Multifunktionswerkstatt im Kompetenzzentrum Digitale Zahntechnik in Freiburg. (Alle Fotos: Gewerbe Akademie Freiburg) Lernen mit System Überbetriebliche Ausbildung für das Zahntechnikerhandwerk an der Gewerbe Akademie Freiburg Sonja Weiss Berufsorientierung, überbetriebliche Erstausbildung, Weiter- und Meisterausbildung bis hin zu handwerksorientierten Studiengängen gehören zum Bildungsauftrag der Handwerkskammern (HWK) in Deutschland. Um diesen Auftrag flächendeckend erfüllen zu können, betreibt die HWK Freiburg drei große Gewerbe Akademien in Baden-Württemberg. Das Bildungszentrum für Zahntechnik ist als Abteilung bei der Gewerbe Akademie in Freiburg angesiedelt. Mit den Unterabteilungen Überbetriebliche Ausbildung (ÜBA), Kompetenzzentrum Digitale Zahntechnik und Meisterschule deckt es wichtige Elemente der Aus- und Fortbildung für Zahntechniker ab. Grundlage der Ausbildung im Handwerk ist das duale System. Das bedeutet, dass Auszubildende einerseits praktische Erfahrung im Betrieb sammeln und andererseits die fachtheoretischen Grundlagen in der Berufsschule lernen. Die ÜBA ist Bestandteil der betrieblichen Ausbildung. Als eine Art verlängerte Werkbank ergänzt und unterstützt sie die praktische Ausbildung durch Praxislehrgänge, die in speziellen Werkstätten durchgeführt werden. Konzipiert werden diese Lehrgänge auf Bundesebene, im Zusammenspiel mehrerer Institutionen und in Absprache mit den an der Ausbildung beteiligten Sozialpartnern. Die Feder- 1560 Quintessenz Zahntech 2016;42(11):1560 1564
Auszubildende beim Design von Kronen und Brücken. Ehemalige Auszubildende, heute Meisterschülerin: Lisa Müller bei der Okklusionskontrolle. führung dieses Abstimmungsprozesses hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB), das die Lehrpläne dann auch verabschiedet. Einheitliche Lehrgänge Praxiserprobtes Qualitätsmanagement Laut offiziellem Lehrprogramm gibt es sechs einwöchige Lehrgänge für das Zahntechnikerhandwerk. Je nach Lernfortschritt heißen die Lehrgänge im ersten Lehrjahr als Grundkurs G-ZAHN1, ab der Fachstufe ZAHN1-5. Dabei geht es beispielsweise um die Herstellung von totalen Unter- und Oberkieferprothesen, um kieferorthopädische Geräte oder die CAD/ CAM-Technik. In Absprache mit den regionalen Innungen kann jedoch jede Handwerkskammer individuelle Schulungsprogramme verabschieden. Eine Möglichkeit, die auch das Bildungszentrum für Zahntechnik in Anspruch genommen hat. So besuchen dort alle Auszubildenden der HWK Freiburg und Konstanz die überbetrieblichen Lehrgänge nach einem sogenannten Wahlpflichtprogramm. Zur Wahl stehen alle Fachlehrgänge ZAHN1-5 sowie ein selbst konzipierter Keramik-Grundkurs ZAHN6/FR. Wahlpflicht bedeutet, dass der Kurs ZAHN3 belegt werden muss sowie mindestens zwei weitere Fachlehrgänge (ZAHN6/FR nur optional), um zur Gesellenprüfung zugelassen zu werden. Die Ausbildungsbetriebe haben so die Möglichkeit, genau die Lehrgänge zu buchen, die das betriebliche Produkt- und Ausbildungsspektrum optimal ergänzen. Bemerkenswert ist, dass ca. 90 % aller Auszubildenden zu allen sechs Lehrgängen angemeldet werden. Für die Auszubildenden ist die ÜBA eine intensive Arbeitswoche, an deren Ende der fertige Zahnersatz steht. Sie üben ein praxiserprobtes Qualitätsmanagement: Bevor der Ausbilder die gefertigten Teile bewertet, um den Lehrlingen und Ausbildungsbetrieben eine qualifizierte Rückmeldung geben zu können, beurteilen und bewerten die Auszubildenden ihre Produkte selbst. So entwickeln sie großen Ehrgeiz, perfekte Ergebnisse zu erzielen. Durch die gemeinsame Arbeit über eine Woche hinweg haben die Teilnehmer die Möglichkeit, sich intensiv über ihre Erfahrungen auszutauschen. Da sie in sehr unterschiedlichen Betrieben mit verschiedenen Schwerpunkten lernen, können sie sich gegenseitig Tipps und Anregungen geben. Diese können sie in ihrem Rezeptbuch mit Anschauungs- Quintessenz Zahntech 2016;42(11):1560 1564 1561
Auszubildende bei der wechselseitigen Qualitätskontrolle. Scannen von aufgewachsten Kronen im Lehrgang für angewandte CAD-/CAM-Technik. Auszubildende bei der Ergebniskontrolle. Fräsen der designten Kronen aus Kunststoff. modell notieren. Gemeint sind damit die Kursunterlagen zu den praktischen Arbeiten, die die Auszubildenden in den Kursen erstellen und die sie für die weitere Arbeit im Betrieb mitnehmen. Seit geraumer Zeit verändern digitale Technologien im Herstellungs- und Dienstleistungsprozess das Zahntechnikerhandwerk. Diese Entwicklung stellt die Zahntechnikerbetriebe vor große Herausforderungen, denn zu den nach wie vor hohen Investitionskosten in die herkömmlichen Zahntechnikmaterialien kommen die Investitionen in digitale Soft- und Hardware. Zeitgleich verändert die Digitalisierung des Labors die Betriebsstrukturen. Die Investitionen müssen sich amortisieren, der Umsatz muss gesteigert werden, es gilt mehr Aufträge zu akquirieren, um diese dann mit gleichem oder gar geringerem Personaleinsatz zu fertigen. Das alles bedeutet, dass die Anforderungen an die Mitarbeiter in den Laboren steigen. Diesem Trend kann nur durch intensive Weiterbildung entgegnet werden. Handwerk 4.0 1562 Quintessenz Zahntech 2016;42(11):1560 1564
Dr. Dirk Gebert, Leiter der Gewerbe Akademie Freiburg. Thema Kieferorthopädie: Planung für einen Labialbogen. Thema Totalprothetik: Zahnaufstellung nach System. Und diese lohnt sich. Gut ausgebildete Fachkräfte werden händeringend gesucht. Wer motiviert ist, kann sich zum Meister weiterbilden. In Freiburg können Zahntechniker dazu einen Meistervorbereitungskurs belegen, den Meister C+. Er schließt bereits die digitale Entwicklung mit ein und kombiniert die klassische Meistervorbereitung mit einer anerkannten Ausbildung zur CAD-/CAM-/CNC-Fachkraft Digitale Zahntechnik. Der Meistertitel wiederum berechtigt zum Studium an Hochschulen. Aber auch handwerksorientierte Studiengänge sind in Freiburg möglich, zum Betriebswirt des Handwerks oder mit dem Abschluss Bachelor of Arts (B.A.) in Business Administration. Auslandspraktika und Wettbewerbe Wer dann noch nicht genug hat oder erleben will, wie Zahntechniker in anderen Ländern arbeiten, kann ein Auslandspraktikum absolvieren, gefördert durch das EU-Erasmusprogramm berufliche Bildung. Und ist nach diesen Kursen und Eindrücken sicher fit für die Teilnahme an Leistungswettbewerben, z. B. dem Gysi-Preis oder dem PLW der Handwerkskammern. Quintessenz Zahntech 2016;42(11):1560 1564 1563
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat im Übrigen ein Sonderprogramm zur Digitalisierung überbetrieblicher Bildungsstätten aufgelegt. Das Kompetenzzentrum Digitale Zahntechnik hat sich erfolgreich für dieses Entwicklungsprojekt beworben mit dem Ziel, in die heute schon komplexe handwerkliche Ausbildung die digitalen Technologien noch besser zu integrieren. Über neu konzipierte Lerneinheiten, Pilotlehrgänge und Entwicklung von Vorschlägen zu neuen Lehrgangsinhalten soll die praktische Ausbildung den neuen digitalen Anforderungen angepasst werden. Projektstart war der 1. Oktober 2016. Weitere Informationen unter www.zahntechnik.wissen-hoch-drei.de ZTM Sonja Weiss Gewerbe Akademie Freiburg Wirthstr. 28 79110 Freiburg E-Mail: sonja.weiss@hwk-freiburg.de 1564 Quintessenz Zahntech 2016;42(11):1560 1564