Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Prof. Dr. Kerstin Odendahl Geschäftsführende Direktorin Prof. Dr. Kerstin Odendahl, Walther-Schücking-Institut, Universität zu Kiel, D - 24098 Kiel Falknerei als immaterielles Kulturerbe - Rechtsgutachten - Besucheranschrift: Westring 400, D - 24118 Kiel Tel.: ##49(0)431-880-2149 odendahl@internat-recht.uni-kiel.de Sekretariat : Tel. ##49(0)431-880-2152 Fax ##49(0)431-880-1619 lehrstuhl.odendahl@internat-recht.uni-kiel.de Kiel, den 2. August 2013 I. Was ein immaterielles Kulturerbe ist, bestimmt sich nach Art. 2 UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Die Bestandteile der Definition sind abstrakt in Art. 2 Abs. 1 niedergelegt und bestehen aus drei Teilen. Alle werden von der Falknerei erfüllt: 1) Unter immateriellem Kulturerbe sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen. Die Falknerei stellt nicht nur einen Brauch dar, der seit Jahrhunderten praktiziert wird, vgl. Punkt 4 (B), sondern umfasst auch das dazu gehörende Wissen und die Fertigkeiten. Um die Falknerei betreiben zu können, bedarf es einer langen und sorgfältigen Ausbildung, und zwar sowohl theoretischer (=Wissen) als auch praktischer Natur (= Fertigkeiten), vgl. Punkte 1 und 4 (A). Zur Falknerei gehören Instrumente und Objekte, insb. in Form der Greifvögel und Hunde ( Objekte können auch lebende Tiere sein), der Bells und der Hauben, vgl. Punkt 1. Die Falknerei wird von Gemeinschaften und Gruppen praktiziert. Die meisten Falkner sind in Vereinen organisiert. Diese dienen dem Austausch der Falkner untereinander, sorgen für die Weitergabe und Verbreitung ihres Wissens auf mündlichem und medialem Weg, unterstützen wissenschaftliche Projekte, leisten aktiven Greifvogelschutz und Öffentlichkeitsarbeit, vgl. Punkte 1 und 7. Diese auf die Erhaltung und Weitergabe der Falknerei gerichteten Tätigkeiten zeigen, dass die Gruppen die Falknerei als Teil ihres Kulturerbes verstehen. Interessanterweise beschränkt sich die Wahrnehmung der Falknerei als Kulturgut allerdings nicht auf die Falkner allein. Ausdrücke aus der Falknersprache haben Eingang in die Umgangssprache gefunden, vgl. Punkt 4 (C), und zahlreiche Werke aus Kunst und Literatur nehmen auf die Falknerei Bezug, vgl. Punkt 5. 2) Die Definition führt weiter aus: Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird.
Die Falknerei wurde seit jeher mündlich und schriftlich, vgl. Punkt 4 (B), von einer Generation an die nächste weitergegeben. Nur auf diese Weise hat sie über Jahrhunderte praktiziert werden können. Auch heute noch wird die Weitergabe an die nächste Generation konsequent betrieben, vgl. Punkt 9. Die Falknerei wird von den Falknern in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet. Zwar sind die grundsätzlichen Methoden der Falknerei seit Jahrhunderten im Wesentlichen gleich geblieben, vgl. Punkt 1. Allerdings haben bessere verhaltensbiologische und medizinische Kenntnisse sowie technische Errungenschaften wie die Telemetrie die Praxis verändert, vgl. Punkt 4 (A). Die Falknerei vermittelt den Falknern ein Gefühl von Identität und Kontinuität. Dies zeigt sich in ihrer Organisation in Vereinen, in denen sich die Falkner regelmäßig treffen, sich austauschen und für eine Bewahrung des Kulturerbes sorgen, vgl. Punkte 1 und 7. Dieses Gefühl unter den Falknern führt zu einer Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität. 3) Schließlich findet nur das immaterielle Kulturerbe Berücksichtigung, das mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung in Einklang steht. Die Falknerei steht ohne weiteres mit internationalen Menschenrechtsübereinkünften und der Verpflichtung zur gegenseitigen Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen im Einklang. Internationale Menschenrechte sind von der Falknerei nicht betroffen. Und was die gegenseitige Achtung von Gemeinschaften und Gruppen betrifft, so sorgt die Falknerei über die internationalen Kontakte der Vereine, vgl. Punkte 1, 4 (B) und 7, sowie über die Bewahrung der historischen Wurzeln aus dem Ausland, vgl. Punkte 4 (B) und 6, gerade in besonders starkem Maße für die Völkerverständigung. Auch mit der nachhaltigen Entwicklung steht die Falknerei im Einklang. Sie ist eine natürliche und ökologische Jagdart, vgl. Punkte 8 und 10, die kontinuierlich den technischen und medizinischen Fortschritt sowie moderne ethologische Kenntnisse berücksichtigt, um dem Tierschutzgedanken Rechnung zu tragen, vgl. Punkte 1 und 4 (A). II. Art. 2 Abs. 2 UNESCO-Übereinkommen listet beispielhaft mehrere Bereiche auf, in denen das immaterielle Kulturerbe zum Ausdruck kommt. Fast alle werden von der Falknerei abgedeckt: a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes; Die Falknerei ist eine mündlich überlieferte Tradition. c) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; Die Falknerei ist ein gesellschaftlicher Brauch, der lange Zeit nur in Adelskreisen, heute aber zunehmend von Personen aus allen Bevölkerungskreisen praktiziert wird. d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum; Die Falknerei lebt von dem Wissen über die Natur, das Wild und die Tiere. Ohne dieses Wissen könnte de Falknerei als natürliche Jagdart gar nicht betrieben werden. e) traditionelle Handwerkstechniken. Zur Falknerei gehören z.t. auch traditionelle Handwerkstechniken, wie die per Hand gefertigten Bells und Hauben. Das Ergebnis ist damit eindeutig. Die Falknerei stellt ein immaterielles Kulturerbe i.s.d. Art. 2 des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes dar.