Fallbeispiele zum IT-Recht Videoüberwachung und Datenschutz Teil 2

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Transkript:

Fallbeispiele zum IT-Recht Videoüberwachung und Datenschutz Teil 2 In der letzten Ausgabe haben wir uns bereits zwei Urteile zum Thema Datenschutz und Videoüberwachung näher angesehen und festgestellt, dass die heimliche Videoüberwachung in der Regel unwirksam und rechtswidrig ist. Gleichzeitig haben wir aber gesehen, dass es auch hier Ausnahmen gibt, nämlich dann, wenn ausnahmsweise das berechtigte schützenswerte Interesse des Überwachenden schwerer wiegt, als das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Überwachten. Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht bereits ein gewisses Handwerkszeug, um Sachverhalte der heimlichen Videoüberwachung besser beurteilen zu können. Doch das Thema geht tiefer und bedarf der Darstellung einzelner Fallkonstellationen. Daher soll an dieser Stelle ein weiteres, tatsächlich so ergangenes Urteil erörtert werden. Da das erkennende Gericht sehr schön und nachvollziehbar die Grundsätze zum Thema Videoüberwachung und die Grenzen und Ausnahmen in den Urteilsgründen ausführt, wurde das Urteil in gekürzter und sprachlich angepasster Form hier nahezu vollständig übernommen. Bitte lesen Sie zunächst nur das Fallbeispiel und die zugehörige Frage und versuchen Sie selbst Ihr Rechtsempfinden zu befragen, bevor Sie sich die Lösung ansehen. Hätten Sie ebenso entscheiden? Fallbeispiel: Die Parteien sind Nachbarn. Das vom Kläger bewohnte Hausgrundstück war neben dem von der Beklagten bewohnten Grundstück belegen und von der Straße aus nur über das Grundstück der Beklagten zu erreichen. Zu diesem Zweck verfügt der Kläger über ein Wegerecht an einem Teil des Beklagtengrundstücks. Nahe dem Überweg und dem von der Beklagten bewohnten Haus befand sich - ebenfalls auf dem Grundstück der Beklagten belegen - ein Stellplatz, auf welchem die Beklagte ihr Auto abstellt. Das dort abgestellte Kraftfahrzeug der Beklagten wurde mehrfach zerkratzt. Daraufhin ließ sie an ihrem Haus zwei fest installierte, unbewegliche Filmkameras befestigen, die zumindest den Bereich des Stellplatzes filmten und deren Aufnahmen mit einem Digitalrekorder aufgezeichnet wurden. Die Kameras befinden sich jeweils hinter einer halbrunden schwarz getönten und dadurch blickdichten Kuppel aus Kunststoff (sog. Dome-Kameras ). Die Hausseite, an welcher die beiden Kameras befestigt sind, ist die dem Hausgrundstück des Klägers zugewandte Seite. Der Kläger behauptet: Die Kameras erfassten auch die Weg zu seinem Grundstück, zu deren Benutzung er kraft seines Wegerechts berechtigt ist. Die Kameras würden wahrscheinlich sogar sein Grundstück selbst erfassen. Die Kameras ermöglichten der Beklagten eine 360 - Rundumsicht. Der Kläger ist der Auffassung, die Kameras verletzten sein Persönlichkeitsrecht. Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die installierte Video-Überwachungsanlage zu entfernen, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, die Video-Überwachungsanlage so einzustellen, dass nur noch eigene Grundstücksbereiche der Beklagten erfasst und weitere Überwachungen des Klägers auf dessen Grundstück sowie auf dem vor den Zugangsweg unterlassen werden. FRAGE: Hat der Kläger Anspruch auf Beseitigung der Kameras bzw. auf Änderung des Sichtfeldes? ANTWORT: JA.

Der Kläger kann von der Beklagten die Entfernung der installierten Überwachungsanlage wegen einer Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlangen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt jedermann vor technisch gestützter Beobachtung und Aufzeichnung ohne seine Einwilligung. Die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und das unbefangene Gebrauchmachen von Grundrechten wäre gefährdet, müsste man jederzeit mit einer Beobachtung durch Personen, die man nicht sehen kann, oder mit einer reproduzierbaren Aufzeichnung des eigenen Verhaltens rechnen. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung. Es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung. Schon, wenn eine Person eine Beobachtung oder Aufzeichnung ihres Verhaltens nicht ohne Grund befürchten muss, kann ihre Unbefangenheit verloren gehen und die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt sein. Ob in eine Kamera tatsächlich ein Film eingelegt ist, ob eine Videokamera tatsächlich eingeschaltet ist und den Betroffenen erfasst, ob eine Bildaufzeichnung erfolgt oder nicht - solange der Betroffene nicht weiß, ob er beobachtet wird oder nicht, muss er das Risiko einer Überwachung in Betracht ziehen und sein Verhalten darauf einrichten. In dieser Situation gilt das Grundrecht auf individuelle Selbstbestimmung. Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit den Grundrechten wäre eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist. Vor diesem Hintergrund ist in der Rechtsprechung weithin anerkannt, dass das Persönlichkeitsrecht bereits vor nicht funktionsfähigen Videokamera-Attrappen schützt, weil die Betroffenen eine Beobachtung oder Aufzeichnung ihrer Person jederzeit befürchten müssen. Nichts anderes kann auch für die Frage des räumlichen Erfassungsbereichs einer Videokamera gelten: Das Persönlichkeitsrecht schützt vor einer Videoüberwachung bereits dann, wenn Dritte nicht ohne Grund befürchten müssen, erfasst zu werden. Dementsprechend hat zuletzt der Bundesgerichtshof nur dann keinen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht angenommen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte nicht erfasst werden. Ob die Nichterfassung Dritter sichergestellt ist, ist aus deren Sicht zu beurteilen. Nur diese Perspektive wird dem Zweck des Persönlichkeitsrechts gerecht, eine unbefangene Persönlichkeitsentfaltung frei von Überwachungsdruck zu gewährleisten. Nach diesem Maßstab haben die von der Beklagten installierten Überwachungskameras in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen, selbst wenn die Kameras den vom Kläger genutzten Zugang zu seinem Grundstück oder sein Grundstück nie erfasst haben sollten. Entscheidend ist, dass der Kläger nicht ohne Grund befürchten musste, mithilfe der Kameras bei Benutzung des Zugangs zu seinem Grundstück oder bei der Benutzung seines Grundstücks überwacht zu werden. Das ernsthafte Risiko einer Überwachung ergab sich bereits daraus, dass die von der Beklagten eingesetzten Kameras jeweils hinter einer halbrunden, schwarz getönten und dadurch blickdichten Kuppel aus Kunststoff verborgen worden waren und der Kläger deshalb nicht sehen konnte, ob die Kameras ihn erfassen konnten oder nicht. Ein legitimes Interesse der Beklagten an der Verwendung einer getönten Halbkugel zur Verdeckung ihrer Kameras ist nicht ersichtlich, wenn die Beklagte tatsächlich nur ihren Stellplatz überwachen wollte. Soweit die Abde-

ckungen die dahinter befindlichen Kameras vor äußeren Einflüssen schützen sollten, hätte zu diesem Zweck eine transparente Abdeckung genügt, welche die Ausrichtung der Kameras hätte erkennen lassen. Als weitere Möglichkeit zur Beseitigung der unbegründeten Befürchtung, überwacht zu werden, kam der Einsatz eines für Dritte sichtbaren Monitors, welcher das jeweils aufgenommene Bild wiedergibt, in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt es an einem Eingriff in die Rechte der Nachbarn, wenn objektiv feststeht, dass durch eine Videoüberwachung öffentliche und fremde private Flächen nicht erfasst werden, wenn eine solche Erfassung nur durch eine äußerlich wahrnehmbare technische Veränderung der Anlage möglich ist und wenn auch sonst Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. Diese Voraussetzungen sind hier schon wegen der Verwendung der sog. Dome-Kameras nicht erfüllt. Selbst wenn lediglich der Standplatz der Beklagten überwacht würde, wäre eine Erfassung von Flächen, zu deren Benutzung der Kläger berechtigt war, jederzeit durch eine äußerlich nicht wahrnehmbare technische Veränderung der Ausrichtung der verborgenen Kameras möglich gewesen. Der von der Beklagten geschaffene Überwachungsdruck war auch nicht durch überwiegende Interessen der Beklagten gerechtfertigt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Einschränkungen sind im überwiegenden Interesse Dritter oder der Allgemeinheit gerechtfertigt, wenn die Einschränkung zur Erreichung ihres Ziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. In der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass Videoüberwachung einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Personen darstellt. Das Verhalten einer beliebigen Vielzahl von Personen im Erfassungsbereich, die nahezu alle zu einer Überwachung keinen Anlass gegeben haben, kann beobachtet und fixiert werden. Aufzeichnungen von Videokameras können in Echtzeit an beliebige Personen - bis hin zu einer öffentlichen Übertragung in das Internet - übertragen und weitergegeben werden. Erfasst werden kann auch im öffentlichen Raum vertrauliches Verhalten (z. B. Eingabe einer PIN in ein Handy), privates Verhalten (z. B. Lesen einer SMS) oder intimes Verhalten (z. B. Kuss). Aus der An- und Abwesenheit einer Person im Erfassungsbereich einer Kamera, aus ihrem Erscheinungsbild und Verhalten sowie aus ihrer Begleitung können eine Vielzahl von zutreffenden oder unzutreffenden Schlüssen gezogen werden, die schwere Nachteile von Seiten des sozialen Umfelds des Betroffenen (z. B. Spott, Stigmatisierung, Meidung), von Seiten des Staates (z. B. Ermittlungsmaßnahmen) oder durch Straftäter (z. B. Auskundschaftung zwecks Einbruchsdiebstahls, Stalker) nach sich ziehen können. Videokameras können Menschen auch davon abhalten, zum Schutz von Rechtsgütern Dritter einzuschreiten, weil fälschlich davon ausgegangen wird, dass eine Hilfsperson die Aufzeichnung beobachte. Die genannten Risiken einer Videoüberwachung können, selbst wenn sie sich nicht realisieren, dazu führen, dass im Erfassungsbereich von Kameras vorsorglich nur noch eingeschränkt von Grundrechten Gebrauch gemacht wird. Dies kann dazu beitragen, dass eine zunehmend gleichförmige Gesellschaft entstehen könnte, was mit dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht in Einklang stünde. Vor diesem Hintergrund kann eine Videoüberwachung von Personen, die dafür keinen Anlass gegeben haben, nur ausnahmsweise zulässig sein. Das Eigentum der Beklagten an dem überwachten Grundstück begründet für sich genommen kein berechtigtes Interesse an einer Videobeobachtung oder -aufzeichnung anderer berechtigter Grundstücksnutzer. Im Regelfall müssen es berechtigte Benutzer eines Grundstücks nicht hinnehmen, in ihrem Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit durch Videobeobachtung oder -aufzeichnung eingeschränkt zu werden. Das Persönlichkeitsrecht Dritter setzt dem Interesse des Eigentümers am Schutz seiner Rechte Grenzen. Das bloß abstrakte Risiko einer Verletzung von Rechten des Eigentümers durch Grundstücksnutzer rechtfertigt keine prophylaktische, generelle und unterschiedslose Videoüberwachung. Anerkannt ist dies in der Rechtsprechung besonders in Bezug auf Mieter, Wohnungseigentümer oder Arbeitnehmer, die eine Überwachung durch den Grundstückseigentümer, Arbeitgeber oder Hausrechtsinhaber im Grundsatz nicht hinnehmen müssen. Nichts anderes kann auch für Besucher, Lieferanten und sonst berechtigte Grundstücksnutzer (z. B. Postboten) wie hier den Kläger gelten, der über ein Wegerecht an einem Teil des Grundstücks der Beklagten verfügt. Das Privateigentum an einem Grundstück gibt das Recht, mit der Sache

nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Es gibt aber kein Recht, in die Persönlichkeitsrechte Dritter einzugreifen. Dem Betreten eines überwachten Grundstücks durch einen berechtigten Dritten in Kenntnis einer Videoüberwachung lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Betroffene mit seiner Überwachung einverstanden sei. Vielfach werden Personen trotz fehlenden Einverständnisses eine Überwachung nur notgedrungen in Kauf nehmen, um ihren Geschäften nachgehen zu können. In anderen Fällen werden sie ihre Überwachung schon nicht bemerken. Für gerechtfertigt hält die Rechtsprechung eine Videoüberwachung ohne Einwilligung der Betroffenen nur, wenn gerade auf dem überwachten Grundstück und nicht auf Nachbargrundstücken schwerwiegende Rechtsverletzungen, etwa Angriffe gegen eine Person oder ihre unmittelbare Wohnsphäre, begangen worden sind und ihnen ohne Videoüberwachung nicht zumutbar begegnet werden könnte; selbst in diesem Fall darf die Überwachungsmaßnahme nur zielgerichtet und zeitlich befristet zur Identifizierung des Täters dieser Handlungen und zur Durchsetzung der gegen ihn bestehenden Ansprüche eingesetzt werden. Demgegenüber wird eine rein vorsorgliche, prophylaktische Überwachung, die nicht an bereits auf dem Grundstück begangene Taten anknüpft, ebenso wie eine dauerhafte Videoüberwachung über die Aufklärung einer konkret begangenen Tat hinaus für unzulässig erachtet. Im vorliegenden Fall rechtfertigt die Beklagte die Installation der Kameras mit vorangegangenen Beschädigungen ihres Kraftfahrzeugs durch Unbekannte. Wollte man in dem Schutz des Kraftfahrzeugs ein berechtigtes Interesse an einer Videoüberwachung des Stellplatzes erblicken, so war zur Erreichung dieses Ziels die Erzeugung von Überwachungsdruck für Benutzer ganz anderer Flächen bereits nicht erforderlich. Die Beklagte hätte beispielsweise durch Verwendung anderer Gehäuse, Blenden oder Abdeckungen oder auch durch geeignete Positionierung sichtbarer Kameras gewährleisten können, dass sich der Kläger nicht bei der Ausübung seiner Rechte auf dem Zugang und auf seinem Grundstück überwacht fühlen musste. Wird eine sichtbare Videokamera so aufgestellt, dass die Kameralinse aus der Perspektive berechtigter Nutzer nicht sichtbar ist, können sich die Nutzer darauf verlassen, nicht überwacht zu werden. In Betracht kam auch eine für den Kläger sichtbare Echtzeitübertragung der Aufnahmen. Es ist nicht dargetan oder sonst ersichtlich, dass eine entsprechende Einrichtung der Anlage der Beklagten nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre. Davon abgesehen kann im wiederholten Zerkratzen eines Kraftfahrzeugs bereits keine schwerwiegende Rechtsverletzung gesehen werden, die mit Angriffen gegen eine Person oder ihre unmittelbare Wohnsphäre vergleichbar wäre und hinter die das Persönlichkeitsrecht Unbeteiligter zurückstehen müsste. Auch erscheint fraglich, ob den Sachbeschädigungen nicht auf andere Weise zumutbar hätte begegnet werden können, etwa durch physikalische Schutzmaßnahmen. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte, zu deren Duldung der Kläger nicht verpflichtet war, gibt dem Kläger damit gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entfernung ihrer Video-Überwachungsanlage. (Amtsgericht Meldorf, Urteil vom 11.07.2011, Aktenzeichen: 83 C 568/11) Fazit: Das sehr schön begründete Urteil zeigt nochmals eindrücklich die Herleitung und die geltenden Grundsätze bei der Beurteilung der Videoüberwachung. Die Grundsätze gelten zunächst mit Abweichungen wie stets im Einzelfall sowohl für den privaten, als auch für den geschäftlichen, also auch den betrieblichen Bereich, wobei bei der Abwägung die Überwachung eines privaten Bereichs anders zu bewerten sein wird, als die Überwachung eines öffentlichen Bereichs, evtl. sogar eines solchen, dessen man sich als Passant nicht ohne größere Umwege entziehen kann. Im betrieblichen Bereich ist zusätzlich zum Kundenverkehr auch und gerade das Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Eine Videoüberwachung bedarf daher in die-

sen Fällen in der Regel der Zustimmung des Betriebsrates. Ein solches Beispiel soll in einer der nächsten Ausgaben betrachtet werden, um auch diese Problematik näher darzustellen. Timo Schutt Rechtsanwalt & Fachanwalt für IT-Recht www.schutt-waetke.de ra-schutt@schutt-waetke.de