EINLEITUNG VORTRÄGE. Tagungsdokumentation 8.1.2014 2



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Transkript:

VERANSTALTUNGSDOKUMENTATION Der Widerspenstigen Zähmung? EU-Finanzmarktregulierung seit der Krise Karin Küblböck 8. Jänner 2014

EINLEITUNG Die Finanzkrise 2007/2008 hat gravierende Schwachstellen in der Gestaltung des internationalen Finanzsystems offengelegt. In den Folgejahren mangelte es nicht an viel versprechenden Ankündigungen, Finanzmärkte und Bankensystem substanziell zu re-regulieren. Auf globaler und auf EU-Ebene wurden zahlreiche Prozesse für eine verbesserte Banken- und Finanzmarktaufsicht sowie eine verstärkte Kontrolle von AkteurInnen und Finanzprodukten in Gang gesetzt. Die Veranstaltung beschäftigte sich mit den Regulierungen, die in den letzten Jahren auf EU-Ebene beschlossen wurden und ihren potenziellen Auswirkungen. VORTRÄGE Peter Wahl, WEED, gab in seinem Einführungsvortrag einen Überblick und eine Einschätzung über die EU-Reformagenda und nannte Gründe für die von ihm diagnostizierte Reformschwäche. Er illustrierte den Prozess der EU-Finanzmarktregulierung anhand der Diskussionen rund um die Finanztransaktionssteuer (FTT). 1. Seit 2011 gibt es eine neue europäische Finanzaufsichtsstruktur in Form von vier neuen Institutionen (Banken- Wertpapier- Versicherungsaufsicht und Ausschuss für Systemrisiken) die in verschiedenen Mitgliedsstaaten (London, Paris, Frankfurt) angesiedelt sind. Durch die Beschlüsse zur Bankenunion gibt es auch grundlegende Veränderungen, so wird die Europäische Zentralbank (EZB) nun zur Aufseherin der 130 größten Banken der Eurozone. Gerade in Verhandlung sind neue Regeln für Banken und die verschiedenen Elemente der Bankenunion (siehe Referat Miriam Broucek). 2. Verordnung zu Rating-Agenturen (RA): RA zeichneten sich in der Vergangenheit durch eine sehr geringe Treffsicherheit ihrer Einschätzungen aus. Zudem gibt es eine starke Konzentration, im Wesentlichen drei Agenturen, die von den Auftraggebern finanziert werden. RA haben u.a. durch ihre Einstufung von toxischen Papieren als vertrauenswürdig zur Entstehung der Finanzkrise beigetragen. Ursprünglich gab es weit reichende Ideen für die Regulierung dieser Institutionen die tatsächlich beschlossenen Reformen beschränken sich jedoch auf Maßnahmen in Richtung mehr Transparenz und der Beschränkung von Interessenskonflikten zwischen Auftraggebern und Ratingagenturen. Grundprobleme bzgl. der verwendeten Modelle und der prozyklischen Effekte wurden nicht angegangen. 3. Auch die Regulierung von Hedgefonds beschränkt sich auf die Herstellung von etwas mehr Transparenz und ist laut Peter Wahl sehr unambitioniert. 4. Eine Deckelung von Boni wird gerade verhandelt, etliches ist hier auf nationaler Ebene schon passiert. 5. In Diskussion steht immer wieder eine bessere Regulierung von Shadow Banking sowie die Einführung eines Trennbankensystems. Dieses wurde vom Chef der finnischen Zentralbank vorgeschlagen nach Vorbild des US-amerikanischen Glass Steagall Acts (http://www.finance-watch.org/informieren/blog/640-aus-der-geschichte-lernen-ivtrennbankensystem-2?lang=de) 6. Eine positive Maßnahme war, dass Leerverkäufe von Credit Default Swaps (um auf Schuldenausfall zu spekulieren), verboten wurden. 7. Die Market in Financial Instruments Directive (MIFID), die sich auch auf OTC-Derivate bezieht, war zum Zeitpunkt des Referats noch in Verhandlung (siehe Referat Karin Küblböck). 8. Interessant ist, dass Binnenmarkt-Kommissar Barnier seinen Beamten im Dezember 2013 Treffen mit Lobbyisten untersagt hat. Tagungsdokumentation 8.1.2014 2

Der Prozess der Finanzmarktregulierung und insgesamt Krisenbekämpfung zeigt, dass die aktuellen europäischen Entscheidungsmechanismen ungeeignet und langwierig sind, um diesen Situationen zu begegnen. Die bisherige Bilanz der Regulierung: Es gibt viele und geschäftige Aktivitäten, sie sind allerdings zu wenig, zu langsam, zu spät, unsystematisch, oft mit zu geringen Effekten. Gründe, warum man bisher nicht weitergekommen sei: Regulierung reduziert sich zum Großteil auf Stabilitätsfragen, es bräuchte aber nicht nur Maßnahmen, um das Kasino für die Spieler sicherer zu machen sondern um das Kasino zu schließen Es gab keine Korrektur der theoretischen Grundlagen, Personal ist gleich geblieben, z.b. haben die fünf führenden Wirtschaftsinstitute in Deutschland die Regierung vor einer Einführung der FTT vehement gewarnt dieselben Professoren sind weiter im Amt selbstkritische Auseinandersetzung hat nicht stattgefunden. Die Finanzkrise ist in eine Krise der öffentlichen Finanzen übergegangen, es kam zu einem Absorptionseffekt und einer Ablenkung von der Finanzkrise und ihren Ursachen. Es gibt eine massive Blockade durch die Finanzlobby, keinen Bruch zwischen Politik und Finanzelite und eine Selbstentmachtung der Politik, u.a. durch die Abhängigkeit der öffentlichen Finanzen von internationalen Finanzmärkten Die Mehrebenen-Governanz der EU ist überfordert mit der Komplexität der Krisenlösung. Peter Wahl ging genauer auf das Fallbeispiel der Finanztransaktionssteuer (FTT) ein. Die FTT ist ein zentrales Projekt der Zivilgesellschaft und ist Symbol einer politischen Auseinandersetzung geworden. Nachdem klar wurde, dass die FTT auf globaler Ebene nicht durchsetzbar war, und auch aufgrund des Widerstands einiger EU-Mitgliedsländer auf Gesamt- EU-Ebene nicht umzusetzen war, haben sich nun 11 europäische Länder im Rahmen der enhanced cooperation dazu entschlossen, die Steuer regional einzuführen. Die EU-Kommission zählt nach anfänglicher Skepsis zu den Befürwortern der FTT (auf Druck von Frankreich und Deutschland). Großbritannien und Luxemburg zählen u.a. zu den Gegnern, Großbritannien klagt sogar vor dem EUGH gegen die Einführung der Steuer. Im aktuellen Entwurf der Kommission ist die Steuerbasis sehr breit und inkludiert Aktien, Anleihen und alle Derivate. Derzeit vorgeschlagener Steuersatz: 0,1 % für Aktien, Anleihen und 0,01 % für Derivate. Nach diesem Vorschlag soll jede Transaktion besteuert werden und sowohl Käufer als auch Verkäufer jeweils den Steuersatz zahlen. Die Kommission erwartet 30-35 Mrd an Einnahmen, auch die Regulierungsfunktion wird explizit erwähnt. Zudem gibt es zwei interessante Vorschläge gegen Steuerhinterziehung, die weit über die Bedeutung dieser Steuer hinausgehen: Herkunftsprinzip: Eine Bank mit juristischem Sitz in einem der 11 Länder ist steuerpflichtig, auch wenn sie ein Handelsgeschäft in einem nicht FTT-Gebiet und mit einem nicht aus dem Gebiet stammenden Akteur tätigt. Wenn etwa BNP Paribas mit Goldman Sachs eine Aktientransaktion abwickelt, müsste BNP Paribas auch den Anteil von Goldman Sachs mit übernehmen und somit 2.000 (in diesem Fall an den französischen Fiskus) zahlen. Wenn beide Handelspartner ihren Sitz im FTT-Gebiet haben, bekommen die jeweiligen Staaten jeweils 1.000. Es gibt also erstmals ein Prinzip der Extraterritorialität. Ausgabeprinzip: Wenn ein Wertpapier das in der Zone ausgegeben wurde, gehandelt wird, fällt egal wer diese handelt und wo dies passiert die an Wenn beispielsweise HSBC Singapur Volkswagenaktien von 1 Mio an Goldman Sachs verkauft, fällt die Steuer an, wenn eine OMV-Aktie auf dem Mond gehandelt wird, ist dies steuerpflichtig. Tagungsdokumentation 8.1.2014 3

Diese Prinzipien sind auch weit über die FTT hinaus richtungsweisend und daraus könnten wichtige Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung auf globaler Ebene abgeleitet werden. Es zeigt sich dadurch weiters, dass, wo ein Wille ist, auch ein Weg ist. Weiterer Prozess: Im Frühjahr 2013 kam es zu einer Gegenoffensive im Mai erschien eine Studie von Goldman & Sachs nach der die 24 größten Banken durch die FTT 90 % ihrer Renditen verlieren würden. Verschiedene Banken übten dann mit dieser Studie Druck auf Politiker aus und konnten diese auch z.t. dazu mobilisieren, gegen die Steuer aufzutreten. Zudem kam es in Frankreich zu einer politischen Änderung: Ursprünglich war der französische Budgetminister Cahuzac zuständig. Er war kein besonderer Befürworter aber auch kein Gegner der FTT. Nachdem er aber im Frühjahr 2013 über eine Korruptionsaffaire gestolpert war und zurücktreten musste, ging die Kompetenz auf Finanzminister Moscovici über, der immer schon ein Gegner der FTT gewesen war. D.h. eine wesentliche Frage ist aktuell, wie sich Frankreich verhalten wird. In der Zwischenzeit gibt es ein Rechtsgutachten des Rates, das besagt, dass ein Aspekt der aktuellen Fassung der FTT mit dem Völkerrecht nicht vereinbar ist (Extraterritorialprinzip). Danach erschien allerdings ein Rechtsgutachten der Kommission, das das Gegenteil besagt. Miriam Broucek, Finanzmarktaufsicht (FMA), ging in ihrem Kommentar auf die neu geschaffenen Institutionen des Systems der Europäischen Finanzaufsicht (ESFS) sowie auf die Pläne zur Bankenunion ein. Anfang 2014 ist in der EU Basel III in Kraft getreten, die EU sieht neben einer Richtlinie eine Maximalharmonisierung in Form einer direkt anwendbaren Verordnung vor. Die Gesetze kommen daher zu einer Mehrheit aus Europa und lassen nicht viel Spielraum für den nationalen Gesetzgeber. Eine entsprechende Neuverfassung des Bankwesensgesetzes war notwendig. Die neuen Regeln schreiben erhöhte Anforderungen an Eigenkapital und Liquidität, die Einführung einer Leverage Ratio sowie Kapitalpuffer vor. Bonibegrenzungen sind durch Vergütungsregeln bereits seit der Capital Requirement Directive III im Jahr 2011 eingeführt. Derzeit gibt es intensive Diskussionen um die Einführung der Bankenunion, da nationale Aufsichtsbehörden grenzüberschreitende Banken nur ungenügend beaufsichtigen können. Die Bankenunion hat auch das Ziel, den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu brechen. In den kommenden Jahren wird über Maßnahmen zu Konsumentenschutz, über einen Mechanismus zur Bankenabwicklung, und der Reform des Einlagensicherungssystems verhandelt werden. Karin Küblböck, ÖFSE stellte die ersten Ergebnisse des ÖFSE-Forschungsprojekts Financial markets and the commodity price boom den aktuellen EU-Regulierungen in diesem Bereich gegenüber. Ziel des ersten Teil des Forschungsprojekt war es, zu untersuchen, welche Rolle Finanzinvestoren bei dem starken Anstieg und den Schwankungen von Rohstoffpreisen seit den 2000er-Jahren gespielt haben. Zwischen 2003 und 2013 haben sich die Mittel von Finanzinvestoren auf Rohstoffderivatmärkten von 13 Mrd auf 430 Mrd US $ verdreiunddreißigfacht. Die umfangreichen ÖFSE-Untersuchungen ergeben, dass Finanzinvestoren, insbesondere die Kategorie der Money Manager einen wesentlichen Einfluss auf die Preisentwicklung haben und sich die Grenzen zwischen verschiedenen Händlergruppen immer mehr vermischen. Die eben beschlossene MIFID-Richtlinie reguliert auch Rohstoffderivatmärkte. Sie sieht einerseits die Gründung neuer Handelsplattformen vor, womit bestimmte Geschäfte nicht mehr Over the Counter sondern auf diese Plattformen übergeleitet werden sollen. Die Richtlinie sieht außerdem höhere Transparenz und Berichtspflichten vor. Sie etabliert zudem auch Positionsobergrenzen für Händler. Auch wenn die Richtlinie ein wichtiger Schritt ist, hat sie Tagungsdokumentation 8.1.2014 4

etliche Schlupflöcher und Ausnahmebestimmungen und es wird maßgeblich an der konkreten Umsetzungsgesetzgebung liegen, wie wirksam die Richtlinie sein wird. Um eine substanzielle Änderung zu erreichen, bräuchte es weitergehende Maßnahmen, wie etwa die Einführung einer mehrstufigen Finanztransaktionssteuer, Positionsgrenzen für Händlergruppen (nicht nur für einzelne Händler) sowie ein Verbot von verschiedenen Instrumenten und Handelsstrategien. DISKUSSION Die Diskussion im Anschluss an die Vorträge drehte sich einerseits um Fragen von Einfluss und Möglichkeiten für Engagement von Seiten einzelner Personen sowie der Zivilgesellschaft. Von Seiten der ReferentInnen wurden hier einerseits die Europawahlen sowie auch das Engagement bei bzw. die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Organisationen genannt, die sich für eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte einsetzen. Des weiteren wurde über die Frage diskutiert, inwieweit bestehende Regeln nur dazu dienen, das Finanzsystem stabiler zu machen oder auch, um es auch wieder in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Als Antwort wurde als Kriterium für sinnvolle Reformen genannt, ob diese dazu beitragen, Kräfteverhältnisse zugunsten einer emanzipatorischen Umgestaltung des Finanzsystems zu verändern und somit Macht und Einfluss von Finanzakteuren zu reduzieren. Soweit dieses zutrifft, auch wenn es kleine Schritte sind, sei dies zu unterstützen (wie z.b. FTT). Es müsse auch zu Schrumpfungsprozessen kommen. Bei der Frage von Verboten und Einschränkungen gab es die Einschätzung, dass diese in verschiedenen Bereichen nötig sind, aber demokratisch legitimiert sein müssen. Beispiele wie Zypern zeigen, dass etwa Kapitalverkehrskontrollen durchaus möglich sind, wenn der politische Wille vorhanden ist. Hintergehungsmöglichkeiten von Steuern dürfen kein Argument sein, um diese nicht einzuführen, sondern um Schlupflöcher zu schließen. Das Trennbankensystem/Likkanen Report wurde als grundsätzlich gute Idee bezeichnet, allerdings gibt es noch große Fragen bgzl. der technischen (und politischen) Umsetzbarkeit. Die Kampagne der Caritas Österreich gegen Nahrungsmittelspekulation wurde vorgestellt und es wurde betont, dass Druck und Information von Seiten der Zivilgesellschaft sehr wichtig waren und weiterhin sind. Zudem wurde diskutiert, dass es wichtig sei, dass Stellungnahmen zu neuen Regulierungen nicht nur von Vertretern des Finanzsektors kommen, sondern vermehrt von NGOs, Konsumentenschutzorganisationen, etc. Die Stimmen der NGOs seien bei öffentlichen Institutionen durchaus willkommen. Den Abschluss bildete ein Gedankenexperiment: Wenn all die kreative Energie von AbgängerInnen diverser Eliteuniversitäten statt in den Finanzsektor in andere Bereiche flöße, in das Nachdenken darüber, was unsere heutige Gesellschaft an Innovationen benötigt, um sozialer und ökologischer zu werden, könnte vermutlich viel bewegt werden. Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter: http://www.oefse.at/veranstaltungen.htm Tagungsdokumentation 8.1.2014 5