Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Bernhard-Weiß-Str. 6 10178 Berlin-Mitte u+ salexanderplatz Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft Bernhard-Weiß-Str. 6 D-10178 Berlin VERSENDUNG NUR MIT MAIL www.berlin.de/sen/bjw/ Bezirksämter von Berlin -Leitung Verwaltung Jugendamt- nachrichtlich -Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales -Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin -Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Geschäftszeichen III A 12 Bearbeitung Zimmer Dr. Aline Hirschl 5C25 Telefon 030 90227 5596 Zentrale intern 030 90227 50 50 9227 Fax +49 30 90227 5008 email aline.hirschl @senbjw.berlin.de Datum 29.4.2016 Information zu Fragen in Begleitung sonstiger Erziehungsberechtigter eingereister minderjähriger Flüchtlinge sowie besondere Festlegungen zur Zuständigkeit mit Bezug auf die AV ZustJug/AV JAMA Zunächst wird an dieser Stelle allen Kollegen und Kolleginnen in den Jugendämtern Dank und Anerkennung dafür ausgesprochen, wie mit den Herausforderungen der letzten Zeit im Interesse der Kinder, Jugendlichen und Familien bei höchster Arbeitsbelastung umgegangen worden ist. Gerade in Zeiten besonderer Belastungen können komplexe Zuständigkeitsregelungen zu Dissens und teilweise erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwände führen. Zur Zeit wird gemeinsam von Bezirken und Senatsverwaltung geprüft, ob und wie es insgesamt zu Vereinfachungen der Zuständigkeitsregelungen kommen kann. Bis dahin muss weiterhin pragmatisch und zügig mit insoweit vorläufigen Festlegungen auf auftretende Unsicherheiten reagiert werden. Bei dieser Lage ist es wichtig und hilfereich im Sinne aller Handelnden, dass dennoch auftretende Zuständigkeitsfragen zwischen den Betroffenen, auch unter Einbeziehung der Leitung der Verwaltung des Jugendamtes, thematisiert und nach Möglichkeit konsensual gelöst werden. Bezugnehmend und in Ergänzung der Information zu Fragen der Begleitung von minderjährigen Flüchtlingen durch Erziehungsberechtigte unseres Hauses vom 14.12.2015 - welche als Anlage nochmals beigefügt ist - erfolgen folgende weitere Festlegungen: Zentrales E-Mail-Postfach (auch für Dokumente mit elektronischer Signatur): post@senbjw.berlin.de
2 1. Bestimmung des zuständigen Jugendamtes bei Anträgen insb. auf HzE Ergänzend zu den Ausführungen unter Nr. 5 des o.g. Schreibens gilt: Sofern Hilfen zur Erziehung in Anspruch genommen werden sollen, bestimmt sich für die in Rede stehenden Fälle die Zuständigkeit unter Anwendung der AV ZustJug nach dem Minderjährigen selbst. Soweit es mehrere minderjährige Geschwister betrifft, die gemeinsam eingereist sind, ist in diesen Fällen immer das Geburtsdatum des ältesten Minderjährigen maßgeblich. Für die Beantragung einer HzE bedarf es des Antrags eines Vormundes oder Personensorgerechtspflegers. Sofern dieser auf Grund des Auslandsaufenthalts der Eltern nicht erreichbar ist und der Erziehungsberechtigte einen schriftlich bestätigten allg. Erziehungsauftrag durch die Personensorgeberechtigten hat, kann auf sein Ersuchen hin dennoch mit der Hilfeplanung und Hilfedurchführung begonnen werden, jedoch ist das familiengerichtliche Verfahren unverzüglich einzuleiten, um im weiteren Verlauf eine klare und verlässliche Sorgerechtsvertretung im Inland zu erreichen. Diese besondere Zuständigkeit bleibt solange maßgeblich, bis es zu einer Familienzusammenführung mit einem Sorgeberechtigten kommt (d.h. sonstige Erziehungsberechtigung im Sinne des 7 SGB VIII reicht nicht aus). 2. Verfahren zur Bestellung eines Vormundes/Ergänzungspfleger bei durch sonstige Erziehungsberechtigte begleitete UmF a) Keine Anwendung der Regelungen der AV-JAMA auf begleitete minderjährige Flüchtlinge Für ohne Eltern, aber dennoch durch sonstige Erziehungsberechtigte im Sinne des 7 SGB VIII begleitet eingereiste Minderjährige, finden die Vorschriften der AV-JAMA keine Anwendung. Soweit ein vom Sorgeberechtigten beauftragter Erziehungsberechtigter den Minderjährigen begleitet, entspricht eine Inobhutnahme und damit regelmäßig eine Trennung des Minderjährigen vom begleitenden Erziehungsberechtigen nicht dem Ziel und Gegenstand dieser Regelungen wie auch nicht der Vorgabe des zu Grunde liegenden Bundesrechts. Auch die Formulierung alleinstehend in Nummer 6 ZustKat Ord zu 2 Abs. 4 Satz 1 AZG entspricht diesem Verständnis. Sowohl die AV- JAMA als auch 1 Nr. 4 b) ZustVO Bezirksaufgaben sind in ihrem Anwendungsbereich auf dieser Grundlage zu interpretieren, um das Zusammenspiel der Regelungen sicherzustellen, so dass das alleinige Fehlen eines begleitenden Personensorgeberechtigten für die Anwendbarkeit der AV JAMA nicht ausreicht, wenn ein sonstiger Erziehungsberechtigter das Sorgerecht in dessen Auftrag ausübt (zur Nichtanwendung der 42 ff SGB VIII auf diese Gruppe siehe auch beigefügte Umsetzungshinweise des BMFSFJ vom 14.4.2016 unter Punkt 2 und 3). Die Verfahren zu Behandlung von UmF wie auch bumf befinden sich zur Zeit in der
3 Prüfung und Überarbeitung und es ist bis dahin weiter dieses Verständnis der Regelungen und ihrem Zusammenwirkens zu Grunde zulegen. b) Mitwirkung des Jugendamtes in gerichtlichen Verfahren gem. 87b SGB VIII Die AV ZustJug enthält für diese Fallkonstellationen die Regelungen. nur in einem Teilbereich. Zwar findet sich in Nr. 3 AV ZustJug auch die Regelung, dass innerhalb Berlins die Zuständigkeit abweichend von 87b SGB VIII geregelt wird. Diese Regelung setzt jedoch eine Meldeanschrift oder gewöhnlichen Aufenthalt voraus. Ein gewöhnlicher Aufenthalt setzt voraus, dass man sich unter Umständen an einem Ort aufhält, die erkennen lassen, dass man in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt, mithin eine gewisse Dauer des Aufenthalts sowie die Prognose der Fortsetzung erforderlich ist. Es wird jedoch überwiegend nur ein tatsächlicher Aufenthalt vorliegen, wo sich die Zuständigkeit in familiengerichtlichen Verfahren nicht nach der AV ZustJug, sondern allein in analoger Anwendung des SGB VIII bestimmt. Um eine Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Aufenthaltsstatus zu vermeiden, wird bis auf Weiteres abweichend von der AV ZustJug festgelegt, dass sich die Zuständigkeit allein nach 33 Abs. 2 AG KJHG i.vm. der analogen Anwendung des SGB VIII richtet. Hierbei handelt es sich ausdrücklich noch um keinen dauerhaften Vorgriff auf die noch weiter zu führende Erörterung und Entscheidungsfindung für eine längerfristige Änderung der AV ZustJug, sondern soll nur als Sofortmaßnahme Unklarheiten und Verzögerungen der Vorgangsbearbeitung auf Grund unklarer Aufenthaltsqualität vermeiden. Das bedeutet: Nach 87b Abs. 1 SGB VIII gilt für die Zuständigkeit des Jugendamtes in gerichtlichen Verfahren nach 50 SGB VIII die Regelung des 86 Abs. 1-4 SGB VIII entsprechend. Dort heißt es in 86 Abs. 4 S. 2 SGB VIII: Hatte das Kind oder der Jugendliche während der letzten sechs Monate vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist der örtliche Träger zuständig, in dessen Bereich sich das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung tatsächlich aufhält. c) Amtsvormundschaften Mangels anderweitiger Regelungen zur Frage der Zuständigkeit bzgl. Amtsvormundschaften in Berliner Verwaltungsvorschriften kommt es auch in diesem Bereich gem. 33 Abs. 2 AG KJHG auf die Vorschriften des SGB VIII an. Die Zuständigkeit des Jugendamtes für Amtsvormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft ist in 87c SGB VIII geregelt. Das Familiengericht entscheidet darüber, ob ein Amtsvormund oder ein ehrenamtlicher Vormund für den minderjährigen Flüchtling bestellt wird. Nach 87c Abs. 3 SGB VIII ist für die Pflegschaft oder Vormundschaft, die durch Bestellung des Familiengerichts eintritt, das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat das Kind oder der Jugendliche keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so richtet sich die Zuständigkeit nach
4 seinem tatsächlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Bestellung. Das Bestehen einer Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft des Minderjährigen mit den erziehenden Personen ist für die Zuständigkeit an dieser Stelle irrelevant. Es wird aus konkretem Anlass darauf hingewiesen, dass bei einem Dissens der Jugendämter untereinander bezogen auf die Zuständigkeit eines Jugendamtes für eine Amtsvormundschaft grundsätzlich keine Rechtsbehelfe vor den Amtsgerichten eingelegt werden sollen. Es nicht vermittelbar, dass es hierdurch zu Rechtsstreitigkeiten der Jugendämter untereinander kommt und Familiengerichte einen internen Zuständigkeitsdissens der Berliner Verwaltung klären sollen. Hierfür bietet die Senatsverwaltung an, dass die Jugendämter bei Bedarf analog des Verfahrens nach AV ZustJug über die Jugendamtsleitungen eine Zuständigkeitsklärung herbeiführen und dann ggf. auch in Folge dessen - wenn angezeigt - einen einvernehmlichen Wechsel mit dem Gericht veranlassen können. 3. Eintritt der Volljährigkeit während der Inobhutnahme durch das Landesjugendamt - Anwendbarkeit der AV JAMA Auch für diejenigen UmF, die innerhalb der Betreuung durch uns (Landesjugendamt), d.h. während der Inobhutnahme, volljährig geworden sind, erfolgt die Zuständigkeitsbestimmung nach der AV JAMA und Zuweisung durch die SenBJW. Die Zuweisung ist auch für die Fälle maßgeblich, in denen ein Clearing für den nunmehr Volljährigen durch das Landesjugendamt nicht rechtzeitig vor der Volljährigkeit durchgeführt werden konnte. Dies entspricht dem Leitgedanken, der in Nummer 4 Abs. 1 c) AV JAMA zum Ausdruck kommt. Es ist nicht vorgesehen und erscheint nicht sinnvoll, die Zuständigkeit in diesen Situationen nach AV ZustJug zu ermitteln. Es wurde auch in der AG BÖJ abgestimmt, dass von dem betreuenden Träger eine nicht verbindliche Ersteinschätzung erfolgt, ob ein Jugendhilfebedarf bestehen könnte. Die Entscheidung hierüber trifft unverzüglich das gemäß Zuweisung zuständige Jugendamt. Bis zu dieser Entscheidung verbleibt der betreffende in der Betreuung in der bisherigen Einrichtung. Sofern das zuständige Jugendamt einen Jugendhilfebedarf für den jungen Volljährigen feststellt, hat es die Betreuung in dann eigener Zuständigkeit zu übernehmen. Sofern ein Jugendhilfebedarf vom Jugendamt abgelehnt wird, wird der junge Volljährige wird durch das Landesjugendamt an Landesamt für Gesundheit und Soziales weitergeleitet. Eine entsprechend Beschreibung des Verfahrens ist auch im 4. Trägerinformationsschreiben vom 19.2.2016 unter 3.b. erfolgt, welches ebenfalls beigefügt wird.
5 4. Zuständigkeitsbestimmung bei minderjährigen Ehefrauen Bei minderjährigen geflüchteten Mädchen, die in einer traditionell oder im Herkunftsland geschlossenen Ehe leben, ist bei Mädchen unter sechzehn Jahren davon auszugehen, dass diese Ehe für die Frage von Rechtshandlungen und Jugendhilfeleistungen ohne rechtliche Bedeutung ist. Die Minderjährige gilt als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Auch eine Erziehungsberechtigung durch die Eltern zugunsten des als Ehemann auftretenden Begleiters ist insoweit regelmäßig unbeachtlich. Soweit die Minderjährige mindestens das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist soweit keine konkreten Gründe vorliegen, die dem widersprechen - von einer grundsätzlich anerkennungsfähigen Eheschließung nach Herkunftsrecht auszugehen. Soweit der Ehemann der Minderjährigen eine von ihren Eltern erteilte Erziehungsberechtigung besitzt, kann diese dementsprechend beachtlich sein. Aber auch in diesen Fällen ist das zuständige Jugendamt aufgefordert, die Minderjährige zeitnah zu einer Beratung einzuladen oder in der Unterkunft zu besuchen, um die weitere Entwicklung der Situation zu beobachten. Eine Einsetzung des Ehemannes als Vormund kann in keinem Fall empfohlen werden. Unabhängig von der Differenzierung hat jede Minderjährige jederzeit das Recht, um Inobhutnahme zu bitten. Diese ist in jeder Fallkonstellation sicherzustellen (Hinweis: Soweit die Minderjährige bereits seit mehr als 3 Monaten in Berlin aufenthältlich ist, ist für die Inobhutnahme das bezirkliche Jugendamt zuständig, d.h. die Zuständigkeit richtet sich nach AV ZustJug (siehe Nr.2 Abs. 2 AV JAMA) Um weitere Differenzierungen zu vermeiden, wird für die Fälle in Ergänzung der AV ZustJug festgelegt, dass sich die Zuständigkeit immer nach der Minderjährigen richtet. Dies gilt auch für die Fälle, in denen bereits das 16. Lebensjahr vollendet ist. Ein Wechsel der Zuständigkeit bei Vollendung des 18. Lebensjahres zugunsten des evtl. älteren Ehegatten unterbleibt in allen Fällen. Zur allg. Information ist als Anlage ist eine kurze Darstellung des Ergebnisses eines Fachgespräches zum Thema Minderjährige Ehefrauen beigefügt und ist der AG BÖJ als Grundlage für das Verfahren in weiteren Fällen zustimmend zur Kenntnis genommen worden. 5. Einschränkung der Geburtsdatenregelung nach Nr. 6 Abs. 1 der AV ZustJug Auf Grund der spezifischen Melderegisterverfahren in einigen Ländern werden Geburtsdaten dort einheitlich auf den 1. Januar oder 31. Dezember des Geburtsjahres festgelegt. Dadurch wird das Ziel der genannten Regelung in der AV ZustJug verfehlt einen Belastungsausgleich der Jugendämter untereinander zu erreichen. Daher gilt für geflüchtete Personen, die eines dieses Geburtsdaten laut Dokument des Herkunftslandes besitzen, bis auf Weiteres folgendes abweichendes Verfahren:
6 - Maßgeblich ist des Anfangsbuchstabe des Familiennamens entsprechend der sog. 00 - Regelung der Nummer 4 der AV ZustSoz. Hierbei gilt der Namen, der als erstes amtlich erfasst oder dokumentiert wurde. Nachträgliche Änderungen des Namens oder seiner Schreibweise führen nicht zu einem Zuständigkeitswechsel. Vorstehende Sonderregelung gilt ebenfalls, wenn ein solches Geburtsdatum durch eine deutsche Behörde (einschließlich der Festlegung im Rahmen einer Altersschätzung) festgelegt worden ist. Im Übrigen bleiben die Regelungen der AV ZustJug einschließlich der Verweise unberührt. 6. Die in diesem Schreiben erfolgten Festlegungen gelten ab Datum dieses Schreibens. Sie sollen nicht dazu führen, dass bereits beim Jugendamt eingegangene Anträge/Vorgänge auf Grund der Festlegungen in diesem Schreiben an ein anderes Jugendamt weitergeleitet werden. Sofern dies gewünscht ist, kann dies nur im Konsens erfolgen.