Grußwort zur Tagung "Schutz des Fischotters vor Straßenverkehr gezielte Maßnahmen in Thüringen" der DUH am 18.04.2013 in Jena Sehr geehrter Herr Wotke, sehr geehrter Herr Stöcker, sehr geehrte Damen und Herren, ich freue mich, dass Sie gemessen am speziellen Thema - so zahlreich heute hier erschienen sind und begrüße Sie in den Räumen der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie. Aus der Perspektive meiner fachlichen Zuständigkeit könnte ich das Thema der Tagung auf ganz verschiedene Art beleuchten, beispielsweise begleiten wir das Projekt seitens meines Referates fachlich vornehmlich unter dem Aspekt des Beitrages zur Verbesserung des Biotopverbundes. So gesehen widmen sich die heutige Tagung und das Projekt der Deutschen Umwelthilfe "Schutz des Fischotters vor Straßenverkehr" einem Problem des Naturschutzes das jedenfalls in Thüringen neu ist. In Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg hat man bereits mehr Erfahrungen damit und ich bedanke mich bei den Referenten aus anderen Bundesländern, die uns an diesen Erfahrungen, speziell im Hinblick auf wirksame Schutzmaßnahmen, heute teilhaben lassen. In meinem Grußwort möchte ich aber mehr eine positive Perspektive an den Beginn dieser Tagung und dieses Projektes stellen, und dazu müssen wir uns scheinbar Widersprüchliches klar machen: Es ist ein Erfolg des Thüringer Naturschutzes, dass wir heute Naturschutzprobleme mit dem Fischotter haben! Denn das Problem, dass wandernde Fischotter an "ungesicherten" Kreuzungen mit Verkehrswegen der Menschen Gefahr laufen, getötet zu werden, hatten wir in Thüringen vor zwei Jahrzehnten noch nicht, galt doch der Fischotter nach letzten Nachweisen Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Thüringen lange als ausgestorben. Nach einem ersten Nachweis 1996 konnten wir aber eine stetige Zunahme der Population in Thüringen verzeichnen - Frau
Schmalz, die seit 2001 im Auftrag der TLUG eine Erfassung des Fischotters in Thüringen organisiert hat, wird die hiesige Populationsentwicklung des Fischotters im Laufe der Tagung noch ausführlicher beleuchten. Im Moment genügt es festzuhalten, dass der Fischotter heute in vor allem in Ostthüringen, aber auch in Südwest- und Nordthüringen wieder vorkommt und in der aktuellen 3. Fassung der "Roten Liste der Säugetiere Thüringens" aus dem November 2009 "nur" in Kategorie 2, also "stark gefährdet", eingestuft ist. "Stark gefährdet", das ist sicher kein Anlass zur Sorglosigkeit deswegen sind wir ja heute alle hier -, aber es ist andererseits eine deutliche Verbesserung gegenüber "von Aussterben bedroht" und allemal gegenüber "ausgestorben". Dass der Fischotter heute in Thüringen wieder in der Ausbreitung begriffen ist, ist also ein Erfolg des Artenschutzes: Auf der Ebene der Population wirksamer "Artenschutz" war dabei wie häufig nicht eine einzelne Maßnahme der Naturschutzverwaltung, sondern das Ergebnis grundlegender Änderungen in verschiedenen Politik- und Umweltbereichen, die viele Gefährdungsursachen haben wegfallen lassen: Die direkte Verfolgung des Fischotters als "Fischräuber", historisch gesehen eine wesentliche Ursache für den Bestandsrückgang, ist durch die Aufhebung der Jagdzeit und das Artenschutzrecht nicht mehr zulässig. Illegale Verfolgung spielt aufgrund des gestiegenen Ökologiebewusstseins keine signifikante Rolle mehr und auch die Bereitschaft der Teichwirte und Angler, einen "Nahrungskonkurrenten" wie den Fischotter als Teil des Gewässerökosystems zu akzeptieren, scheint heute grundsätzlich gegeben: Dass dies mit wachsender Population an besonderen Brennpunkten wie Fischzuchtanlagen ggf. besondere Maßnahmen wie einen Zaunschutz erfordern wird, ist m.e. nachvollziehbar. Die Verbesserung der Wasserqualität in den vergangenen Jahrzehnten, in Thüringen insbesondere ein Erfolg der Umweltpolitik nach der politischen Wende, gestaltet die Lebensbedingungen für den Fischotter und seine Nahrung, vor allem Fische und Amphibien, heute wesentlich günstiger. Dabei hat der Fischotter auch stark vom Verbot oder von den geänderten Anwendungsregeln für eine ganze Reihe von Umweltgiften profitiert: Als Endglied einer langen und reich verzweigten Nahrungskette war der Otter durch eine Anreicherung von Giftstoffen vom Plankton über Wasserinsekten bis in seine Beutetiere besonders gefährdet.
Schließlich ist der Fischotter für Nahrungserwerb und Jungenaufzucht auf durchlässige und reich strukturierte Gewässer angewiesen. Bei der Strukturgüte der Gewässer - die Datenerhebungen zu den diesbezüglichen Zielen der Wasserrahmenrichtlinie zeigen es deutlich - muss man noch erhebliche Defizite gegenüber dem Zielzustand feststellen. Thüringen und die anderen europäischen Länder sind aber, nicht zuletzt dank der Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie, auf dem Weg zu einer entscheidenden Verbesserung auch der Gewässerstrukturgüte. Nun geht es darum, diese Erfolgsgeschichte des Fischotterschutzes fortzuschreiben. Anrede, es ist wohl nicht nur für eine Juristin schwer zu verstehen, dass ein so hervorragender Schwimmer wie der Fischotter offenbar nicht bereit ist, unter einer Straßenbrücke hindurch zu schwimmen und in Unkenntnis der Risiken des Straßenverkehrs lieber sein Leben aufs Spiel setzt, um die Straße an Land zu überqueren. Aber da das nun einmal so ist, bin ich sehr froh darüber, dass die Deutsche Umwelthilfe die Initiative ergriffen und bei der oberen Naturschutzbehörde den Antrag auf Förderung eines Projektes gestellt hat, in dem diese und andere Gefährdungen der wachsenden Fischotterpopulation in Thüringen erfasst und - nach Möglichkeit - "exemplarisch" beseitigt werden. Exemplarisch deshalb, weil das Projekt wegen seiner finanziellen und zeitlichen Grenzen letztlich auf Nachahmer setzen muss. Falls Sie mit den letzten beiden Sätzen noch nicht allzu viel anfangen können: Wie die Probleme des Fischotters in der Zivilisationslandschaft und die Lösungsmöglichkeiten im Einzelnen aussehen, werden Sie auf der heutigen "Auftaktveranstaltung" erfahren. Für die Umsetzung der im Projekt vorgesehenen Maßnahmen bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaft und den kommunalen und staatlichen Straßenbauverwaltungen. Mit der Anbindung der Projektvorbereitung und des Projektbüros an das "Flussbüro Erfurt", dessen Geschäftsführer Stephan Gunkel Mitglied des Thüringer Gewässerbeirates zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie beim Ministerium ist, hat die Deutsche Umwelthilfe schon einen starken Bezug zur Wasserwirtschaft hergestellt.
Für den Verkehrsbereich möchte ich mich insbesondere beim Thüringer Landesamt für Bau und Verkehr für die Bereitschaft zur Zusammenarbeit auch jenseits der rechtlich bindenden Vorgaben beim Aus- und Neubau von Straßen - bedanken und begrüße die anwesenden Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen der Straßenbauämter, auch der kommunalen Baulastträger, sehr herzlich. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse am Thema und Ihre Zeit. Der DUH danke ich für ihr Engagement. Es ist in Thüringen ja kein Geheimnis, dass das Förderprogramm "ENL" aufgrund der Bedingungen der EU-Förderung zwar einen für die Verhältnisse des Naturschutzes - relativ großzügigen finanziellen Rahmen bietet, aber für den Projektträger und Fördernehmer auch einige Herausforderungen mit sich bringt, etwa die Notwendigkeit der Vorfinanzierung und ein formal anspruchsvolles Antrags- und Abrechnungsverfahren. Ich freue mich daher, dass die DUH, die ja bundesweit als Umweltverband ein Begriff ist, sich diesen Herausforderungen stellt und das Projekt auch dann weiter verfolgt hat, als seitens der Bewilligungsbehörde nicht alle Wünsche des Antragsstellers erfüllt werden konnten. Soweit ich weiß, ist es das erste Projekt der DUH in Thüringen ich würde mich aber freuen, wenn noch weitere folgen würden und hoffe auf eine auch längerfristig gute und erfolgreiche Zusammenarbeit der DUH mit der Thüringer Naturschutzverwaltung. Schließlich möchte ich mich noch bei der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie bedanken. Zum einen, weil wir heute hier in den Räumen der TLUG tagen. Weiterbildung und Erfahrungsaustausch gerade auch zwischen Behörden und Ehrenamt- auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege gehört zu den uns wichtigen gesetzlichen Aufgaben unserer Landesanstalt. Zum anderen bei Herrn Reisinger, der gleich anschließend den Reigen der Fachvorträge eröffnen wird. Sein Engagement für das Zustandekommen auch dieses Projektes darf nicht unerwähnt bleiben. Anrede, ich habe bewusst vermieden, den nun folgenden Fachvorträgen durch fachliche Einzelheiten aus den Projektunterlagen oder konkrete Erwartungshaltungen vorzugreifen. Ich bedauere, dass ich wegen der Vielzahl meiner augenblicklichen Aufgaben selber nicht an der gesamten Tagung teilnehmen kann, sondern bald wieder nach Erfurt zurück muss. Ich wünsche Ihnen aber interessante Vorträge und dem Fischotter-Projekt der DUH, dass die Auftaktveranstaltung das
nötige Verständnis und die nötige Unterstützung nach sich zieht, um dem Projekt, genauer gesagt dem Bestand des Fischotters in Thüringen, weiter zum Erfolg zu verhelfen.