Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen

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a) 8,56 b) 13,12 c) 25,84 d) 37,06 e) 67,01 f) 111,50 g) 99,04 h) 87,49

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Transkript:

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Jörn Franck und Lutz Schröder 1. Ausgangslage...457 2. Verfahrensübersicht der thermischen Klärschlammbehandlung...463 2.1. Verbrennungsverfahren...464 2.2. Vergasungsverfahren...465 2.3. Pyrolyseverfahren...466 3. Anlagenbeispiele...467 3.1. Mono-Klärschlammverbrennung für 35.000 Tonnen TR pro Jahr...468 3.2. Mono-Klärschlammverbrennung für 2.000 Tonnen TR pro Jahr...470 4. Kosten...473 5. Zusammenfassung und Ausblick...474 6. Quellen...474 1. Ausgangslage Im Koalitionsvertrag Deutschlands Zukunft gestalten für die 18. Legislaturperiode wurde festgeschrieben, die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken zu beenden und Phosphor und andere Nährstoffe zurück zu gewinnen [6]. 2012 fielen etwa zwei Millionen Tonnen an Klärschlamm bei der kommunalen Abwasserreinigung in Deutschland als Trockensubstanz (TR) an, von denen etwa fünfzig Prozent in der Landwirtschaft stofflich verwertet und etwa fünfzig Prozent der thermischen Verwertung in Mono- und/oder Mitverbrennungsanlagen zugeführt wurden [1]. Hinzu kamen 2010 nochmals etwa 1,7 Millionen Tonnen TR pro Jahr an Klärschlamm aus der nichtöffentlichen Abwasserbehandlung, der aber aufgrund seiner Inhaltsstoffe zumeist thermisch behandelt wird [8]. Die nachfolgenden Betrachtungen beziehen sich bevorzugt auf den Klärschlamm aus der kommunalen Abwasserbehandlung. Die Entwicklung der Klärschlammverwertungswege der letzten drei Dekaden ist in Bild 1 aufgezeigt. Bereits 1995 wurden erhebliche Mengen Klärschlamm zum Landschaftsbau (etwa dreißig Prozent) und als Dünger (etwa dreißig Prozent) eingesetzt. Das Verbot der Deponierung von organischen Materialien wurde in der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASI) vom Mai 1993 [3] festgelegt und führte in der Konsequenz ab dem Jahre 1995 zu einer deutlichen Reduzierung und im Jahre 2005 zu einer vollständigen Beendigung der Deponierung von Klärschlamm. 457

Jörn Franck, Lutz Schröder Verwendung % 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1983 1987 1991 1995 1996 1998 2001 2003 2004 2006 2008 2009 2010 Landschaftsbau und Dünger Dünger Landschaftsbau Verbrennung Deponie Zwischenlagerung Bild 1: Entwicklung der Klärschlammverwertungswege in Deutschland Quelle: UBA: Monitoring von Klärschlammaschen, UBA Texte 49/2014 Neben dem Aspekt des Ressourcenschutzes, hier dem Recyclingbemühungen um den limitierten Rohstoff Phosphor, wird die Beendigung der Klärschlammverwertung aber auch unter dem Aspekt der Reduzierung potentieller Umweltgefahren z.b. durch Schwermetalle, persistente organische Verbindungen und andere Schadstoffe angestrebt, die sich im Klärschlamm finden lassen. Auch können Medikamentenreste aus der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen oder der Massentierhaltung zu resistenten Bakterienstämmen führen, die über Umwelt und Nahrungsmittel in den menschlichen Organismus gelangen können [4]. So ist es nicht verwunderlich, dass das Bundesinstitut für Riskobewertung von einer landwirtschaftlichen Verwertung von kommunalem Klärschlamm abrät und die thermische Verwertung empfiehlt, da erhebliche Gesundheitsgefahren gesehen werden [2]. Die derzeitige Diskussion zum Ausstieg aus der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung zielt aber im Wesentlichen auf die Recyclingbemühungen um das Element Phosphor und berücksichtigt weniger gesundheitliche bzw. hygienische Aspekte. Dazu wird Seitens des zuständigen Ministeriums an einer Novellierung der Klärschlammverordnung mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren im Zeitraum 2016 bis 2026 gearbeitet [1]. Diese Vorgehensweise ähnelt sehr der seinerzeitigen Vorgehensweise bei dem Ausstieg aus der Ablagerung von organischen Abfällen auf Deponien, die durch die TA Siedlungsabfall ab dem Jahr 1995 ebenso mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren bis 2005 vollzogen wurde. Obwohl der Anteil der thermischen Verwertung von Klärschlamm in den vergangenen Jahren gesteigert werden konnte, werden noch immer erhebliche Mengen der stofflichen Verwertung in der Landwirtschaft oder zum Landschaftsbau zugeführt, denn die thermischen Entsorgungskapazitäten für Klärschlamm in den Bundesländern sind unterschiedlich ausgeprägt vorhanden, wie Bild 2 zeigt. 458

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Prozentuale Verteilung % 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Thermische Entsorgung Landwirtschaftliche Verwertung Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Landschaftbauliche Maßnahmen Sonstige stoffliche Verwertung Bild 2: Klärschlammverwertungswege in den einzelnen Bundesländern Quelle: Wiechmann, B; Dienemann, Kabbe, Brandt, Vogel und Roskosch: Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2012. Aus diesem Grunde werden in den ländlich geprägten nördlichen Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachen, in denen der bisherige Schwerpunkt auf der landwirtschaftlichen Verwertung lag, nunmehr Strategien für neue Entsorgungsstrukturen erarbeitet, bei denen die thermische Verwertung des Klärschlamms in den Mittelpunkt rückt. Neben der Monoverbrennung erfolgte die thermische Verwertung von Klärschlamm bisher auch in Mitverbrennungsanlagen wie der Abfallverbrennung, Zementwerken oder fossilen Kraftwerken. Bild 3 zeigt die Entwicklung der Verbrennungskapazitäten für Klärschlamm über die letzten vierzig Jahre. Zu erkennen ist, dass die Kapazitäten in den Anlagen der Mitverbrennung seit einigen Jahren deutlich über den Kapazitäten der Monoverbrennung liegen. Vor dem Hintergrund einer Reduzierung von fossilen Kraftwerkskapazitäten im Rahmen der Energiewende erscheint es fraglich, inwieweit die Mitverbrennung von Klärschlamm in derartigen Anlagen als Baustein einer langfristigen Entsorgungssicherheit für Klärschlamm überhaupt zur Verfügung steht. 459

Jörn Franck, Lutz Schröder verbrannte Klärschlammmenge t TM / a 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 Monoverbrennung Mitverbrennung in Kraftwerken Bild 3: Entwicklung der Klärschlamm-Mono- und -Mitverbrennung in Deutschland Quelle: Wiechmann, B.: Klärschlammbehandlung in Mono- und Mitverbrennungsanlagen Stand und Perspektiven, UBA, 9/2013 Vor den oben genannten umwelt- aber auch gesundheitsrelevanten Aspekte besteht also die berechtigte Forderung relativ kurzfristig wirkungsvolle Entsorgungswege und -kapazitäten für den Klärschlamm aus der öffentlichen Abwasserbehandlung zu schaffen, um die bisher bevorzugt in der Landwirtschaft eingesetzten Mengen sicher zu entsorgen. Denn anders als bei dem Deponieverbot kann die Ausbringung von Klärschlamm unmittelbar die menschliche Gesundheit betreffen, weshalb eine verkürzte Übergangsfrist oder und ein gestufter Umsetzungsplan erforderlich sein könnte. Dieses könnte sein: Umgehende Erweiterung der Nutzung vorhandener Klärschlamm-Mitverbrennungskapazitäten Anpassung/Erweiterung der Kapazitäten bestehender thermischer Klärschlammverbrennungsanlagen Neubau von thermischen Klärschlammbehandlungsanlagen Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Abfallbranche empfiehlt es sich darüber hinaus den Aufbau dieser neuen Entsorgungslogistik übergeordnet zu koordinieren, um die benötigten Kapazitäten möglichst genau an den Bedarf anzupassen und Überkapazitäten zu vermeiden. Der zukünftige Bedarf an Entsorgungskapazität wird auf etwa 1,22 Millionen Tonnen TR pro Jahr geschätzt, mit einer Verteilung auf die Bundesländer wie in Bild 4 dargestellt. 460

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Monoverbrennungskapazitäten t TR/a 300.000 250.000 200.000 150.000 100.000 50.000 0 Baden-Württemberg Bayern Berlin und Brandenburg Bremen und Niedersachsen Hamburg und Schleswig-Holstein Hessen Mecklenburg-Vorpommern Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Thüringen vorhandene Kapazitäten zusätzlich notwendige Kapazitäten Bild 4: Entwicklung von Mono-Klärschlammverbrennungskapazitäten in Deutschland Quelle: Malms, Montag, Pinnekamp, Schmelz, v. d. Meer, Blöthe, Lehrmann, Eitner und Klett: Langzeitlagerung von Verbrennungsaschen, 27. Aachener Kolloqium für Abfall und Resourcenwirtschaft, Aachen, 2014 Hinzu kommen nicht unwesentliche minderausgelastete Kapazitäten in bestehenden thermischen Klärschlammverbrennungsanlagen, denn vielerorts sind zwar aus Gründen der Entsorgungssicherheit mehrere Verfahrenslinien installiert aber nicht dauerhaft genutzt. Durch die Schaffung von ausreichend großen Lagerstätten mit Annahmestellen für den Klärschlamm vor den Bestandsanlagen (Bunker), wie diese im Bereich der Abfallverbrennung zum Stand der Technik gehört, kann der Anfall von Klärschlamm von der thermischen Behandlung entkoppelt und so die geforderte Entsorgungssicherheit hergestellt werden um eine Auslastung bzw. Verfügbarkeit der Anlagen ähnlich der von Abfallverbrennungsanlagen (mindestens neunzig Prozent zeitliche Verfügbarkeit) für einen Standort insgesamt zu erreichen. Derzeit wird bei den Bestandsanlagen mit einer noch erheblichen freien Kapazität von etwa 150.000 Tonnen TR pro Jahr gerechnet [11]. Da es sich bei den Produktionsanlagen des Klärschlamms um ein weit verzweigtes Netz von Kläranlagen handelt, sind Zusammenschlüsse und überregionale Kooperationen zwischen den Abwasserverbänden und -behandlungsanlagen empfehlenswert, wenn nicht gar unverzichtbar. 461

Jörn Franck, Lutz Schröder Bild 5 zeigt bestehende und mögliche neue Standorte für Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen, wie sie in den kommenden Jahren zum Tragen kommen könnten. Vor dem Hintergrund der sich noch entwickelnden Phosphorrecycling Technologien ist bei der Standortfindung auch die temporäre Ablagerung von Verbrennungsaschen ein mit einzubeziehender Aspekt. Kapazitäten KSMV ( : vorhandenen : potentielle : geplante Kapazitäten) > 40.000 ttr/a 20.000 bis 40.000 ttr/a < 20.000 ttr/a Lübeck Hamburg Rostock Bremen Bielefeld Hannover Berlin-Ruhleben Magdeburg Herne Lünen Bottrop Bitterfeld-Wolfen Düren Elverlingsen Bonn Kassel Erfurt Dresden Chemnitz Mainz Frankfurt am Main Mannheim Saarbrücken Karlsruhe Stuttgart Nürnberg Straubing Neu-Ulm Balingen München Gendorf Ravensburg Altenstadt 100 km Bild 5: Bestehende und mögliche Standorte für Mono-Klärschlammverbrennungskapazitäten in Deutschland Quelle: Malms, Montag, Pinnekamp, Schmelz, v. d. Meer, Blöthe, Lehrmann, Eitner und Klett: Langzeitlagerung von Verbrennungsaschen, 27. Aachener Kolloqium für Abfall und Resourcenwirtschaft, Aachen, 2014 462

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen 2. Verfahrensübersicht der thermischen Klärschlammbehandlung Die derzeitigen bekannten Verfahren der thermischen Klärschlammbehandlung lassen sich grundsätzlich in die Mono- und Mitverbrennung einteilen. Zu den letztgenannten gehören Kohlekraftwerke (zumeist Braunkohle), Zementwerke sowie die Mitverbrennung in Abfallbehandlungsanlagen. Die bei der Mitverbrennung eingesetzten Mengen an Klärschlamm sind zumeist aufgrund der jeweiligen Technologie eingeschränkt. So werden bei Abfallverbrennungsanlagen technologisch bedingt maximal zehn Prozent der verfügbaren Feuerungsleistung durch Klärschlamm ersetzt. Bei den thermischen Monobehandlungsanlagen sind Verbrennungs-, Vergasungs- und Pyrolyseverfahren bekannt. Ein entscheidender Unterschied der Verfahren ist das sogenannte Verbrennungsluftverhältnis (λ = m L.tats /m L.st ) Bei λ = 0 ist kein Sauerstoffeinsatz vorgesehen; bei λ = 1 wird die genaue Bedarfsmenge an Sauerstoff zur Verfügung stellt, die für eine vollständige Umwandlung erforderlich ist (stöchiometrisch) und bei λ > 1 wird mit einem Sauerstoffüberschuss gearbeitet. Eine Art Systematisierung der Verfahren mit beispielhaften Verfahrensgebern ist in Bild 6 dargestellt. Klärschlammbehandlung Mitbehandlung Monobehandlung Kraftwerk Verbrennung Vergasung λ > 0 Pyrolyse λ = 0 Zementwerk Stationäre Wirbelschicht MEPHREC PYREG Abfallverbr. Zirkulierende Wirbelschicht Kopf Solena Rostfeuerung Thermosystem Bild 6: Thermische Verfahren der Klärschlammbehandlung Bild 7 zeigt den Status der Anwendung der verschiedenen thermischen Behandlungsverfahren (Monobehandlung) für kommunalen Klärschlamm in Deutschland. Dabei sind Anlagen zwischen etwa 2.000 und 95.000 Tonnen TR pro Jahr realisiert (im Mittel etwa 35.000 Tonnen TR pro Jahr). Bei den Verfahren dominiert insgesamt die Wirbelschichttechnologie mit etwa 75 Prozent aller Anlagen (etwa 15 Stück), die besonders bei größeren Einheiten zum Einsatz kommt, wohingegen kleinere Leistungsgrößen auch von anderen Verfahren besetzt werden. 463

Jörn Franck, Lutz Schröder Anzahl 12 10 8 1 PB - Pyrobuster 2 RF - Rostfeuerung 21 WS - Wirbelschicht 1 ZB - Zykloidbrennk. 1 VG - Vergasung 6 4 2 0 1 WS 1 RF 1 VG 1 ZB 9 WS 1 PB < 5.000 ttr/a 5.000 ttr/a - 25.000 ttr/a 4 WS 25.001 ttr/a - 50.000 ttr/a 1 RF 2 WS 50.001 ttr/a - 75.000 ttr/a 5 WS > 75.000 ttr/a Kommunale Anlagen Bild 7: Anlagengrößen der thermischen Klärschlammbehandlungsverfahren (Monobehandlung) 2.1. Verbrennungsverfahren Zur Verbrennung von Klärschlamm sind die Rostfeuerung sowie die Wirbelschichtfeuerung bekannt. Auf die Rostfeuerungen soll in diesem Beitrag aufgrund der wenigen großtechnische Anwendungen in Deutschland nicht näher eingegangen werden. Bei dem Wirbelschichtverfahren dient ein inertes Mineralmaterial (anfangs Sand und später zusätzlich auch die Brennstoffasche) als wärmespeicherndes Medium, welches durch die Durchströmung von (Verbrennungs-)Luft fluidisiert wird, so dass sich das Material wie eine Flüssigkeit verhält. Dieses sorgt für einen hohen Impuls- und Wärmeaustausch zwischen dem Bett und dem Brennstoff. Die einzusetzenden Brennstoffe sind in ihrer geometrischen Abmessungen (Stückgröße) zu begrenzen, um das Fluidverhalten aufrecht zu erhalten und eine Entmischung des Bettes zu verhindern. Ab einem Heizwert des Klärschlamms von > 4.000 kj/kg kann eine autotherme Verbrennung (ohne Zusatzbrennstoff) mit dem Verfahren realisiert werden, wobei der Klärschlamm entwässert und teilweise getrocknet werden muss, so dass ein Trockengehalt von etwa 40 bis 45 Prozent erreicht wird. Die Temperaturen in der Wirbelschichtfeuerung betragen etwa 850 bis 950 C. Die für die Verbrennung und Fluidisierung benötigte Luft wird in den meisten Wirbelschichtöfen komplett über den Düsenboden zugegeben (λ >> 1). Die Luft kann zur Optimierung des Verbrennungsprozesses aber auch aufgeteilt und zum einen über den Düsenboden direkt in das Wirbelbett (λ << 1) und zum anderen oberhalb des Bettes 464

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen als Sekundärluft (λ >= 1) zugegeben werden, um die Bildung von feuerungsbedingten Schadstoffen zu verhindern und einen vollständigen Ausbrand des Klärschlamms sowie der Abgase zu erreichen. Die bei der Verbrennung entstehende Asche des Klärschlamms wird aufgrund der geringen Korngröße bevorzugt über den Abgaspfad ausgetragen. Die Abwesenheit von beweglichen Teilen im Feuerraum vermindert den Verschleiß. Nachfolgendes Bild 8 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer stationären Wirbelschicht. Bild 8: Prinzipieller Aufbau einer stationären Wirbelschicht Quelle: Firma Eisenmann: Stationäre Wirbelschichtfeuerung. Die stationäre Wirbelschichttechnologie hat sich in großtechnischen Anwendungen in mehr als 15 Anlagen in Deutschland in den vergangenen Jahren eindeutig durchgesetzt. 2.2. Vergasungsverfahren Bei der Vergasung handelt es sich um den Oberbegriff von Umwandlungsprozessen, bei dem z.b. feste, kohlenstoffhaltige Verbindungen in eine Gasphase überführt werden, um ein qualitativ hochwertiges Produktgas zu erzeugen (Synthesegas mit den Bestandteilen CO, H 2, C x H y ), welches z.b. durch chemische Konversion als Energie oder Rohstoffträger weiter genutzt werden kann. Die Vergasung erfolgt meist in Gegenwart von begrenztem Luft- bzw. Sauerstoffmengen und/oder durch Zugabe von gasbildenden Medien, wie Dampf und verläuft meist exotherm. Bei einer vollständigen Vergasung verbleibt einzig der mineralische Ascheanteil als fester Reststoff. Für die Nutzung des Gases ist eine angepasste Gasreinigung/-aufbereitung erforderlich. Im Falle einer thermischen Nutzung des Gases, z.b. in Verbrennungskraftmaschinen ist gegebenenfalls noch eine weitere, nachgeschaltete Gasreinigung notwendig, um etwaige Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Der Einsatz von Klärschlamm in der Vergasung erfordert eine qualitative hochwertige Trocknung auf über neunzig Prozent TR. 465

Jörn Franck, Lutz Schröder Vergasungsverfahren sind seit langer Zeit verfügbar und werden/wurden für unterschiedliche Anwendungsbereiche entwickelt. Für die Vergasung von Klärschlamm seien beispielhaft die Verfahren der Firmen Sülzle-Kopf und Thermosystem erwähnt. Bild 9 zeigt den prinzipiellen Aufbau des Sülzle-Kopf-Verfahrens. Quenchwasser Getrockneter Klärschlamm 130 bis 150 C Rohgas Gaskühler Klärschlamm Luft- Vorwärmung Wirbelschicht- Vergaser 850 bis 880 C Asche Strom Turbolader Blockheizkraftwerk Schlammspeicher Granulat- Kühlung < 60 C Vorgewärmte BE 026 Luft Frischwasser Gasaufbereitung Filter 35 C Synthesegas Wäscher I Überschussgas Trockner Wäscher II Erdgas Synthesegas Mineralisches Granulat zur Nutzung Abgas Brennkammer Keramikfilter Kondensataufbereitung Bild 9: Klärschlammvergasungsverfahren der Firma Kopf Die Referenzlage von Vergasungsanlagen zur thermischen Behandlung von Klärschlamm beschränkt sich derzeit auf wenige Anlagen mit eher geringer Durchsatzleistung. Eine großtechnische Referenzanlage der Fa. Sülzle-Kopf befindet sich auf der Kläranlage Mannheim. Eine weitere Referenz des Herstellers soll demnächst auf der Kläranlage Koblenz errichtet werden. 2.3. Pyrolyseverfahren Bei der Pyrolyse handelt es sich um eine Form der Vergasung bei der durch thermochemische Spaltung große Moleküle organischer Verbindungen in kleinere Moleküle aufgebrochen bzw. konvertiert werden. Im Gegensatz zur Vergasung oder auch der Verbrennung erfolgt dieses ausschließlich unter der Einwirkung zugeführter Wärme und ohne zusätzlichen Sauerstoff (λ = 0). Sofern sauerstoffhaltige Materialien eingesetzt werden sind aber auch Oxidationsreaktionen möglich. Das Verfahren wird üblicher Weise bei Temperaturen von 400 bis 900 C betrieben. Bei hohen Prozesstemperaturen >> 1.000 C (Plasmaverfahren) kann durch anschließende Konversionsverfahren (Fischer-Tropsch-Verfahren) aus den kurzkettigen Moleküle langkettige Kohlenwasserstoffverbindungen in Form von synthetischen Flüssigkraftstoff ähnlich wie Erdöl und/oder brennbare synthetisches Gas hergestellt werden. 466

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Für die Nutzung des Pyrolysegases ist ebenfalls eine angepasste Gasreinigung/-aufbereitung erforderlich. Im Falle einer thermischen Nutzung des Gases, z.b. in Brenneranlagen zur Energiebereitstellung ist gegebenenfalls noch eine weitere nachgeschaltete Gasreinigung notwendig, um etwaige Emissionsgrenzwerte einzuhalten. Der Einsatz von Klärschlamm in der Pyrolyse erfordert eine Trocknung auf mehr als fünfzig Prozent TR. Pyrolysevergasungsverfahren erfahren derzeit eine Renaissance und werden für unterschiedliche Anwendungsbereiche entwickelt. Für die Pyrolyse von Klärschlamm seien beispielhaft die Verfahren der Firmen PYROMEX AG und PYREG erwähnt. Bild 10 zeigt den prinzipiellen Aufbau einer modularen PYREG-Anlage. Bild 10: Klärschlammpyrolyseverfahren der Firma PYREG trockene Karbonisierung Die Referenzlage von Pyrolyseanlagen zur thermischen Behandlung von Klärschlamm beschränkt sich ebenfalls derzeit auf wenige Anlagen mit eher geringer Durchsatzleistung. So wird im Jahr 2015 eine Referenz auf der Kläranlage Linz-Unkel von der Fa. PYREG errichtet. 3. Anlagenbeispiele Nachfolgend werden zwei in der Planung befindliche Projekte zur Mono-Klärschlammverbrennung näher erläutert, die sich in Ihrer Durchsatzleistung und in dem technischen Anlagekonzept grundsätzlich unterscheiden und insofern den Besonderheiten der Standorte angepasst sind. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um Anlage für die kommunale Klärschlammverbrennung auf Basis der Wirbelschichttechnologie. 467

Jörn Franck, Lutz Schröder 3.1. Mono-Klärschlammverbrennung für 35.000 Tonnen TR pro Jahr Bei dieser Anlage handelt es sich um eine Mono-Klärschlammverbrennung mit einer durchschnittlichen Kapazität von 35.000 Tonnen TR pro Jahr, die energetische optimiert ist um eine maximale Stromerzeugung bei optimaler Wärmeauskopplung zu ermöglichen. Die Anlage dient auf einem Klärwerk zur Abdeckung des dortigen Energiebedarfes. Bild 11 zeigt den prinzipiellen Anlagenaufbau der Anlage. Bild 11: Beispielhafter Anlagenaufbau einer Mono-KVA für 35.000 Tonnen TR pro Jahr Wesentliche Bestandteile dieses Anlagenkonzeptes sind: Schlammannahme und Lagerung Es wird entwässerter Schlamm sowohl vom Klärwerk wie auch von Dritten über entsprechende Annahmestellen am Schlammbunker angenommen. Die Bevorratung in dem Bunker ist für etwa vier bis fünf Tage anlieferfreie Zeit ausgelegt, damit die Anlage kontinuierlich betrieben werden kann (8.000 Stunden im Jahr). Eine Annahmesilo für getrockneten Schlamm ermöglicht die Bevorratung auch dieser Fraktion. Schlammaufbereitung und Verbrennung Um den Schlamm autotherm zu verbrennen ist eine Trocknung auf einen TR-Gehalt von etwa 45 Prozent am Eingang zum Verbrennungsofen erforderlich. Die Trocknung ist teilredundant als Dünnschicht bzw. Scheibentrockner ausgeführt, damit es nicht zu Engpässen im Anlagenbetrieb kommt. Für die Trocknung wird Dampf auf einer entsprechenden Druckstufe aus einer Anzapfung an der Dampfturbine entnommen. Der bei der Trocknung des Klärschlamms anfallende stark wasserhaltige Abdampf (Brüden) wird Kondensiert und die dabei anfallende Wärme für Heizzwecke im Klärwerk eingesetzt. Das Kondensat wird nach Aufbereitung dem Klärwerk im Zulauf zugeführt. Der Verbrennungsofen ist zweistufig, mit einer Primär- und einer Sekundärluftebene ausgeführt, um Abgasverluste und Schadgasemissionen zu minimieren. Darüber 468

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen hinaus bietet diese Technik ein gutes Teillastverhalten und erfordert weniger elektrischen Eigenbedarf für Gebläse. Energienutzung Um einen hohen energetischen Wirkungsgrad zu erzielen sieht das energetische Konzept einen Hochdruckdampfkessel als vertikaler Naturumlaufkessel mit etwa elf MW Feuerungsleistung vor, der etwa zwölf Tonnen pro Stunde überhitzten Dampf bei 450 C/65 bar für die Dampfturbine bereitstellt. Durch den Einsatz von Abgasrezirkulation und Luftvorwärmung auf 120 C können Feuerung und Kessel sicher in einem Lastbereich von 75 bis 110 Prozent betrieben werden, ohne dass die Dampfparameter variieren. Die elektrische Leistung (Klemmenleistung am Generator) beträgt etwa 1,4 MW bei einer Nettostromabgabe von etwa 0,4 MW. Abgasreinigung Die etwa 26.000 Nm³/h Abgas werden zunächst mit einem Elektrofilter von Flugstaub befreit. Dieser Stoffstrom steht, zusammen mit der Asche aus den Kesselzügen und der Bettasche zur Phosphorrecycling zur Verfügung. In einem anschließend Abluft Druckluft Sorbens von Anlieferung Traverse Sorbenssilo 10m 3 Gereinigte Luft in Atmosphäre Druckluft Big-Bag- Station 1m 3 Vorlagebehälter Big-Bag von Anlieferung Big-Bag Abpulstank Zwischenlagerung Umgebungsluft Umgebungsluft Abluft Big-Bag (leer) Reaktor Partikelabscheider Gewebefilter Feuerraumdruck Saugzug- Gebläse Kamin Rezi- Gebläse Rezigas Zellradschleuse Partikelabscheider Asche Zellradschleuse Gewebefilter Reststoffe Asche Big-Bag zur Wiederverwendung Bild 12: Beispielhafter Aufbau einer quasi-trockenen Abgasreinigung 469

Jörn Franck, Lutz Schröder quasi-trocken-verfahren auf Kalk-Basis unter Zugabe von geringen Mengen Herdofen- Braunkohlen-Koks wird das Abgas von organischen Schadstoffen befreit und sicher unter die Grenzwerte der 17. BImSchV reduziert. Bild 12 zeigt den beispielhaften Aufbau der Abgasreinigung. 3.2. Mono-Klärschlammverbrennung für 2.000 Tonnen TR pro Jahr Bei dieser Anlage handelt es sich um eine der kleinesten Anlagen Deutschlands mit einer Kapazität von etwa 2.000 Tonnen TR pro Jahr, die ebenfalls für einen Klärwerksstandort energetische optimiert wurde und im engen Zusammenspiel mit einer vorgeschalteten Faulung arbeitet. Die Anlage sichert, zusammen mit der Faulung und einem Faulgas-BHKW, einen energieautarken Klärwerksbetrieb. Bild 13 zeigt den prinzipiellen Anlagenaufbau der Anlage. Abgas Bild 13: Beispielhafter Anlagenaufbau einer Mono-KVA für 2.000 Tonnen TR pro Jahr Wesentliche Bestandteile dieses Anlagenkonzeptes sind: Schlammannahme Es wird ausschließlich entwässerter Schlamm vom Klärwerk angenommen und direkt in die Trocknereinheiten übergeben. Die Bevorratung des (Roh-)Schlamms findet in den vorgeschalteten Behältern statt. Ein Bevorratungsbunker oder die Annahme von getrocknetem Klärschlamm ist auch aus Kostengründen nicht vorgesehen. 470

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Schlammaufbereitung und Verbrennung Um den Schlamm sicher autotherm zu verbrennen ist im Falle einer derart kleinen Anlage die Trocknung auf einen TR-Gehalt von etwa sechzig Prozent am Eingang zum Verbrennungsofen vorgesehen. Die Trocknungsanlage ist ebenfalls teilredundant als Dünnschicht bzw. Schneckentrockner ausgeführt, damit es nicht zu Engpässen im Anlagenbetrieb kommt. Die zur Trocknung benötigte Wärmeenergie wird in diesem Fall von einem Thermalölkessel bereitgestellt. Der bei der Trocknung anfallende Abdampf (Brüden) wird Kondensiert und die anfallende Wärme für Heizzwecke im Klärwerk eingesetzt. Das Kondensat wird nach Aufbereitung dem Klärwerk im Zulauf zugeführt. Der Verbrennungsofen ist ebenfalls zweistufig, mit einer Primärluft und einer Sekundärluft ausgeführt, um anfallende Teillasten sicher abfahren zu können und um Abgasverluste und Schadgasemissionen zu minimieren. Bild 14 zeigt einen Vergleich zwischen der derzeit weltgrößten Wirbelschichtverbrennungsanlage in Hong Kong und einer kleinen dezentralen Einheit. Bild 14: Größenvergleich von Wirbelschichtanlagen für Klärschlamm Quelle: linkes Bild: AE&E, STF Hong Kong, 30 MWth, rechtes Bild: Raschka Engineering, 1 MWth Aus der Abbildung wird deutlich, dass aufgrund der geometrischen Verhältnisse besondere Anforderungen an die Konstruktion gestellt werden, damit die verfahrenstechnischen Merkmale der Wirbelschichtfeuerung erfüllt werden. Dabei sind Skalierungseffekte von großen zu kleinen Einheiten zu berücksichtigen, da Strömungsmechanik und Verbrennungsverhalten bei der Wirbelschichtverbrennung in gewisser Form konkurrieren. Hierzu gehören u.a.: Tabelle 1: Parameter von Wirbelschichtverbrennungsanlagen in Abhängigkeit von der Anlagengröße Parameter/Faktor Großanlage Kleinanlage Feuerraumvolumen bzw. Fläche Groß Klein Leerrohrgeschwindigkeit 1 bis 2 m/s 1 bis 2 m/s Luftzugabe (PL, SL) Mehrere Düsen für gute Luftverteilung Weniger Düsen aufgrund geringem FR- Volumens Gasdurchmischung Hoher Impuls erforderlich für Geringer Impuls aufgrund geringem gute Vermischung FR-Volumens Brennstoffaufgabe An mehreren Stellen zur gleichmäßigen Verteilung Meist nur ein Aufgabestelle Wärmefreisetzung Membranwände im FR als Verdampfer Adiabater Feuerraum geschaltet keine Wärmeabfuhr 471

Jörn Franck, Lutz Schröder Als ein wirksames Werkzeug zur Überprüfung der konstruktiven Auslegung von Feuerungsanlagen hat sich die sogenannte CFD-Simulation (Computerized Fluid Dynamics) erwiesen, mit der strömungsrelevante Parameter simulieren werden können, wie Bild 15 im Falle der Gasgeschwindigkeit zeigt. m/s 10 m/s 5 5 2,5 0 0 Bild 15: CFD Simulation der Gasleerrohrgeschwindigkeit bei gestufter Verbrennung Deutlich zu erkennen ist die hohe Gasgeschwindigkeit an der Zuführung der Sekundärluft, die zu einer guten gasseitigen Durchmischung im Feuerraum führt. Vergleichbare Berechnungen werden z.b. für die Temperaturverteilung oder auch die Verteilung von Gasbestandteilen vorgenommen, um die Feuerraumgeometrie optimal auszulegen. Energienutzung Um die relativ geringe Feuerungsleistung von etwa einem MW energetisch zu nutzen kommt ein Zwangsdurchlauf-Thermalöl-Kessel zum Einsatz, der bei einem Druck von maximal zehn bar und einer Betriebstemperatur von etwa 300 C arbeitet. Eine Stromerzeugung ist aus Kostengründen ebenfalls nicht vorgesehen, denn die elektrische Energieversorgung des Klärwerkes wird durch ein Faulgas-BHKW sichergestellt. Durch den Einsatz von Abgasrezirkulation und Luftvorwärmung auf 200 C können Feuerung und Kessel in diesem Fall sicher in einem Lastbereich von 60 bis 110 Prozentbetrieben werden, ohne dass die Thermalölparameter variieren. Abgasreinigung Die etwa 1.700 Nm³/h Abgas werden ebenso mit einem Elektrofilter von Flugstaub befreit und anschließend in einem quasi-trocken-verfahren von organischen Schadstoffen sicher auf die Grenzwerte der 17. BImSchV reduziert. Bild 16 zeigt eine Architektenansicht inklusiv des Faulbehälters. 472

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen Bild 16: Architektenansicht der Mono- KVA für 2.000 Tonnen TR pro Jahr 4. Kosten Bei der Aufstellung der Investitionskosten für die beiden Anlagenarten wurde von einer losweisen Vergabe einer überschaubaren Anzahl von Gewerken ausgegangen. Die Kosten beinhalten aber keine Entwässerungseinrichtungen, da diese Bestandteil der Klärwerke sind. Bei den Jahresbetriebskosten wurden sämtliche Kosten und Erlöse aus dem Anlagenbetrieb zusammen geführt. Großanlage Kleinanlage Jahreskapazität in ttr/a 35.000 2.000 Verfahrenstechnik in EUR 24.150.000 3.590.000 Bautechnik in EUR 5.150.000 880.000 E-MSR-Technik in EUR 2.250.000 1.130.000 Nettoherstellkosten in EUR 31.800.000 5.600.000 Nebenkosten in EUR 3.200.000 1.000.000 Nettoinvestition in EUR 35.000.000 6.600.000 Jahresbetriebskosten in EUR 5.490.000 1.020.000 Spezifische Kosten in EUR/tTR 157 510 Tabelle 2: Gegenüberstellung der Investitionen und der spezifischen Kosten für eine Groß- und eine Kleinanlage zur Klärschlammverbrennung (alle Angaben netto) In der Aufstellung bestätigt sich, dass die spezifischen Kosten für kleinere Einheiten um ein vielfaches höher sind als für größere Einheiten. Laut einer im Jahr 2013 zusammengestellten Übersicht des UBA ist innerhalb Deutschlands mit spezifische Kosten bei der Monoverbrennung von 180 bis 400 EUR pro Tonne TR zu rechnen [10], wobei sich dieses an den derzeitigen Anlagengrößen orientiert und Kleinanlagen nicht erfasst wurden. 473

Jörn Franck, Lutz Schröder 5. Zusammenfassung und Ausblick Die Bestrebungen die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm zu beenden erfordert in nächster Zeit erhebliche Kapazitäten an thermischen Klärschlammbehandlungsanlagen. Vor dem Hintergrund des Ressourcenschutzes könnte bei der Mono- Klärschlammverbrennung der Rohstoff Phosphor aus den Aschen zurück gewonnen werden, was bei einer Mitverbrennung nicht möglich ist. Mit der Feuerungstechnik der stationären Wirbelschicht besteht eine etablierte Verbrennungstechnik mit der auch kleinere und mittlere Klärschlammverbrennungsanlagen technisch realisierbar sind. Dabei zeigt die mehrstufige Verbrennung Vorteile beim Emissions- und Ausbrandverhalten sowie beim Teillastverhalten. Zusammen mit den heutigen Verfahren der Abgasreinigung, z.b. der quasi-trocken Verfahren, sind die Kleinanlagen ihren großen Geschwistern ebenbürtig und entsprechen dem Stand der Technik von Großanlagen. Hinzu kann der nicht zu vernachlässigenden Vorteil eines deutlich vereinfachten Genehmigungsverfahrens aufgrund der kleinen Anlagengröße kommen (Baurecht). Aufgrund der kleinteiligen Kläranlagenlandschaft empfiehlt sich der Zusammenschluss von kommunalen Abwasserverbänden zu Entsorgungsgemeinschaften, um wirtschaftliche Anlagengrößen zu realisieren. Kleine Anlagen lassen sich ab mindestens 2.000 Tonnen TR pro Jahr darstellen, wenngleich wegen der spezifischen Kosten besser 4.000 Tonnen TR pro Jahr anzustreben sind. Bei mittelgroßen Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen liegen die spezifischen Behandlungskosten im unteren Bereich nahe der Mitverbrennung. Der Ausbaustandard einer Mono-Klärschlammverbrennungsanlagen ist individuell im Zusammenhang mit dem Standort zu entwickeln und festzulegen. Eine Faulung des Schlamms vor der Verbrennung kann im Rahmen eines Kläranlagengesamtkonzeptes energetisch sinnvoll sein und sollte im Vorwege betrachtet werden. 6. Quellen [1] Bergs, C.-G.: Umsetzung des Koalitionsvertrages - Auswirkung auf Klärschlammverordnung, landwirtschaftliche Klärschlammverwertung und Phosphat Recycling, 5. VDI Fachtagung Klärschlammbehandlung, Straubing, 2014. [2] Bundesinstitut für Risikobewertung :Protokoll der 6. Sitzung der BfR-Kommission für Kontaminanten und andere gesundheitlich unerwünschten Stoffe in der Lebensmittelkette, 2011. [3] Bundesverwaltunsgvorschrift: Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen, Deutschland, 1993. [4] Die Zeit: Serie - Tödliche Keime, Hamburg, 2014. [5] Firma Eisenmann: Stationäre Wirbelschichtfeuerung. [6] Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und der SPD für die 18. Legislaturperiode, 2014. [7] Malms, Montag, Pinnekamp, Schmelz, v. d. Meer, Blöthe, Lehrmann, Eitner und Klett: Langzeotlagerung von Verbrennungsaschen, 27. Aachener Kolloqium für Abfall und Resourcenwirtschaft, Aachen, 2014. 474

Zukunftsfähigkeit kleiner Klärschlammverbrennungsanlagen [8] Statistisches Bundesamt: Abwasserbehandlung - Klärschlamm, Ergebnisbericht, 2010. [9] UBA: Monitoring von Klärschlammaschen, UBA Texte 49/2014. [10] Wiechmann, B; Dienemann, Kabbe, Brandt, Vogel und Roskosch: Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2012. [11] Wiechmann, B.: Klärschlammbehandlung in Mono- und Mitverbrennungsanlagen - Stand und Perspektiven, UBA, 9/2013. 475

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