der Mobbing-Beratung betroffener Ärztinnen und Ärzten werden dargelegt aus der Sicht der Mobbingansprechpartner/innen

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Transkript:

Grundsätzliche Fakten über Mobbing 12 z 04 01 Mobbing im Krankenhaus Martina Levartz, Brigitte Hefer 12 z 04 inhaltsüberblick Mobbing ist ein Modebegriff geworden für Konflikte und bestimmte Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Auch in Deutschland ist eine rege Diskussion um das Thema Mobbing entstanden, die Auseinandersetzung steht dennoch erst am Anfang. Der Deutschen Ärztetag hat sich 1998 dafür ausgesprochen, in den Ärztekammern Ansprechpartner/innen für Mobbing-Fälle zu benennen. Dieser Beitrag geht auf den Begriff Mobbing sowie die persönlichen, betrieblichen und ökonomischen Konsequenzen ein. Die Erfahrungen der Mobbing-Beratung betroffener Ärztinnen und Ärzten werden dargelegt aus der Sicht der Mobbingansprechpartner/innen der Ärztekammer Nordrhein. Schwerpunkt ist dabei die mögliche Prävention von und der Umgang mit Mobbing sowie die zunehmend an Bedeutung gewinnenden rechtlichen Aspekte. Grundsätzliche Fakten über Mobbing Begriffliche und inhaltliche Abgrenzungen Der Begriff Mobbing lässt sich vom englischen Verb to mob herleiten. Es hat die Bedeutung von jemanden anpöbeln, angreifen, über jemanden herfallen. Im deutschsprachigen Raum hat sich Mobbing als Bezeichnung für systematische Feindseligkeiten und Ausgrenzungen am Arbeitsplatz durchgesetzt. Schon vor 20 Jahren beschäftigte sich Prof. Heinz Leymann, ein schwedischer, aus Niedersachsen stammender Arbeitspsychologe, intensiv mit diesem Thema. Leymann definiert: 12 z 04 01 Herleitung aus dem Englischen Definition von Leymann 1

12 z 04 01 Grundsätzliche Fakten über Mobbing z«mobbing ist eine negative kommunikative Handlung, die gegen eine Person gerichtet ist und die sehr oft und über einen längeren Zeitraum hinaus vorkommt und damit die Beziehung zwischen Tätern und Opfern kennzeichnet. Fünf Aspekte des Mobbings Dabei unterscheidet Leymann (1993) fünf Aspekte des Mobbings: z Angriffe auf Möglichkeiten sich mitzuteilen, z Angriffe auf die soziale Beziehung, z Auswirkung auf das soziale Ansehen, z Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation, z Angriffe auf die Gesundheit. z! Insgesamt gab Leymann (1993) zu diesen 5 Punkten weitere Unterpunkte an und benennt konkret 45 Mobbing-Handlungen. 2

Grundsätzliche Fakten über Mobbing 12 z 04 01 z z z Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen Der Vorgesetzte schränkt die Möglichkeiten des Betroffenen ein, sich zu äußern Man wird ständig unterbrochen Kollegen schränken die Möglichkeiten des Betroffenen ein, sich zu äußern Anschreien oder lautes Schimpfen Ständige Kritik an der Arbeit Ständige Kritik am Privatleben Telefonterror Mündliche Drohungen Schriftliche Drohungen Kontaktverweigerung durch abwertende Blicke oder Gesten Kontaktverweigerung durch Andeutung, ohne dass man etwas direkt ausspricht Angriffe auf die sozialen Beziehungen Man spricht nicht mehr mit dem/ der Betroffenen Man lässt sich nicht ansprechen Versetzung in einen Raum weitab von den Kollegen Den Arbeitskolleg/innen wird verboten, die/den Betroffene/n anzusprechen Man wird wie Luft behandelt Auswirkung auf das soziale Ansehen Hinter dem Rücken des Betroffenen wird schlecht über ihn gesprochen Man verbreitet Gerüchte Man macht jemanden lächerlich Man verdächtigt jemanden, psychisch krank zu sein Man will jemanden zu einer psychiatrischen Untersuchung zwingen z Man macht sich über eine Behinderung lustig. Man imitiert Gang, Stimme oder Gesten, um jemanden lächerlich zu machen Man greift die politische oder religiöse Einstellung an Man macht sich über das Privatleben lustig Man macht sich über die Nationalität lustig Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen Man beurteilt den Arbeitsplatz des Betroffenen in falscher oder kränkender Weise Man stellt die Entscheidungen des Betroffenen in Frage Man ruft ihm/ihr obszöne Schimpfworte oder andere entwürdigende Ausdrücke nach Sexuelle Annäherung oder verbale sexuelle Angebote Angriffe auf die Qualität der Berufsund Lebenssituation Man zwingt jemanden, Arbeiten auszuführen, die das Selbstbewusstsein verletzen Man weist dem Betroffenen keine Arbeitsaufgaben zu Man nimmt ihm jede Beschäftigung am Arbeitsplatz, so dass er sich nicht einmal selbst Aufgaben ausdenken kann Man gibt ihm sinnlose Aufgaben Man gibt ihm Aufgaben weit unter seinem eigentlichen Können Man gibt ihm ständig neue Aufgaben 3

12 z 04 01 Grundsätzliche Fakten über Mobbing z Man gibt ihm kränkende Aufgaben Man gibt dem Betroffenen Arbeitsaufgaben, die seine Qualifikation übersteigen, um ihn damit in Misskredit zu bringen Angriffe auf die Gesundheit Zwang zu gesundheitsschädlichen Arbeiten Androhung körperlicher Gewalt Anwendung leichter Gewalt, zum Beispiel, um jemanden einen Denkzettel zu verpassen Körperliche Misshandlung Man verursacht dem Betroffenen Kosten, um ihm zu schaden Man beschädigt Eigentum oder vom Arbeitgeber anvertraute Sachen des Betroffenen Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung Definition des Bundesarbeitsgerichts Kurz und prägnant ist die Festlegung des Bundesarbeitsgerichts (1997): z«mobbing ist systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Nicht jede Auseinandersetzung ist Mobbing Vorgesetzte, Organisationsmängel Ursachen Nicht jede Disharmonie in zwischenmenschlichen Beziehungen ist gleich Mobbing. Es ist vielmehr ein multifaktorielles Geschehen, wobei die Grenzen zwischen alltäglichen Konflikten und Aggressionen am Arbeitsplatz sowie beginnendem Mobben fließend sind. Gemobbt wird aus machtpolitischen Erwägungen, aus persönlichen Interessen des Mobbers, aus Neid oder Rachegefühlen. Auch mangelndes Problembewusstsein oder fehlende Sensibilität von Seiten des Mobbers kann Ursache sein oder zumindest Mobbingverhalten unterstützen. Einige Mobber tragen zu Mobbingverhalten bei, um von sich selbst abzulenken. Die Einstellung und das Verhalten des Vorgesetzten spielt darüber hinaus für das Entstehen von Mobbing eine 4

Grundsätzliche Fakten über Mobbing 12 z 04 01 wichtige Rolle, teilweise sind sie sogar Initiator dieses Prozesses oder sehen dem Mobbing zu, ohne einzugreifen. Oft stehen Organisationsmängel, arbeits- oder berufsrechtliche Probleme, Probleme mit der Weiterbildung usw. im Vordergrund. In Krankenhäusern bieten insbesondere Einteilung der Urlaubs- und Dienstpläne, Gewährung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, Einteilung zu weiterbildungsrelevanten Tätigkeiten (OP-Plan) usw. Anlass zu Unstimmigkeiten. Diese führen in ihren Auswirkungen zu Unzufriedenheit, Ungerechtigkeiten, Disharmonie etc., die den Nährboden für Mobbing-Handlungen schaffen können. Werden diese Bereiche klar geregelt, wird dem Mobbing häufig dieser Nährboden entzogen. Regelungen hierzu können z. B. im Rahmen einer Betriebsvereinbarung getroffen werden. Wer wird vom wem gemobbt? Konflikte am Arbeitsplatz sind zunächst einmal alltäglich und nicht jeder Konflikt bedeutet Mobben. Verschlechterung der Arbeitsbeziehung ist eine langfristige Angelegenheit. Oft dauert es Monate, bis unkollegiales Verhalten in Mobbing übergeht. Dann aber entwickelt Mobbing oft eine Eigendynamik. Leymann gliedert den Ablauf des Mobbingprozesses in fünf Phasen (abgewandelt nach Leymann 1995): z In der ersten Phase wird das Arbeitsklima durch Egoismus und Rücksichtslosigkeit bestimmt, durch Stress herrscht eine gereizte Arbeitsatmosphäre, es kommt zu Aggressionen und Gemeinheiten. Die entstehenden Konflikte werden nicht bearbeitet und ausdiskutiert. z In der zweiten Phase konzentrieren sich diese negativen Emotionen auf einige wenige Mitarbeiter, wobei Krankenhaustypische Ursachen Ablauf des Mobbingprozesses 5

12 z 04 01 Grundsätzliche Fakten über Mobbing z z z sich insbesondere ein Opfer herauskristallisiert, das in den Mittelpunkt persönlicher Angriffe gerät. Durch mangelnde Unterstützung kommt es zur Ausgrenzung des Arbeitgebers sowie zu Selbstzweifeln und Angst. In der dritten Phase nehmen Kränkungen und andere Mobbinghandlungen weiter zu, das Opfer reagiert mit innerer Kündigung, in manchen Fällen auch mit Auflehnen. Oft kommt es zum Kaltstellen und Versetzen des Opfers. Die gesundheitlichen Belastungen durch die Situation nehmen zu und es kommt zu Fehlzeiten. In der vierten Phase empfindet das Opfer die Mobbingsituation als traumatisch. In dieser Phase kann auch externe Hilfe oft den Mobbingprozess nicht beenden, sondern nur Auswüchse begrenzen. In der fünften Phase sieht sich das Opfer den Anfeindungen nicht mehr gewachsen und verlässt das Unternehmen (eigene Kündigung oder verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber). Mobbing in und quer durch alle Ebenen In drei Viertel aller Fälle Bossing Am Mobbinggeschehen können alle, die am Arbeitsplatz miteinander in Kontakt stehen, beteiligt sein. Es findet unter Kollegen und Kolleginnen statt, geht von Vorgesetzten gegen Untergebene, teilweise gemeinsam mit anderen Untergebenen oder auch von ganzen Abteilungen gegen Vorgesetzte oder einzelne Kolleginnen und Kollegen. Nach Angaben der IG-Metall (www.ig-metall.de) sind Mobber zu 44% Kollegen, zu 37% Vorgesetzte, zu 10% Kolleginnen und Vorgesetzte gemeinsam und zu 9% Untergebene. Nach einer Studie des Arbeitspsychologen Dieter Zapf aus Frankfurt sind im deutschsprachigen Raum in über 70% der Mobbingfälle die Vorgesetzten am Mobbing beteiligt, d.h. in Deutschland ist Bossing, also Vorgesetzten-Mobbing, fast der Regelfall (Kerst-Würkner 2001). 6

Grundsätzliche Fakten über Mobbing 12 z 04 01 Auch in unseren Beratungen zeigt sich, dass das Mobbing in mehr als 80% von dem Vorgesetzten ausgeht. Mobbing von Vorgesetzten kann auf falsch verstandenem Führungsverhalten basieren. So wird z. B. die Machtbefugnis durch willkürliches Schikanieren von Untergebenen demonstriert. Mobbing kann auch eine Möglichkeit sein, um eigene Unzulänglichkeit zu kaschieren, oder um eigene Frustrationen abzubauen. Auch die Angst davor, dass Mitarbeiter sich offenkundig über Schwächen lustig machen könnten, oder Angst vor Imageverlust gegenüber Mitarbeitern und Vorgesetzten können zu Mobbing-Aktionen führen. In einigen Fällen wird Mobbing von Vorgesetzen gezielt eingesetzt, um unliebsame Mitarbeiter aus dem Arbeitsprozess in der Abteilung herauszudrängen (Mobbing als personalwirtschaftliches Instrument zum Personalabbau oder -umbau). Denn ist ein Mitarbeiter lang genug dem Psychoterror am Arbeitsplatz ausgesetzt, weiß er sich innerbetrieblich nicht mehr zu helfen und wird als letzten Ausweg häufig die Kündigung sehen. Mobbing kann jeden treffen, unabhängig von Aufgaben und von der Position. Zur Entstehung von Mobbing scheinen eher die Arbeitsbedingungen beizutragen, als dass bestimmte Persönlichkeitsstrukturen als mobbing-relevant gefunden wurden. Gemobbt werden häufig Menschen, die eine normabweichende Verhaltensweise innerhalb ihres Arbeitsfeldes zeigen. Dies kann sich ausdrücken in anderer Kleidung, Sprache, Arbeitseifer, abweichendem Arbeitsstil, anderer Lebensführung. Betroffen sind insbesondere auch besonders leistungsstarke Mitarbeiter, die als Konkurrenz empfunden werden. Es gibt Arbeitsbedingungen, die das Mobbing innerhalb einer Abteilung oder eines Betriebes oder Kranken- Warum die Chefs mobben Instrument des gezielten Personalabbaus Nonkonformisten häufiger als Angepasste betroffen Mobbingfördernde Arbeitsbedingungen 7

12 z 04 01 Grundsätzliche Fakten über Mobbing hauses fördern. Begünstigende organisatorische Rahmenbedingungen sind z. B. starkes autoritäres Führungsverhalten, ausgeprägte Hierarchien (wie gerade auch in Krankenhäusern üblich), geringer Handlungsspielraum der Beteiligten oder Rollenkonflikte. Auch nicht klar definierte Kompetenzen, Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten in einer Abteilung können Ursache für entstehendes Mobbingverhalten sein. 4 10% aller Beschäftigen werden gemobbt Von psychosomatischen Störungen... Mobbing ist kein Randproblem Je nach zugrunde liegender Studie oder Erhebung werden sehr unterschiedliche Zahlen zur Häufigkeit von Mobbing angegeben. Geht man von der Festlegung von Leymann aus (mindestens eine der oben genannten 45 Mobbinghandlungen regelmäßig über ein halbes Jahr), so kommen zwischen 4 und 10% der Beschäftigten als Mobbingopfer in Betracht (Leymann 1995). In Schweden wird von einer Betroffenheit von 3,5% der erwerbstätigen Bevölkerung ausgegangen. Auch scheinen Berufe des öffentlichen Dienstes ein größeres Mobbingrisiko zu bergen als Tätigkeiten in der privaten Wirtschaft oder Produktionsbetrieben. Leymann rechnet, das ein Viertel aller Berufstätigen mindestens einmal in ihrem Berufsleben unter Mobbing leiden. Gesundheitliche Folgen für den Betroffenen Insbesondere in den Phasen drei, vier und fünf kommt es zu zum Teil irreversiblen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Opfers. Psychosomatische Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenprobleme, Rückenschmerzen usw. können schon sehr frühzeitig auftreten. Es kommt zum Verlust des Selbstwertgefühls, depressiven Verstimmungen, Angst und Gereiztheit. Die Krankheitssymptome des Mobbens sind dem posttraumatischen 8

Grundsätzliche Fakten über Mobbing 12 z 04 01 Stresssyndrom ähnlich. Auch wird eine Schwächung des Immunsystems diskutiert. Insgesamt sind die Wechselwirkungen zwischen Mobbing und Gesundheit noch nicht ausreichend erforscht. Nach einer Studie des Technischen Überwachungs-Vereins TÜV Rheinland gehen ca. 20% der Selbstmorde in Deutschland auf Mobbing-Aktivitäten zurück. Nach Hinweisen aus Schweden (Recherchen der Kranken- und Rentenversicherungskassen sowie Schätzungen der Gewerkschaften) wird angenommen, dass ungefähr 5 10% der jährlichen neuen Mobbingfälle in ihrem Verlauf zu schweren seelischen Erkrankungen führen (Leymann 1995)....bis zum Selbstmord Ökonomische Folgen für Unternehmen und Gesellschaft Die durch Mobbing verursachten betriebswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten sind hoch. Für den Betrieb ergeben sich Kosten durch Fehlzeiten, Fluktuation, Minderleistungen der Betroffenen. Untersuchungen in Deutschland haben gezeigt, dass von Mobbing Betroffene zuerst mit erhöhter Leistung reagieren, dann aber, wenn sie die Sinnlosigkeit ihres Bemühens einsehen, mit Minderleistung (innere Kündigung). Neben den betrieblichen Kosten entstehen der Gesellschaft hohe Kosten durch Heilbehandlung, Rehabilitation, Dauerarbeitslosigkeit oder Frühberentung. Schätzungen gehen davon aus, dass den Unternehmen Kosten in Höhe von 50000 bis 150 000 DM pro Jahr und gemobbter Person entstehen. Andere Hochrechnungen gehen von einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von über 100 Mio. DM in Deutschland aus (Kerst-Würkner 2001). Darin sind die Kosten enthalten, die von der Gesellschaft getragen werden müssen, wie z. B. höhere Renten- und Krankenver- Innere Kündigung Hohe Kosten für Betriebe und Gesellschaft 9

12 z 04 02 Erfahrungen aus der Mobbingberatung sicherungsbeiträge wegen zunehmender Frühberentung und steigenden Behandlungskosten. 12 z 04 02 Erfahrungen aus der Mobbingberatung Die rechtliche Grundlage Beschluss des Deutschen Ärztetags Auf dem 101. Deutschen Ärztetag von 1998 wurde dieser Beschluss verabschiedet: z«missbrauch und Repression in hierarchischen Arbeitsverhältnissen In den Ärztekammern sollen Ansprechpartner für Mobbing-Fälle benannt werden. Diese verstehen sich zunächst als Schlichter, vertreten in ernsten Fällen den beantragenden Arzt im Sinne der Berufsordnung. Vertraulichkeit im Kontakt mit dem Arzt wird zugesichert, solange der Betroffene es wünscht. Umsetzung Diesem Beschluss sind bis November 2001 die Ärztekammern Nordrhein, die Ärztekammer Hamburg, die Landesärztekammer Hessen, die Landesärztekammer Rheinland- Pfalz und die Ärztekammer Schleswig-Holstein gefolgt. Seit Januar 1999 werden in der Ärztekammer Nordrhein Mobbingberatungen durchgeführt. Heilberufsgesetz NRW Schlichtung Rechtlichen Hintergrund bietet für Nordrhein-Westfalen der 6 Abs. 1 Punkt 8 Heilberufsgesetz NRW vom 9. 5.2000: 10

Erfahrungen aus der Mobbingberatung 12 z 04 02 z«(1) Aufgabe der Kammer ist:...8. Für ein gedeihliches Verhältnis der Kammerangehörigen untereinander zu sorgen und Streitigkeiten zwischen Kammerangehörigen sowie zwischen ihnen und Dritten, die aus der Beurfsausübung entstanden sind, zu schlichten, soweit nicht andere Stellen zuständig sind. Die Möglichkeit, ein gemeinsames Schlichtungsgespräch unter Moderation der Ärztekammer Nordrhein zu führen, wurde bisher kaum in Anspruch genommen. Die Gemobbten befürchten, dass die Einschaltung der Ärztekammer als Berufsaufsicht missverstanden wird im Sinne von Anschwärzen und das Verhältnis zwischen Mobber und Gemobbten nachhaltig zerstört. Berufsrechtliche Prüfung Unabhängig von der Mobbingberatung kann bei der Rechtsabteilung der Ärztekammer ein Antrag auf berufsrechtliche Prüfung gestellt werden. Rechtsgrundlage hierfür bietet der 29 der Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 18. 3. 2000. Der Antrag auf berufsrechtliche Prüfung ist schriftlich an die Rechtsabteilung zu stellen. Dem Beschuldigten wird die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen die Berufsordnung können Sanktionen erfolgen (wie Mahnung, Rüge, Geldbuße, Berufsgerichtsverfahren). Große Vorbehalte der Betroffenen Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte 11

12 z 04 02 Erfahrungen aus der Mobbingberatung 29 Kollegiale Zusammenarbeit (1) Ärztinnen und Ärzte haben sich untereinander kollegial zu verhalten... Unsachliche Kritik an der Behandlungsweise oder dem beruflichen Wissen einer Ärztin oder eines Arztes wie herabsetzende personenbezogene Äußerungen sind berufsunwürdig. (2) Es ist berufsunwürdig, eine Kollegin oder einen Kollegen aus der Behandlungstätigkeit oder als Mitbewerberin oder Mitbewerber um eine berufliche Tätigkeit durch unlautere Handlung zu verdrängen... Ebenso ist es berufsunwürdig, in unlauterer Weise eine Kollegin oder einen Kollegen ohne angemessene Vergütung oder unentgeltlich zu beschäftigen oder eine solche Beschäftigung zu bewirken oder zu dulden. (3) Ärztinnen und Ärzte, die Kolleginnen und Kollegen zu ärztlichen Verpflichtungen bei Patientinnen und Patienten heranziehen, denen gegenüber nur sie einen Liquidationsanspruch haben, sind verpflichtet, diesen Ärztinnen und Ärzten eine angemessene Vergütung zu gewähren. Angemessen ist die Beteiligung für den nachgeordneten ärztlichen Dienst, die nach Art und Umfang ein Äquivalent zur erbrachten Leistung unter Berücksichtigung zu leistender Kostenerstattung bzw. Nutzungsentgelte oder Kosten aufgrund ärztlicher Tätigkeit durch die oder den Liquidationsberechtigten darstellt. Im Streitfall hat die oder der Liquidationsberechtigte die Angemessenheit darzulegen. (4) In Gegenwart von Patientinnen oder Patienten oder anderen Personen sind Beanstandungen der ärztlichen Tätigkeit und zurechtweisende Belehrungen zu unterlassen. Das gilt auch im Verhältnis von Vorgesetzten und Nachgeordneten und für den Dienst in Krankenhäusern. (5) Die zur Weiterbildung befugten Ärztinnen und Ärzte haben im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die weiterzubildenden ärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbeschadet deren Pflicht, sich selbst um eine Weiterbildung zu bemühen, in dem gewählten Weiterbildungsgang nach Maßgabe der Weiterbildungsordnung weiterzubilden. 12

Erfahrungen aus der Mobbingberatung 12 z 04 02 Ablauf und Gegenstand der Beratung Ratsuchende Ärztinnen und Ärzte nehmen in der Regel zunächst telefonisch Kontakt mit den Mobbing-Ansprechpartnerinnen auf. Der überwiegende Teil der Kolleginnen/Kollegen und möchte zunächst allein die telefonische Beratung in Anspruch nehmen, etwa ein Viertel wünscht einen persönlichen Beratungstermin in der Ärztekammer Nordrhein. In diesem Fall wird nach telefonischer Kurzschilderung des Problems ein Termin in der Ärztekammer Nordrhein vereinbart. Bis 31.8.2001 wurden insgesamt 179 Beratungsgespräche durchgeführt, wobei 119 nur telefonisch stattfanden. Die 60 persönlichen Beratungen in der Kammer lassen sich stichwortartig wie folgt gliedern. Telefonische oder persönliche Beratung Statistik der persönlichen Beratungsgespräche der Ärztekammer Nordrhein z z z Alter bis 35 Jahre: 12 36 45 Jahre: 30 46 55 Jahre: 9 älter als 56 Jahre: 9 Berufliche Position Assistenzarzt: 18 Chefarzt: 1 Facharzt: 21 Oberarzt: 19 niedergelassener Arzt: 1 Mobber (Mehrfachnennung möglich) Vorgesetzter: 50 Gleichgestellte: 13 Personal: 4 Verwaltung: 3 z Zeitraum des Mobbens weniger als 1 Jahr: 9 1 3 Jahre: 39 3 6 Jahre: 8 mehr als 6 Jahre: 3 nicht bekannt: 1 z Einrichtung: Praxis-Teilhaber: 1 Praxis-Angestellter: 2 Klinik: 49 Gesundheitsamt: 5 sonstige Institutionen: 3 z Klage über Krankheitssymptome: 10 z Arbeitsunfähig geschrieben: 20 z Arbeitsverhältnis beendet: 5 soll beendet werden: 25 13

12 z 04 02 Erfahrungen aus der Mobbingberatung Aspekte der Beratung Alle Telefonate und persönlichen Gespräche werden von der Ärztekammer vertraulich behandelt. Es erfolgt keinerlei Kontaktaufnahme oder Intervention. Wünscht eine Kollegin oder ein Kollege das Einschreiten der Ärztekammer (berufsrechtliche Überprüfung, Schlichtungsverfahren usw.), muss dies bei der Ärztekammer schriftlich beantragt werden. Die Mobbingberatung bei der Ärztekammer Nordrhein erfolgt unter Berücksichtigung folgender Aspekte: z Herausarbeiten des Problems; ist Mobbing das primäre Problem oder stehen Organisationmängel, arbeitsoder berufsrechtliche Probleme, Probleme mit der Weiterbildung etc. im Vordergrund? z Gemeinsame Überlegung, durch welche Maßnahmen (z. B. organisatorische Maßnahmen in der Arbeitsplanung der Abteilung bzw. des Hauses, Gesprächsführung etc.) Verbesserung erreicht werden könnte. z Beratung bezüglich weiterer Vorgehensweise (z. B. Empfehlung eines persönlichen Gespräches oder schriftliche Äußerung gegenüber Mobber und/oder an Klinikleitung, Betriebsrat etc. durch den Gemobbten ). z Bei Problemen mit der Weiterbildung besteht bei der Ärztekammer Nordrhein die Möglichkeit, einen Ombudsmann einzuschalten. z Einleitung eines Schlichtungsgespräches zwischen den Beteiligten und der Ärztekammer (nur auf der Grundlage eines schriftlichen Antrags). z Stehen berufsrechtliche Fragen im Vordergrund, kann über die juristische Abteilung der Ärztekammer Nordrhein eine berufsrechtliche Überprüfung und ggf. Einleitung berufsrechtlicher Maßnahmen (nur auf der Grundlage eines schriftlichen Antrags) eingeleitet werden. 14

Erfahrungen aus der Mobbingberatung 12 z 04 02 z Stehen arbeitsrechtliche Aspekte stehen im Vordergrund, wird den Betroffenen ggf. die Einschaltung eines Rechtsanwaltes oder des Marburger Bundes durch den Betroffenen empfohlen. Die Ärztekammer Nordrhein darf selbst keine arbeitsrechtlichen Beratungen durchführen. Problemfelder Auf Grund der bisher geführten Mobbing-Gespräche lassen sich folgende Problemfelder erkennen: z Es zeigte sich, dass Ärzte der unterschiedlichsten Fachgebiete betroffen sind, vorwiegend Klinikärzte, aber auch in Praxen oder anderen Institutionen des Gesundheitswesens tätige Kolleginnen/Kollegen. z Erschreckend ist, dass in vielen Fällen nicht nur keine Unterstützung des Opfers durch den Vorgesetzen erfahren wurde, sondern dass das Mobbing vom Vorgesetzten ausging. z In der Regel handelt es sich um hierarchische Arbeitsverhältnisse mit Abhängigkeit des Gemobbten. Ein Arbeitsplatzwechsel wird auf Grund der Arbeitsmarktsituation als schwierig beschrieben. z Die Schwelle, eine Mobbing-Beratung anzunehmen, liegt relativ hoch. In ca. 80% der Fälle betrug die Zeitspanne zwischen Beginn des Mobbing und Kontaktaufnahme mit den Mobbing-Ansprechpartner/innen mehr als ein Jahr. Das bedeutet, dass die Situation häufig festgefahren ist und bereits zu erheblichen psychischen Belastungen (in einem Drittel unserer Fälle auch zu teilweise langfristigen Krankschreibungen) geführt hat. z Einige der telefonisch avisierten Mobbing-Gespräche wurden abgesagt, da ein Arbeitsplatzwechsel vor- Vorwiegend Klinikärzte 15

12 z 04 03 Maßnahmen gegen Mobbing z z genommen wurde. Wenn möglich, scheinen sich die Gemobbten durch Arbeitsplatzwechsel der Situation zu entziehen. Es wird häufig die Sorge geäußert, dass der Mobber von der Kontaktaufnahme mit der Ärztekammer erfährt und sich die Situation des Gemobbten dadurch noch verschärft. Daher werden auch die häufig bestehenden arbeitsund berufsrechtlichen Möglichkeiten des Einschreitens nicht ausgeschöpft. Aus dem Arbeitsrecht ergibt sich z. B. eine allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (in den USA sind bereits Urteile rechtskräftig, die den Arbeitgeber zu Schmerzensgeldzahlungen wegen Krankheit durch Mobbing verpflichten, da der Arbeitgeber trotz entsprechender Hinweise durch das Mobbing-Opfer keine Änderung der Arbeitssituation herbeigeführt hat), nähere Regelungen finden sich im Arbeitssicherheitsgesetz, Arbeitszeitgesetz usw. 12 z 04 03 Große Leidensbereitschaft in der Weiterbildung und bei älteren Kollegen Maßnahmen gegen Mobbing Allgemeine Maßnahmen Mobbing entsteht in aller Regel nicht von heute auf morgen. In unseren Beratungsgesprächen zeigte sich immer wieder, dass viele Betroffene die Situation lange aushielten, weil sie glaubten, es würde sich wieder beruhigen oder weil sie einer Konfrontation aus dem Weg gehen wollten. Gerade in der Zeit der Weiterbildung ist die Abhängigkeit von Wohlwollen des Vorgesetzten besonders groß und damit die Tendenz, die Arbeitssituation zu ertragen. Auch ältere Kollegen, die für sich keine Chancen mehr auf dem Arbeitsmarkt sehen, sind oft lange bereit, Repressionen und Schikanen zu ertragen. 16

Maßnahmen gegen Mobbing 12 z 04 03 z! Unsere Erfahrungen in der Mobbingberatung aber haben gezeigt, dass es nicht weiterführt, die gegen sich gerichteten Mobbinghandlungen zu übersehen und zu hoffen, dass sich die Situation totläuft. Durch dieses Verhalten bringt man sich noch mehr in die Rolle des Mobbingopfers. Verdrängen verschlimmert Es sollte bei den ersten Missstimmigkeiten eine Analyse des Problems möglichst mit Kolleginnen und Kollegen gemeinsam erfolgen, um die eigene Einschätzung zu objektivieren und Lösungsansätze zu erarbeiten. Sinnvoll ist es auch, sich im Kollegenkreis frühzeitig Unterstützung zu sichern (s. a. Kap. 3.05.02) z Wichtig ist es, Mobbingverhalten schon frühzeitig anzusprechen. Wird im Rahmen des Mobbings z. B. mit der Einteilung zu Diensten, mit der Gewährung von Urlaub, mit der Gewährung von Fortbildung usw. gezielt belohnt bzw. bestraft, sollte möglichst gemeinsam mit Kollegen und Vorgesetzten versucht werden, eine allgemeingültige Regelung zur Gewährung von Urlaub, Fortbildungen, Einteilung zu Diensten etc. herbeizuführen. z In Fällen von fortgesetztem Mobbing kann die Erstellung von Mobbing-Protokollen sinnvoll sein (siehe hierzu den Anhang, vor allem die 10. Aufzählung des Urteils vom 15. 2. 2001). z In Fällen von mobbingbedingter Krankheit sollte das ärztliche Attest Angaben zur Mobbinghandlung enthalten. Mobbing als solches ist keine Krankheit. Jedoch sollte die ärztliche Diagnose eine Aussage über Mobbing als Ursache enthalten (z. B. im Sinne eines Mobbing-Syndroms, zur Beweislage siehe die Urteile des LAG Thüringen im Anhang). Rasche Thematisierung Mobbing-Protokolle Ärztliches Attest 17

12 z 04 03 Maßnahmen gegen Mobbing Verstöße gegen das faire Miteinander Möglichkeiten des Vorgesetzten Weil gerade im Krankenhaus der fachliche Bereich so im Vordergrund steht, ist der Vorgesetzte der Meinung, dass Konflikte der Mitarbeiter ihn nichts angehen, da die Mitarbeiter diese selbst untereinander regeln sollen. Auch meinen manche Vorgesetzte, harte und deutliche Worte im Umgang mit Mitarbeitern würden nicht schaden, denn Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Unachtsamkeit, Ignoranz oder fehlverstandenes Führungsverhalten führt so zu einem Verstoß gegen das Fair Play. Den Preis mangelnder Fairness beschreiben Chan Kim u. Mauborgne (1998) wie folgt: z«sind Menschen wegen Verletzungen der Fairness bereits so verärgert, dass sie sich zu organisiertem Protest gedrängt fühlen, gehen ihre Ansprüche oft über ein vernünftiges Maß hinaus bis zu dem, was Theoretiker vergeltende Gerechtigkeit nennen: Dann wollen Menschen nicht nur wieder faire Verfahrensweisen wiedereingesetzt sehen, sondern trachten auch nach Bestrafung und Vergeltung. z! Dieser Mechanismus wird auch in einigen der von uns geführten Beratungsgespräche deutlich, in denen nicht von Mobbing gegenüber einzelnen Personen berichtet wird, sondern der Verstoß des Chefs gegen Fair Play geschildert wird. Der Protest der Mannschaft kann seinen Ausdruck z. B. auch in Massenkündigungen, die eine ganze Abteilung lahmlegen können, finden. 18

Maßnahmen gegen Mobbing 12 z 04 03 Grundsätzlich liegt es daher auch im Interesse des Vorgesetzten, sich um Konfliktvermeidung im Vorfeld zu bemühen. Er sollte seinen Mitarbeitern klar machen, dass ihm ein gutes Arbeitsverhältnis wichtig ist, er Mobbingverhalten in seiner Abteilung nicht duldet, für auftretende Probleme in seiner Abteilung immer ein offenes Ohr hat und das Mobbingverhalten für den Mobber negative Konsequenzen haben kann (Abmahnung, Versetzung usw.). Zur Konfliktvermeidung im Vorfeld gehört auch, konfliktträchtige Bereiche wie Einteilung der Urlaubs- und Dienstpläne, Gewährung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, Einteilung zu weiterbildungsrelevanten Tätigkeiten (OP-Plan) usw. im Vorfeld (z. B. im Rahmen einer Betriebsvereinbarung) zu regeln. Konfliktvermeidung im Vorfeld Möglichkeiten von Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung Betriebsrat, Personalrat bzw. Mitarbeitervertretung stellen die Interessenvertretung der Beschäftigten dar. Sie haben u. a. die Aufgabe, z darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Vorschriften und Dienstvereinbarungen usw. durchgeführt werden, z Maßnahmen zu beantragen, die dem Betrieb und der Belegschaft dienen (z. B. die Einführung einer Dienstvereinbarung, Beantragung einer Mediation, Moderation, Supervision etc.), z Anregungen von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und durch Verhandlungen mit dem Arbeitgeber auf Erledigung hinzuwirken. Aufgaben der Interessenvertretung Das Einschalten der Interessenvertretung der Beschäftigten sollte frühzeitig in Erwägung gezogen werden. Das 19

12 z 04 03 Maßnahmen gegen Mobbing Fehlende ärztliche Interessenvertreter bedeuten großen Nachteil Zugehen auf die Interessenvertretung der Mitarbeiter wurde in den Fällen als schwierig beschrieben, in denen kein ärztliches Mitglied der Interessenvertretung angehört. Aufgaben Chance der kollegialen Vertraulichkeit Möglichkeiten des Betriebsarztes Betriebsärzte haben die Aufgabe, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen des Gesundheitsschutzes zu unterstützen. Dazu gehört sowohl die Beratung des Arbeitgebers zu arbeitspsychologischen Fragen als auch die Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen zu untersuchen, festgestellte Mängel dem Arbeitgeber mitzuteilen, Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel vorzuschlagen und auf ihre Durchführung hinzuwirken. Unserer Erfahrung nach sind ein Drittel der Gemobbten krank geschrieben, einige davon langfristig. Über durch Mobbing hervorgerufene Probleme wie Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Magenbeschwerden klagen über 90%. Der Betriebsarzt nimmt eine Sonderstellung in einem Krankenhaus ein. Er hat in der Regel keinen direkten Vorgesetzten, ist damit nicht in die Hierarchie eines Hauses eingebunden. Er ist an die ärztliche Schweigepflicht gebunden. Ein Kontakt von Kollege zu Kollege ist für den Gemobbten häufig leichter als zu der Interessenvertretung. Mediator, Moderator Externe Hilfsangebote In vielen Fällen ist es sinnvoll, eine festgefahrene Situation durch objektive Dritte beurteilen und vermitteln zu lassen. Hauptberufliche Mediatoren bzw. Moderatoren bieten hierzu ihre Dienste an. Teilweise sind auch Betriebsärzte hierin fortgebildet. Sie versuchen in gemein- 20

Maßnahmen gegen Mobbing 12 z 04 03 samen Gesprächen mit den Betroffenen Lösungen zu entwickeln. Sind Gesprächsversuche mit dem Mobber nicht fruchtbar verlaufen, sollte daher ein schriftlicher Antrag an die Verwaltung gestellt werden, in dem die Problematik geschildert und um Einschaltung eines Mediators oder Moderators gebeten wird. Es fehlen Strukturen gegen das Mobbing Betriebsvereinbarung ( Anti-Mobbingvereinbarungen ) in Betrieben und Krankenhäusern In unseren Beratungen hat sich oft gezeigt, dass in den Krankenhäusern und Kliniken keine Strukturen gegen das Mobbing existieren. Der Betroffene weiß nicht, an wen er sich mit seinen Problemen wenden soll. Hier zeigt es sich, dass die Festlegung eines Verhaltenscodexes sowie die Beschreibung der Rahmenbedingungen, an die sich Vorgesetzte und Mitarbeiter zu halten bereit erklären, sinnvoll ist. Die Regeln können in einer Betriebsvereinbarung niedergelegt werden. Betriebsvereinbarungen sind freiwillige Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber. Sie gelten für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes unmittelbar und zwingend. Sie bieten die Möglichkeit, Rahmenbedingungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzulegen, die ein einvernehmliches Miteinander fördern. Für den Bereich der Krankenhäuser erarbeitet die Ärztekammer Nordrhein derzeit in Abstimmung mit dem Marburger Bund eine Muster-Betriebsvereinbarung, die speziell den Problemen im ärztlichen Tätigkeitsfeld Rechnung tragen soll. Hierin werden Problemfelder, die unserer Erfahrung nach häufigen Anlass zu Unstimmigkeiten bieten, wie Einteilung der Urlaubs- und Dienstpläne, Gewährung der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, Einteilung zu weiterbildungsrelevanten Tätigkeiten (OP- Betriebsvereinbarungen Muster- Betriebsvereinbarung 21

12 z 04 04 Rechtliche Aspekte des Mobbens Plan) usw. angesprochen. Die Muster-Betriebsvereinbarung kann nach Fertigstellung auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein (www.aekno.de) abgerufen werden. 12 z 04 04 Berufs- und arbeitsrechtliche Probleme Beispielfall Rechtliche Aspekte des Mobbens In vielen Mobbingfällen liegen gleichzeitig berufsrechtliche und arbeitsrechtliche Probleme vor. Die berufsrechtliche Prüfung wird durch die juristische Abteilung der Ärztekammern durchgeführt. Hierzu bedarf es eines schriftlichen Antrages. In Mobbing-Fällen mit gleichzeitiger arbeitsrechtlicher Problematik, z. B. Kündigungsschutzklagen, sollte anwaltlicher Beistand gesucht werden! Ein klassischer Mobbingfall mit arbeitsrechtlicher Problematik, der auch in der Mobbing-Beratung der Ärztekammer Nordrhein wiederholt vorgetragen wurde, soll hier beispielhaft vorgestellt werden. Ein Oberarzt soll nach Chefarztwechsel zur Kündigung gedrängt werden und wird von seinem neuen Chef mit Aufgaben betraut, die normalerweise ein Assistenzarzt in den ersten Weiterbildungsjahren ausübt (z. B. Oberarzt der Chirurgie, der zur Platzwundenversorgung in der Ambulanz eingeteilt wird). Diese Arbeit wird vom Oberarzt als demütigend empfunden und im Sinne von Mobbing verstanden. Hierzu hat es einen gerichtlichen Entscheid gegeben, der es der Klinikleitung verbietet, einen Oberarzt zu typischen Assistenzarzt-Tätigkeiten heranzuziehen (s. Urteil des LAG Baden-Württemberg im Anhang). Anrufung von Gerichten bei Mobbing Bei dem Begriff Mobbing handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Mobbing 22

Rechtliche Aspekte des Mobbens 12 z 04 04 ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, d. h. es muss im Einzelfall eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang allgemein Üblichen oder rechtlich Erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten und dem im Einzelfall Unzulässigen getroffen werden. Die Anrufung von Gerichten im Falle von Mobbing kann im Gegensatz zur sonstigen arbeitsrechtlichen Problematik nur als allerletztes Mittel betrachtet werden. Zunächst sollte Maßnahmen wie Einschaltung der Personalvertretung, Betriebsarzt, Mediation, Versuch der Schlichtung (z. B. über die Ärztekammer), Betriebsvereinbarung etc. Vorrang gegeben werden. Die rechtliche Auseinandersetzung kann in der Regel (auch bei gewonnenem Arbeitsstreit) den Arbeitsfrieden nicht wiederherstellen, sondern z. B. einen finanziellen Ausgleich schaffen. Der Arbeitsplatz ist also häufig verloren. Dennoch gibt es Fälle, in denen die Erwägung rechtlicher Schritte erforderlich ist. Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat in zwei Entscheidungen zum Thema Mobbing grundlegend Stellung bezogen. Da hier der Begriff Mobbing erstmalig rechtlich gewürdigt wurde, sind die Mobbing-Urteile im Anhang vorgestellt. Im ersten Fall (Urteil vom 10. 4. 2001) handelt es sich um einen Sparkassenleiter, der im Rahmen eines Mobbinggeschehens mit den Tätigkeiten eines Sachbearbeiters sowie unsinnigen Tätigkeiten beauftragt wurde und mit Erfolg auf Unterlassung klagte. Im zweiten Fall (Urteil vom 15. 2. 2001) handelt es sich um einen Vorgesetzten, der einen ihm unterstellten Arbeiter durch Mobbing zum Suizid-Versuch trieb. Dem Mobber wurde fristlos gekündigt, seine anschließende Kündungsschutzklage wurde abgewiesen. Mobbing als unbestimmter Rechtsbegriff Der prozessuale Weg ist dornig 23

12 z 04 04 Rechtliche Aspekte des Mobbens z zusammenfassung Mobbing stellt ein zunehmendes Problem in Einrichtungen des Gesundheitswesens dar. Es belastet dabei nicht nur das Arbeitsklima und das Wohlbefinden Einzelner, sondern verursacht durch hohe Fluktuation, hohen Krankenstand und verminderte Arbeitsleistung des Einzelnen betriebswirtschaftliche Kosten in der Größenordnung von 50000 bis 150 000 DM pro gemobbter Person und Jahr. Die Rechtsprechung nimmt sich zunehmend der Mobbing-Problematik an, inzwischen stärken Urteile die Position des Gemobbten. Der Arbeitgeber als Vertragspartner haftet z. B. bei Schadensersatzansprüchen Gemobbter. Das Problem Mobbing sollte daher ernst genommen werden. Präventiv wirksam sind dabei hohe soziale Kompetenz des Vorgesetzten klare Aussage zur Betriebsmoral sowie transparente Organisationsstrukturen. Vorbeugend empfiehlt sich z. B. die Einführung von Betriebsvereinbarungen. Bei existenten Mobbing-Problemen ist es hilfreich, sich externer Hilfen von Moderatoren, Mediatoren und Supervision zu bedienen. 24

Rechtliche Aspekte des Mobbens 12 z 04 04 Literatur Bauer D (2000) Krank durch Mobbing im Betrieb. In: Bödecker AW (Hrsg) Mobbing vom Erleben zur Krankheit. Martina Galunder Verlag, Nümbrecht Bundesarbeitsgericht (1997) Urteil vom 15.1.1997. Der Betrieb: 1475 Chan Kim W, Mauborgne R (1998) Mit Fairness führen: Warum rücksichtsvolle Chefs erfolgreicher sind. Harvard Business Manager 1: 60 70 Kerst-Würkner B (2001) Das schleichende Gift Mobbing und die Gegenarznei. Arbeit + Recht 7: 251 261 Leymann H (1993) Mobbing: Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Rowohlt, Reinbek Leymann H (Hrsg) (1995) Der neue Mobbing-Bericht: Erfahrungen und Initiativen, Auswege und Hilfsangebote. Rowohlt, Reinbek 25

12 z 04 Anhang Musterentscheidung Versetzung als Mobbing sanktioniert Anhang: Urteile Urteil des LAG Thüringen vom 10. 4. 2001, Az. 5 Sa 403/2000 Am 10. 4. 2001 hat das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) in einer Musterentscheidung zu dem in der Rechtsprechung bislang nicht grundlegend erfassten Bereich des Mobbing am Arbeitsplatz im Rahmen einer einstweiligen Verfügung umfassend Stellung bezogen. In dem Fall ging es um einen Sparkassenleiter, der als Mobbing-Opfer mit unsinnigen Tätigkeiten beauftragt wurde und im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung bewirkte. Das Gericht wertete die Versetzung des Klägers als Bestandteil eines gegen den Kläger gerichteten systematischen Mobbings, durch das dieser zur freiwilligen Aufgabe seines Arbeitsplatzes gebracht werden sollte. Das Thüringer LAG sah in diesem Vorgehen der Beklagten einen schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie in die Gesundheit des Klägers. Es entschied, dass ein solches Mobbing unter Androhung von 50 000 DM Ordnungsgeld für den Fall der Zuwiderhandlung mit einem im Eilverfahren durchsetzbaren Unterlassungsanspruch abgewehrt werden kann. Verpflichtung des Arbeitgebers Leitsätze aus diesen Verfahren 1. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriffe in deren Persönlichkeitsoder Freiheitssphäre zu verletzen, diese vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern. Zur Einhaltung dieser Pflichten kann 26

Anhang 12 z 04 der Arbeitgeber als Störer nicht nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er selbst den Eingriff begeht oder steuert, sondern auch dann, wenn er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen oder seinen Betrieb so zu organisieren, dass eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeschlossen wird. 2. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers kann nicht nur im Totalentzug der Beschäftigung, sondern auch in einer nicht arbeitsvertragsgemäßen Beschäftigung liegen. Eine solche Rechtsverletzung liegt vor, wenn der Totalentzug oder die Zuweisung einer bestimmten Beschäftigung nicht bloß den Reflex einer rechtlich erlaubten Vorgehensweise darstellt, sondern diese Maßnahmen zielgerichtet als Mittel der Zermürbung eines Arbeitnehmers eingesetzt werden, um diesen selbst zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bringen. 3. Aus dem Umstand, dass bloß für einen vorübergehenden Zeitraum in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingegriffen wird oder dem Arbeitnehmer dadurch keine finanziellen Nachteile entstehen, kann kein diesen Eingriff rechtfertigendes, überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers hergeleitet werden. 4. Bei dem Begriff Mobbing handelt es sich nicht um einen eigenständigen juristischen Tatbestand. Die rechtliche Einordnung der unter diesen Begriff zusammenzufassenden Verhaltensweisen beurteilt sich ausschließlich danach, ob diese die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift erfüllen, aus welcher sich die gewünschte Rechtsfolge herleiten lässt. Die juristische Bedeutung der durch den Begriff Mobbing gekennzeichneten Sachverhalte besteht darin, der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei isolierter Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers Kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers Zum Begriff Mobbing 27

12 z 04 Anhang Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mobbing Abhilfe der Beweisnot des Betroffenen Betrachtung der einzelnen Handlungen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenen Umfang erfüllen können. 5. Ob ein Fall von Mobbing vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist eine Abgrenzung zu dem im gesellschaftlichen Umgang im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten erforderlich. Im arbeitsrechtlichen Verständnis erfasst der Begriff des Mobbing fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach Art und Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Ein vorgefasster Plan ist nicht erforderlich. Eine Fortsetzung des Verhaltens unter schlichter Ausnutzung der Gelegenheiten ist ausreichend. Zur rechtlich zutreffenden Einordnung kann dem Vorliegen von falltypischen Indiztatsachen (mobbingtypische Motivation des Täters, mobbingtypischer Geschehensablauf, mobbingtypische Veränderung des Gesundheitszustands des Opfers) eine ausschlaggebende Rolle zukommen, wenn eine Konnexität zu den von dem Betroffenen vorgebrachten Mobbinghandlungen besteht. Ein wechselseitiger Eskalationsprozess, der keine klare Täter- Opfer-Beziehung zulässt, steht regelmäßig der Annahme eines Mobbingsachverhaltes entgegen. 6. Die vielfach dadurch entstehende Beweisnot des Betroffenen, dass dieser allein und ohne Zeugen Verhaltensweisen ausgesetzt ist, die in die Kategorie Mobbing ein- 28

Anhang 12 z 04 zustufen sind, ist durch eine in Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und damit den Grundsätzen eines fairen und auf Waffengleichheit achtenden Verfahrens entsprechende Anwendung der 286, 448, 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO auszugleichen. Dabei muss die im Zweifel erforderliche Anhörung einer Partei bei der gerichtlichen Überzeugungsbildung berücksichtigt werden. Urteil des LAG Thüringen vom 15.2. 2001, Az. 5 Sa 102/2000 Am 15.2.2001 hat das Thüringer Landesarbeitsgericht die Berufung eines Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Eisenach zurückgewiesen. Dem Kläger war von seinem Arbeitgeber ohne Abmahnung fristlos gekündigt worden, da er durch Mobbing-Handlungen einen ihm unterstellten Kollegen in einen Suizid-Versuch getrieben hatte. Gegen die fristlose Kündigung hatte der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, die jedoch zurückgewiesen wurde. Niederwerfung der Klage eines Mobbers Leitsätze aus diesen Verfahren 1. Der Staat, der Mobbing in seinen Dienststellen und in der Privatwirtschaft zulässt oder nicht ausreichend sanktioniert, kann sein humanitäres Wertesystem nicht glaubwürdig an seine Bürger vermitteln und gibt damit dieses Wertesystem langfristig dem Verfall preis. Entsprechend dem Verfassungsauftrag des Art. 1 Abs. 1 GG muss die Rechtsprechung in Ermangelung einer speziellen gesetzlichen Regelung, in Verantwortung gegenüber dem Bestandsschutz der verfassungsmäßigen Wertordnung und zur Gewährleistung der physischen und psychischen Unversehrtheit der im Arbeitsleben stehenden Bürger gegenüber Mobbing ein klares Stoppsignal setzen. Staat muss Betroffene schützen 29

12 z 04 Anhang Auch kein Freibrief für Arbeitnehmer Schutz des Arbeitgebers Konkretisierung des Schadens für den Arbeitgeber 2. Auch die Arbeitnehmer sind in der Konsequenz des von der Verfassung vorgegebenen humanitären Wertesystems verpflichtet, das durch Art. 1 und 2 GG geschützte Recht auf Achtung der Würde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit der anderen bei ihrem Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer nicht durch Eingriffe in deren Persönlichkeits- und Freiheitssphäre zu verletzen. 3. Zur Achtung der Persönlichkeitsrechte der ArbeitskollegInnen sind die Arbeitnehmer eines Betriebes unabhängig von den Ausstrahlungen der Verfassung auf die zwischen den Bürgern bestehenden Rechtsverhältnisse auch deshalb verpflichtet, weil sie dem Arbeitgeber keinen Schaden zufügen dürfen. 4. Aufgrund von Mobbinghandlungen kann ein solcher Schaden für den Arbeitgeber u. a. deshalb entstehen, weil für den von dem Mobbing betroffenen Arbeitnehmer abhängig von den Umständen des Einzelfalles nach 273 Abs. 1 BGB die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts an seiner Arbeitsleistung, die Ausübung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung mit anschließendem Schadensersatzanspruch nach 628 Abs. 2 BGB, unabhängig von der Ausübung eines solchen Kündigungsrechts die Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Schadensersatz wegen dessen eigener Verletzung von Organisations- und Schutzpflichten (positive Vertragsverletzung, 823 Abs. 1 BGB) oder nach den hierfür einschlägigen Zurechnungsnormen des Zivilrechts ( 278, 831 BGB) für das Handeln des Mobbingtäters in Betracht kommen und bei Vorliegen der Zurechnungsvoraussetzungen des 831 BGB grundsätzlich auch Schmerzensgeldansprüche gegen den Arbeitgeber gerichtet werden können. 5. Das sog. Mobbing kann auch ohne Abmahnung und unabhängig davon, ob es in diesem Zusammenhang zu 30

Anhang 12 z 04 einer Störung des Betriebsfriedens gekommen ist, die außerordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn dadurch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Mobbingopfers in schwerwiegender Weise verletzt werden. Je intensiver das Mobbing erfolgt, um so schwerwiegender und nachhaltiger wird die Vertrauensgrundlage für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gestört. Muss der Mobbingtäter erkennen, dass das Mobbing zu einer Erkrankung des Opfers geführt hat und setzt dieser ungeachtet dessen das Mobbing fort, dann kann für eine auch nur vorübergehende Weiterbeschäftigung des Täters regelmäßig kein Raum mehr bestehen. 6. Für die Einhaltung der für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung bestehenden zweiwöchigen Ausschlussfrist des 626 Abs. 2 BGB kommt es bei einer mobbingbedingten außerordentlichen Kündigung entscheidend auf die Kenntnis desjenigen Ereignisses an, welches das letzte, den Kündigungsentschluss auslösende Glied in der Kette vorangegangener weiterer, in Fortsetzungszusammenhang stehender Pflichtverletzungen bildet. 7. Die juristische Bedeutung der durch den Begriff Mobbing gekennzeichneten Sachverhalte besteht darin, der Rechtsanwendung Verhaltensweisen zugänglich zu machen, die bei isolierter Betrachtung der einzelnen Handlung die tatbestandlichen Voraussetzungen von Anspruchs-, Gestaltungs- und Abwehrrechten nicht oder nicht in einem der Tragweite des Falles angemessenen Umfang erfüllen können. Wenn hinreichende Anhaltspunkte für einen Mobbingkomplex vorliegen, ist es zur Vermeidung von Fehlentscheidungen erforderlich, diese in die rechtliche Würdigung mit einzubeziehen. Kündi- Dem Mobber darf außerordentlich gekündigt werden Zur Ausschlussfrist bei außerordentlicher Kündigung Juristische Erfassung von Mobbing 31

12 z 04 Anhang Zwar ist Mobbing ohne medizinischen Befund justiziabel......aber Vorliegen eines Befunds hat große Auswirkung gungsrechtlich bedeutet dies, dass die das Mobbing verkörpernde Gesamtheit persönlichkeitsschädigender Handlungen als Bestandteil einer einheitlichen Arbeitsvertragsstörung sowohl den sachangemessenen Anknüpfungspunkt und Grund für den Ausspruch einer Kündigung als auch die Grundlage für deren gerichtliche Überprüfung bildet. 8. Da es aus rechtlicher Sicht bei Mobbing um die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und/oder der Ehre und/oder der Gesundheit geht und die in Betracht kommenden Rechtsfolgen das Vorliegen eines bestimmten medizinischen Befundes nicht in jedem Fall voraussetzen, ist jedenfalls für die juristische Sichtweise nicht unbedingt eine bestimmte Mindestlaufzeit oder wöchentliche Mindestfrequenz der Mobbinghandlungen erforderlich. 9. Unabhängig davon, ob es bei der gerichtlichen Prüfung um eine Kündigung, Abwehr- oder Schadensersatzansprüche geht, kann allerdings das Vorliegen eines mobbingtypischen medizinischen Befundes erhebliche Auswirkungen auf die Beweislage haben: Wenn eine Konnexität zu den behaupteten Mobbinghandlungen feststellbar ist, muss das Vorliegen eines solchen Befundes als ein wichtiges Indiz für die Richtigkeit dieser Behauptungen angesehen werden. Die jeweilige Ausprägung eines solchen Befundes kann ebenso wie eine mobbingtypische Suizidreaktion des Opfers im Einzelfall darüber hinaus Rückschlüsse auf die Intensität zulassen, in welcher der Täter das Mobbing betrieben hat. Wenn eine Konnexität zu feststehenden Mobbinghandlungen vorliegt, dann besteht eine von der für diese Handlungen verantwortlichen natürlichen oder juristischen Person zu widerlegende tatsächliche Vermutung, dass diese Handlungen 32