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Transkript:

PARITÄTISCHE PARLAMENTARISCHE VERSAMMLUNG AKP-EU Ausschuss für politische Angelegenheiten ACP-EU/101.157/B 28.02.2012 ENTWURF EINES BERICHTS zu den politischen Auswirkungen des Libyen-Konflikts auf die angrenzenden AKP-Staaten und auf die EU-Mitgliedstaaten Ausschuss für politische Angelegenheiten Ko-Berichterstatter: Assarid Ag Imbarcaouane (Mali) und David Casa TEIL B: BEGRÜNDUNG DR\893809.doc PE101.157/B

Einleitung Nach dem Tod von Muammar Gaddafi und dem Ende seiner 42-jährigen Alleinherrschaft verfügt das Land über keinerlei bewährte Regierungsorgane oder politische Parteien, ein unabhängiger öffentlicher Dienst und eine Zivilgesellschaft sind wenig oder gar nicht ausgebildet, es gibt keine Tradition der Bürgerrechte, der Meinungsfreiheit oder freier Medien, die Wirtschaft ist einseitig ausgerichtet, da sie nahezu vollständig von den Einnahmen aus den Erdölexporten abhängig ist. Im Folgenden sollen die Folgen des Konflikts für die EU-Mitgliedstaaten und die AKP-Staaten in der Nachbarregion näher beleuchtet werden. Das Dokument ist in zwei Teile untergliedert: der erste widmet sich den Auswirkungen auf die EU-Mitgliedstaaten, während der zweite näher auf die Folgen für die AKP-Staaten eingeht. A. Die politischen Auswirkungen auf die EU-Mitgliedstaaten Auswirkungen auf die regionale Sicherheit Mit dem Arabischen Frühling und der libyschen Revolution bietet sich für die EU die einzigartige Möglichkeit, Stabilität, Wohlstand und politischen Pluralismus in einer Region zu fördern, die einen grundlegenden Einfluss auf die Stabilität Europas ausübt. Allerdings können diese positiven politischen Entwicklungen auf nationaler Ebene mit zusätzlichen Gefahren für die regionale Sicherheit durch nichtstaatliche Akteure, insbesondere durch die Verbreitung konventioneller Waffen, verbunden sein. Die EU hat alle beteiligten Akteure aufgefordert, mögliche Chemiewaffenlager zu sichern und diese Waffen nach und nach zu zerstören. Ferner hat die EU ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Ländern der Sahara-Sahel- Zone und für eine schnelle und wirkungsvolle Umsetzung ihrer Sahel-Strategie unterstrichen. Die Partnerschaft für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand der EU, die am 8. März von der Europäischen Kommission und der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik vorgestellt wurde, stellt auch eine sinnvolle Reaktion auf die Forderungen nach einer Unterstützung der neuen Reformstaaten in Europas südlicher Nachbarschaft dar. Einige Hindernisse bleiben allerdings bestehen: so zeigen sich die Mitgliedstaaten nach wie vor zurückhaltend, was eine substanzielle materielle Unterstützung der aus dem Arabischen Frühling hervorgegangenen Regierungen anbelangt; die Gewährung des Zugangs zum Handel ist eher Zusage als Realität; die Verschärfung der Maßnahmen gegen illegale Migration kommt bei den arabischen Reformern nicht gut an und mit Blick auf einige arabische Staaten zeigen die EU-Mitgliedstaaten unverändert eine klare Präferenz für politische Stabilität und Reformen von oben. Auswirkungen auf die Migrationspolitik Vielleicht eine der gravierendsten kurzfristigen politischen Folgen des Libyen-Konflikts für die EU ist der schlagartige Anstieg der illegalen Einwanderung infolge des politischen Vakuums in Libyen. Dieses Problem mag sich mit der Rückkehr von Stabilität im Land von PE101.157/B 2/5 DR\893809.doc

allein lösen, allerdings werden die langfristigen Schwierigkeiten aufgrund der Tatsache, dass Libyen ein wichtiges Transitland für afrikanische Migranten auf dem Weg nach Europa ist, aller Voraussicht nach auch weiterhin bestehen, sodass die südlichen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor mit großen Flüchtlingsströmen konfrontiert sein werden. Bis zum Beginn des Libyen-Konflikts war das Land sowohl wichtiger Ausgangspunkt für Migranten auf dem Weg nach Europa als auch Zielort dieser Ströme. Nach Schätzungen des Nationalen Übergangsrats gibt es in Libyen zusätzlich zu den 6,4 Millionen Einwohnern gegenwärtig etwa drei Millionen illegale Einwanderer. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht von etwa 1,5 Millionen aus. Durch den Konflikt hat sich für diese Menschen zweifelsohne der wirtschaftliche Druck erhöht, den Schritt nach Europa zu wagen, aber auch der politische Druck auf viele Menschen aus afrikanischen Ländern südlich der Sahara, die verdächtigt werden, vom Gaddafi-Regime als Söldner gedungen worden zu sein, hat zugenommen. Seit 2009 waren gemeinsame Küstenpatrouillen aus Libyen und Italien im Einsatz, um dafür zu sorgen, dass weniger Migranten das Risiko auf sich nehmen, von der libyschen Küste nach Europa zu gelangen. Allerdings dürfte die Vereinbarung über das Grenzmanagement den politischen Umschwung in Libyen kaum überstehen, sodass davon auszugehen ist, dass zwischen der EU und der Übergangsregierung ein neues Abkommen ausgehandelt werden muss. Auswirkungen auf die Energiesicherheit Eine sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige Energieversorgung ist für die Wirtschaft und die Bürger der EU von grundlegender Bedeutung und ein Kernziel der EU-Außen- und Handelspolitik (85 % des Erdöl- und 65 % des Erdgasbedarfs werden über Einfuhren gedeckt). Angesichts der zunehmenden Abhängigkeit von Energieeinfuhren wird es für die EU immer problematischer, eine stabile Versorgung zu gewährleisten, was vor allem auch auf die zunehmende Nachfrage in den Schwellenländern zurückzuführen ist. Der Libyen-Konflikt behinderte die Erdölausfuhren des Landes in die EU, hat aber auch die Sicherheit der regionalen Energieversorgung beeinträchtigt, so beispielsweise die Erdgaslieferungen aus Algerien. Vor dem Konflikt machten die libyschen Erdölexporte nahezu 10 % der gesamten EU-Erdölimporte aus. Allerdings bezogen Länder wie Österreich, Italien und Irland mehr als 20 % ihres Erdöls aus Libyen. Die EU muss sich grundlegend mit der Frage der hohen Energieabhängigkeit von einer Region, in der es immer wieder zu Instabilität kommt, auseinandersetzen. Die jüngsten Entwicklungen, insbesondere der Sieg der Truppen des Übergangsrats über die Gaddafi-treuen Truppen, sind vielversprechend. Der Übergangsrat ist nunmehr in der Lage, die Erdölförderung wieder aufzunehmen; allerdings gibt es keine verlässlichen Einschätzungen dazu, wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen wird, weil nicht klar ist, wie groß die Schäden an den Erdölförderanlagen tatsächlich sind. Auch wenn sich die EU über die Sicherheit ihrer Erdölversorgung keine Sorgen zu machen braucht, könnte sich die Situation dramatisch verschlechtern, wenn die libysche Revolution zu einem Volksaufstand in Algerien, nach Russland und Norwegen drittwichtigster Erdgaslieferant für die EU, führen sollte. DR\893809.doc 3/5 PE101.157/B

B. Politische Auswirkungen des Libyen-Konflikts auf die AKP-Staaten Der Libyen-Konflikt, dessen Ausgang nach dem Tod von Oberst Gaddafi noch ungewiss ist, wird mit schwerwiegenden und nahezu unlösbaren Folgen für die Regierungen der AKP- Staaten und insbesondere der Sahel-Sahara-Zone (Mali, Niger und Tschad, sowie in geringerem Maße Mauretanien, Sudan, Somalia und Eritrea) verbunden sein. Humanitäre Krise Nach Schätzungen der IOM und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) belief sich die Zahl der libyschen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten des Landes auf mehr als 700 000, darunter 83 000 in Niger, 52 000 im Tschad und 3000 im Sudan. Zu diesen Migranten kommen Tausende Bürger aus AKP-Staaten (Mali, Niger, Senegal, Ghana, Nigeria, Sudan, Tschad, Mauretanien) hinzu, die in Übergangslagern in Libyen festsitzen und sich dort in großer Gefahr befinden, weil sie ungerechterweise beschuldigt werden, als Söldner für das Gaddafi-Regime tätig gewesen zu sein. Daraus resultiert eine humanitäre Notsituation, die schnelle Reaktionen insbesondere vonseiten der IOM, des UNHCR und der Europäischen Union erfordert, denen große Anerkennung für die Unterstützung gebührt, die sie angesichts der humanitären Schwierigkeiten sowohl innerhalb Libyens als auch in den Nachbarstaaten bereits geleistet haben. Probleme im Zusammenhang mit Sicherheit und Stabilität in der Sahel-Sahara-Zone Der Volksaufstand in Libyen hatte einen Kontrollverlust über das Waffenarsenal der libyschen Armee zur Folge. Angesichts der enormen Waffenmengen wird die Gefahr durch terroristische und kriminelle Gruppierungen und Drogenhändler, die in der Sahel-Sahara- Zone Unterschlupf gefunden haben, deutlich zunehmen. Darüber hinaus sind mit dem Zusammenbruch des libyschen Regimes Hunderte von Söldnern und Kämpfern in diese Region zurückgekehrt, die sich Gruppierungen anschließen könnten, die Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM) nahestehen, oder sogar anderen Gruppen, die wie die Widerstandsarmee des Herrn Terror in Zentralafrika verbreiten. Mit Hilfe dieser Waffenarsenale und durch zusätzliche Anhänger gestärkt könnte AQIM eine weitaus größere Zahl ausländischer Staatsbürger entführen und den Interessen der westlichen Welt zusätzlich schaden. Diese Sicherheitsprobleme werden im Übrigen durch die Gefahr eines Wiederaufflammens des Irredentismus der Tuareg verschärft, der in den vergangenen zwei Jahren in Ländern wie Mali, Niger und Mauretanien zu Rebellionen mit zahlreichen Todesopfern geführt hat. Diese Gefahr trägt zu einer weiteren Schwächung der bereits anfälligen Sicherheitslage in der Sahel- Sahara-Zone sowie der Stabilität und sogar der Souveränität von Ländern bei, deren Regierungen bereits Schwierigkeiten haben, ihre Hoheit auf dem gesamten Staatsgebiet auszuüben. PE101.157/B 4/5 DR\893809.doc

Angesichts der genannten Probleme ist eine Mobilisierung aller Partner im Entwicklungsbereich, allen voran der Europäischen Union, erforderlich, um den Kampf gegen Terrorismus, das organisierte Verbrechen und Drogenhandel zu verstärken, insbesondere durch eine finanzielle und logistische Unterstützung des gemeinsamen operationellen Generalstabskomitees CEMOC (Comité d état-major opérationnel conjoint), das 2010 zu diesem Zweck von Mauretanien, Mali, Niger und Algerien gegründet wurde. Sozioökonomische Folgen Migranten aus den AKP-Staaten, die bisher in Libyen gearbeitet haben und ihre Angehörigen in der Heimat auf diese Weise finanziell unterstützen konnten, stellen die Regierungen ihrer Heimatländer aufgrund ihrer übereilten Rückkehr nunmehr vor ein doppeltes Problem: erstens ist das Versiegen der damit verbundenen Einnahmequelle sowohl für den Staat als auch für den Lebensunterhalt zahlreicher Familien mit großen Einbußen verbunden und zweitens müssen aufgrund der Rückkehr der Migranten in die Heimatländer Aufnahmeeinrichtungen für die Wiedereingliederung der Rückkehrer geschaffen werden, was mit hohen Kosten verbunden ist. Auch im Tourismus, der zusammen mit der Landwirtschaft in einem großen Teil der Sahel- Sahara-Zone, so beispielsweise im gesamten nördlichen Drittel Malis, einen der wichtigsten Wirtschaftszweige darstellt, sind aufgrund der Aktivitäten von AQIM bereits deutliche Einbußen zu spüren. Jede weitere Verschlechterung der Sicherheitslage hätte den völligen Zusammenbruch dieser Branche und damit ernsthafte wirtschaftliche Störungen zur Folge. Schließlich ist mit dem Ende des Gaddafi-Regimes eine weitere entscheidende Ungewissheit verbunden: was wird aus den vielen Entwicklungs- oder Investitionsvorhaben, die in zahlreichen afrikanischen Staaten südlich der Sahara von Libyen finanziert werden? Schlussfolgerung Wie vorstehend erläutert, sind für die AKP-Staaten mit dem Zusammenbruch der Dschamahiriyya im Allgemeinen negative Folgen verbunden, obgleich es auch einige positive Auswirkungen gibt, darunter insbesondere das erwartete Ausbleiben der finanziellen Unterstützung für einige terroristische Gruppierungen wie al-shabaab in Somalia und das Wegfallen eines wichtigen Zufluchtsorts für bewaffnete Gruppen, denen das libysche Territorium als Rückzugsgebiet gedient hat. Die EU-Sahel-Strategie, die von der Hohen Vertreterin der Europäischen Union für Außenund Sicherheitspolitik am 19. Januar 2011 in Brüssel vorgestellt wurde, könnte als eine mögliche Maßnahme dazu beitragen, die oben beschriebenen Folgen abzumildern. Diese Strategie beruht auf vier Pfeilern: Entwicklungsengagement, Konfliktbewältigung und verantwortungsbewusstes staatliches Handeln; Vertiefung der regionalen Zusammenarbeit; Ausbau der Kapazitäten der Länder auf dem Gebiet der Sicherheit (insbesondere Mali, Mauretanien und Niger) und Bekämpfung von Extremismus und Radikalisierung. DR\893809.doc 5/5 PE101.157/B