Zulässige und unzulässige Freiheitsbeschränkung im Unterbringungsrecht Dr.Patricia Wolf Deskriptoren: 3,33UBG, BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, 1325-1327 ABGB 5 MRK, 99 STGB (Freiheitsentziehung) 3 Abs 1 HeimAufG.
Unterbringung psychiatrische Abteilung imka: Vorraussetzungen ( 3 UbG) Es liegt eine psychischen Krankheit vor im Zusammenhang damit ist das sein Leben oder die Gesundheit des Betroffenen oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und Die Betreuung ist außerhalb einer psychiatrischen Abteilung ist nicht ausreichend möglich Für die Auslegung dieses unbestimmten Gesetzesbegriffs psychischen Krankheit) sind in erster Linie die Regeln der medizinischen Wissenschaft und somit Erfahrungssätze maßgebend. (7 Ob 11/15s) Das Vorliegen einer Depression mit psychotischen Symptomen und Suizidalität ist als Störung mit Symptomen einer psychischen Krankheit und damit als psychische Krankheit isd 3 Z 1 UbG zu qualifizieren. Gravierender Grundrechtseingriff (EMRK;Recht auf persönliche Freiheit)
Vorrausetzungen der Unterbringung Zustimmung, Einweisung Unterbringung auf Verlangen im geschlossenen Bereich (kein gerichtliches Unterbringungsverfahren) Ab 14 Jahre Patient + Erziehungsberechtigter, eigenhändig schriftlich (ggw.abt.leiter) Volljährig einsichtsfähig: Patient schriftlich (ggw Abt.leiter) Unter 14 Jahre: Erziehungsberechtiger schriftlich (ggwt: Abt.leiter) Sachwalter: Patient + Sachwalter schriftlich (ggwt.abteilungsleiter) Erkrankungen: beispielsweise Organische und endogene Psychosen, Persönlichkeitsstörung, Neurosen Alkoholismus, Suchtgiftmissbrauch Anorexia nervosa, Suizidversuch aufgrund einer depressiven Erkrankung Ansonsten: Bescheinigung durch Amtsarzt, Polizeiarzt nach persönlicher Untersuchung ( Ankreuzen vorformulierter Gründe nicht ausreichend VwGH 27.11.2001, 2000/11/03209)
Wer muss zustimmen? Im allgemeinen :Einwilligung des Patienten Einwilligung bei Minderjährigen durch (einen)gesetzlichen Vertreter auch bei geteilter Obsorge ausreichend (4 Ob 87/08k) Einwilligung des Behinderten im Umfang der Einsichtsfähigkeit primär durch den Behinderten selbst ansonsten Sachwalter, wenn der Wirkungskreis die Besorgung dieser Angelegenheiten umfasst; Ist die Behandlung mit einer schweren nachhaltigen Beeinträchtigung verbunden reicht die Zustimmung des SW nur aus, wenn dritter Arzt die mangelnde Einsichtsfähigkeit des Betroffenen bestätigt ( 283 ABGB) Ansonsten: Zuständigkeit des Gerichtes Der SW kann genauso wenig wie ein Kollisionsberater dem Abbruch medizinischer lebenserhaltender Maßnahmen zustimmen; genauso scheidet eine gerichtliche Zustimmung aus (9Ob 68/11g); strenge Auslegung der Patientenverfügung
Gerichtliche Zuständigkeit Der unabweisbare Patient Untersuchung durch Abteilungsleiter - Unterbringung unabweisbarer Patienten (Verständigung des Patientenanwalts). Achtung mögliche Amtshaftungsfälle Im Fall der Nichtbehandlung des unabweisbaren Patienten z.b. infolge geschlossener Station Weiterverweisung: Zuständigkeit des örtlichen Bezirksgerichtes von Amtswegen. Mündliche Verhandlung in der Anstalt ; Beschluss in Anwesenheit des Kranken. Die Entscheidungsbefugnis des Gerichts beschränkt sich dabei auf den feststellenden Ausspruch über die Zulässigkeit der Unterbringung (7 Ob 197/15v)
Freiheitsbeschränkung während der Unterbringung 33UBG Definition der Freiheitbeschränkung Eine Freiheitsbeschränkung im Verständnis dieses Gesetzes liegt immer dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird und setzt nicht notwendigerweise die Anwendung physischen Zwangs voraus. Es genügt auch dessen Androhung. In solchen Fällen wird es also darauf ankommen, ob der Bewohner ungehindert von äußerem Zwang seinen Aufenthaltsort nach freiem Willen verlassen kann oder mit einem physischen Zugriff rechnen muss.... (Erläuternden Regierungsvorlage (353 BlgNR 22. GP 8 ff) Zulässig-überschießend Im Rahmen der Unterbringung erfolgt die Freiheitsbeschränkung nach 33 UbG möglich: auf einen Raum oder innerhalb eines Raumes ( 33 Abs 3 UbG) zulässig: zur Vermeidung von Eigengefährdung oder Fremdgefährdung unerlässlich: zur ärztlichen Betreuung und Behandlung, Wahrung der Verhältnismäßigkeit. unzulässig: zur Disziplinierung bzw. Bestrafung.
Medikamentöse Freiheitsbeschränkung Es ist gleich zu beurteilen, ob eine Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit durch physische Zwangsmittel wie Einsperren oder Festbinden des Patienten oder durch pharmakologische Beeinflussung erfolgt, die eine massive Beschränkung der Bewegungsfreiheit bezweckt. Auch stark sedierende Mittel haben zur Folge, dass der Patient nicht mehr in der Lage ist, sich nach seinem freien Willen örtlich zu verändern (RIS-Justiz RS0106974). Eine Freiheitsbeschränkung durch medikamentöse Mittel ist nur zu bejahen, wenn die Behandlung unmittelbar die Unterbindung des Bewegungsdrangs bezweckt, nicht jedoch bei unvermeidlichen bewegungsdämpfenden Nebenwirkungen, die sich bei der Verfolgung anderer therapeutischer Ziele ergeben könnte (RIS-Justiz RS0121227). Androhung von physischem Zwang Nach der Erläuternden Regierungsvorlage (353 BlgNR 22. GP 8 ff) umschreibt 3 HeimAufG den für die Anwendung des Gesetzes zentralen Begriff der Freiheitsbeschränkung:... Eine Freiheitsbeschränkung im Verständnis dieses Gesetzes liegt immer dann vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, ihren Aufenthalt nach ihrem freien Willen zu verändern. Dabei ist zunächst die Beschränkung der Bewegungsfreiheit auf einen bestimmten räumlich abgegrenzten Bereich wesentlich.... Neben der Allseitigkeit der Beschränkung ist die Unterbindung persönlicher Ortsveränderungen mit physischen Mitteln ein zentrales Kriterium.... Eine Freiheitsbeschränkung setzt nicht notwendigerweise die Anwendung physischen Zwangs voraus. Es genügt auch dessen Androhung. Der Begriff der Androhung ist im spezifischen Konnex der Pflege oder Betreuung des Betroffenen zu verstehen. Es ist nicht erforderlich, dass ihm von der anordnungsbefugten Person oder anderen Bediensteten konkret mit freiheitsentziehenden Maßnahmen 'gedroht' wird. Vielmehr reicht es aus, wenn er aus dem Gesamtbild des Geschehens den Eindruck gewinnen muss, dass er den Aufenthaltsort nicht mehr verlassen kann.... In solchen Fällen wird es also darauf ankommen, ob der Bewohner ungehindert von äußerem Zwang seinen Aufenthaltsort nach freiem Willen verlassen kann oder mit einem physischen Zugriff rechnen muss.
Fall 1: unzulässige FB Im vorliegenden Fall ordnete die Ärztin ( 5 Abs 1 Z 1 HeimAufG) die Freiheitsbeschränkung des Hinderns des Bewohners am Verlassen eines Bereichs mittels Androhung/Anordnung des Zurückhaltens durch Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes an. Die Gesundheits- und Krankenpflegeberufe dürfen nur nach Maßgabe des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG) ausgeübt werden. Die Pflegeberufe nach dem GuKG dienen vorrangig der Unterstützung der ärztlichen Tätigkeit und damit der Pflege von Personen, die medizinischer Hilfe bedürfen (RIS-Justiz RS0115067). Ein privater Sicherheitsdienst fällt nicht darunter. Eine Notfallsituation (eine aktuelle oder unmittelbar drohende Gefährdung von notwehrfähigen Rechtsgütern wie unter anderem Leib, Leben und Gesundheit), die in dieser Ausnahmesituation einen Rechtfertigungsgrund für jedermann, also auch hinsichtlich des Einschreitens der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes darstellen könnte ( 19 ABGB, 3 StGB), wurde nicht festgestellt, sodass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen. E des OGH 7Ob139/14p Fall 2: zulässige FB Es steht fest, dass der Kranke sich bespitzelt fühlt und subjektiv meint, dass der Geheimdienst danach trachtet, ihn zu beeinflussen. Dieser subjektiv erlebte Zustand einer ernsten Bedrohung lässt auf eine potentielle Fremdgefährdung mit ernsten und erheblichen Verletzungsfolgen schließen. Es ist nicht voraussehbar, wann und unter welchen Umständen der Kranke einen Dritten als massive Bedrohung ansieht und gegen ihn in vermeintlicher Notwehr Aggressionshandlungen setzt. Dies bedeutet auch eine Selbstgefährdung. Es ist auch dann eine Fremdgefährdung zu bejahen ist, wenn der Kranke zwar noch keine gefährdenden Handlungen gesetzt hat, aber eine derart massive Erkrankung vorliegt, bei der auf Grund der subjektiven Wahrnehmung jederzeit schwerwiegende Verletzungen zu befürchten sind. Die Unterbringung des Kranken war daher zulässig. E des OGH 7Ob202/13a
Fall 3: unzulässige FB In der Aufnahmesituation war der Kranke dysphorisch, im Affekt inkontinent und überschießend, im Duktus nicht kohärent und nicht zielführend. Er schrie, tobte und schimpfte. Er wurde im Bett vier-punkt-fixiert, wobei Mitarbeiter des im Krankenhaus tätigen Sicherheitsdienstes assistierten, indem sie den Kranken zumindest festhielten, während das Krankenhauspersonal die Gurten zur Fixierung anlegte Das Anlegung einer Vier-Punkt-Fixierung dient der Ermöglichung medizinischer oder pflegerischer Maßnahmen. Das vorangehende Festhalten des Kranken ist nicht anders zu beurteilen. Es gehört bereits zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege. Es besteht das gleiche Schutzbedürfnis wie bei anderen Pflegemaßnahmen. Damit ist bereits das Festhalten als eine Pflegehandlung dem Pflegepersonal nach den oben dargelegten gesetzlichen Regelungen vorbehalten. Die Maßnahme nach 33 UbG war daher unzulässig. E des OGH 7Ob119/14x Fall 4: zulässig nicht erfolgte weitere FB Der Sohn der Klägerin, der litt unter wegen paranioder Schizophrenie eingeliefert und behandelt. Ihm wurde freier Ausgang gewährt.- Er kam vorerst verlässlich von seinen Ausgängen zurück. Zuletzt jedoch entwich er (entweder anlässlich des Ausgangs oder von der Station) und warf sich vor die U-bahn. Die Klägerin begehrte (Amtshaftung) Schmerzensgeld: In der medizinischen Fachliteratur wird zwar ausgeführt, dass Entweichungen in der offen geführten Akut-Psychiatrie - wie hier in der Krankenanstalt der Beklagten - häufiger sind als in der geschlossenen Variante. Zudem erscheint es im geschlossenen Bereich auch besser möglich zu verhindern, dass es zu einem suizidalen Verhalten kommt (Jelem/Stuppäck aao 53 f). Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wäre zur (gemeint offenbar: sicheren) Hintanhaltung der Selbst- und Fremdgefährdung im Zuge der Unterbringung das Verhindern des Verlassens der Krankenanstalt erforderlich gewesen. Dazu ist darauf zu verweisen, dass das UbG für die erforderliche Anhaltung keine ausdrückliche Zwangsermächtigung enthält. Eine solche ist jedoch aus dem systematischen Kontext mehrerer Bestimmungen des UbG als unverzichtbares Erfordernis seiner Vollziehung abzuleiten. Im Hinblick auf die anzustrebende Wiederherstellung der Freiheit und die dargelegte Subsidiarität der Freiheitsbeschränkung (oben 6. und 5.) ergibt sich daraus aber keine Verpflichtung zu einer ein Entweichen mit Sicherheit ausschließenden Verwahrung (1 Ob 109/13f).
Unterbringungsverfahren - Überprüfungsmöglcihkeiten Zustimmung des Patienten Soweit der Kranke einsichts- und urteilsfähig ist, darf er nicht gegen seinen Willen behandelt werden; eine medizinische Behandlung, die gewöhnlich mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden ist (besondere Heilbehandlung), darf nur mit seiner schriftlichen Zustimmung durchgeführt werden ( 36 Abs 1 UbG). Die Wortfolge nicht gegen den Willen bedeutet, dass eine ausdrückliche oder schlüssige Zustimmung des einsichts- oder urteilsfähigen Kranken zur Heilbehandlung vorliegen muss. soll es nach dem Willen des Gesetzgebers im Anwendungsbereich des 36 Abs 1 und Abs 2 UbG abgesehen von Notfällen im Sinn des 37 UbG gar keine konsenslosen Behandlungen geben. Wird jedoch - unzulässigerweise - ohne besondere Dringlichkeit und Notwendigkeit im Sinn des 37 UbG eine konsenslose Behandlung an einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten oder an einem anderen Patienten mit einem kompetenten Vertreter vorgenommen, so soll - ohne dass dies ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden müsste - dem Unterbringungsgericht (wie schon bisher) weiterhin die Kompetenz zukommen, diese Zwangsbehandlung auf Antrag für rechtswidrig zu erklären (ErläutRV 601 BlgNR 24. GP, 18). E des OGH 7Ob168/15d Heilbehandlung:Überprüfung im Unterbringunsgverfahren Der Begriff Heilbehandlung umfasst nicht nur unmittelbar therapeutische, sondern auch diagnostische und physikalische Maßnahmen, wie etwa eine Blutabnahme. Die Wortfolge nicht gegen den Willen in 36 UbG bedeutet, dass eine ausdrückliche oder schlüssige Zustimmung des einsichts- oder urteilsfähigen Kranken zur Heilbehandlung vorliegen muss. Es sind weder psychiatrische Behandlungen noch Behandlungen der psychiatrischen Anlasskrankheit vom Unterbringungsgericht im Verfahren nach 35 ff UbG zu überprüfen Auch die nachträgliche Prüfung der Zulässigkeit der Heilbehandlung ist auf die Frage der Zustimmung zur gewählten Behandlung beschränkt. E Ob 168/15d
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