Nationales Forum Alter und Migration vom 30. November 2010

Ähnliche Dokumente
Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Weltweite Wanderschaft

MigrantInnen werden älter: Wer pflegt sie?

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

1. Weniger Steuern zahlen

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung 2012

Migration in der Bundesrepublik

Leichte Sprache Informationen zum Europäischen Sozialfonds (ESF) Was ist der Europäische Sozialfonds?

Das Schulsystem in Deutschland (Band 2, Lektion 1)

Ein Sozialprojekt der Rotary Clubs Paderbon Kaiserpfalz

Ab 2012 wird das Rentenalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre steigen. Die Deutsche Rentenversicherung erklärt, was Ruheständler erwartet.

Berufsunfähigkeit? Da bin ich finanziell im Trockenen.

Naturgewalten & Risikoempfinden

Statuten in leichter Sprache

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Überbevölkerung? Demographie und Bedeutung der Migration für die Schweiz

Vortrag von Andreas Jesse ChancenForum bezahlte Arbeit trotz Bescheid für die Beschäftigungs-Therapie

Deutsche Bank. Studie Erben und Vererben 2015

Rentenarten in der gesetzlichen Rentenversicherung + VBL-Rente

Die STERN Weinschule Lernen mit Genuss

Rentensicherheit. Rente? Aber sicher!

Mehr Umsatz durch Übersetzungen? Geht das?

Resultate 2. Umfrage «Reformakzeptanz Altersvorsorge 2020»

Bildungspatenschaften stärken, Integration fördern

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Nicht über uns ohne uns

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Sparen in Deutschland - mit Blick über die Ländergrenzen

Umfrage Weltfondstag 2013

Auslotung der Gefühle & Wünsche von Eltern und SchülerInnen zum Schuljahr 2011/2012

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

+ Sicherheit + Flexibilität + Preisvorteil. Berufsunfähigkeitsversicherung. neue leben. start plan GO

Mustervortrag zum Foliensatz Rente ab 67 stoppen Soziale Alternativen durchsetzen!

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Nicaragua. Wo die Menschen leben Mehr als die Hälfte der Menschen lebt in Städten. Denn auf dem Land gibt es wenig Arbeit.

Avenue Oldtimer Liebhaber- und Sammlerfahrzeuge. Ihre Leidenschaft, gut versichert

FRAGE 39. Gründe, aus denen die Rechte von Patentinhabern beschränkt werden können

Die Wirtschaftskrise aus Sicht der Kinder

Wir machen uns stark! Parlament der Ausgegrenzten

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Beiträge der Studierenden an die AHV, die IV und die EO

Pflege ein großes Thema...

Gut vernetzt mit pflege.net der Homepage des Netzwerks

Welche Bereiche gibt es auf der Internetseite vom Bundes-Aufsichtsamt für Flugsicherung?

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

HIER GEHT ES UM IHR GUTES GELD ZINSRECHNUNG IM UNTERNEHMEN

Die Mehrheit der deutschen Erwerbstätigen sieht Defizite im Hinblick auf die soziale Gerechtigkeit

Den Durchblick haben. VOLKSBANK BAD MÜNDER eg. Online aber sicher: Unsere Produkt- und Sicherheitshotline hilft und informiert

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Meinungen zur Altersvorsorge

Betriebsnahe Umschulung. Umschulung in Partnerschaft mit Unternehmen

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Ergebnisse der Umfrage zur Wirtschaftsförderung. Name: Dr. Schulz

Hinzuverdienstgrenzen für Rentner

Eurobarometer-Umfrage*, Angaben in in Prozent der der Bevölkerung**, Europäische Union Union und und ausgewählte europäische Staaten, Ende 2005

Gezielt über Folien hinweg springen

Wie machen es die anderen? Beispiel Schweiz. Dr.med. Thomas Maier Chefarzt St. Gallische Kantonale Psychiatrische Dienste Sektor Nord

BERUFSUNFÄHIGKEITS SCHUTZ. Ausgezeichneter Schutz bei Berufsunfähigkeit! Im Fall der Fälle sind Sie jetzt fi nanziell auf der sicheren Seite.

einfach. transparent. sicher. Das neue Pensionskonto Alle Informationen zum Service Ihres Pensionsversicherungsträgers

Häufig gestellte Fragen zum Thema Migration

Vorsorgetrends 2012 Österreich

Papa - was ist American Dream?

Lohnvergleich Primar Dienstjahre

Jeder Mensch ist anders. Und alle gehören dazu!

Fragebogen der IG Metall-Jugend zur Qualität der Berufsausbildung

Mobile-Money-Studie Daten und Fakten Europa

Trainingsplan 21-wöchiger Trainingsplan für einen Langdistanz-Schwimm- Wettkampf

Bußgelder im Ausland. Inhalt. 1 Vorsicht es kann teuer werden

Englische Werbung im Internet für das Tourismusgewerbe von Thüringen

Anleitung zum DKM-Computercheck Windows Defender aktivieren

Leichte-Sprache-Bilder

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

BERUFSUNFÄHIGKEITS SCHUTZ. Ausgezeichneter Schutz bei Berufsunfähigkeit! Im Fall der Fälle sind Sie jetzt fi nanziell auf der sicheren Seite.

Die Invaliden-Versicherung ändert sich

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Attraktiv und wirkungsvoll unsere Leistungen für Arbeitgeber

Entsorgung war gestern Wertschöpfung ist heute

90% 10% Empowering Digital Banks STATUS DIGITALER BANKENSTRATEGIEN WETTBEWERBSVORTEILE SIND WEITER MÖGLICH. Expertenbefragung Digital Banking 2015

Lehrer: Einschreibemethoden

Flüchtlingskinder in Deutschland Eine Studie von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes e.v.

Fragen des Alters und des Alterns

Wie bewerten. LehrerInnen & SchülerInnen. die MindMatters-Materialien?

Assoziierte Plätze Geben Sie ein Zuhause auf Zeit. Werden Sie Gastfamilie.

Eingewöhnung. Wie ein guter Start gelingt

Deutsche ohne. Vorbehalt! Weg mit dem Optionszwang!

Medikalisierung oder Kompression? Wie die demographische Entwicklung auf die Krankenversicherung wirkt?

Frauen in MINT-Berufen

Gemeinsam können die Länder der EU mehr erreichen

Ergebnisse zur Umfrage GC MARKT-BLITZLICHT No. 6 Mitarbeiter gewinnen. 08. August 2014

Bewertung des Blattes

Geld vom Staat - Jetzt Pflegezulage sichern. Besser Barmenia. Besser leben. Deutsche-Förder- Pflege

Demographischer Wandel

Werden Sie Chef Ihres Hobbys. 10 Argumente für Ihren beruflichen Erfolg

Das Frauenhaus ein guter Ort für Kinder! Schutz und Unterstützung für Mädchen und Jungen, die häusliche Gewalt erlebt haben.

Hinweise in Leichter Sprache zum Vertrag über das Betreute Wohnen

allensbacher berichte

Transkript:

Nationales Forum Alter und Migration vom 30. November 2010 François Höpflinger Migration und Alter - demographische Entwicklungen und individuelle Lebensverläufe Teil I: Demographischer Hintergrund Teil II: Zur Lebensbiographie von Migranten und Migrantinnen www.hoepflinger.com

Ausländische Wohnbevölkerung im Rentenalter 1981-2030: Entwicklung und Szenarien (in 1000) 300 250 200 150 100 50 Szenario 2010 Szenario 1995 Szenario2000 0 1981 1990 2000 2010 2020*2030*

Die zahlenmässig grössten Gruppen ausländischer Wohnbevölkerung in der zweiten Lebenshälfte 2007/08 40-64 J. 65-79 J. 80+ J Italien Italien Italien Deutschland Deutschland Deutschland Portugal Frankreich Frankreich Serbien/Kosovo Österreich Spanien Frankreich Spanien Österreich Spanien Serbien/Kosovo Grossbritannien Frankreich Türkei Niederlande Türkei Niederlande USA, Kanada

Ältere Bevölkerung: Ausländerstatus und im Ausland geboren 2009 AusländerIn Im Ausland geboren 26% 16% 22% 13% 25% 14% 27% 12% 19% 8% 16% 6% 10% 4% 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85+

Ältere Migranten (65+): Verteilung nach Staatsangehörigkeit bei Geburt, 2009 Italien Deutschland Frankreich Österreich West- & Nordeuropa Südeuropa Zentraleuropa Balkanländer Türkei Übriges Europa Aussereuropäische Länder

Individuelle Lebensverläufe I Lebenssituation älterer Migranten und Migrantinnen variiert je nach Herkunftskontext, Bildungshintergrund, Arbeits- und Familienbiographie. Für Menschen aus Nordeuropa war und ist die Schweiz der kulturnahe Süden, für Menschen aus Südeuropa der kalte Norden. Die einen flohen in ihrer Jugend vor Krieg, Gewalt, Armut und Arbeitslosigkeit in die Schweiz. Anderen wanderten aufgrund einer bi-nationalen Liebesbeziehung oder guten Karrierechancen in die Schweiz. Vielfach sind es mehr soziale Schichtfaktoren (Bildung, früherer Berufsstatus, Rentenhöhe) sowie biographische Einflussfaktoren (erlebte Kindheit und Jugend, Verlauf der Migration und der Integration in den neuen Wohn-kontext) als spezifisch kulturelle Faktoren, die das Alter bestimmen.

Individuelle Lebensverläufe II Die einen Migranten konnten in der Schweiz einen sozialen Aufstieg erfahren und sie profitieren auch im Alter vom Reichtum einer interkulturellen Lebenserfahrung. Andere Migranten - die Mehrheit der ersten südeuropäischen Einwanderer - übernahmen körperlich harte und schlecht bezahlte Arbeitsstellen (mit wenig Chancen zur sprachlichen Integration). Sie leiden im Alter vermehrt an gesundheitlichen Einschränkungen und geringen Renten. Rückkehrwünsche, aber auch biographische Verletzungen durch frühere oder aktuelle Ausländerfeindlichkeit prägen ältere Migranten und Migrantinnen bis ins Alter. (In der Stadt Zürich 1969 sahen nur 26% der Schweizer in den Italiener eine Bereicherung der schweizerischen Kultur, 1995 waren es hingegen 88%).

30.00% Bezug von Ergänzungsleistungen zur AHV 25.00% 20.00% 15.00% 10.00% 2002 2008 5.00% 0.00% Schweizer Ausländer

Individuelle Lebensverläufe III In den letzten Jahrzehnten haben sich die Herkunftsregionen der ersten Einwanderergeneration wirtschaftlich und sozial massiv verändert. Die ursprüngliche Heimat ist nicht mehr die gleiche wie zur Zeit ihrer Auswanderung. Für ältere Migranten und Migrantinnen kann sich ein doppelter Verlust ergeben: Die ursprünglich verlassene Heimat der Jugend existiert nicht mehr, aber auch die Schweiz ist noch keine echte Heimat. Das Gefühl von Heimatlosigkeit (und einer verlorenen Jugend ) ist bei älteren Migranten nicht selten. Die im Alter zentrale biographische Aufarbeitung der Lebensgeschichte hat sowohl die Migrationsbiographie) als auch den Wandel der Herkunftsgesellschaft zu thematisieren.

Alte MigrantInnen: einige Stichworte zum Abschluss a) Es handelt sich um eine gesellschaftlich zumeist unauffällige, sozial nahezu unsichtbare Gruppe (dies gilt speziell für ältere bzw. verwitwete Frauen). b) Auch gut integrierte Personen haben oft Vorbehalte gegenüber schweizerischen Behörden/ Institutionen. Projekte funktionieren nicht ohne Mitbeteiligung von ausländischen Moderatoren. c) Sie beurteilen ambulante oder stationäre Altersangebote oft nach transnationalen Bezugspunkten. d) Zentral ist die Mitberücksichtigung der vielfältigen Migrationserfahrungen und der jahrelangen Auseinandersetzung mit zwei unterschiedlichen Kontexten. e) Spezifische Angebote für alt gewordene MigrantInnen können notwendig sein, wenn hirnorganische Veränderungen im Alter die Zweitsprachkenntnisse reduzieren und eine Kommunikation nur noch in der Herkunftssprache möglich wird.