Ähnliche Dokumente
für das Thema und vor allem für Ihren herausragenden, zumeist ehrenamtlichen Einsatz.

Wissen. Können. Weitergeben.

Was ist Immaterielles Kulturerbe?

VI. Moderne wertorientierte Volkspartei

Kulturerbe Streuobst Erhaltung einer alten Tradition

Auftrag Inklusion. Perspektiven für eine neue Offenheit in der Kinder- und Jugendarbeit

Möglichkeiten biografisch orientierter Unterrichtsarbeit in der Schule

Gesundheit von Menschen mit Behinderung Die Menschenrechtsperspektive. Vergessene Patienten, Düsseldorf, 17. April 2013 Susanne Schwalen 1

ÜBEREINKOMMEN ZUR ERHALTUNG DES IMMATERIELLEN KULTURERBES

I N F O R M A T I O N

Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes

Kulturelle Vielfalt als Auftrag der Auswärtigen Kulturpolitik

Arbeitspaket für den Unterricht. zum Thema UNO. 5. bis 8. Schulstufe. Material: - Arbeitsblatt 1: Kinderrechte im Alltag

Initiative UNESCO-Bewerbung: Kulturerbe Friedhof

Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule

Ursula Coester // Social Media Institute / Chancen für den Einsatz von Social Media im Handel

Leitlinien Eichstetten Lebensplatz Dorf Zukunftsorientiertes Wohnen Arbeiten - Erholen

Klinik am Park. AHB- und Rehabilitationsklinik. Pflege-Konzept der Klinik am Park Unsere soziale Dienstleistung von Menschen für Menschen

Inhalt. Vorwort... Vorwort zur 2. Auflage... Vorwort zur 1. Auflage...

Vorwort zur zweiten Auflage... V Vorwort... IX

UNTERNEHMENSCHARTA. Sie bringt auch unsere Mission sowie das Know-how und die Werte, auf die wir uns stützen, zum Ausdruck.

Afrikanische Märchen Weisheiten zu Moral und Nachhaltigkeit in traditionellen Kulturen. Prof. Dr. Hildegard Simon-Hohm

Empfehlung zum nachhaltigen Schutz des kulturellen Erbes gegen Zerstörung durch schädliche Umwelteinflüsse und ähnliche Faktoren

Die Volksrepublik China in internationalen Umweltregimen

Lehrplan Sachkunde Klassenstufen 1 und 2

BERUFSPROFIL FACHPERSON FÜR MEDIZINISCH TECHNISCHE RADIOLOGIE

dialogkultur 2011 Kultur in der Landschaft Kultur als Landschaft

Das UNESCO MAB-Programm und das Biosphärenreservats-Konzept

Projekt Elternbildung mit Flüchtlingsfamilien

WOHNEN ALS GRUNDHALTUNG

Stadt Luzern. Leitsätze. Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Stadtrat

Ergebnispapier der Arbeitsgruppe kulturelles Erbe erhalten und vermitteln (AG 1)

Code of Conduct Compliance. Verhaltensrichtlinien für die Vöhringer GmbH & Co. KG. und. ihre Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner

Globalisierung und soziale Ungleichheit. Einführung in das Thema

Wir stärken dich und deine Rechte! Deutscher Kinderschutzbund Speyer

Mannheim, am 11. Oktober Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Verkehrs-Arbeitsinspektorat

Gesellschaftliche Naturverhältnisse zwischen Krise und Vision. Eine Fallstudie im Biosphärenreservat Mittelelbe. Dr. Tanja Mölders

Professor Dr. Christian Bumke Rede zur Ehrung der Promovierten auf der akademischen Feier der Bucerius Law School am 23.

Unternehmensleitlinien der E.G.O.-Gruppe

Manifest. für eine. Muslimische Akademie in Deutschland

I. Begrüßung Bedeutung von Freundschaft. Wenn man einen Freund hat braucht man sich vor nichts zu fürchten.

KULTURERBE UND TOURISMUS Werte schätzen - Potentiale entdecken

Theorie und Geschichte der Gestaltung 2.

Naturschutz (-bildung) und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung

Förderung innovativer Konzepte in der Berufsausbildung und Unterrichtsentwicklung

Verordnung über die Anerkennung kantonaler Fachhochschuldiplome im Gesundheitswesen

RELIGIONSKUNDE UND ETHIK

BYZANZ VON PETER SCHREINER R. OLDENBOURG VERLAG MÜNCHEN , überarbeitete Auflage

Fédération Internationale des Véhicules Anciens (FIVA) Charta von Turin

Neue Wege Museumspädagogik und E-Learning

Wirtschaft-Arbeit-Technik im neuen Rahmenlehrplan für die Jahrgangsstufe 1 bis 10 (Berlin/Brandenburg) 24. Februar 2015

Übungsaufgaben International Taxation I Prof. Dr. Dietmar Wellisch, StB

Einheit in der Vielfalt

Referat: TRANSKULTURELLER PFLEGEDIENST

Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung Kompetent für Nachhaltigkeit im Beruf

Workshop 5. Welche Vernetzungspotentiale bieten Sportvereine?

Rechtliche Rahmenbedingungen aus der Perspektive des Europarates und die Rolle der Mitgliedstaaten. Christoph Grabenwarter

Rijksuniversiteit Groningen

Was ist nachhaltiges FM für die Bundesimmobilien. Annette von Hagel Facility Management

Einführung zur Kurseinheit Interview

Diversity-Kompetenz in sozialen Berufen

Die Idee. v.l.n.r.: Thomas Lützelberger, Vorstandsvorsitzender der Sparkassenstiftung; Landrat Gerhard Bauer, Stiftungsratsvorsitzender;

Edith Broszinsky-Schwabe. Interkulturelle Kommunikation. Missverständnisse - Verständigung III VS VERLAG. mmmmammmmmmmm

Bericht und Follow-Up

Lehrer: Thomas Neureuter, Nicolaos Afentulidis, Friedrich Haupt.

sozialer liberaler ökologischer

Kundenrückgewinnung. Sieben Prinzipien zum Erfolg

Grundschule: Anbindung an den Unterricht des Fächerverbundes Mensch, Natur und Kultur

PAVILLON. Druckgrafisches Museum Weimar. Drucken ist stets eine junge Kunst gewesen

Transitiver, intransitiver und reflexiver Bildungsbegriff

B.A. Geschichte der Naturwissenschaften Ergänzungsfach

EXTERNISTENPRÜFUNGEN ITALIENISCH

Zum Hintergrund. Prof. Dr. Reinhard Pfriem, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: Ethische Bezüge in der Wertschöpfungskette für Bio-Lebensmittel

: 60 Jahre UNESCO-Schulen

Lebensphasenorientierte Führung

Kapitel 2, Führungskräftetraining, Kompetenzentwicklung und Coaching:

1.1 satzungskonform sein, d. h. gemeinnützigen Zwecken dienen und dem Stiftungszweck gemäß 2 Abs. 1 der Stiftungssatzung entsprechen;

RUND UM DAS UNESCO-WELTERBE ALTSTADT VON BAMBERG

Informationen zum Wahlpflichtfachangebot. der IGS Selters

Virtuelle Unternehmen

Praktikum, Traineeprogramm, Direkteinstieg.

Sport. August Handreichung zum Lehrplan für die Sekundarstufe II Berufliches Gymnasium

UNESCO-Welterbekonvention Nominierungsverfahren und Evaluierung

Globalisierung und soziale Ungleichheit. Einführung in das Thema

Ethik als Fachdisziplin

U N E S C O KONVENTION ZUM SCHUTZ DES IMMATERIELLEN KULTURERBES. Paris, den 17. Oktober 2003

Richtlinien für die Erwachsenenbildung in den Kirchgemeinden der Reformierten Kirchen Bern- Jura-Solothurn

Wissensaustausch im Agrar- und Ernährungssektor fördern

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Aufgabe 1. Übungsaufgaben International Taxation I Prof. Dr. Dietmar Wellisch, StB

Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

PR ist Pflicht. Jan R. Krause Prof. Dipl.-Ing BDA DWB AMM Architektur Media Management Hochschule Bochum

Hörner/Antlfinger (Köln/Berlin) im Dialog mit Anne Hölck (Berlin) Lunch in a cross-species

Leitbild der Universität Leipzig

Sammlung der Gesetze der Tschechischen Republik Nr. 104 Nr. 273/2001 Slg. vom

Die Repressionshypothese am Beispiel von Freuds "Unbehagen in der Kultur" und ihre Kritik durch Michel Foucault

Primarstufe Gemeinschaftsschule Döffingen VIELFALT IN DER GEMEINSAMKEIT - MITEINANDER SIND WIR UNTERWEGS JAHRGANGSÜBERGREIFENDES LERNEN

Deutsch. Bachelor Lehrveranstaltungen

Was erwarten Sie vom Gymnasium? Ein Abiturzeugnis zur Bescheinigung der allgemeinen Hochschulreife...

Transkript:

Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Prof. Dr. Kerstin Odendahl Geschäftsführende Direktorin Prof. Dr. Kerstin Odendahl, Walther-Schücking-Institut, Universität zu Kiel, D - 24098 Kiel Falknerei als immaterielles Kulturerbe - Rechtsgutachten - Besucheranschrift: Westring 400, D - 24118 Kiel Tel.: ##49(0)431-880-2149 odendahl@internat-recht.uni-kiel.de Sekretariat : Tel. ##49(0)431-880-2152 Fax ##49(0)431-880-1619 lehrstuhl.odendahl@internat-recht.uni-kiel.de Kiel, den 2. August 2013 I. Was ein immaterielles Kulturerbe ist, bestimmt sich nach Art. 2 UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Die Bestandteile der Definition sind abstrakt in Art. 2 Abs. 1 niedergelegt und bestehen aus drei Teilen. Alle werden von der Falknerei erfüllt: 1) Unter immateriellem Kulturerbe sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen. Die Falknerei stellt nicht nur einen Brauch dar, der seit Jahrhunderten praktiziert wird, vgl. Punkt 4 (B), sondern umfasst auch das dazu gehörende Wissen und die Fertigkeiten. Um die Falknerei betreiben zu können, bedarf es einer langen und sorgfältigen Ausbildung, und zwar sowohl theoretischer (=Wissen) als auch praktischer Natur (= Fertigkeiten), vgl. Punkte 1 und 4 (A). Zur Falknerei gehören Instrumente und Objekte, insb. in Form der Greifvögel und Hunde ( Objekte können auch lebende Tiere sein), der Bells und der Hauben, vgl. Punkt 1. Die Falknerei wird von Gemeinschaften und Gruppen praktiziert. Die meisten Falkner sind in Vereinen organisiert. Diese dienen dem Austausch der Falkner untereinander, sorgen für die Weitergabe und Verbreitung ihres Wissens auf mündlichem und medialem Weg, unterstützen wissenschaftliche Projekte, leisten aktiven Greifvogelschutz und Öffentlichkeitsarbeit, vgl. Punkte 1 und 7. Diese auf die Erhaltung und Weitergabe der Falknerei gerichteten Tätigkeiten zeigen, dass die Gruppen die Falknerei als Teil ihres Kulturerbes verstehen. Interessanterweise beschränkt sich die Wahrnehmung der Falknerei als Kulturgut allerdings nicht auf die Falkner allein. Ausdrücke aus der Falknersprache haben Eingang in die Umgangssprache gefunden, vgl. Punkt 4 (C), und zahlreiche Werke aus Kunst und Literatur nehmen auf die Falknerei Bezug, vgl. Punkt 5. 2) Die Definition führt weiter aus: Dieses immaterielle Kulturerbe, das von einer Generation an die nächste weitergegeben wird, wird von den Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet und vermittelt ihnen ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird.

Die Falknerei wurde seit jeher mündlich und schriftlich, vgl. Punkt 4 (B), von einer Generation an die nächste weitergegeben. Nur auf diese Weise hat sie über Jahrhunderte praktiziert werden können. Auch heute noch wird die Weitergabe an die nächste Generation konsequent betrieben, vgl. Punkt 9. Die Falknerei wird von den Falknern in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet. Zwar sind die grundsätzlichen Methoden der Falknerei seit Jahrhunderten im Wesentlichen gleich geblieben, vgl. Punkt 1. Allerdings haben bessere verhaltensbiologische und medizinische Kenntnisse sowie technische Errungenschaften wie die Telemetrie die Praxis verändert, vgl. Punkt 4 (A). Die Falknerei vermittelt den Falknern ein Gefühl von Identität und Kontinuität. Dies zeigt sich in ihrer Organisation in Vereinen, in denen sich die Falkner regelmäßig treffen, sich austauschen und für eine Bewahrung des Kulturerbes sorgen, vgl. Punkte 1 und 7. Dieses Gefühl unter den Falknern führt zu einer Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität. 3) Schließlich findet nur das immaterielle Kulturerbe Berücksichtigung, das mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung in Einklang steht. Die Falknerei steht ohne weiteres mit internationalen Menschenrechtsübereinkünften und der Verpflichtung zur gegenseitigen Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen im Einklang. Internationale Menschenrechte sind von der Falknerei nicht betroffen. Und was die gegenseitige Achtung von Gemeinschaften und Gruppen betrifft, so sorgt die Falknerei über die internationalen Kontakte der Vereine, vgl. Punkte 1, 4 (B) und 7, sowie über die Bewahrung der historischen Wurzeln aus dem Ausland, vgl. Punkte 4 (B) und 6, gerade in besonders starkem Maße für die Völkerverständigung. Auch mit der nachhaltigen Entwicklung steht die Falknerei im Einklang. Sie ist eine natürliche und ökologische Jagdart, vgl. Punkte 8 und 10, die kontinuierlich den technischen und medizinischen Fortschritt sowie moderne ethologische Kenntnisse berücksichtigt, um dem Tierschutzgedanken Rechnung zu tragen, vgl. Punkte 1 und 4 (A). II. Art. 2 Abs. 2 UNESCO-Übereinkommen listet beispielhaft mehrere Bereiche auf, in denen das immaterielle Kulturerbe zum Ausdruck kommt. Fast alle werden von der Falknerei abgedeckt: a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Träger des immateriellen Kulturerbes; Die Falknerei ist eine mündlich überlieferte Tradition. c) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste; Die Falknerei ist ein gesellschaftlicher Brauch, der lange Zeit nur in Adelskreisen, heute aber zunehmend von Personen aus allen Bevölkerungskreisen praktiziert wird. d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum; Die Falknerei lebt von dem Wissen über die Natur, das Wild und die Tiere. Ohne dieses Wissen könnte de Falknerei als natürliche Jagdart gar nicht betrieben werden. e) traditionelle Handwerkstechniken. Zur Falknerei gehören z.t. auch traditionelle Handwerkstechniken, wie die per Hand gefertigten Bells und Hauben. Das Ergebnis ist damit eindeutig. Die Falknerei stellt ein immaterielles Kulturerbe i.s.d. Art. 2 des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes dar.