herbert, Leiter der Justizwachschule, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Strafvollzugsbediensteten Eher, Dr. Reinhard, Leiter der Zentralen Dokumentations- und Koordinationsstelle für Sexualstraftäter Fuchs, Dr. Stefan, Leiter der Justizanstalt Innsbruck Gratz, Dr. Wolfgang, Leiter des Fortbildungszentrums Strafvollzug Huber, Erich, Stellvertreter des Leiters der Justizanstalt St. Pölten Kahl, Walter, DSA, Referent im Bundesministerium für Justiz, Abteilung V1 Kriebaum, Walter, Leiter des Direktionsbüros der Justizanstalt Wien-Simmering Kuhn, Dr. Christian, Leiter der katholischen Seelsorge in der JA Wien-Josefstadt, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Gefangenenseelsorge Lehner, Johanna, DSA, Sozialarbeiterin in der Justizanstalt Wien-Favoriten, Sprecherin der Interessensgemeinschaft der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an Justizanstalten Minkendorfer, Dr. Norbert, Leiter der Justizanstalt Mittersteig, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Strafvollzugsbediensteten Mörwald, Günter, Leiter der Justizanstalt St. Pölten Strak, Dr. Norbert, Leiter des Group Counsellings im österreichischen Straf- und Maßnahmenvollzug Timm, Mag. Christian, Leiter der Justizanstalt Wien-Simmering - 3 -

Vorwort Nach Übertragung der erstinstanzlichen dienstbehördlichen Zuständigkeiten hinsichtlich der Bediensteten der Justizanstalten auf die Präsidenten der Oberlandesgerichte mit 1. Jänner 2002 und damit verbundenen Änderungen im PVG lag es letztendlich nahe, Ausbildungsmöglichkeiten für Rechtspraktikanten an Justizanstalten anzudenken. Mit der Novelle zum Rechtspraktikantengesetz, BGBl. I Nr. 136/2002, wurde diese Möglichkeit verwirklicht, um die Kenntnisse der später in Rechtsberufen, vor allem der Anwaltschaft, tätigen Rechtspraktikanten über den Strafvollzug zu vertiefen und für die Justiz die Möglichkeit zu schaffen, unter den Rechtspraktikanten Interesse an juristischer Tätigkeit in Justizanstalten zu wecken. Das vorliegende Skriptum wurde von einem Autorenteam unter der federführenden Leitung von Hofrat Prof. Dr. Wolfgang Gratz, Leiter des Fortbildungszentrums Strafvollzug, und Mag. Christian Timm, Leiter der Justizanstalt Wien-Simmering, erstellt und in seiner Entstehung von den zuständigen Abteilungen des Bundesministeriums für Justiz fachkundig begleitet. Ausdrücklicher Dank ergeht in diesem Zusammenhang auch an Dr. Erwin Weiler für das konzentrierte Korrekturlesen und an Herrn Walter Kriebaum für die Erstellung des Layouts. Das Skriptum soll neben seinem Charakter als Lehr- und Lernbehelf auch im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der Darstellung des Strafvollzuges im Allgemeinen Verwendung finden. Verbesserungs- und Korrekturvorschläge mögen vom geneigten Leser direkt an die Abteilung PR 6 des Bundesministeriums für Justiz (georg.stawa@bmj.gv.at, anton.paukner@bmj.gv.at) gerichtet werden, welche diese mit den Autoren koordiniert. Dem Bundesministerium für Justiz ist es eine besondere Freude, mit dem vorliegenden Skriptum nicht nur trockene Fakten und Tatsachen zum österreichischen Strafvollzug anzubieten, sondern ausgehend von der jeweiligen Rechtsgrundlage eine lebendige und plastische Darstellung des österreichischen Strafvollzuges zu zeichnen. Viel Freude beim Lesen und Schmökern! Wien, im Juli 2003-4 -

1. Rechtsgrundlagen 1.1. Strafvollzug, Bundesverfassung und relevante internationale Rechtsquellen Gemäß Art 10 Abs. 1 Z 6 B-VG ist Strafrechtswesen...; Justizpflege; Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische oder sonstige gefährliche Personen; Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Unter die genannten Begriffe ist nach herrschender Auffassung auch der Strafvollzug subsumierbar. Anders als in vergleichbaren europäischen Staaten (z.b. Schweiz, Deutschland) kommt somit in der Republik Österreich dem Bund eine umfassende kompetenzrechtliche Zuständigkeit für den Strafvollzug zu. Der Vollzug von Freiheitsstrafen, Maßnahmen, Untersuchungshaften etc. stellt als allerletztes Mittel staatlichen Einschreitens einen der extremsten Eingriffe in ein Menschenleben dar. Daher sind den Strafvollzugsbehörden und ihren Organwaltern in einem Rechtsstaat sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht sehr ausgeprägte rechtliche Grenzen gesetzt; das Fundament hiefür bilden zahlreiche vor allem nationale und seit mehreren Jahrzehnten zunehmend auch internationale Rechtsnormen im Verfassungsrang. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang sind beispielsweise folgende Grundund Freiheitsrechte, bei denen es sich zum Großteil um Menschenrechte, zum Teil aber auch nur um Bürgerrechte handelt (z.b. StGG - Staatsgrundgesetz 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, B-VG - Bundesverfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929, EMRK - Europäische Menschenrechtskonvention): Art 7 B-VG, Art 2 StGG - Gleichheit vor dem Gesetz Art 14 EMRK - Diskriminierungsverbot Art 8 EMRK - Achtung des Privat- und Familienlebens Art 12 EMRK - Freiheit der Eheschließung Art 10, 10a StGG, Art 8 EMRK - Schutz des Brief- und Fernmeldegeheimnisses Art 3 EMRK - Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und das Europäische Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe von 1987 (1989 in Kraft getreten und in Österreich im Gesetzesrang), in dem sich Österreich u.a. dazu verpflichtet hat, jederzeit Anstaltsbesuche eines unabhängigen, international und interdisziplinär zusammengesetzten Expertenausschusses zuzulassen - 5 -

DSG - Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten Art 5 EMRK, BVG vom 29. November 1988 zum Schutz der persönlichen Freiheit - Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person Art 14 StGG, Art 9 EMRK - Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit Art 4 EMRK - Verbot der Zwangsarbeit Art 5 Abs. 5 EMRK - Anspruch auf Haftentschädigung Art 3 1.ZP zur EMRK - Wahlrecht Art 6 EMRK Unschuldsvermutung und Recht auf ein Verfahren in Zivil- und Strafsachen vor einem auf Gesetz beruhenden Gericht ( Tribunal ) In diesem Kontext sind weiters die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze 1987, Empfehlung R (87) 3 des Europarates, zu erwähnen, die eine menschenwürdige, rechts- und sozialstaatliche Gestaltung des Vollzuges von Freiheitsstrafen fordern. Diese Strafvollzugsgrundsätze stellen eine überarbeitete Fassung der Europäischen Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen von 1973 dar, welche ihrerseits auf die Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung der Gefangenen 1957 und 1973 zurück zu führen sind. Im Abschlussabkommen des Wiener KSZE-Folgetreffens 1989 (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) verpflichteten sich die Teilnehmerstaaten außerdem, eine menschliche Behandlung der Gefangenen zu gewährleisten. Die obige demonstrative Auflistung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zeigt, dass es fast keinen Lebensbereich eines Insassen einer Justizanstalt gibt, der durch den Strafvollzug nicht tangiert wäre. Daher treten neben zahlreiche verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Vorgaben für den Vollzug einer Haft eine große Zahl von Kontrolleinrichtungen und -instrumenten, die rechtliche, wirtschaftliche (Rechnungshof, Buchhaltungen, Bundesminister für Finanzen) und/oder sonstige, faktische (Angehörige, Medien, Mitarbeiterinnen...) Formen der Kontrolle über den Strafvollzug unmittelbar oder mittelbar ausüben. Nur exemplarisch seien erwähnt: der Bundesminister für Justiz und die Präsidenten der LG für Strafsachen als Vollzugsbehörden die innere Revision des Strafvollzuges ( 14a StVG) - 6 -

die Vollzugskammern bei den OLG (Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag im Sinne des Art 20 Abs. 2 B-VG bzw. Tribunale im Sinne des Art 6 EMRK) die Präsidenten der Oberlandesgerichte das Vollzugsgericht ( 16 StVG) die Vollzugskommissionen am Sitze der in Strafsachen tätigen Gerichtshöfe einer Landeshauptstadt ( 18 StVG) die österreichischen Höchstgerichte: Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof und Oberster Gerichtshof die Volksanwaltschaft der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe aber auch die öffentlichen Stellen gemäß 90b StVG (z.b. Bundespräsident, Mitglieder der Bundesregierung, inländische allgemeine Vertretungskörper) und nicht zuletzt die Rechtsbeistände der Insassen im Auftrag ihrer MandantInnen. Die Leitung des Strafvollzuges liegt beim Bundesministerium für Justiz. Die unmittelbare Aufsicht über den Vollzug - und damit die primäre Umsetzungsverantwortlichkeit - kommt in den Justizanstalten den vom Bundesminister für Justiz (in letzter Zeit immer stärker unter Beiziehung von Personalberatungsfirmen im Rahmen des Auswahlverfahrens) bestellten AnstaltsleiterInnen (JuristInnen, PsychologInnen, Justizwacheoffiziere) zu. Diese leiten als monokratische, weisungsgebundene und ernannte berufsmäßige Organe (Art 20 B-VG) in ihrer Funktion als Behörden- und Dienststellenleiter die hierarchisch organisierten Justizanstalten. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist ihnen auch die Justizwache als Wachkörper (Art 78d B-VG) - uniformierte, bewaffnete, nach militärischem Muster eingerichtete und organisierte Hilfsorgane - beigegeben. 1.2. Systematik des StVG, Vollzugsbestimmungen in JGG und StPO Auf der Basis des Verfassungsrechts befassen sich einige einfachgesetzliche Normen mit dem Vollzug einer Haft - nur die wichtigsten seien hier kurz erwähnt und dargestellt: 1.2.1. Strafvollzugsgesetz (StVG 1969): Die zentrale einfachgesetzliche Norm mit Bedeutung für alle Arten des Vollzuges von verschiedensten Formen der Haft ist das StVG, das seit dem Inkrafttreten am 1. Jänner 1970 mehrmals, zum Teil sogar ganz wesentlich geändert wurde. Das StVG 1969 stellte den - 7 -

Strafvollzug auf eine moderne gesetzliche Basis, während es in anderen Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland erst später zu ähnlichen Entwicklungen kam. Für den Vollzug gerichtlich verhängter (Ersatz-) Freiheitsstrafen und vorbeugender Maßnahmen ist es nach wie vor die spezialgesetzliche Rechtsvorschrift schlechthin und gilt für ca. 75 % aller Gefangenen (Strafgefangene und Untergebrachte im Maßnahmenvollzug) in österreichischen Justizanstalten. Das StVG gliedert sich in insgesamt 6 Teile, die ihrerseits (zum Teil) aus Abschnitten und Unterabschnitten bestehen. Von besonderer inhaltlicher Bedeutung sind der dritte und der vierte Teil. Der dritte Teil ( 8-156a) regelt den Vollzug von Freiheitsstrafen: - im ersten Abschnitt ( 8-19) geht es um die Einrichtungen und Behörden des Strafvollzuges (Anstalten, Anstaltsleiter, Präsidenten der in Strafsachen tätigen Gerichtshöfe I. Instanz als Vollzugsbehörden, BMJ als oberste Vollzugsbehörde, Vollzugskammern, die Grundsätze des Strafvollzuges, Innere Revision, Vollzugsgericht, Vollzugskommission) - im zweiten Abschnitt ( 20-129) werden die Grundsätze des Strafvollzuges behandelt (Allgemeine Grundsätze, Verpflegung, Bekleidung, Unterbringung, Arbeit, erzieherische Betreuung und Beschäftigung in der Freizeit, ärztliche Betreuung, soziale Fürsorge, Seelsorge, Verkehr mit der Außenwelt, Aufsicht, Ordnungswidrigkeiten, Ansuchen und Beschwerden, Formen des Strafvollzuges) - der dritte Abschnitt befasst sich mit dem Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate übersteigt ( 131-152a; v.a. Aufnahme, Vollzugsplan, Vorbereitung der Entlassung und Entlassung, Vorbereitung einer bedingten Entlassung) - im vierten Abschnitt bleibt der Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt ( 153-156a) zu regeln. Auf den Inhalt des StVG wird insbesondere unter 3. detaillierter eingegangen. Der vierte Teil handelt in den 157-178a vom Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen. Näheres hiezu unter 1.7. 1.2.2. Strafprozessordnung 1975 (StPO): Für ca. 25 % weitere Insassen in den Gefängnissen - nämlich die Untersuchungshäftlinge - gelten die besonderen Bestimmungen der StPO: die 183 ff. Auf deren Inhalt wird genauer unter 1.5. eingegangen. - 8 -

Subsidiär gelten die Bestimmungen des StVG über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt. 1.2.3. Jugendgerichtsgesetz 1988 (JGG) Das JGG findet zwar nur für etwa 3 % aller Insassen, nämlich die Jugendlichen und die jungen Erwachsenen, Anwendung; das JGG und dessen Vorgänger hatten aber seit Beginn des 20. Jahrhunderts traditionell immer Vorreiterfunktion und es fanden daher zahlreiche fortschrittliche Gedanken und Rechtsinstitute in das Erwachsenenstrafrecht Eingang (z.b. Diversion) - darin liegt die herausragende Bedeutung dieses Gesetzes. Es enthält materielles sowie formelles Strafrecht und vollzugsrechtliche Bestimmungen ( 51-60) - nur dort, wo das JGG keine spezialgesetzlichen Regelungen enthält, gilt das StVG (bzw. StGB im materiellen / StPO im formellen Recht). Unter 1.6. erfolgt eine Kurzzusammenfassung der 51 ff JGG, also jener Regelungen, die für den Jugendstrafvollzug und den Vollzug von Verwahrungs- und Untersuchungshaften an Jugendlichen von Bedeutung sind. 1.2.4. Sonstige: Nur aus Gründen der Vollständigkeit sei dargestellt, dass in den 28 österreichischen Vollzugseinrichtungen (Justizanstalten, als gerichtliche Gefangenenhäuser und als Strafvollzugsanstalten -allgemeine oder Sonderanstalten- eingerichtet) zu insgesamt ca. 1 % auch gerichtliche und verwaltungsbehördliche Finanzstrafhaft (Finanzstrafgesetz), Verwaltungsstrafhaft (Verwaltungstrafgesetz), Schubhaft (Fremdengesetz) und ganz selten Beugehaften nach der Exekutionsordnung vollzogen werden. Unter vielen anderen weiteren wichtigen Gesetzen, die angewendet werden müssen oder sonst von Bedeutung sind, seien noch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG 1991), das Zustellgesetz, das Suchtmittelgesetz, das Grundrechtsbeschwerdegesetz, die Gesetze, die sich mit dem Wahlrecht oder dem Recht auf Teilnahme an Volksabstimmungen oder Volksbegehren beschäftigen (z.b. NRWO), das Krankenanstaltengesetz des Bundes und die diesbezüglichen Ausführungsgesetze der Länder, bezogen auf die MitarbeiterInnen v.a. das Dienstrechtsverfahrensgesetz (DVG 1984) samt Dienstrechtsverfahrensverordnung, das Beamtendienstrechtsgesetz, das Vertragsbedienstetengesetz, das Bundesbedienstetenschutzgesetz sowie das Personalvertretungsgesetz und im Wirtschaftsbereich die (jährlichen) Bundesfinanzgesetze, allenfalls Budgetüberschreitungsgesetze, das Bundeshaushaltsgesetz sowie das Bundesimmobiliengesetz hervor zu heben. - 9 -

Eine weitere sehr wichtige Rechtsquelle ist die Sprengelverordnung für den Strafvollzug. Diese regelt v.a. die örtliche Zuständigkeit der Justizanstalten hinsichtlich der Einleitung und Durchführung des Strafvollzuges. Eines der wesentlichsten zuständigkeitsbegründenden Kriterien ist der Wohnsitz des/der Verurteilten. Die essentiellen allgemeinen Anordnungen über den Vollzug, soweit sie das Verhalten der Gefangenen betreffen, sind vom Anstaltsleiter in einer vom BMJ genehmigten Hausordnung zusammenzufassen. Unter den zahlreichen Erlässen des BMJ sind die Vollzugsordnung für Justizanstalten (VZO - siehe 1.8.), die Eskorteordnung (EO) und die Kanzleiordnung (KO) besonders zu erwähnen. 1.3. Zwecke des Strafvollzuges 20 Abs. 1 lautet: Der Vollzug der Freiheitsstrafen soll den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen und sie abhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen. Der Vollzug soll außerdem den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzeigen. Der Zweck, zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen ist aus heutiger Sicht zu weitgehend formuliert. Es kann nicht Aufgabe des Strafvollzuges sein, moralische Grundsätze durchzusetzen. Überdies bestehen moderne Gesellschaften aus mehrere Teilsystemen, in denen es durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt, was rechtschaffen und den Erfordernissen der Gemeinschaft angepasst ist. Zur Realisierung dieses Vollzugszweckes siehe Abschnitt 3. Vergleichsweise ist das deutlich jüngere, 1977 in Kraft getretene deutsche Strafvollzugsgesetz in seiner Zielsetzung bescheidener. Es fordert lediglich ( 2): Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Dass der Strafvollzug den Verurteilten abhalten soll, schädlichen Neigungen nachzugehen, wird üblicherweise als Sicherungszweck definiert. Dies bedeutet, dass die Inhaftierten während des Freiheitsentzuges an der Begehung strafbarer Handlungen gehindert werden sollen. Tatsächlich sind Unbeteiligte vor Straftaten von Inhaftierten weitgehend geschützt. Straftaten innerhalb der Gefängnismauern sind allerdings schwerer zu verhindern. Zum Vergleich: 2 deutsches StVG: Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten. - 10 -

Der dritte Strafzweck ( Aufzeigen des Unwertes) zielt auf Bestrafung ab. Zumindest im deutschen Strafraum besteht weitestgehende Übereinstimmung, dass die Freiheitsstrafe an sich und das Leben in einer Zwangsgemeinschaft hohen Strafcharakter haben sowie per se mit verschiedenen Einschränkungen verbunden sind und deshalb bei der Ausgestaltung des Strafvollzuges Überlegungen, wie man zusätzliche Strafelemente in den Vollzug einbauen könnte, nicht angebracht sind. Im deutschen StVG wird Bestrafung nicht als Aufgabe des Vollzuges definiert, der 2 (Aufgaben des Vollzuges) besteht lediglich aus den beiden oben zitierten Sätzen. Die drei Strafzwecke des 20 StVG Besserung, ( Resozialisierung), Sicherung und Bestrafung, stehen zueinander in einen Spannungsverhältnis. Man spricht von der Antinomie der Strafzwecke. Um das zu veranschaulichen: Wenn man jemand völlig sicher verwahrt und ihm jede Möglichkeit nimmt, Straftaten zu begehen, beraubt man ihn aller normaler Verhaltensmöglichkeiten. Es kann dann kaum erwartet werden, dass er sich nach einer solchen Haft in Freiheit zurechtfindet. Bereitet man die Entlassung durch Vollzugslockerungen im Sinne eines schrittweisen Überganges in das Leben in Freiheit vor, kann aber nie die Möglichkeit der Begehung von Straftaten gänzlich ausgeschlossen werden. Wenn man die Freiheitsstrafe konsequent zur Behandlung und Therapie der Häftlinge benutzt, müssen diese viele Freiräume und die üblichen Annehmlichkeiten, die es in Freiheit gibt, bekommen. Richtiges Verhalten kann man nur lernen, wenn man die reale Chance bekommt, sich richtig zu verhalten. Die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann man nur dann trainieren, wenn man überhaupt etwas zu entscheiden hat. Ein konsequent sozialtherapeutisch ausgestalteter Vollzug würde aber abgesehen von der Frage den erforderlichen Ressourcen keine politische und öffentliche Akzeptanz finden. Der Strafvollzug ist aufgerufen, keines der divergierenden Zielsetzungen außer Acht zu lassen. Dies bedeutet andererseits, dass er die Erreichung keines der Zielsetzungen völlig garantieren kann. Die Praxis des Vollzuges ist sowohl in seiner strategischen Orientierung wie in seiner täglichen Konkretisierung ein Balanceakt zwischen kurzfristigem Sicherheitsdenken (Verhinderung aktueller Straftaten) langfristigem Sicherheitsdenken (Verhinderung künftiger, nach der Entlassung begangener Straftaten) sowie der Zielsetzung, ein positives und spannungsarmes Vollzugsklima unter den Bedingungen knapper Ressourcen - 11 -

und hoher öffentlicher Aufmerksamkeit, die zu merklichen Irritationen im Strafvollzug führt, bei negativen Vorkommnissen. 1.4. Formen des Strafvollzuges Darunter sind nicht nur die im Gesetz in den 123 ff StVG ausdrücklich genannten Differenzierungen zu erwähnen, sondern auch jene Vollzugsarten, die sich im Laufe der Zeit seit 1970 im Rahmen der gesetzlichen Regelungen herausgebildet haben. Insofern hat die Vollzugspraxis das Strafvollzugsrecht den täglichen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Veränderungen in zulässiger Weise dynamisch angepasst. Insbesondere werden durchgeführt: Männer- und Frauenvollzug Erwachsenen- und Jugendvollzug Mutter-Kind-Abteilungen: bis max. zum 3. Lebensjahr können Kinder bei den Müttern in der Justizanstalt bleiben Vollzug an Gefangenen, die an Lungentuberkulose erkrankt sind Erstvollzug: getrennte Anhaltung von anderen Insassen, um Gefahr der kriminellen Infektion möglichst zu verhindern Allgemeiner Strafvollzug ( Normalvollzug ): für Strafgefangene, die bereits eine oder mehrere Freiheitsstrafen verbüßt haben Gelockerter Strafvollzug: besonders geeignete Insassen erhalten eine oder mehrere Lockerungen (Ausgänge, Freigang - Arbeit außerhalb der Anstalt, Berufsausbildung oder -fortbildung sowie ambulante Behandlungsmaßnahmen bei externen Einrichtungen, Entfall der Abschließung bei Tag) Entlassungsvollzug Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 18 Monate (nicht) übersteigt Strafvollzug an Fahrlässigkeitstätern: Insassen, die überwiegend wegen Fahrlässigkeitsdelikten oder wegen Delikten im Zustand voller Berauschung verurteilt wurden, werden getrennt von anderen untergebracht und bezüglich Verhütung von Unfällen und in Erster Hilfe unterrichtet Strafvollzug an Insassen mit psychischen Besonderheiten Drogenfreie Abteilungen und Zonen Freigängerabteilungen und -häuser Gemeinschaftshaft, Einzelhaft, Wohngruppenvollzug - 12 -

1.5. Vollzug der Untersuchungshaft ( 183 ff StPO) Abweichend vom Vollzug der Strafhaft gelten folgende Besonderheiten: Es dürfen grundsätzlich nur jene Beschränkungen auferlegt werden, die der Erreichung der Haftzwecke und der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dienen. Es hat soweit möglich eine Einzelanhaltung sowie eine Trennung nach Tatbeteiligten ( Komplizen ), Vorbestraften und Nicht-Vorbestraften sowie von Strafgefangenen zu erfolgen. Eine Separierung nach Geschlechtern ist ausdrücklich vorgesehen. Während Strafgefangene grundsätzlich Anstaltskleidung tragen müssen und ihnen lediglich das Recht, eigene Leibwäsche zu verwenden, zukommt ( 39 StVG; Oberbekleidung kann nur als Vergünstigung gem. 24 StVG gewährt werden), dürfen Untersuchungshäftlinge generell ihre eigene Leibwäsche und Kleidung tragen. Diese Insassen dürfen auch andere als die den Strafgefangenen in den 33, 132 StVG erlaubten Gegenstände besitzen und sich überdies auf ihre eigenen Kosten verschiedene Bequemlichkeiten verschaffen. Weiters besteht ein Recht auf Selbstbeschäftigung und keine Arbeitspflicht. Unter den für Strafgefangenen geltenden Bestimmungen dürfen Untersuchungshäftlinge aber mit ihrer Zustimmung arbeiten. Die dann gebührende Arbeitsvergütung wird allerdings nach Abzug des Vollzugskostenbeitrages zur Gänze als Hausgeld gutgeschrieben; die Bildung einer Rücklage unterbleibt. Eine Pflicht zur Bezahlung eines Vollzugskostenbeitrages besteht nur, wenn eine Arbeitsvergütung bezogen wird. Sie entfällt aber auch im Falle einer Verfahrenseinstellung oder eines Freispruchs. Der mit Lebensgefährdung verbundene Waffengebrauch gem. 105 Abs. 6 Z 3 StVG ist nur zulässig, wenn der Untersuchungshäftling eines Verbrechens dringend verdächtig ist, das ihn als eine für den Staat, die Person oder das Eigentum allgemein gefährliche Person kennzeichnet. Über den Verkehr mit der Außenwelt entscheidet - anders als bei Strafgefangenen, bei denen fast ausschließlich dem Anstaltsleiter diese Kompetenz zukommt - der Untersuchungsrichter. In diesem Bereich überwacht der Anstaltsleiter nur den Paketempfang. Ansonsten kommen dem Untersuchungsrichter noch die Entscheidungen zu, die bei Strafgefangenen dem Vollzugsgericht zustehen. - 13 -

Das Recht auf Briefverkehr steht grundsätzlich uneingeschränkt bezogen auf Personen und in quantitativer Hinsicht zu, sofern Haftzwecke nicht gefährdet werden und der außerordentliche Umfang nicht die Überwachung durch den Untersuchungsrichter beeinträchtigt. Besuchsempfang ist möglichst oft innerhalb der Amtsstunden, mindestens aber 2 Mal pro Woche 15 Minuten lang zu gestatten. Alle anderen Entscheidungen hinsichtlich eines Untersuchungshäftlings bzw. des Vollzuges der U - Haft trifft der Anstaltsleiter - d.h.: ihm kommen alle den Untersuchungshäftling betreffenden Entscheidungen zu, sofern nicht ausdrücklich Anderes vorgesehen ist. Hierbei hat der Leiter der Justizanstalt aber stets zu berücksichtigen, dass keine Beeinträchtigung der Haftzwecke eintritt und eine Gefährdung von Sicherheit und Ordnung nicht zu befürchten ist. Meistens hat er außerdem dem Untersuchungsrichter vor seinen Entscheidungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ordnungsstrafen und sonstige Vorfälle, von denen eine Beeinträchtigung der Haftzwecke zu befürchten ist, sind dem Untersuchungsrichter mitzuteilen. Die Ordnungsstrafe der Beschränkung oder Entziehung von Vergünstigungen ( 109 Z 2 StVG) kann mangels Rechtsgrundlage nicht verhängt werden. Einmal pro Woche können Untersuchungshäftlinge gegenüber dem Präsidenten des Gerichtshofes I. Instanz oder einem von ihm dazu bestellten Richter in Abwesenheit des unmittelbar mit der Aufsicht betrauten Bediensteten ihre Wünsche und Beschwerden (auch bezüglich des Verfahrens) vorbringen ( Nachschau des Präsidenten, Arrestvisite ). Außerdem bietet sich hierbei für den Präsidenten die Gelegenheit, Mängel festzustellen bzw. abzustellen. 1.6. Jugendvollzug ( 51 ff JGG): Es gelten hinsichtlich des Vollzuges der U-Haft an Jugendlichen die 183 ff StPO und für den Vollzug von Freiheitsstrafen und Maßnahmen an jugendlichen Rechtsbrechern das StVG, sofern das JGG keine von diesen allgemeinen Regelungen abweichenden Bestimmungen vorsieht. Solche Abweichungen normiert das JGG für die Untersuchungshäftlinge in den 35-37 und für die Strafgefangenen und Untergebrachten in den 51-60 JGG. Hier wird nur näher auf die 51-60 JGG eingegangen. - 14 -

Die gesetzlichen Bestimmungen zielen allgemein darauf ab, den nachteiligen Folgen einer Inhaftierung entgegenzuwirken und die Rahmenbedingungen für pädagogische Einwirkungsmöglichkeit zu verbessern. Beispielsweise ist bei Jugendlichen der Aufschub des Strafvollzuges zum Zwecke des Berufsabschlusses - entgegen 6 StVG - auch für die Dauer von mehr als einem Jahr möglich. Zur Absicherung können unter bestimmten Voraussetzungen Weisungen erteilt und Bewährungshilfe angeordnet werden. Der Jugendstrafvollzug ist ausschließlich spezialpräventiv orientiert - im Erwachsenenstrafvollzug ( 20 StVG) spielt hingegen auch die Wirkung der Strafe auf die Allgemeinheit (Generalprävention) eine Rolle. Der Berufsausbildung kommt herausragende Bedeutung zu. Das Personal im Jugendvollzug soll besonders qualifiziert und geschult (Unterricht in Pädagogik, Psychologie und Psychiatrie), pädagogisches Geschick soll vorhanden sein. Das Gesetz sieht vor, dass der Vollzug von Freiheitsstrafen in dafür bestimmten Sonderanstalten (für Jugendliche) oder besonderen Abteilungen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen für Erwachsene zu vollziehen ist (Näheres in der Sprengelverordnung für den Strafvollzug); allerdings gibt es nur eine einzige Sonderanstalt für (männliche) Jugendliche: jene in Gerasdorf am Steinfeld/NÖ. Da für weibliche Jugendliche keine Sonderanstalt besteht, werden Strafzeiten über 6 Monate in der JA Schwarzau am Steinfeld / NÖ verbüßt. Untersuchungshaften werden nur in Sonderabteilungen der Gerichtshofgefängnisse vollzogen. In den beiden genannten Anstalten werden auch vorbeugende Maßnahmen nach 21 Abs. 2 StGB (geistig abnorme zurechnungsfähige Rechtsbrecher) durchgeführt - Entwöhnungsbedürftige ( 22 StGB) männliche Jugendliche werden in der JA Favoriten, weibliche in der JA Schwarzau untergebracht. Für den Maßnahmenvollzug gelten die Bestimmungen über den Strafvollzug sinngemäß. Jugendliche sind von Erwachsenen, die nicht dem Jugendvollzug unterstellt sind, zu trennen. Davon kann abgesehen werden, wenn eine schädliche Beeinflussung oder eine Benachteiligung des Jugendlichen nicht zu befürchten ist. Bei der Ausführung und Überstellung Jugendlicher müssen die Justizwachebeamtinnen grundsätzlich Zivilkleidung tragen, um eine Bloßstellung der Insassen vor der Öffentlichkeit zu vermeiden. Jugendliche sind ihrer körperlichen Entwicklung entsprechend reichlicher zu verpflegen. - 15 -

Die Bewegung im Freien hat mindestens 2 Stunden zu dauern und soll in Form von Leibesübungen, Sport, Spiel etc. absolviert werden. Bei Schlechtwetter dürfen körperliche Betätigungen nicht entfallen, sondern haben in geeigneten Räumen zu erfolgen. Jugendliche dürfen nur mit erzieherisch nützlichen Arbeiten beschäftigt werden - diese sind durch mindestens zwei längere Erholungspausen zu unterbrechen. Grundsätzlich ist Schulunterricht zu erteilen, v.a. Pflichtschulbildung ist zu vermitteln. Die im 91 Abs. 3 StVG ausnahmsweise vorgesehene Möglichkeit des generellen Ausschlusses erwachsener Strafgefangener vom Paketempfang ist im JGG nicht vorgesehen und hat sich daher auf den Einzelfall zu beschränken. Hausarrest als Ordnungsstrafe darf nur für max. 2 Wochen verhängt werden. Bei Anhaltung in Einzelhaft muss mindestens zweimal eine Gesprächsgelegenheit gegeben werden. In etwa vergleichbar mit 129 StVG, darf der Anstaltsleiter bei Jugendlichen, deren Eigenart es erfordert, vom regelmäßigen Strafvollzug abweichen, sofern dadurch der betreffende Insasse nicht ungünstiger gestellt wird. Ein Vollzugskostenbeitrag muss nicht geleistet werden. 1.7. Maßnahmenvollzug ( 157 ff StVG) Im vierten Teil des StVG ( 157-178a) ist der Vollzug der mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahmen geregelt. Hierbei handelt es sich um A) die Unterbringung in einer Anstalt (JA Göllersdorf, Abteilungen in psychiatrischen Krankenhäusern) für geistig abnorme zurechnungsunfähige Rechtsbrecher( 21 Abs. 1 StGB), B) die Unterbringung in einer Anstalt (JA Wien - Mittersteig und Sonderabteilungen in einzelnen Anstalten) für geistig abnorme zurechnungsfähige Rechtsbrecher( 21 Abs. 2 StGB), C) die Unterbringung in einer Anstalt (JA Wien - Favoriten und Sonderabteilungen in einzelnen Anstalten) für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ( 22 StGB) und D) die Unterbringung in einer Anstalt (es besteht keine eigens eingerichtete Anstalt, lediglich Sonderabteilungen in einzelnen Justizanstalten) für gefährliche Rückfallstäter ( 23 StGB). Insbesondere die vorbeugenden Maßnahmen nach 21 StGB sind unter Wissenschaftlern und Praktikern äußerst umstritten (v.a. hinsichtlich der Einweisungspraxis). Der dogmatisch komplex konstruierten Maßnahme gem. 23 StGB wiederum kommt nahezu keine praktische Bedeutung zu. - 16 -

Freiheitsentziehende Maßnahmen werden bekanntlich im Urteil oder in einem selbständigen Unterbringungsverfahren verhängt und setzen ganz allgemein Folgendes voraus: 1. Anlasstat, 2. Besondere Gefährlichkeit, 3. Prognosetat (Wahrscheinlichkeit der neuerlichen Begehung einer strafbaren Handlung mit schweren Folgen), 4. Verhängung erfolgt alleine aus spezialpräventiven Erwägungen (Bekämpfung der Gefährlichkeit - geistigseelische Abartigkeit höheren Grades, Suchtmittelergebenheit,...). Da außer im Falle des 21 Abs. 1 StGB auch Freiheitsstrafen verhängt werden, bedarf es der Festlegung einer Reihenfolge des Vollzuges (Priorität von Maßnahme oder Freiheitsstrafe). Bei 21 Abs. 2 und 22 StGB ist zuerst die Maßnahme und dann die Strafe zu vollziehen (Maßnahme vor Strafe bei Anrechnung der Zeit der Anhaltung in der Maßnahme auf die Strafe - Absorptionsprinzip), bei 23 StGB ist die Strafe vor der Maßnahme zu vollziehen (Kumulationsprinzip: keine Anrechnung). Alle Maßnahmen dauern nur so lange, wie es ihr Zweck, die Beseitigung der spezifischen besonderen Gefährlichkeit, erfordert. 21 Abs. 1 und 2 StGB werden zunächst auf unbestimmte Zeit angeordnet, 22 StGB dauert max. 2, 23 StGB im Höchstfall 10 Jahre. Deshalb überprüft das Vollzugsgericht (vgl. hiezu 2.9.) regelmäßig die Notwendigkeit der (weiteren) Anhaltung bei 21 und 23 StGB mindestens 1xjährlich und bei 22 StGB mindestens 1x halbjährlich. Aus vorbeugenden Maßnahmen kann man ausnahmsweise unbedingt (in 22 StGB bei Aussichtslosigkeit und Ablauf der Höchstanhaltezeit von 2 Jahren sowie in 23 StGB bei Ablauf der Höchstanhaltezeit von 10 Jahren vorgesehen) oder bedingt gem. 47 StGB (aus allen Maßnahmen) unter Setzung einer Probezeit entlassen werden. Weiters können Weisungen erteilt und Bewährungshelfer bestellt werden. Das vollzugsgerichtlich Verfahren insbesondere bei bedingten Entlassungen gem. 21 StGB gestaltet sich umfangreich und komplex (z.b. Bestellung von Sachverständigen...). Die bedingte Entlassung aus der Maßnahme (Strafe) muss aber noch nicht die endgültige Entlassung aus einer Anstalt bedeuten: ist die Strafzeit noch nicht abgelaufen, erfolgt die Überstellung in den Strafvollzug bzw. folgt im Anschluss an den Vollzug der Freiheitsstrafe bei 23 StGB der Maßnahmenvollzug, sofern nicht (gleichzeitig) die bedingte Entlassung aus der Maßnahme ausgesprochen wird. Nach den Intentionen des Gesetzgebers soll sich der Vollzug von Maßnahmen ganz grundlegend vom Strafvollzug unterscheiden - korrespondierend zur für den Strafvollzug zentralen Bestimmung des 20 StVG ("Zwecke des Strafvollzuges ) finden sich demnach im vierten Teil des StVG die entsprechenden Zielvorgaben für den Maßnahmenvollzug. - 17 -

Zweck der Unterbringung gem. 21 Abs. 1 StGB ist ( 164 StVG) die Spezialprävention durch Besserung des Zustandes sowie die Sicherung (... abhalten.. schädlichen Neigungen nachzugehen.. ). Mittel zur Erreichung dieser Zwecke ( 165 StVG) ist die Behandlung - tragende Rollen spielen Psychiatrie, Psychologie und Pädagogik. Auf sehr Ähnliches zielt die Unterbringung gem. 21 Abs. 2 StGB ab, jedoch kommt die Spezialprävention durch Resozialisierung (... zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung verhelfen... ) hinzu. Dies alles soll mit Betreuung erreicht werden - Psychotherapie, psychohygienische Maßnahmen und intensive sozialarbeiterische Unterstützung stehen im Mittelpunkt. Die Unterbringung entwöhnungsbedürftiger Rechtsbrecher ( 22 StGB) bezweckt gem. 168 StVG die Besserung und Entwöhnung des suchmittelergebenen Insassen sowie dessen Sicherung und Resozialisierung. Diese Unterbringung gem. 22 StGB kann nicht ausgesprochen werden, wenn eine Maßnahme gem. 21 StGB verhängt oder eine längere als 2-jährige Strafe ausgesprochen wird und im Falle der Aussichtslosigkeit der Behandlung. Beim Maßnahmenvollzug gem. 22 StGB stehen medizinisch - psychiatrische (Entwöhnungs- )Behandlung, therapeutische Ansätze sowie das Erarbeiten und Erproben von Lebensstrategien, die Suchtmittelabstinenz ermöglichen, im Vordergrund. Gefährliche Rückfallstäter ( 23 StGB) sollen gem. 171 StVG einer Sicherung und Resozialisierung unterzogen werden. Eine Unterbringung entfällt bei Jugendlichen und bei Verhängung von Maßnahmen gem. 21 StGB. Ansonsten sieht das Gesetz lediglich zwei spezielle Regelungen für diese vorbeugende Maßnahme vor. Zu den Spezialitäten des Maßnahmenvollzuges nach 21 StVG zählt die Unterbrechung der Unterbringung ( 166 StVG), die ein Verlassen der Anstalt ermöglicht und v.a. zur Behandlung und zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit vom Anstaltsleiter (bis zu 14 Tage) und / oder vom Vollzugsgericht (bis zu einem Monat) unter Auflagen / Bedingungen genehmigt werden kann. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die in der Vollzugsordnung (VZO) normierten besonderen Pflichten des Anstaltsleiters (2.3.3. und 2.3.4. VZO), die bei Maßnahmen gem. 21 Abs. 2, 23 StGB greifen - sie bestehen in Form von umfassenden internen Informations- und Dokumentationsverpflichtungen bei Entscheidungen über mit Freiheit verbundenen Vollzugslockerungen einerseits und aus Berichtspflichten gegenüber dem BMJ über unbewachte Aufenthalte sicherheitsgefährlicher Insassen außerhalb der Justizanstalten vor der geplanten Gewährung andererseits. - 18 -

Somit zeigt sich, dass der sehr kostenintensive Maßnahmenvollzug - wie der Vollzug von Freiheitsstrafen - ganz maßgeblich auf die Verhinderung künftiger Rückfälle abzielt. In letzter Zeit werden Straf- und Maßnahmenvollzug verstärkt als Opferschutz durch Rückfallvermeidung ( Strafvollzug in Österreich - Informationsbroschüre des BM für Justiz) betrachtet. Dafür stehen - aufgrund der besonderen Gefährlichkeit der Insassen - im Regelfall mehr und differenziertere personelle Ressourcen zur Verfügung als im Strafvollzug. Daher können therapeutische, psychiatrische, sozialarbeiterische und andere sinnvolle Maßnahmen früher und in etwas stärkerem Ausmaß eingesetzt werden. Näheres zum gesamten Themenkomplex noch unter 3. (insb. 3.8. - 3.15.). 1.8. Vollzugsordnung (VZO): Die VZO gliedert sich wie folgt: 1. Allgemeine Bestimmungen, 2. Anstaltsleitung, 3. Leitungsbereich, 4. Vollzugsbereich, 5. Wirtschaftsbereich, 6. Exekutivbereich, 7. Betreuungsbereich, 8. Group Counselling, 9. Benutzung von KfZ und Teilnahme am Straßenverkehr, 10. Kurzbezeichnung der Organisationseinheiten, 11. Schlussbestimmungen und Anlagen 1 u. 2. Es stehen somit organisationsrechtliche Bestimmungen im Vordergrund. Die VZO trat am 1. April 1996 in Kraft. 1.8.1. Allgemeine Bestimmungen der VZO: Die Vollzugsordnung für Justizanstalten legt daher - basierend auf den geltenden gesetzlichen Bestimmungen und den sonstigen generellen und im Einzelfall getroffenen / zu treffenden Entscheidungen und Anordnungen des BMJ - weitere allgemein gültige organisatorische und rechtliche Standards fest. Sie stellt aber keine als umfassend und abschließend zu verstehende Vorschrift dar. Die VZO ist bestrebt, hauptsächlich die - trotz aller aufgabenbedingten Verschiedenheiten der österreichischen Strafvollzugseinrichtungen - allen Dienststellen im Planstellenbereich Justizanstalten gemeinsamen Grundstrukturen, Kerntätigkeiten und gewünschten Vorgangsweisen im Zuge der Aufgabenerfüllung zu skizzieren - dies war zum Zeitpunkt ihrer Einführung 1996 ein Novum. Insbesondere nicht durchgängig erfasst sind Fragen der Ablauforganisation sowie der leistungsprozessorientierten Gestaltung der Arbeitsabläufe. - 19 -

Die VZO legt zusätzlich Handlungsziele und -maxime wie die Wahrung der Menschenwürde, des kollegialen Zusammenwirkens unter den Bediensteten, die Wahrung der Sicherheit und Ordnung usw. fest und trifft einige programmatische Aussagen - damit leistet sie mehr als die Regelung von Organisationsfragen. Sie stellt klar, dass alle Bediensteten, unabhängig von ihrer Profession, in (allerdings) unterschiedlicher Ausprägung neben den Aufsichts- auch Betreuungsaufgaben und umgekehrt zu erfüllen haben. Die Sicherungsaufgaben werden als spezifische Ausprägung der Aufsichtsaufgaben ausdrücklich und besonders hervorgehoben. (Interdisziplinäre) Zusammenarbeits-, Informations-, Informationsaustausch- (z.b. Pflicht zur Durchführung von Besprechungen und ähnlichen Veranstaltungen) und Fortbildungspflichten der Strafvollzugsbediensteten werden statuiert. Zusätzlich wird auf die bestehende allgemeine Dokumentations- und Begründungspflicht von Entscheidungen hingewiesen. Auf besondere Verschwiegenheitspflichten (Ärzte, klinische Psychologen, Psychotherapeuten) und deren Durchbrechungen wird aufmerksam gemacht. Die VZO legt die Aufbauorganisation einer Justizanstalt fest. Für jede Anstalt in Österreich existiert eine solche - diese ist regelmäßig in Form von Organigrammen (vgl. das angeschlossene Muster) graphisch dargestellt. Jede Organisationseinheit ist erfasst - mehrere Organisationseinheiten sind zu Bereichen, Trakten oder Betriebsgruppen zusammengefasst. Näheres zur Aufbauorganisation folgt weiter unten. Im jährlichen Stellenplan sind die der Einrichtung zugewiesenen Planstellen zugeordnet. Jede Planstelle ist bewertet. Im Funktionsbesetzungsplan wiederum sind alle Arbeitsplätze samt deren Bewertungen, alle Planstellen sowie die Leiter der Organisationseinheiten und - bereiche, gegebenenfalls auch deren Stellvertreter angeführt. 1.8.2. Aufbauorganisation: In den Punkten 2. - 7. der VZO wird ein Überblick über den formalorganisatorischen Aufbau einer Justizanstalt, deren einzelne Organisationseinheiten und über deren Aufgabenbereiche gegeben. Die exakte Festlegung der Aufgaben der einzelnen Arbeitsplatzinhaber erfolgt in den Arbeitsplatzbeschreibungen. 1.8.3. Besondere Aufgaben des Anstaltsleiters: Hier sei im Besonderen nur auf die in der VZO genannten, speziellen Aufgaben des Anstaltsleiters hingewiesen, den die Vollzugsordnung als Vollzugsbehörde erster Instanz im - 20 -

Sinne des StVG sowie als Dienststellenleiter in Personalangelegenheiten und nach den Bundeshaushaltsvorschriften ausweist. Die Öffentlichkeitsarbeit kommt primär ihm zu. Im Verhinderungsfall wird er von einem hiezu bestellten Mitarbeiter vertreten (Stellvertreter des Anstaltsleiters). Im Nachtdienst nehmen die Aufgaben des Anstaltsleiters zum Inspektionsdienst eingeteilte Bedienstete wahr, die zur Kontrolle und Dienstaufsicht über den gesamten Anstaltsbetrieb verpflichtet sind. Zu den besonderen Aufgaben des Anstaltsleiters zählen: Verpflichtung zur Aus- und Fortbildung des Personals, die mindestens vierteljährliche Durchführung einer Leiterbesprechung, umfassende interne Informations- und Dokumentationsverpflichtungen bei Entscheidungen über mit Freiheit verbundenen Vollzugslockerungen, besondere Berichtspflichten gegenüber dem BMJ über unbewachte Aufenthalte sicherheitsgefährlicher Insassen außerhalb der Justizanstalten vor der geplanten Gewährung, Verpflichtung zur Bevorratung, Planung für den Not-, Alarm-, Krisen- und Katastrophenfall inkl. Erstellung entsprechender Pläne sowie Leitung im Einsatzfall, Berichterstattung über besondere Vorkommnisse und Koordinationsaufgaben. Näheres wird unter 2.10. erörtert. - 21 -

2. Grundinformationen zur Vollzugspraxis 2.1. Beschreibung der Justizanstalten Der Strafvollzug findet in Österreich in 28 Justizanstalten und 13 Außenstellen statt. Die Größe der Anstalten variiert zwischen rund 1000 (Maximalbelegung um die 1.200) und 63 Haftplätzen. Die Anstalten lassen sich folgendermaßen aufgliedern: sieben Strafvollzugsanstalten für erwachsene Männer diese dienen dem Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit (Untersuchungshaft nicht eingerechnet) achtzehn Monate übersteigt. Die Justizanstalten Stein, Graz-Karlau und Garsten dienen dem Vollzug langer Freiheitsstrafen und verfügen jeweils über eine Abteilung für zurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher ( 21 Abs.2 StGB). In den Justizanstalten Wien-Simmering, Hirtenberg, Sonnberg und Suben werden mittellange Freiheitsstrafen vollzogen. eine Strafvollzugsanstalt für jugendliche Männer (JA für Jugendliche Gerasdorf) eine Strafvollzugsanstalt für Frauen (JA Schwarzau, dort findet auch der Vollzug für weibliche Jugendliche und Untergebrachte gem. 21 Abs.2 und 22 StGB statt) drei Anstalten des Maßnahmenvollzuges an Männern (JA Göllersdorf für Untergebrachte gem. 21 Abs.1 StGB (zurechnungsunfähige geistig abnorme Rechtsbrecher), JA Wien- Mittersteig für zurechnungsfähige geistig abnorme Rechtsbrecher gem. 21 Abs.2 StGB, JA Wien-Favoriten für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher gem. 22 StGB, aber auch entwöhnungsbedürftige Strafgefangene sowie für Entlassungsvollzug für Frauen) sechzehn gerichtliche Gefangenenhäuser, die am Sitz der für Strafsachen zuständigen Landesgerichte eingerichtet sind und dem Vollzug der Untersuchungshaft und kurzer Freiheitsstrafen (Strafzeit unter 18 Monaten) sowie in geringerem Umfang von Verwaltungs- und Schubhaft dienen: Eisenstadt, Feldkirch, Graz-Jakomini, Innsbruck, Klagenfurt, Korneuburg, Krems, Leoben, Linz, Ried, Salzburg, St. Pölten, Steyr, Wels, Wr. Neustadt, Wien-Josefstadt. Es gibt weiters 12 Außenstellen (großteils landwirtschaftliche Betriebe), die von Justizanstalten aus betrieben werden. Ein größerer Teil der Außenstellen wird als Anstalten des gelockerten Vollzuges (wenn überhaupt, nur geringe Außensicherung, nur begrenzte Bewachung) betrieben. In einigen Justizanstalten gibt es Bereiche für gelockerten Vollzug. Es existiert aber keine Anstalt, die ausschließlich dieser Vollzugsart dient. Im Tagesdurchschnitt werden knapp 10% der Gefangenen im gelockerten Vollzug angehalten. - 22 -

Der bauliche Zustand der Anstalten und ihre Infrastruktur sind als gut bis sehr gut zu bezeichnen. In den letzten Jahren wurden aufwendige Bauprogramme abgewickelt. Es ist jedoch zu vermerken, dass vom Strafvollzugsgesetz her Einzelunterbringung während der Nacht als Regelfall vorgesehen ist, die Anstalten aber zumeist über eine nur geringe Anzahl an Einzelhafträumen verfügen. Die Strafvollzugsanstalten verfügen über genügend Arbeitsräumlichkeiten, um die Beschäftigung der Insassen zu gewährleisten, während dies bei den gerichtlichen Gefangenenhäusern nur teilweise der Fall ist. Das Sicherheitsniveau der Anstalten ist im Allgemeinen relativ hoch. Die Differenzierungen zwischen den Anstalten auf diesem Gebiet sind im Allgemeinen nicht allzu groß. Die Gesamtbelagsfähigkeit betrug 1996: 7.649 Plätze für gesunde und 366 Plätze für kranke Strafgefangene 2.2. Kosten Der jährliche Aufwand für den Strafvollzug beträgt in etwa (Stand: 2002) Euro 230 Millionen, wovon auf den Personalaufwand rund Euro 130 Millionen entfallen, der Rest ist Sachaufwand (beispielsweise Kosten für Ausrüstung der Mitarbeiter, Verpflegung und medizinische Betreuung von Insassen, Energiekosten etc.). An Einnahmen werden durch Gefangenenarbeit rund Euro 35 Millionen erzielt. 2.3. Mitarbeiter des Strafvollzuges Von rund 3.340 Strafvollzugsbediensteten (Stand: März 2003) gehören rund 2.930 der Justizwache an. Die Justizwachebeamten sind somit die Hauptträger des Strafvollzuges. Die Justizwache ist neben Bundespolizei, Bundesgendarmerie und Zollwache einer der vier uniformierten österreichischen Exekutivkörper. Die Justizwache hat nicht nur die Sicherheit in den Justizanstalten und die Bewachung und erzieherische Beeinflussung der Insassen sowie den geordneten Betrieb der Justizanstalten zu garantieren, sondern ist der zentrale Faktor für die Ausgestaltung der Haftbedingungen sowie des Vollzugsklimas. Die Wahrung der Menschenrechte und der Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen sind Grundpfeiler des Strafvollzuges. Ein gutes, entspanntes Anstaltsklima stellt in allen Strafvollzugsanstalten einen wichtigen Sicherheitsfaktor dar. Voraussetzungen sind hierfür eine realistische, aber zugleich - 23 -

unvoreingenommene Grundhaltung der Strafvollzugsbediensteten gegenüber den Gefangenen. Tätigkeitsfelder der Justizwachebediensteten sind vor allem: Abteilungsdienst: Beaufsichtigung und Betreuung der Insassen in den Abteilungen Dienst in Arbeitsbetrieben und Werkstätten: Beaufsichtigung, Anleitung und Unterweisung der Insassen bei der Arbeit Allgemeiner Wachdienst: Vorführungen und Bewachungen der Insassen in- und außerhalb der Justizanstalten Kanzleidienst: Erledigung der Büroarbeiten und Verwaltungstätigkeiten. Hierbei, aber auch in anderen Arbeitsbereichen gewinnt der Einsatz von EDV immer mehr an Bedeutung. Im Regelfall ist ein Justizwachebediensteter während seiner beruflichen Laufbahn in verschiedenen Arbeitsbereichen tätig. Besonders interessierte und geeignete Bedienstete haben auch die Möglichkeit, in der Arbeit mit Gefangenen besondere Aufgaben wahrzunehmen (Gesprächsgruppen, Freizeitgestaltung). Der Justizwachdienst bedeutet Arbeit mit schwierigen Menschen in einer schwierigen Situation. In der täglichen Praxis sind daher Durchsetzungsvermögen, sicheres Auftreten, Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl gefragt. Erwartet werden persönliche Ausgeglichenheit, Charakterfestigkeit und persönliche Belastbarkeit. Der Aufnahme in den Justizwachdienst geht eine sorgfältige und interdisziplinäre Überprüfung der körperlichen und insbesondere auch psychischen und bildungsmäßigen Eignung für diesen anspruchsvollen und belastenden Beruf voraus. Berufsanfänger werden als Justizwachebeamte vorerst in einem Dienstverhältnis als Vertragsbediensteter aufgenommen. Es erfolgt zunächst eine dreimonatige theoretische Ausbildung in der Justizwachschule in Wien oder einer deren Außenstellen (Stein, Linz, Graz und Wien). Ausbildungsinhalte sind nicht nur Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sondern auch praktische Unterweisungen und human und sozialwissenschaftliche Fächer. Daran schließt sich eine provisorische neunmonatige praktische Ausbildung in der für die weitere Verwendung vorgesehenen Anstalt an. Die Übernahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis ( Pragmatisierung ) ist frühestens 12 Monate nach Anstellungsbeginn möglich. Die Grundausbildung wird mit einem weiteren dreimonatigen Kurs, der mit der Dienstprüfung endet, abgeschlossen. - 24 -