Die Lohnlücke wie wird sie ermittelt und was steckt dahinter? Forum Equal Pay Day 19. Dezember 2011, Nürnberg Martin Beck Statistisches Bundesamt
Gliederung Messung der unbereinigten Lohnlücke (= Gender Pay Gap bzw. Verdienstunterschied) Istzustand: nationaler und internationaler Vergleich der der unbereinigten Lohnlücke Schätzung der bereinigten Lohnlücke Ursachen der Lohnlücke Maßnahmen und deren Erfolgschancen Folie 2
Messung der unbereinigten Lohnlücke Folie 3
Differenz des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes der Männer und der Frauen dividiert durch den durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer Folie 4
Istzustand Folie 5
Unbereinigte Lohnlücke 2010: 23 % Folie 6
30 Entwicklung der unbereinigten Lohnlücke in Deutschland 25 20 15 10 Ziel 2010: 15 % Ziel 2020: 10 % 5 0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Kaum Veränderungen in den letzten 15 Jahren! Die Ziele der Bundesregierung sind ehrgeizig. Folie 7
EU-Vergleich 2009: EU-Durchschnitt: 17 % Deutschland: Rang 24 Kaum Veränderungen in Europa Folie 8
Erstes Zwischenfazit: Langsame/langfristige Veränderungsprozesse Folie 9
Schätzung der bereinigten Lohnlücke Folie 10
Ziele: Schätzung der Höhe der bereinigten Lohnlücke Identifizierung von Ursachen der Lohnlücke Voraussetzungen: Theorie der Lohnfindung Statistisches Schätzmodell Adäquate Daten Maßstäbe für die Bewertung der Ergebnisse Folie 11
Datenquelle Statistisches Bundesamt Verdienststrukturerhebung 2006 Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Sozio-ökonomisches Panel (SOEP) 2008 Auskunftspflicht ja nein Befragte Arbeitgeber Beschäftigte Stichprobengröße 3,1 Mio. Beschäftigte ca. 9000 Beschäftigte Statistisches Schätzmodell Regressionsanalyse zur Schätzung von Lohnfunktionen; Oaxaca- Blinder-Dekomposition Regressionsanalyse zur Schätzung von Lohnfunktionen; Oaxaca- Blinder-Dekomposition Folie 12
Regression: erklärende Variablen persönliche Merkmale Ausbildungsabschluss potenzielle Berufserfahrung arbeitsplatzbezogene Merkmale Art des Arbeitsvertrags (befristet/unbefristet) Beschäftigungsumfang (Vollzeit/Teilzeit) Berufsgruppen Branchen Leistungsgruppen Unternehmenszugehörigkeit Unternehmensgröße Zulagen für Schicht-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit (ja/nein) Tarifbindung (ja/nein) Altersteilzeit (ja/nein) Einfluss der öffentlichen Hand Region (Ost-/Westwestdeutschland) Ballungsraum (ja/nein) Folie 13
Oaxaca-Blinder-Dekomposition: Ansatz Schätzung von Verdienstfunktionen für Männer und Frauen auf Basis einer ökonomischen Theorie der Lohnfindung Differenzbildung Zerlegung der Differenz in Ausstattungs- und Gruppeneffekt Ausstattungseffekt: Für die Lohnfindung relevante Eigenschaften sind bei Frauen und Männern in unterschiedlichem Ausmaß vorhanden. Dies rechtfertigt Verdienstunterschiede. => erklärter Anteil der unbereinigten Lohnlücke Gruppeneffekt: Bei identischer Ausstattung von Männern und Frauen mit für die Lohnfindung relevanten Eigenschaften werden diese bei Frauen niedriger entlohnt. Hinweis auf Diskriminierung(?) => bereinigte Lohnlücke => unerklärter Anteil der unbereinigten Lohnlücke Folie 14
Oaxaca-Blinder-Dekomposition: Ergebnisse I Statistisches Bundesamt Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Unbereinigte Lohnlücke 23 % 29 % Erklärter Anteil 15 %-Punkte 16 %-Punkte Bereinigte Lohnlücke 8 % 13 % Folie 15
Exkurs: Logib-D und Statistik persönliche Merkmale Ausbildungsabschluss potenzielle Berufserfahrung Rot: explizit in Logib-D einbezogene Mekmale Grün: implizit in Logib-D einbezogene Merkmale, da in einzelnen Betrieben für alle Beschäftigten gleich arbeitsplatzbezogene Merkmale Art des Arbeitsvertrags (befristet/unbefristet) Beschäftigungsumfang (Vollzeit/Teilzeit) Berufsgruppen Branchen Leistungsgruppen Unternehmenszugehörigkeit Unternehmensgröße Zulagen für Schicht-, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit (ja/nein) Tarifbindung (ja/nein) Altersteilzeit (ja/nein) Einfluss der öffentlichen Hand Region (Ost-/Westwestdeutschland) Ballungsraum (ja/nein) Folie 16
Ursachen der Lohnlücke Folie 17
Oaxaca-Blinder-Dekomposition: Ergebnisse II BSV in EUR 20 Ø BSV Männer Ø BSV Frauen 18 16 14 12 17,99 13,91 "unerklärter Rest" = bereinigte Lohnlücke Bildung und Berufserfahrung sonstige Arbeitsplatzfaktoren 10 geringfügige Beschäftigung 8 Berufs- und Branchenwahl 6 4 Leistungsgruppe 2 0 Männer Frauen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Strub et al. (2008) Folie 18
Frauen in höheren Positionen unterrepräsentiert 100 90 80 70 12,5 23,3 LG1: in leitender Stellung LG2: Berufsausbildung, komplexe Tätigkeiten 7,4 20,5 60 50 40 42,2 LG3: abgeschlossene Berufsausbildung 44,1 30 20 10 0 16,2 5,9 Männer LG4: angelernte Arbeitnehmer LG5: ungelernte Arbeitnehmer 16,7 11,2 Frauen Folie 19
Oaxaca-Blinder-Dekomposition: fehlende Variablen Nicht alle die Lohnhöhe determinierenden Variablen konnten explizit in das Modell einbezogen werden. U.a. fehlen: Erwerbsunterbrechungen, insbesondere wegen der Geburt eines Kindes Deren Effekt soll nachfolgend noch einmal aufgegriffen werden. Folie 20
Unbereinigte Lohnlücke nach dem Alter 24 Jahre und jünger 2,0 Lohnlücke insgesamt 25 bis 29 Jahre 8,5 30 bis 34 Jahre 14,2 35 bis 39 Jahre 21,2 40 bis 44 Jahre 45 bis 49 Jahre 50 bis 54 Jahre 55 bis 59 Jahre 60 Jahre und älter 25,6 26,4 27,1 29,1 29,5 0 5 10 15 20 25 30 35 % Folie 21
Geringe Steigerung des Stundenverdienstes von Frauen ab 30 Euro 25 20 15,93 19,94 20,37 23,29 Männer Frauen 15 15,11 14,80 16,19 10 14,29 5 Durchschnittliches Alter von Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes: 30,1 0 20 25 30 35 40 45 50 55 60 Alter in Jahren Folie 22
Maßnahmen und deren Erfolgschancen Folie 23
Wie stark und schnell müssten Maßnahmen wirken? Grobe Überschlagsrechnung I: Unterschiedliche Verdienststeigerungen bei Männern und Frauen Zielsetzung für 2020: Lohnlücke soll sein 10 % (Nachhaltigkeitsziel der Bundesregierung 15 % ( erklärter Teil der unbereinigten Lohnlücke) Die durchschnittlichen Bruttostundenverdienste müssten jährlich um 1,6 %-Punkte (1,0%-Punkte) stärker steigen als die der Männer. Folie 24
Wie stark und schnell müssten Maßnahmen wirken? Grobe Überschlagsrechnung II: Ausschließlich demographische Effekte Annahmen zur Entwicklung bis 2020: Die 25 % ältesten Beschäftigten mit einer unbereinigten Lohnlücke von knapp 30 % scheiden aus dem Erwerbsleben aus. Für die verbleibenden 75 % der Beschäftigten ändert sich die unbereinigte Lohnlücke nicht. Bei den 25 % neu in den Arbeitsmarkt eintretenden Beschäftigen ist die unbereinigte Lohnlücke 0 %. Ergebnis: Die unbereinigte Lohnlücke läge 2020 bei 16 %. Folie 25
Ansatzpunkte für Maßnahmen Langfristige Veränderungsprozesse Schnelle Erfolge sind nicht zu erwarten Identifizierte Ansatzpunkte für (politische) Maßnahmen: Leistungsgruppe => Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen => Frauenquoten? Berufs- und Branchenwahl Bildung (einschl. Ausnutzung erworbener Qualifikationen) Erwerbsunterbrechungen Folie 26
Warnung vor der Statistik Die Lohnlücke ist als Indikator nicht eindeutig. Sie sinkt auch dann, wenn z.b. unterdurchschnittlich verdienende Frauen aus dem Arbeitsleben ausscheiden, z.b. wegen Arbeitslosigkeit. unterdurchschnittlich verdienende Männer einen Arbeitsplatz finden, ohne das sich die Situation der Frauen verändert. Bei künftigen Veröffentlichungen zur Lohnlücke sollten daher die Datennutzer/innen immer die Ursachen einer Veränderung hinterfragen. Außerdem wichtig: Zuverlässigkeit der Stichprobe! Stichprobenumfang Adäquate Auswahl Folie 27
Martin Beck Telefon: 0611 / 75 4460 E-Mail: martin.beck@destatis.de http://www.destatis.de Navigationshinweis: Menüpunkt Themen => Verdienste und Arbeitskosten => Verdienstunterschiede von Männern und Frauen