ETH Zürich Institut für Astronomie Sonntag, 20. November 2011 Das Bild der Welt Harry Nussbaumer Institut für Astronomie ETH Zurich
Der Mensch als Teil des Universums Der Mensch macht sich ein Bild vom Kosmos. Hochmittelalter: der Mensch als Mittelpunkt des Universums. Hildegard von Bingen: Liber Divinorum Operum Lucca-Kodex, 1. Hälfte 13. Jh.
Sonnen- und Mondfinsternisse als göttliche Botschaften an den König Die Omensammlung Mondfinsternis Enuma Anu Enlil (Die Venustafel)
Der Anfang der astronomischen Forschung in Mesopotamien, ungefähr 1000 v.chr. MUL.APIN Die Tafel ist 8.4 cm hoch und mit Keilschriftzeichen bedeckt, angefertigt um -500. British Museum, Tablet Nr. 86378. Sonnen- und Mondfinsternisse, wie auch besondere Stellungen der Planeten in Bezug auf den Mond wurden als göttliche Botschaften interpretiert. Das genaue Studium dieser Phänomene führte zur wissenschaftlichen sc c e Denkweise e und zur Entdeckung von Naturgesetzen.
Das Bild als Resultat einer tieferen Wirklichkeit? Die beobachtete, ungleichförmige und nicht kreisrunde Bahnform wird in einem mathematisch hoch komplexen Modell auf gleichförmig durchlaufene Kreisbahnen zurückgeführt.
1543: Kopernikus setzt statt der Erde die Sonne ins Zentrum, bleibt aber beim Prinzip des gleichmässig durchlaufenen Kreises.
Neue Instrumente und Beobachtungstechniken reduzieren Beobachtungsfehler um einen Faktor 20 und bereiten das Feld für eine neue Astronomie. Das Observatorium des Tycho Brahe um 1580.
Eine 2000-jährige Philosophie wird ersetzt Am platonischen Ideal kreisförmig, gleichförmiger Bewegungen hielt selbst Kopernikus fest. Keplers neue Astronomie Ptolemäus um +150 Kopernikus 1543 Das Zusammenführen der damals besten Beobachtungen mit dem besten theoretischen Astronomen ergab eine neue Astronomie und den Anfang der Astrophysik. Johannes Kepler (1571-1630)
Bestehen Himmel und Erde aus demselben Stoff? Sidereus Nuncius i 1610: Galileo Galilei (1564-1642), Der Mond scheint aus richtet 1609 das Teleskop auf demselben Material zu den Himmel. bestehen wie die Erde.
Die Gravitation regiert das Universum Isaac Newton (1643-1727) Principia 1687 (Philosophiae Naturalis Principia Mathematica)
Wie entstanden Galaxien und Sterne? Kant und Laplace wagen eine Antwort. Unstrukturierte Materie strukturiert sich durch ihre eigenen Eigenschaften Nebel aus Herschels Katalog von 1801 Immanuel Kant (1724-1804) Allgemeine Naturgeschichte und Pierre-Simon Laplace (1749-1827) Theorie des Himmels 1755. Exposition du système du monde 1796.
Das Licht enthüllt die kosmischen Geheimnisse. Die Spektroskopie gibt den Blick frei auf die kosmische Physik Die Information über die physikalische und chemische Beschaffenheit des Universums ist im Licht der Himmelskörper enthalten. Fraunhofers Sonnenspektrum (1814/15) Kirchhoff und Bunsen (1859) öffnen den Weg zur physikalischen Erforschung des Universums, das eigentliche physikalische Rüstzeug wird in der ersten Hälfte des 20. Jh. von der Quanten- und Atomtheorie bereitgestellt. Das Universum besteht aus derselben Materie wie die Erde!
Die neue Epoche der Grossteleskope Mount Wilson 60-inch (1.5m) 1908. The Hale Mount Wilson 100-inch (2.5m) 1917. The Hooker
Die Bausteine des Universums Harlow Shapley (1885-1972) Edwin Hubble (1889-1953) Zeigt, Harlow Shapley dass wir (1885-1972). uns weit zeigt, dass Andromeda weit entfernt Er zeigt, dass vom wir Zentrum uns weit entfernt der vom Zentrum ausserhalb der Milchstrasse liegt. Milchstrasse der befinden.
Ein neues Rätsel: Die Spektren der Spiralnebel Slipher zeigt ab 1912, dass Spiralnebel stark rotverschobene Spektren haben. Vesto Vesto Slipher Slipher (1875-1969) (1875-1969) Lowell Observatory Flagstaff Arizona. 61-cm Clark Telescope. Beobachtete am Lowell Observatory Flagstaff mit dem 61-cm Clark Teleskop. Was bedeutet das?
1917: Einstein begründet die moderne Kosmologie Albert Einstein (1879-1955) Marcel Grossmann (1878-1936) Kosmologische Betrachtungen zur allgemeinen Relativitätstheorie 1917 publiziert i in Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften.
Lemaitre 1927: Das Universum dehnt sich aus Lemaitres Entdeckung von 1927: Die Galaxien rennen nicht voneinander weg, sondern der Raum vegrössert sich. Georges Lemaitre (1894-1966). Hier mit Einstein, der Lemaitres Entdeckung anfänglich als abscheulich bezeichnete Es begann mit dem Urknall vor ungefähr 13.5 Milliarden Jahren. (Lemaitre 1931)
Fünf offene Fragen im Jahr 2011 Wie entwickelt sich das Universum? Welcher Natur ist die Dunkle Materie? Welcher Natur ist die Dunkle Energie? Ist unser Universum einmalig? Sind wir die einzigen Lebewesen im Universum?
Jede astronomische Beobachtung ist ein Blick in die Vergangenheit. ESO: 4 Teleskope mit Spiegeln von 8.2 m. Der Laserstrahl «röntget» die Atmosphäre. Spiegel von 39.3m Durchmesser. Besteht aus 1000 Segmenten von je 1.4 m Breite aber nur 5 cm Dicke, jeder mit 6000 Reglern versehen. Geplant für die 2020er Jahre. Cerro Amazones in Chile. Die Schweiz ist durch die ESO an den modernsten Teleskopen beteiligt. t
Wie entwickelt sich das Universum? Zur Erinnerung: Gravitationskollaps von Kant und Laplace. M 81 NGC 2207/IC 2163 1. Früher Kollaps der gegenwärtigen g g Materie? 2. Verschmelzen kleinerer zur grossen Galaxie?
Fritz Zwicky: 1933, Entdeckung der Dunklen Materie. Wo und wie wirkt die Dunkle Materie? Auf Licht und auf Teilchen! a) Die Bewegungen in Galaxienhaufen b) Galaxien als Linsen zur Lichtablenkung Coma Galaxienhaufen, Distanz 300-350 Millionen LJ, Durchmesser 20 Millionen LJ, über 1000 Galaxien. Virialsatz.
Nobelpreis 2011: Die Dunkle Energie Das Universum expandiert. Wäre als einzige kosmische Kraft die Gravitation wirksam, so müsste sich die Expansion verlangsamen. Dagegen liest man seit 1998 aus den Beobachtungen, dass sich die Expansion seit ungefähr z 1 (Alter des Universum 9.5 Milliarden Jahre) beschleunigt. Welche Kraft steckt dahinter? Keplers Supernova von 1604 Wenn alle Supernovae Ia in ihrem Ausbruch gleich hell sind, so kann man aus der beobachteten Helligkeit die Distanz berechnen. Die Rotverschiebung zeigt, wann die Supernova explodierte: Welches Expansionsmodell gibt die jetzt beobachtete Entfernung?
Hinweis aus der Verteilung von Strahlung und Teilchen und der Fluchtgeschwindigkeiten der Supernovae Beobachtung Modellrechnung Di K bi ti di B b ht ibt it W h h i li hk it Die Kombination dieser Beobachtungen ergibt mit grosser Wahrscheinlichkeit eine beschleunigte Expansion des Universums. Es wirkt eine uns noch unbekannte Kraft!
Dunkle Materie, Dunkle Energie Einstein: E= mc 2 Masse und Energie sind ineinander verwandelbar. Wir ordnen der Masse eine Energie zu: Aus was besteht die Dunkle Materie? Ist die Dunkle Energie eine bis jetzt noch unbekannte fundamentale Form der Energie? Stehen wir vor einer neuen Entdeckung, wie damals Kepler, der g, p, Newtons Gravitationstheorie erahnte, aber nicht mehr erlebte?
Ist unser Universum einmalig? Lemaitres Phönix Friedmann und Lemaitre skizzierten die Möglichkeit eines zyklischen Universums. Eines neben vielen? Ist unser Universum nur eines von vielen nebeneinander bestehenden Universen? Der Urknall wäre dann der Übergang zwischen zwei sich zeitlich folgenden Universen.
Sind wir und unsere Tierwelt die einzigen Lebewesen im Universum? Am 5. Oktober 1995 künden Michel Mayor und Didier Queloz, die Entdeckung eines Planeten um den Stern 51 Pegasi an. 51 Peg ist ein sonnenähnlicher Stern. Der gefundene Planet hat 0,46 Jupitermassen und umrundet den Stern in 42T 4,2 Tagen in einer Entfernung von nur 005 0,05 astronomischen Einheiten (Erdbahnradien). Massen: Sonne= 333 000 Erdmassen = 1000 Jupitermassen
Wie entdecken wir Planeten? Durch die Bewegung des Sterns. Durch die Verdunkelung des Sterns.
Bald 2000 Planeten entdeckt Bis anfangs November 2011 wurden 573 Ein-Planetensysteme und 81 Mehr- Planetensysteme klar identifiziert. Dazu hat die Kepler-Transit-Mission bis zum Frühjahr 2011 nach der Beobachtung von 165 000 Sternen 1235 Kandidaten um 997 Sterne entdeckt, 74% sind kleiner als Neptun mit seinen 3.8 Erddurchmessern. 54 Kandidaten sind in der bewohnbaren Zone. Wo hat es Leben? Die bewohnbare Zone.
Die bedeutendsten Entdeckungen und Weltbilder -1500 bis +50 Babylonien: Himmelserscheinungen folgen einem mathematisch erfassbaren Muster. -400 bis +150 Hellenistisch: Mathematik + Philosophie aristotelisches Bild vom Universum 1543 Kopernikus: heliozentrisches Weltbild, bleibt in der platonischen Philosophie. 1609 Kepler: bricht mit Platon, neue Astronomie und Anfang der Astrophysik. 1610 Galileo: bezweifelt den Unterschied zwischen himmlischer und irdischer Materie. 1687 Newton: formuliert das Gravitationsgesetz. Die Gravitation regiert das Universum. 1755/1796 Kant/Laplace: Das Universum ist das Produkt einer Entwicklung (Welteninseln). 1859 Kirchhoff und Bunsen: Erfindung der Spektroskopie (Das Licht bringt Informationen). 1917 Einstein: verbindet allgemeine Relativitätstheorie mit Kosmologie. 1927 Lemaitre: entdeckt die Expansion des Universums Zukunft: 1. Sind wir an der Schwelle der Entdeckung neuer Formen der Materie (Dunkle Materie)? 2. Sind wir an der Schwelle der Entdeckung neuer Formen der Energie (Dunkle Energie)? 3. Entdecken wir bald Leben um fremde Sterne?
publiziert 2009, 2. Auflage 2010 Cambridge University Press publiziert 2005. publiziert 2011 2. Auflage 2007 vdf vdf