E 111 Grundzüge des Unterhaltsrechts Ehepartner sind sich gegenseitig zum Unterhalt verpflichtet. Das Gesetz unterscheidet drei verschiedene gesetzliche Unterhaltsschuldverhältnisse, und zwar: Familienunterhalt ( 1360 ff. BGB) Beide Ehepartner sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie, also den anderen Partner und die gemeinsamen Kinder, angemessen zu unterhalten. Da diese wechselseitigen Unterhaltsverpflichtungen während der Dauer der häuslichen Gemeinschaft bestehen, sind sie selten Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Trennungsunterhalt ( 1361 BGB) Leben die Ehepartner voneinander getrennt, so kann ein Ehepartner von dem anderen nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen angemessenen Unterhalt verlangen. Der Trennungsunterhalt umfasst den Zeitraum von der tatsächlichen Trennung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Scheidungsverfahrens. Die ehelichen Lebensverhältnisse sollen während der Trennungszeit fortgeschrieben werden, um es beiden Partnern zu ermöglichen, die Trennung rückgängig zu machen und die Ehe weiterzuführen. Dauert die Trennung lange an, so überwiegt die wirtschaftliche Eigenverantwortung der Partner, wie sie nach der Scheidung gilt. Nachehelicher Unterhalt ( 1569 ff. BGB) Nach rechtskräftigem Abschluss des Scheidungsverfahrens gilt das Prinzip der wirtschaftlichen Eigenverantwortung der geschiedenen Eheleute: beiden Parteien obliegt es, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Ein Unterhaltsanspruch besteht nur dann, wenn der Ehepartner sich selbst nicht unterhalten kann, weil er: gemeinschaftliche Kinder pflegt oder erzieht, 1570 BGB oder wegen seines Alters keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen bracht, 1571 BGB, oder weil wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwächen seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, 1572 BGB, oder weil er keine angemessene Erwerbstätigkeit findet, 1573 f. BGB, oder weil er eine Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung absolviert, 1575 BGB, oder
2 aus Billigkeitsgründen, 1576 BGB. Der Verwandtenunterhalt ( 1601 ff. BGB) regelt insbesondere den Unterhalt von Kindern gegen ihre Eltern und umgekehrt. Die Mutter des nichtehelichen Kindes hat gegen den Vater des Kindes einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach 1615 BGB. Der Bedarf des Unterhaltsgläubigers Die Frage, wie viel Unterhalt jemand benötigt, beurteilt sich danach, welche Art Unterhalt begehrt wird. Der Bedarf des Ehepartners orientiert sich danach, wie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt waren: zu ermitteln ist, was die Eheleute während der Dauer ihres Zusammenlebens zu Konsumzwecken einerseits und zur Vermögensbildung andererseits verwendet haben. Der Unterhaltsanspruch setzt sich zusammen aus dem: Elementarunterhalt ( 1361 Abs. 1 S. 1 BGB) Krankenvorsorgeunterhalt ( 1578 Abs. 2 BGB analog) Altersvorsorgeunterhalt ( 1361 Abs. 1 S. 2 BGB) Sonderbedarf ( 1361 Abs. 4 S. 3, 1360 a Abs. 3, 1613 Abs. 2 BGB) ausbildungsbedingten Mehrbedarf ( 1578 Abs. 2 BGB analog) trennungsbedingten Mehrbedarf. Der Elementarunterhalt umfasst die Aufwendungen für das tägliche Leben. Sind die ehelichen Lebensverhältnisse von überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen geprägt, so richtet sich der eheliche Bedarf nicht nach einer Quote, sondern ist konkret aufzuzeigen und nachzuweisen.
3 Checkliste zur Ermittlung des konkreten Bedarfs des Unterhaltsberechtigten: Wohnkosten inkl. Nebenkosten: Ernährung: Kleidung: Telefon/Handy: Haushaltshilfe (Gärtner, Hausmeister, Fensterputzer): Kraftfahrzeug (Benzin, Versicherung, Steuern, Reparatur, Rücklage für Ersatzbeschaffung): Versicherungsbeiträge (Hausrat, Haftpflicht, Krankenvorsorge, Altersvorsorge): Kosmetika, Friseur, Massage: Tierhaltungskosten: Arzt- und Therapiekosten (Psychotherapie): Hobbies (Reiten, Tennis, Golf, Bridge, Theater, Literatur, sonstige Veranstaltungen): Urlaub: Unterjährige Geschenke: Der Krankenvorsorgebedarf umfasst die Kosten der Krankenversicherung in dem Umfang, wie er während der Dauer des Zusammenlebens gewesen ist. Der Altersvorsorgeunterhalt umfasst den Aufwand zur Absicherung des Alters und der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Da der Ehepartner (nur) bis zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags an der Altersversorgung des Ehepartners über den Versorgungsausgleich teilnimmt, besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf eigene Absicherung.
4 Sonderbedarf entsteht, wenn eine unregelmäßige (überraschende) Situation einen außergewöhnlich hohen zusätzlichen Bedarf entstehen lässt. Er kann geltend gemacht werden, wenn der Unterhaltsgläubiger diesen Bedarf nicht aus seinen laufenden Einkünften (inkl. Unterhalt) und auch nicht aus seinem Vermögen decken kann. Ausbildungsbedingter Mehrbedarf ist neben dem Elementarunterhalt zu zahlen, um z. B. Kosten für Lernmittel zu decken. Der eheangemessene Bedarf kann sich durch trennungsbedingten Mehrbedarf vergrößern. Das ist der Fall, wenn aufgrund der Trennung höhere allgemeine Lebenshaltungskosten zu tragen sind. Im Verwandtenunterhaltsrecht richtet sich der Bedarf nach den innerfamiliären Verhältnissen, denn die Kinder leiten ihre Lebensstellung von den Eltern ab. Den Kindesbedarf haben die Oberlandesgerichte pauschaliert festgelegt. Im zweijährlichen Rhythmus werden Tabellen veröffentlicht ( Düsseldorfer Tabelle ), in welchen die Bedarfsätze nach Alter des Kindes und Einkommen des Unterhaltsverpflichteten festgelegt werden. Die Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers Der Unterhaltsgläubiger kann Unterhalt nur dann und nur insoweit verlangen, wie es ihm zum einen nicht möglich und zum anderen nicht zumutbar ist, für seinen Lebensbedarf selbst zu sorgen. Die Frage, ob es dem Unterhaltsgläubiger zumutbar ist, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, richtet sich danach, welche Art Unterhalt begehrt wird. Während der Trennungszeit sollen die ehelichen Lebensverhältnisse fortgeschrieben werden. War der Unterhaltsgläubiger schon während des Zusammenlebens berufstätig, so hat er seinen Bedarf mit den Einkünften, die er aus der Berufstätigkeit erzielt, zu befriedigen. Reichen die Einkünfte hierzu nicht aus, besteht der Unterhaltsbedarf in entsprechend geringerem Umfang. Werden sonstige Einkünfte erzielt (z. B. Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung) so werden auch diese angerechnet, wenn sie während der Dauer des Zusammenlebens zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet worden sind. Wird nachehelicher Unterhalt begehrt, so ist im Rahmen der Bedürftigkeit nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Eigenverantwortung zu prüfen, ob der Unterhaltsgläubiger verpflichtet ist, seinen Bedarf selbst zu decken. Die Frage, in welcher Höhe der Unterhaltsgläubiger von dem Unterhaltsschuldner Unterhalt verlangen kann, richtet sich danach, wie viel der Unterhaltsberechtigte neben seinem eigenen (anrechenbaren) Einkommen und seinem Vermögen benötigt, um den ehelichen Bedarf zu decken. Lebt der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner zusammen und erbringt für diesen Versorgungsleistungen (Haushaltsführung), so ist ihm ein fiktives Einkommen für diese Tätigkeit anzurechnen.
5 Bleibt der Unterhaltsberechtigte in der (ehemals) gemeinsamen Wohnung und zahlt keine Miete (z. B. weil die Wohnung Eigentum beider Eheleute ist), so wird ihm ein Wohnwertvorteil für das mietfreie Wohnen angerechnet. Freiwillige Leistungen Dritter (z. B. der Eltern) werden nur dann bedarfsmindernd angerechnet, wenn der Dritte mit der Zahlung (auch) bezweckt, den Unterhaltsschuldner zu entlasten. Dies ist grundsätzlich nicht der Fall. Liegt ein Mangelfall vor, so kann die freiwillige Leistung auch dann angerechnet werden, wenn der Zuwendende nicht beabsichtigt, den Unterhaltsschuldner zu entlasten. Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldner Der Unterhaltsverpflichtete ist nur insoweit zur Zahlung vom Unterhalt verpflichtet, wie es ihm unter Einsatz seiner tatsächlich erzielten und erzielbaren Mittel und nach Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse zumutbar ist. Durch die Zahlung des Unterhalts darf keine Sozialhilfebedürftigkeit eintreten. Es ist daher zu prüfen: Checkliste zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners: Welche Mittel stehen zur Verfügung? (Einkommen, Vermögen) Welche weiteren Mittel kann sich der Unterhaltsschuldner verschaffen? Aufnahme einer weiteren Erwerbsfähigkeit, Veräußerung von Vermögensgegenständen und rentable Anlage) Welche Verbindlichkeiten sind zu berücksichtigen? Welcher Einsatz ist ihm zumutbar? Bei der Berechnung des Unterhalts werden folgende Einkünfte des Unterhaltsschuldners berücksichtigt: durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen aus Erwerbstätigkeit (inkl. Überstundenvergütungen, Nachtzuschlägen, Erschwerniszulagen, vermögenswirksame Leistungen, Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Ortszuschlägen) geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers (z. B. privater Nutzungsvorteil eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten PKW, freie Kost oder Logis, Einkaufsgutscheine)
6 Entgelt für arbeitsbedingte Aufwendungen, soweit diese den tatsächlichen Mehraufwand übersteigen (Spesen, Aufwandsentschädigungen, Fahrgeld) Steuererstattungen Abfindungen des ehemaligen Arbeitgebers Renten, Pensionen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Wohnvorteil aus dem mietfreien Wohnen Einkünfte aus Kapitalvermögen Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Krankengeld Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt BAFöG-Leistungen (außer Vorausleistungen) Erziehungsgeld Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld, Unfall- und Versorgungsrenten, Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen (abzüglich des tatsächlichen Mehraufwandes) Pflegegeld (sofern es nicht für den Pflegebedürftigen verbraucht wird). Dem Unterhaltsverpflichteten obliegt es, seine Arbeitskraft auszunutzen, zu erhalten und wiederherzustellen sowie sein Vermögen gewinnbringend einzusetzen, um seiner Unterhaltspflicht zu genügen. Ist der Unterhaltsverpflichtete arbeitslos, so muss er sich nachweisbar um Arbeit bemühen. Dazu reicht es nicht aus, sich arbeitslos zu melden, vielmehr muss er sich intensiv bewerben. Nachfolgend genannte Mittel hat sich der Unterhaltsschuldner zu verschaffen:
7 Ausnutzung aller legalen Steuervorteile (z. B. optimale Wahl der Lohnsteuerklasse, Eintrag aller relevanten Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte, Geltendmachung des Realsplitting) ertragsoptimierte Vermögensanlage unter Berücksichtigung des individuellen Kapitalanlageverhaltens Wechsel des Arbeitsplatzes, sofern die berufliche Qualifikation bei dem bisherigen Arbeitgeber nicht finanziell honoriert wird Aufnahme einer weiteren Beschäftigung, sofern zumutbar und erforderlich Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen. Unterlässt der Unterhaltsverpflichtete es, sich in zumutbarer Weise weitere Einkünfte zu beschaffen, so werden ihm die tatsächlich nicht erzielten Einkünfte als fiktive Einkünfte zugerechnet und bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt. Folgende Verbindlichkeiten werden berücksichtigt: Berufsbedingte Aufwendungen werden pauschal mit 5 % des Nettoeinkommens berücksichtigt, sofern nicht ein höherer tatsächlicher Aufwand nachgewiesen wird; PKW-Fahrtkosten zur Arbeit werden pro gefahrenen Kilometer mit derzeit 0,27 (in Anlehnung an 9 Abs. 3 Nr. 1 ZSEG) berücksichtigt. Sind die errechneten Kosten höher als die Kosten, die bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrmitteln entstehen, so ist zu prüfen, ob der Unterhaltsverpflichtete auf die Inanspruchnahme dieser Verkehrsmittel verwiesen werden kann (die Zumutbarkeit hängt vom Einzelfall ab, so von der Erreichbarkeit des Betriebes und den Arbeitszeiten); konkret nachgewiesene berufsbedingte Aufwendungen (Beiträge zu Gewerkschaften und anderen Berufsverbänden, Sachaufwand, Arbeitskleidung); konkret nachgewiesener berufsbedingter Mehraufwand (Betreuungskosten für die Kinder, Kosten auswärtiger Unterbringung, Verpflegungsmehraufwand); Absetzung für Abnutzung (AfA). Mittels der AfA werden die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auf die Dauer der gewöhnlichen Nutzung verteilt, so dass der Anschaffungspreis nicht bereits im Jahr des Erwerbs in voller Höhe als Betriebsausgabe geltend gemacht werden kann, sondern der Aufwand über mehrere Jahre verteilt wird. Die steuerrechtlich möglichen Wahlrechte hinsichtlich der Art der Abschreibung (vgl. i. e. 7 EStG) werden unterhaltsrechtlich nicht anerkannt, weil die unterhaltsrechtlich relevante Leistungsfähigkeit anders ermittelt wird als die einkommensteuerliche Leistungsfähigkeit und beide Größen nicht kongruent sind.
8 Die lineare Abschreibung wird grundsätzlich unterhaltsrechtlich anerkannt, weil der Wertverzehr gleichmäßig auf die Jahre der Nutzung verteilt wird; Verluste aus Vermietung und Verpachtung (Abschreibungen, Instandhaltungskosten) werden unterhaltsrechtlich nur anerkannt, sofern dem ein tatsächlicher Wertverlust gegenübersteht; Aufwendungen auf Vermögensgegenstände, mit denen Einkünfte erzielt werden (z. B. Kosten der Wohngebäudeversicherung, Zinsaufwand für Hypothekendarlehen); Kosten für Ersatzbeschaffung (Rücklagen für den Erwerb eines neuen PKW); Krankenvorsorgekosten (private Krankenversicherung, Zusatzversicherung, Unfallversicherung) sind zu berücksichtigen, sofern: sie die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben (also auch schon in der Zeit des Zusammenlebens gezahlt worden sind) und die Kosten angemessen sind und der Unterhalt des Berechtigten gesichert ist. krankheitsbedingter Mehrbedarf wird berücksichtigt, soweit er konkret nachgewiesen ist (z. B. Kosten für Medikamente, Fahrtkosten, Kosten für Haushaltshilfe, Diätverpflegung, Krankengymnastik); Altersvorsorgeaufwand (z. B. Riesterrente, Beiträge zur Lebensversicherung) wird unter denselben Voraussetzungen wie die Krankenvorsorgekosten berücksichtigt. Ist der Unterhaltsverpflichtete selbstständig, so kann er denselben Prozentsatz, den auch ein abhängig Beschäftigter in die Rente einbezahlt (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil machen zusammen ca. 20 % des Bruttoeinkommens aus), in die private Vorsorge einbezahlen; trennungsbedingter Mehrbedarf: Mit der örtlichen Trennung der Ehepartner entstehen viele Kosten doppelt (z. B. Miete mit Nebenkosten, Fernsehen, Zeitung, Telefon), die konkret nachgewiesen werden müssen, um anrechenbar zu sein; Schulden: Da Unterhaltsschuldner bekanntlich lieber eine Fernreise finanzieren, als an den Ehepartner Unterhalt zu zahlen, wird bei der Frage, ob Schulden zu berücksichtigen sind, genau geprüft, wann sie wozu gemacht worden sind. Es gilt der Grundsatz, dass die ehelichen Lebensverhältnisse maßgeblich sind. Sind die Schulden im Einverständnis mit dem anderen Ehepartner aufgenommen worden, so sind sie grundsätzlich zu berücksichtigen.