Das Zusammenspiel von internationalen und europäischen Vorschriften zur Haftung für Passagier- und Gepäckschäden im internationalen

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Bonn, 22. Januar 2010 Rc/Ne/pa

Transkript:

14.04.2005 21:59 1 Das Zusammenspiel von internationalen und europäischen Vorschriften zur Haftung für Passagier- und Gepäckschäden im internationalen Luftverkehr Von Rechtsanwalt Prof. Dr. Ronald Schmid, Frankfurt am Main [Quelle: ReiseRecht aktuell 2004, 198 ff.] [ Autor und Deutsche Gesellschaft für Reiserecht e.v.] Allenthalben hört und liest man von Verbesserungen der Passagierrechte weltweit und in Europa: Ein neues Montrealer Übereinkommen von 1999 ist in Kraft getreten, zeitgleich mit ihm eine EU-Verordnung Nr. 889/2003. 1 Und am 17. Februar 2005 hat eine weitere EU-Verordnung, die Verordnung Nr. 261/2004 2 ihre Rechtswirkung entfalten. Alle diese Regelwerke haben eines gemeinsam: Sie regeln u.a. die Rechte und Pflichten von Fluggästen. Teilweise regeln alle drei sogar gleiches oder ähnliches, so z. B. die Verspätung bei Luftbeförderungen. Für denjenigen, der nicht tief in der Materie steckt, kann das zu Verwirrungen führen: Welche Regelung gilt für was und wann? Mit den nachfolgenden Ausführungen sollen die Grundzüge der neuen Regelwerke dargestellt und aufgezeigt werden, wie diese Vorschriften zusammenspielen, sich teilweise ergänzen. A. Die neuen Regelungen im kurzen Überblick 1. Die Grundzüge des neuen Montrealer Übereinkommens 3 a. Seit nunmehr drei Monaten haben Fluggäste auf internationalen Flügen mehr Rechte, wenn sie oder ihr Reisegepäck zu Schaden kommen. Das ergibt sich aus dem Luftverkehrs-Übereinkommen von Montreal, das nach Hinterlegung der 30. Ratifizierungsurkunde durch die USA bereits am 4. November 2003 in Kraft getreten ist. Da aber die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu diesem Zeitpunkt ihre Ratifizierungsurkunden noch nicht hinterlegt hatten, galt es noch nicht für Füge zwischen deren Mitgliedstaaten. Das ist seit dem 28. Juni 2004 anders. An diesem Tag wurde das Montrealer Übereinkommen auch für die bisherigen EU-Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt; aber auch die neu beigetreten Staaten haben das Montrealer Übereinkommen inzwischen weitgehend ratifiziert. Das neue Übereinkommen bringt Luftfahrtunternehmen, aber auch Reiseveranstaltern, die Flugpauschalreisen anbieten und dadurch vertraglicher Luftfrachtführer werden, beträchtliche neue Haftungsrisiken, indem es die Rechte der Flugreisenden deutlich verbessert. Kommt es zu Unfällen, bei denen Passagiere getötet oder verletzt werden, haftet ein Luftfrachtführer in Zukunft grundsätzlich unbegrenzt. Er muss also den gesamten U- * Der Vortrag wurde am 25.9.2004 während des 12. Resterechtstages der Deutschen Gesellschaft für Reiserecht in Göttingen gehalten. 1 ABl. EG Nr. L 140 vom 30.5.2002, S. 2. 2 ABl. EG Nr. L 46 vom 17.2.2004, S. 1. 3 Ausführlich dazu: Bollweg, ZLW 2000, 439; Ruhwedel, TranspR 2001, 189; Schmid/Müller- Rostin, NJW 2003, 3516. 1

2 fallschaden in der nachgewiesenen Höhe abdecken, während bisher eine Haftungsgrenze von rund 26.000 EUR (53.500 DM) je Fluggast galt. Bis zu einem Schaden in Höhe von 100.000 Sonderziehungsrechten (SZR) 4 das entspricht zur Zeit 116.000 EUR 5 / 6 ist es dabei sogar unerheblich, ob der Luftfrachtführer den Schaden verschuldet hat (Art. 21 Abs. 1); Er kann nur Allein- oder Mitverschulden der anspruchserhebenden Person geltend machen(art. 20). Erst wenn der Schaden höher ist, kann er sich entlasten und seine Haftung für den darüber hinausgehenden Betrag ausschließen. Dazu muss er allerdings beweisen, dass der Körperschaden nicht auf eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung gleich ob seine oder eine seiner Leute zurückzuführen ist oder dass er allein auf das Verschulden eines Dritten zurückzuführen ist (Art. 21 Abs. 2). Neu ist auch, dass ein Luftfrachtführer unverzüglich einen Mindestbetrag als Vorauszahlung aufbringen muss, wenn Passagiere körperlich zu Schaden kommen (Art. 28 MÜ). Damit sollen die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse der Ersatzberechtigten, beispielsweise des Betroffenen selbst oder aber seiner Familie, abgedeckt werden. Die Höhe des Mindestbetrages ist nicht festgelegt (dazu aber unten unter 3). Sofern es um Personenschäden geht, können Fluggäste ihre Ersatzansprüche nun auch an ihrem Wohnsitz geltend machen oder dort, wo sie im Zeitpunkt des Unfalls ihren ständigen Wohnsitz haben. Voraussetzung ist nach Art. 33 Abs. 2 MÜ, dass der betroffene Luftfrachtführer von diesem Staat aus oder dorthin selbst regelmäßig und gewerbsmäßig Luftbeförderungen vornimmt oder aber durch einen Geschäftspartner abwickeln lässt. 7 Außerdem müssen er oder sein Vertragspartner ihr Gewerbe in diesem Staat von Geschäftsräumen aus betreiben, deren Mieter oder Eigentümer er selbst oder sein Geschäftspartner ist. Das bedeutet, dass wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, ein Amerikaner ein deutsches Luftfahrtunternehmen in den Vereinigten Staaten verklagen kann, auch wenn dieses selbst keine Passagiere nach Amerika befördert und der Schaden während einer Reise eingetreten ist, die gar nicht in die Vereinigten Staaten führte. Da die amerikanischen Gerichte den Klägern nicht selten außergewöhnlich hohe Schadensersatzansprüche zubilligen, stellt das für die betroffenen Unternehmen ein beachtliches Risiko dar. Da das Durchführungsgesetz zum Montrealer Übereinkommen (MontÜG) 8, das mit der Ratifikation in Kraft getreten ist, auf Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes verweist, kann ein Passagier, der auf einem internationalen Flug verletzt wird anders als 4 5 6 7 8 Die Umrechnung dieser Beträge in Landeswährungen erfolgt nach Art. 23 Abs. 1 MÜ im Fall eines gerichtlichen Verfahrens nach dem Wert dieser Währungen in Sonderziehungsrechten im Zeitpunkt der Entscheidung. Der in Sonderziehungsrechten ausgedrückte Wert der Landeswährung eines Vertragsstaats, der Mitglied des Internationalen Währungsfonds ist, wird nach der vom Internationalen Währungsfonds angewendeten Bewertungsmethode errechnet, die im Zeitpunkt der Entscheidung für seine Operationen und Transaktionen gilt. Der in Sonderziehungsrechten ausgedrückte Wert der Landeswährung eines Vertragsstaats, der nicht Mitglied des Internationalen Währungsfonds ist, wird auf eine von diesem Staat bestimmte Weise errechnet. Nach 3 MontÜG i.v.m. 49 S. 2 LuftVG bestimmt sich die Umrechnung nach dem Wert des Euro gegenüber den Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds zum Zeitpunkt der Zahlung. Ist der Anspruch gerichtlich geltend gemacht worden, ist der Zeitpunkt der die Tatsacheninstanz abschließenden Entscheidung maßgeblich. Am 2.1.2003 entsprachen 100.000 SZR noch einem Betrag von 129.100 EUR, am 26.9.2003 ist er schon auf 123.318 EUR gesunken. Am 19.9.2004 lag er bei nur noch bei 116.007 EUR. Um den ursprünglichen Wert von ~130.000 EUR wieder zu ereichen, müsste derzeit der Be trag von 100.000 SZR auf 150.000 SZR angehoben werden. Personen entweder mit seinen eigenen Luftfahrzeugen oder aufgrund einer geschäftlichen Vereinbarung mit Flugzeugen eines anderen Luftfrachtführers befördert. Gemeint sind damit z.b. die sog. Codeshare-Flüge. Verkündet in Art. 1 des Gesetzes zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr vom 6.4.2004, BGBl. 2004 I S. 550. 2

3 bisher unter engen Voraussetzungen auch ein Schmerzensgeld fordern( 49 i.v.m. 36 LuftVG). Den Hinterbliebenen eines getöteten Fluggastes bleibt dagegen ein eigener Anspruch weiterhin verwehrt. Entsteht Reisenden durch Verspätung eines Fluges ein Schaden, haftet ein Luftfrachtführer nach Art. 22 Abs. 1 MÜ für vermutetes Verschulden bis zu einem Höchstbetrag von 4.150 SZR (z. Zt. rund 4.810 EUR). Wird Gepäck beschädigt oder zerstört, geht es verloren oder wird es verspätet befördert, liegt die Haftungssumme nach Art. 22 Abs. 2 nun einheitlich bei 1.000 SZR (rund 1.160 EUR) statt wie bisher bei 547 EUR. Das gilt gleichermaßen für aufgegebenes Gepäck wie für Handgepäck (Art. 17 Abs. 4 MÜ). Diese Haftungsgrenze kann aber durchbrochen werden, wenn das in Art. 22 Abs. 5 MÜ bezeichnete qualifizierte Verschulden vorliegt. b. Das Zusatzabkommen von Guadalajara ist wortgleich in das Montrealer Übereinkommen übernommen worden. Damit kommt es für die Frage, ob ein ausführender Luftfrachtführer als quasi-vertraglicher Luftfrachtführer in Anspruch genommen werden kann, nicht mehr darauf an, ob der Abgangs- und Bestimmungsort in je einem Staat liegen, der auch dieses Zusatzabkommen ratifiziert hat. Ist das Montrealer Übereinkommen auf eine Luftbeförderung anwendbar, sind also auch die Bestimmungen des Zusatzabkommens immer anwendbar, weil sie in den Art. 39 ff. MÜ wortgleich niedergelegt worden sind. 2. Die neue EG-Verordnung 2027/97 a. Das Montrealer Übereinkommen gilt wie schon das Warschauer Abkommen nach seinem Art. 1 nur für internationale Flüge. Das sind solche, deren Abgangsund Bestimmungsort in je einem Unterzeichnerstaat liegen. Damit hätte die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 9, die ursprünglich nur das System des Montrealer Übereinkommen vorweg für die EU-Mitgliedstaaten einführen wollte, aufgehoben werden können. Denn alle Luftbeförderungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind stets auch internationale i.s.d. Art. 1 MÜ, so dass das Übereinkommen mithin auf solchen Luftbeförderungen immer anwendbar ist. Dennoch hat die EU-Kommission aber die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 nicht aufgehoben, sondern ausgeweitet: - zum einen wollte man auch die innerstaatlichen Luftbeförderungen in den EG- Mitgliedstaaten dem neuen Haftungssystem des Montrealer Übereinkommens unterwerfen; - zum anderen wollte man weitere, im Montrealer Übereinkommen nicht oder nicht weit genug verankerte Rechte schaffen. Folglich wurde mit Inkrafttreten des Montrealer Übereinkommens für alle Staaten der Europäischen Gemeinschaft am 28.7.2004 zeitgleich die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 10 geändert. 11 9 10 ABl. EG Nr. L 258 vom 17.10,1997, S. 1. ABl. EG Nr. L 140 v. 30.5.2002, S. 2. Nach ihrem Art. 2 tritt die Verordnung am Tag ihrer Verkündung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Sie gilt aber frühestens 3

Nach deren Art. 6 haben die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft (d. h. nicht alle Luftfrachtführer!) die Pflicht, bestimmte Regelungen in ihre Beförderungsbedingungen aufzunehmen. Dazu zählt auch die Regelung des Art. 5 Abs. 2 VO, nach der das Luftfahrtunternehmen bei Todesfällen einen Mindestbetrag von 15.000 SZR unverzüglich, spätestens aber 15 Tage nachdem die Identität der schadensersatzberechtigten natürlichen Person festgestellt worden ist, zu zahlen hat. Der Mindestbetrag der Abschlagzahlung ist durch die Verordnung Nr.889/2002 auf 16.000 SZR angehoben (Art. 5 Abs. 2). Diese Verbesserung schlägt aber leider kaum noch durch. Wurden die 15.000 SZR im September letzten Jahres noch mit ~18.500 EUR umgerechnet, so rechnen sich im September 2004 die erhöhten 16.000 SZR auch nur mit 18.560 EUR um. b. Darüber hinaus wurde für den Zuschlag, den ein Luftfahrtunternehmen für den Fall der Wertdeklaration eines Fluggastes nach Art. 22 Abs. 3 MÜ verlangen kann, bestimmt, dass sich dieser auf die Kosten für die Beförderung und die Versicherung des betreffenden Reisegepäcks, die über die Kosten für Reisegepäck bis zum Haftungshöchstbetrag hinausgehen, beziehen muss (Art. 3a). c. Von Bedeutung ist auch die neue Hinweispflicht. In Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/ 97 n. F. ist bestimmt, dass a l l e Luftfahrtunternehmen (also nicht nur die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft!), die im Gebiet der EG-Mitgliedstaaten Luftbeförderungen gegen Entgelt anbieten, sicherstellen müssen, dass den Fluggästen an allen Verkaufstellen eine Zusammenfassung der wesentlichen Bestimmungen über die Haftung für Schäden der Fluggäste und an deren Reisegepäck, einschließlich der Fristen für die Erhebung von Schadensersatzklagen und der Möglichkeit der Abgabe einer besonderen Erklärung zu Reisegepäck bekannt gegeben 12 wird. Dies gilt auch beim Verkauf per Telefon oder Internet! d. Um dieser Informationspflicht nachzukommen, haben die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft (jetzt also nicht a l l e Luftfahrtunternehmen!) die Hinweise im Anhang der Verordnung zu verwenden. Bezogen auf Schadensersatz bei Tod und Körperverletzung heißt es dort: Für Schäden bis zu einer Höhe von 100.000 SZR kann das Luftfahrtunternehmen keine Einwendungen gegen Schadensersatzforderungen erheben. Dieser Hinweis ist schlichtweg falsch! Denn ein Luftfrachtführer kann auch bei einem Personenschaden bis 100.000 SZR durchaus nachweisen, dass die den Schadensersatzanspruch geltend machende Person den Schaden durch eine unrechtmäßige Handlung oder Unterlassung verursacht oder dazu beigetragen hat (Allein- oder Mitverschulden); in diesem Fall ist er ganz oder teilweise von der Haftung befreit (Art. 20 MÜ). Gelingt ihm der Nachweis, haftet der Luftfrachtführer dann nicht. 4 11 12 die nicht ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens von Montreal für die Europäische Gemeinschaft. Nachfolgend wird sie im Rahmen dieses Beitrages zur Klarstellung als Verordnung (EG) Nr. 2027/97 n. F. bezeichnet. Aus den Worten bekannt geben ist m. E. abzuleiten, dass die Luftfahrtunternehmen dies aktiv bekannt machen müssen und nicht nur diese Informationen vorhalten müssen, um sie bei Nachfrage bekannt zu geben. Dafür spräche zwar der englische Text, der von make available spricht. Doch ist die deutsche Sprache eine Amtssprache der Europäischen Gemeinschaften, so dass der deutsche Text auch nach dieser Sprache auszulegen ist. Ob teleologische Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen würde, kann an dieser Stelle vertieft werden. Dagegen könnte sprechen, dass ein klarer anderer Wortlaut hätte gefunden werden müssen und können, wie z. B. in Art. 3a für den Tarif über einen Zuschlag, der den Fluggästen auf Anfrage mitegetielt2 werden muss. 4

Zwar sagt Art. 6 Abs. 1 S. 3, dass diese Zusammenfassung oder Hinweise weder als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs noch zur Auslegung dieser Verordnung oder des Übereinkommens von Montreal herangezogen werden können; doch kann hier Verwirrung entstehen. M. E. sollten die Luftfahrtunternehmen diesen falschen Hinweis daher so nicht verwenden, so dass im Interesse des aufzuklärenden Passagiers, aber auch im eigenen Interesse Ungehorsam geboten ist. Denn möglicherweise könnte ein so aufgeklärter Passagier daraus ableiten, dass der Luftfrachtführer im Schadensfall auf seine grundsätzlich möglichen Einwendungen im Vorhinein verzichtet. Da zudem die Nichtbefolgung der vorgegebenen Informationspflicht unsanktioniert geblieben ist, kann die Korrektur ohnehin keinen Nachteil haben. c. Damit es richtig kompliziert wird, bestimmt Abs. 2, dass neben (!) den oben skizzierten alle Luftfahrtunternehmen jedem Fluggast bei einer in der Gemeinschaft durchgeführten oder gegen Entgelt vereinbarten Beförderung im Luftverkehr schriftliche Angaben machen müssen über - den bei diesem Flug geltenden Höchstbetrag für die Haftung des Luftfahrtunternehmens für Tod oder Körperverletzung, sofern ein solcher Höchstbetrag besteht; - den bei diesem Flug geltenden Höchstbetrag für die Haftung des Luftfahrtunternehmens für Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck mit dem Hinweis, dass der Fluggast Reisegepäck, dessen Wert diesen Betrag übersteigt, vor Antritt der Reise dem Luftfahrtunternehmen bei der Abfertigung melden oder es vollständig versichern sollte; - den bei diesem Flug geltenden Höchstbetrag für die Haftung des Luftfahrtunternehmens für Schäden durch Verspätung. 5 3. Die EG-Verordnung Nr. 261/2004 13 Ab 17. Februar 2004 wird eine neue Verordnung (EG) Nr. 261/2004 14 in Kraft treten, die die bisherige Verordnung (EWG) Nr. 295/97 15 über Ausgleichzahlungen bei Nichtbeförderungen im Linienflugverkehr vom 4. Februar 1991 (sog. Überbuchungs- Verordnung) ablösen wird. Sie regelt wie bisher schon ihre Vorgängerin die Folgen der Überbuchung eines Fluges, darüber hinaus aber auch die Fälle der Verspätung und der Annullierung eines Fluges. Die wesentliche Neuerung: Die Verordnung gilt nun auch für Nicht-Linienflüge, d.h. auch für Nur-Flüge auf im Ferienflugverkehr eingesetzten Flugzeugen sowie für Luftbeförderungen, die im Rahmen einer Pauschalreise durchgeführt werden. Voraussetzung ist, dass der Fluggast a) entweder im seinen Flug auf einem Flughafen im Gebiet des Binnenmarkts antritt 16 oder b) ihn ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft aus einem Nicht-EU-Staat zu einem EU- Flughafen 17 befördert Art 3 Abs. 1). Für den Fall der Nichtbeförderung (Art. 4) und der Annullierung des Fluges (Art. 5) hat das ausführende Luftfahrtunternehmen bestimmte Ausgleichs-, Unterstützungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen, sofern sich das ausführende Luftfahrtunterneh- 13 14 15 16 17 Ausführlich dazu: Leffers, DGfR-Jahrbuch 2003 (Baden-Baden 2004), S. 21; Tonner, RRa 2003, 59; Staudinger/Schmidt-Benduhn, VersR 2004, 971. ABl. EG Nr. L 46 vom 17.2.2004, S. 1. ABl. EG Nr. L 36 vom 8.2.1991, S. 5. In diesem Fall ist es unerheblich, ob der Flug von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchgeführt wird oder von einem Luftfahrtunternehmen eines Drittlandes. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b VO ist das ein Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaates. 5

6 men nicht nach Art. 2 Buchstabe j ( vertretbare Gründe ) oder nach Art. 5 Abs. 3 ( außerordentliche Umstände ) für die Nichtdurchführung des Fluges entlasten kann. Die Ausgleichs- und Betreuungsleistungen können weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden (Art. 15). Für die Fälle der Verspätung (Art. 6) sind nur nach Flugdistanzen gestaffelt für Abflugverzögerungen von zwei und mehr Stunden Betreuungsleistungen gemäß Art. 9 anzubieten. B. Das Zusammenspiel der Regelwerke Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist schon nach ihrem eigenen Wortlaut keine abschließende Regelung. 18 Denn sie will nach Art. 1 Abs. 1 nur Mindestrechte für Fluggäste festlegen und stellt in Art. 12 Abs. 2 klar, dass weiter gehender Schadensersatz dadurch nicht ausgeschlossen sein soll. Damit stellt sich für den Rechtsanwender die Frage, welche der Regelwerke im Einzelnen wann Anwendung finden. 1. Personen- und Gepäckschäden Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 n. F. bestimmt, dass für die Haftung eines Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft für Fluggäste und deren Gepäck alle einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens von Montreal gelten. Damit ist für EU-Luftfahrtunternehmen die Regeln des neuen internationalen Haftungssystems (Art. 17 ff. MÜ) übernommen. Art. 28 MÜ verpflichtet den Luftfrachtführer, bei Todesfällen oder Körperverletzungen an die schadensersatzberechtigten natürlichen Personen unverzüglich Vorauszahlungen zur Befriedigung der unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse zu leisten, wenn er dazu nach nationalem Recht verpflichtet ist. In Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 n. F. wird die Vorauszahlungspflicht für alle EU-Mitgliedstaaten zwingend normiert, so dass im Gebiet der Europäischen Gemeinschaften die in Art. 28 MÜ normierte Voraussetzung gegeben ist. Während Art. 28 MÜ aber offen lässt, in welcher Höhe eine solche Vorauszahlung zu erfolgen hat, bestimmt Art. 5 Abs. 2 VO im Todesfall einen Mindestbetrag von 16.000 SZR fest. Eine Normenkollision ergibt sich aus dieser Erweiterung nicht, da das Montrealer Ü- bereinkommen nur Mindeststandards setzt, die zwar nach Art. 49 MÜ nicht zum Nachteil des Reisenden, wohl aber zu dessen Vorteil verändert werden dürfen. Es muss aber gesehen werden, dass Art. 5 VO nicht aber für alle Luftfrachtführer, sondern nur für die Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft gilt. Somit gilt die Vorauszahlungspflicht nicht für den vertraglichen Luftfrachtführer (der im Regelfall kein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist), sondern nur für den ausführenden Luftfrachtführer; nur er ist soweit er ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist verpflichtet einen Vorschuss zu zahlen. Kommt ein Passagier also im Rahmen einer Flugpauschalreise körperlich zu Schaden, kann er nur vom (EU-) Luftfahrtunternehmen, nicht aber vom Reiseveranstalter einen Vorschuss verlangen 2. Verspätungen 18 So auch Staudinger/Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971, 972. 6

7 a. Das Montrealer Übereinkommen regelt den Schadensersatzanspruch bei Flugverspätungen (Art. 19). Dabei kommt es nach hier vertretener Ansicht 19 anders als bei der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, die auf die Abflugzeit abstellt 20 nicht darauf an, ob ein Flug verspätet begonnen wird, sondern allein darauf, ob er verspätet am vereinbarten Ort ankommt. Entsteht dem Reisenden durch die verspätete Ankunft ein wirtschaftlicher Schaden, ist dieser zu ersetzen. b. Die Verordnung (EG) Nr. 2027/97 n. F. enthält keine eigene weitere Regelung zur Verspätung, sieht man einmal davon ab, dass der Fluggast nach Art. 6 Abs. 2 über den Haftungshöchstbetrag aufzuklären ist. Somit existiert insoweit keine Normenkollision. c. Nach Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 hat der Fluggast im Fall der Verspätung allerdings einen Anspruch auf eine Unterstützungsleistung gemäß Art. 9 (dort richtig Betreuungsleistung genannt 21 ). Würde diese als Schadensersatzleistung angesehen werden, würde sie mit dem Montrealer Übereinkommen kollidieren, weil der nach dem Montrealer Übereinkommen mögliche Entlastungsbeweis in der Verordnung ausgeschlossen ist. M. E. kann die Betreuungsleistung nicht als Schadensersatzleistung angesehen werden, denn sie basiert nicht auf dem Gedanken eines Schadensausgleichs und dient auch nicht diesem Zweck. Vielmehr werden die Luftfahrtunternehmen nur verpflichtet, den Passagier zu betreuen und die Kosten der Verpflegung, Hotelunterbringung und der evtl. notwendigen Transfers zu übernehmen. Damit soll erreicht werden, dass dem Fluggast ein Schaden gar nicht erst entsteht. Die Unterstützungsleistung ist so betrachtet also eine Schadensvermeidungsleistung und damit gerade keine Schadensersatzleistung. Insoweit kann also keine Anspruchskonkurrenz mit Art. 19 MÜ vorliegen. 22 Daher ist es m. E. unschädlich, dass eine Entlastungsmöglichkeit nicht vorgesehen ist. 23 Da nach Art. 12 Abs.1 S.2 VO nur Ausgleichsleistungen, nicht aber Betreuungsleistungen auf einen weiter gehenden Schadensersatzanspruch angerechnet werden können, kann ein Reisender den Schadensersatzanspruch gemäß Art. 19 MÜ neben seinen Ansprüchen aus Art. 9 VO geltend machen. 24 3. Flugannullierung und Nichtbeförderung a. Im Montrealer Übereinkommen ist der Fall der Flugannullierung oder der Nichtbeförderung ebenso wenig wie in der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 n. F. geregelt. Die Nichtbeförderung kann auch nicht als besonderer Fall der Verspätung angesehen werden, 25 und zwar auch dann nicht, wenn der Fluggast später auf einem anderen 19 20 21 22 23 24 25 So auch Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag (3. Aufl. 1998), Rdnr. 554 und Guldimann, Internationales Lufttransportrecht (1965), Art. 19 Rdnr. 3. Vgl. auch OLG Frankfurt am Main, ZLW 1984, 177 = TranspR 1984, 21. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass die Betreuungsleistung ja schon erforderlich wird, wenn sich der Abflug verzögert. Ob das Flugzeug später dennoch rechtzeitig ankommt, ist insoweit unerheblich. Die verwirrenden Wechsel der Begriffe hat schon Leffers, a.a.o., S. 29 mit Recht kritisiert. So auch Staudinger/Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971, 972. A. A. wohl Leffers, a.a.o. S. 30. Ebenso: Staudinger/Schmidt-Bendun, a.a.o. (wie vor). H.M. Vgl. BGH, NJW 1979, 495; Giemulla, EuZW 1991, 367, 368; Ruhwedel, a.a.o., Rdnr. 550; Schmid, TranspR 1985, 369, 373. 7

8 Flug befördert wird und verspätet am Zielort ankommt. Denn mit der Bestätigung eines bestimmten Fluges (z. B. LH 1790) wird die vereinbarte Beförderungsleistung konkretisiert; die Beförderung auf einem andern Flug (z. B. LH 1792) ist somit ein Aliud. 26 Aus diesem Grund richten sich Schadensersatzansprüche bei einer Nichtbeförderung eines Fluggastes nach dem jeweils anwendbarer nationalen Recht. 27 Ist deutsches Recht anwendbar, bestimmen sich die Rechte des Fluggastes nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über den Werkvertrag ( 631 ff. BGB) und die Leistungsstörung ( 275 ff. BGB). Diese Ansprüche setzen aber anders als die aus der Verordnung abzuleitenden Ansprüche ein Verschulden bzw. die Kenntnis bzw. unverschuldete Unkenntnis voraus, die aber vermutet werden (vgl. 280 Abs.1 und 311 a Abs. 2 BGB). Diese Tatbestandsmerkmale dürften aber bei einer Flugannullierung häufig, bei einer Nichtbeförderung wegen Überbuchung im Regelfall vorliegen. 28 b. Der Anspruch auf eine Betreuungsleistung nach Art. 6 i.v.m. Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 ist dagegen kein (pauschalierter) Schadensersatzanspruch (s. o. B 2 c). c. Daneben gewährt die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Art. 4 (Nichtbeförderung) und Art. 5 (Annullierung) unter bestimmten Voraussetzungen Ausgleichsansprüche nach Art. 7. Dessen Rechtsnatur ist nicht eindeutig geklärt. 29 aa. Sieht man den Ausgleichsanspruch als einen Strafschadensersatzanspruch an, wie er im anglo-amerikanischen Recht bekannt ist (punitive damage), 30 so stellt sich die Frage, ob er als solcher da im deutschen Recht ein Fremdkörper gegen das Grundgesetz verstößt. Dagegen spricht aber, dass dann die Festsetzung der Höhe des Anspruchs in das Ermessen des Gerichts gestellt sein müsste und damit ein besonders verwerfliches Verhalten des Luftfahrtunternehmens zur Abschreckung geahndet werden müsste. 31 Die Höhe der Ausgleichzahlungen ist aber in Art. 7 VO nach Flugdistanz gestaffelt festgelegt und unterliegt somit keinem richterlichen Ermessen mehr. Der Abschreckungsgedanke schlägt sich in der Regelung selbst nicht nieder; nur die Sanktionen gegen die Luftfahrtunternehmen, die gegen die Verordnung verstoßen, sollen abschreckend sein. 32 Da ihm also die wesentlichen Merkmale eines Strafschadensersatzanspruches fehlen, kann der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 VO auch nicht als solcher bewertet werden. bb. Der Anspruch gemäß Art. 7 i.v.m. Art. 4 und 5 VO erfolgt als Ausgleichszahlung : Es soll damit also ein Schaden ausgeglichen werden. Das belegt auch Art. 12 Abs. 1 S. 2 VO, der bestimmt, dass eine gezahlte Ausgleichsleistung auf einen weitergehenden Schadensersatzanspruch angerechnet werden. Somit ist er kein Anspruch sui generis, 33 sondern ein Schadensersatzanspruch. Da der Verordnungsgeber aber die Höhe des Ausgleichs nicht in ein Verhältnis zu einem entstandenen Schaden setzt, son- 26 27 28 29 30 31 32 33 Ausführlich dazu: ders., in: Giemulla/Schmid, FrankfKomm zum LuftverkehrsR, Bd. 3, Art. 19 WA, Rdnr. 41 ff. BGH, a.a.o.; Guldimann, a.a.o., Vorb. Rdnr. 7 zu Art. 17 ff. WA. So auch Staudinger/Schmidt-Bendun, VersR 2004, 971, 973. Leffers (a.a.o., S. 31) sieht darin einen Anspruch sui generis, dessen Verhältnis zum Schadensersatzanspruch nicht eindeutig geklärt sei. Dazu ausführlich: Müller, Punitive damages und deutsches Recht (2000). Darauf weisen Staudinger/Schmidt-Bendun (NJW 2004, 1897, 1899) mit Recht hin. Siehe Erwägungsgrund 21. So Leffers, a.a.o., S. 31. 8

dern pauschale Beträge festsetzt, ist der Anspruch m. E. nur als pauschalierter Schadensersatzanspruch anzusehen. 34 9 34 So auch Staudinger/Schmidt-Bendun, NJW 2004, 18197, 1899. 9