Die Pflicht des Vorstands der AG zur Unterrichtung der Aktionäre vor dem Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital



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Transkript:

Die Pflicht des Vorstands der AG zur Unterrichtung der Aktionäre vor dem Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital Rechtsanwälte und Fachanwälte für Steuerrecht Dr. Wienand Meilicke, Licencié en droit francais, LL. M. taxation (N.Y.U.)/ Dr. Thomas Heidel, Bonn I. Einleitung Der Prozeß um die einstweilige Verfügung gegen die Commerzbank AG, ihre Aktionäre vor der bevorstehenden Durchführung einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital über den Bezugsrechtsausschluss und dessen Grund zu unterrichten und den vorgeschlagenen Ausgabebetrag zu begründen, hat in der Presse hohe Wellen geschlagen. Das Landgericht Frankfurt hatte zunächst zur vorläufigen Sicherung angeordnet, daß die Commerzbank die Kapitalerhöhung nicht vornehmen darf, bevor sie ihre Aktionäre schriftlich unterrichtet. Nach mündlicher Verhandlung hat das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Gegen das Urteil ist Berufung eingelegt. Die Hauptsacheklage ist rechtshängig. Da das Verfahren öffentlich so beachtet worden ist, soll dargelegt werden, warum der effektive Rechtsschutz der Aktionäre die Unterrichtung vor Bezugsrechtsausschluss gebietet. I. Der Sachverhalt Im März 2000 erreichte der Börsenkurs der Commerzbank-Aktie mit 44 seinen Höhepunkt. Dann sank der Kurs kontinuierlich, weil zunächst die Verschmelzungspläne mit Dresdner Bank und dann das Bekanntwerden des Planes, Sperraktien an mit dem Vorstand befreundete Aktionäre auszugeben, von der Börse negativ honoriert wurde. Am 1.9.2000 veröffentlichte die Commerzbank eine Pressemitteilung/Ad-hoc-Mitteilung. Darin hieß es u.a., dass sich die Commerzbank und die italienische Gesellschaft Generali sowie deren deutsche Tochtergesellschaft AMB auf ein Rahmenabkommen zur Vertriebskooperation verständigt hätten. Zur Flankierung der geschäftlichen Zusammenarbeit plane die Commerzbank eine Kapitalerhöhung von mehr als 2 Mrd.. In einem ersten Schritt werde Generali zu einem eng am Börsenkurs orientierten Preis 17 Mio. Commerzbank-Aktien gegen Barzahlung und weitere rund 9 Mio. Aktien gegen Übertragung von 30 Mio. Aktien der spanischen Bank Banco Santander Central Hispano (BSCH) als Sacheinlage übernehmen. Zudem werde die italienische Bank Mediobanca Commerzbank-Aktien übernehmen und ihren Anteil auf 2 % erhöhen. Schließlich befänden sich Commerzbank und BSCH in fortgeschrittenen Verhandlungen über eine weitere Kapitalerhöhung, teils gegen Barzahlung, teils gegen Sacheinlage; in diesem Zusammenhang beabsichtige die Commerzbank, die BSCH-Tochtergesellschaft CC-Bank zu erwerben. Zum Zeitpunkt der Presseerklärung lagen für die Kapitalerhöhung durch Zeichnung Generali und AMB die Vorstandsbeschlüsse vor. Diese bestimmten insbesondere den Bezugsrechtsausschluss und den Ausgabebetrag. Auf beide Entscheidungen fand sich in der Pressemitteilung kein Hinweis. Die Information konnte man erst später der Presse und dem Vortrag der Commerzbank im Prozess vor dem LG Frankfurt entnehmen. Die Kapitalerhöhungen Generali und AMB sind inzwischen durchgeführt und in das Handelsregister eingetragen. Über den Erwerb der Aktien durch Mediobanca ist nichts bekannt. Die Verhandlungen mit BSCH über die Zeichnung einer weiteren Kapitalerhöhung sollen gescheitert sein. Die Presse hält das Konzept der Kapitalerhöhung ganz überwiegend strategisch für nicht sinnvoll; in dem Konzept wird vielmehr ein Versuch gesehen, "den Einfluß des ungeliebten Großaktionärs, der privaten Investorengruppe Cobra, zu verringern". Angesichts dieses Sachverhalts drängten sich zahlreiche Fragen an die Kapitalerhöhung auf. Zum Beispiel: - War der Bezugsrechtsausschluss gerechtfertigt? Beim genehmigten Kapital geht es um Flexibilität auf dem Kapitalmarkt. Die Kapitalerhöhung durch Einbringung der BSCH-Aktien hatte aber offenbar nichts mit Flexibilität am Markt zu tun. Denn BSCH-Aktien der Generali waren nicht auf dem Markt.

- War der Ausgabepreis der neuen Aktien angemessen? Der Vorstandssprecher der Commerzbank, Kohlhaussen, ließ in der Presse verbreiten, der faire Wert der Commerzbank-Aktien liege bei "Mitte 40 ". Die neuen Aktien wurden aber ausgegeben auf der Grundlage eines Wertes der Commerzbank-Aktien von 36,82. - War der Bezugsrechtsausschluss von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt? Durch die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss sollte dem Vorstand ermöglicht werden, günstige Börsenlagen auszunutzen. Der Börsenkurs der Commerzbank-Aktien erreichte zur Zeit der Beschlussfassung über den Bezugsrechtsausschluss aber sein Jahrestief. III. Berichtspflicht in Literatur streitig, vom BGH offengelassen Die Frage der Pflicht zur Berichterstattung vor Bezugsrechtsausschluss ist streitig. In der Literatur ist sehr verbreitet die von Lutter begründete Auffassung, die die vorherige Berichtspflicht bejaht; die Unterrichtung müsse vor Durchführung der geplanten Maßnahme liegen; anderenfalls entfiele ihr Sinn und Zweck, nämlich die rechtzeitige Kontrolle. Demgegenüber meinen andere Autoren, der Vorstand brauche erst nachträglich, zumal im nächsten Jahresabschluss (Anhang), zu berichten. Veröffentlichte Rechtsprechung zu der Frage gab es bislang nur aus Anlass des Holzmann-Falles: Das LG Frankfurt hatte 1981 entschieden, dass "die umfassenden Berichtspflichten des Vorstandes ( 186 Abs. 4 Satz 2 AktG)... in dem Zeitpunkt der eigentlichen Kapitalbeschaffung zu beachten sind", also nicht schon beim Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung. In seiner Entscheidung über die Sprungrevision gegen dieses Urteil hat der BGH die Frage ausdrücklich offengelassen, ob der Vorstand, sobald er von der Ermächtigung der Hauptversammlung zum Ausschluss des Bezugsrechts bei genehmigtem Kapital Gebrauch machen will, "den Aktionären aus Gründen ihres Rechtsschutzes geraume Zeit vorher einen ergänzenden Bericht zugänglich machen muss", Keine Äußerung zur Frage der Berichterstattung vor Durchführung der Kapitalerhöhung findet sich in der Siemens-Nold-Entscheidung des BGH. Diese befaßt sich nur zur nachträglichen Berichterstattung: Der Vorstand habe über die Einzelheiten seines Vorgehens der ordentlichen Hauptversammlung zu berichten und Rede und Antwort zu stehen. Manche Autoren meinen, der BGH habe dadurch, daß er sich nur zur nachträglichen Berichterstattung geäußert habe, implizit die Pflicht zur Berichterstattung vor dem Bezugsrechtsausschluss verneint. Der Ansicht ist aber nicht zu folgen; denn sie müsste von einem beredten Schweigen des BGH in der Art eines "obiter tacitum" ausgehen. Die Frage der Pflicht zur Berichterstattung vor dem Bezugsrechtsausschluss war nämlich nicht Streitgegenstand des BGH-Verfahrens. Die Siemens- Hauptversammlung hatte für das genehmigte Kapital das Bezugsrecht der Aktionäre bereits ausgeschlossen; der Vorstand hatte hierfür einen Bericht nach 186 Abs. 4 AktG erstattet. Der BGH brauchte sich also überhaupt nicht mit der Berichtspflicht vor dem Bezugsrechtsausschluss des Vorstands zu befassen. Er konnte und musste in richterlicher Zurückhaltung diese im Holzmann-Fall offen gelassene Frage auch in Siemens-Nold offen lassen, ohne das Offenlassen ausdrücklich klarzustellen. Diesen Gesichtspunkt vernachlässigen die Autoren, die Siemens-Nold eine Absage des BGH an die Berichterstattungspflicht vor der Vorstandsentscheidung entnehmen. IV. Die Pflicht zur Berichterstattung vor Bezugsrechtsausschluss 1. Wortlaut des Gesetzes Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt die Pflicht zur vorherigen Berichterstattung vor Bezugsrechtsausschluss durch Vorstandsentscheidung bei genehmigtem Kapital. Gemäß 203 Abs. 1 AktG "gelten sinngemäß" die 185 bis 191 AktG über die Kapitalerhöhung gegen Einlagen. Gemäß 203 Abs. 2 AktG kann die Ermächtigung des Vorstands zur Erhöhung des Grundkapitals vorsehen, dass der Vorstand über den Ausschluss des Bezugsrechts entscheidet; wird die Ermächtigung durch Satzungsänderung erteilt, "so gilt 186 Abs. 4 (AktG) sinngemäß". Es gilt also "sinngemäß" 186 Abs. 4 Satz 2 AktG. Dort ist der vor dem Beschluss der Hauptversammlung zu erstattende Bericht über den Bezugsrechtsausschluss und den vorgeschlagenen Ausgabebetrag angeordnet. Die sinngemäße Geltung dieser Norm für den Fall, dass der Vorstand zum Ausschluss des Bezugsrechts ermächtigt ist, bedeutet, dass der Vorstand vor seinem Beschluss die Aktionäre über den Ausschluss und den vorgeschlagenen Ausgabebetrag unterrichten muss. Denn das Gesetz ordnet zweimal die vorherige Berichtspflicht an: in 203 Abs. 2 AktG für den Zeitpunkt vor

der Ermächtigung durch die Hauptversammlung und in 203 Abs. 1 AktG für den Zeitpunkt vor der Ausgabe der neuen Aktien. 2. Nur Bericht vor Bezugsrechtsausschluss entspricht Bedeutung der Berichtspflicht Den Bericht nur für die Erteilung der Ermächtigung zu verlangen, überzeugt auch vom Gesetzeszweck her nicht. Zu diesem Zeitpunkt sind weder das Ob noch die konkreten Gründe für den Bezugsrechtsausschluss bekannt. Zudem muss der "vorgeschlagene Ausgabebetrag" begründet werden - also nicht der schon festgesetzte Kurs. Für eine Pflicht zu einer nachträglichen Berichterstattung gibt es in 186 Abs. 3 AktG keinen Anhaltspunkt - gerade auch nicht bei dessen sinngemäßer Anwendung. Es besteht in der Literatur Einigkeit darüber, dass über den Bezugsrechtsausschluss und den Ausgabebetrag zu unterrichten ist. In der Diskussion ist nur der Zeitpunkt. 186 Abs. 4 Satz 2 AktG soll die Hauptversammlung in die Lage versetzen, "die Interessen der Gesellschaft an einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss gegenüber anderen Alternativen zu bewerten, die Nachteile für die ausgeschlossenen Aktionäre zu erkennen und beides gegeneinander abzuwägen"; der Bericht soll zudem "eine sichere Ausgangsbasis für die gerichtliche Nachprüfung" in einem etwaigen Anfechtungsprozess sein. Diese Funktionen kann der Vorstandsbericht nur erfüllen, wenn er vor dem tatsächlichen Ausschluss des Bezugsrechts durch den Vorstand auf der Grundlage der Ermächtigung durch die Hauptversammlung erstattet wird. Seit Siemens-Nold braucht vor der Entscheidung der Hauptversammlung über die Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss keine umfassende Berichterstattung mehr stattzufinden. Es genügt, das Vorhaben abstrakt zu umschreiben, ohne den Sachverhalt für die Kapitalerhöhung bekannt zu geben. Wenn der Vorstand aufgrund einer solchen Ermächtigung eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss vornehmen will, muss er im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens aufgrund sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung der gesamten Umstände entscheiden, ob er von der Ermächtigung Gebrauch machen darf. Will der Vorstand das Bezugsrecht ausschließen, muss er zuvor die Aktionäre unterrichten. Denn diese bleiben auch bei der Delegation der Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluss und die Kapitalerhöhung von der Hauptversammlung an den Vorstand in der Lage, mit Rechtsbehelfen gegen den Vorstandsbeschluss zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss vorzugehen - so wie sie sonst den Hauptversammlungsbeschluss anfechten könnten. Daran lässt die Siemens-Nold-Entscheidung keinen Zweifel: Wenn der Vorstand unter Verletzung seiner Pflichten zur sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung sich nicht an die Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses gehalten hat, kann "die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zum Gegenstand einer Feststellungs- oder - soweit noch möglich - einer Unterlassungsklage... gemacht werden". Wie diese Passage zeigt, hält der BGH also gerade auch die vorbeugende Unterlassungsklage für einen zulässigen Rechtsbehelf gegen den Vorstandsbeschluss. Den vom Gesetz garantierten Rechtsbehelf kann der Minderheitsaktionär aber nur dann angemessen nutzen, wenn er vor dem Vorstandsbeschluss ebenso wie sonst die Hauptversammlung den Bericht erhält. Ohne einen solchen Bericht kann der objektiv urteilende Aktionär nicht überprüfen, ob der Kapitalerhöhungsbeschluss unter Ausschluss des Bezugsrechts sachgerecht ist oder ob er die Rechte der Aktionäre verletzt. Nur die vorherige Berichterstattung entspricht dem hohen Rang des Bezugsrechts, das "eines der wirtschaftlich wichtigsten Mitgliedschaftsrechte ist"; der Bezugsrechtsausschluss ist ein "Gesellschaftsausschluss auf Raten". Die Delegation der Hauptversammlungskompetenz an die Verwaltung durch die Ermächtigung, den Bezugsrechtsausschluss zu entscheiden, darf nicht dazu führen, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten der Aktionäre gegen den Bezugsrechtsausschluss unterlaufen werden. Voraussetzung für effektiven Rechtsschutz ist aber die rechtzeitige Information vor der Maßnahme. Unterlassungs- und Anfechtungsklagen verlangen vom Kläger substantiierte Darlegungen; ohne solche riskiert der Anfechtungskläger den Vorwurf der Unschlüssigkeit. Die Vorstandsermächtigung ist kein Blankoscheck an den Vorstand zum Bezugsrechtsausschluss. Sie ist vielmehr eine bloße Ermächtigung (ein Können). Ob der Vorstand von der Ermächtigung Gebrauch machen darf, hat er sorgfältig und gewissenhaft zu prüfen. Das Ergebnis seiner Prüfung - der Bezugsrechtsausschluss - kann Gegenstand gerichtlicher

Überprüfung sein - nicht bloß post festum zur Liquidierung des Schadens, sondern gerade auch zu einem Zeitpunkt, bevor die schädigenden Folgen eines rechtswidrigen Bezugsrechtsausschlusses eingetreten sind. Auch vorläufiger Rechtschutz ist möglich. Dieser vorherige Rechtsschutz durch Klage und einstweilige Verfügung ist auch deshalb unentbehrlich, da nach vorherrschender Meinung die Maßnahmen zur Durchführung der Kapitalerhöhung im Außenverhältnis wirksam sind, insbesondere die Zeichnungsverträge. Auch die Handelsregistereintragung soll nicht revidierbar sein. Hinzu kommt, dass die Eintragung einer Durchführung einer Kapitalerhöhung in das Handelsregister faktisch kaum rückgängig zu machende Folgen hat. 3. Einwände gegen vorherige Berichtspflicht greifen nicht Die Einwände gegen die vorherige Berichtspflicht greifen u.e. nicht durch. a) Flexibilität des genehmigten Kapitals Die Berichtspflicht beeinträchtigt nicht beachtlich die Flexibilität des genehmigten Kapitals. Sie begründet nur den marginalen Aufwand und Zeitverlust, den die Gesellschaft für die Unterrichtung benötigt. Diesen Aufwand muss die Gesellschaft bei einer Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital einplanen. Gesellschaften haben dafür regelmäßig auch genügend Zeit. Hinter dem Einwand steht freilich ein anderer Aspekt: Man will es dem Vorstand ermöglichen, Rechtsschutz der Aktionäre zu erschweren, indem man versucht, die Maßnahme solange wie möglich geheim zu halten und lästige Klagen und vorläufigen Rechtsschutz zu verhindern. Die Verhinderung legitimer und nach der BGH-Rechtsprechung sowie gebotener Rechtsschutzmöglichkeiten kann aber kein beachtlicher Aspekt sein. b) Förmlichkeiten der Ermächtigung und Vorstandspflichten Die Aktionäre sind auch nicht hinreichend durch die materiellen Verpflichtungen der Verwaltung bei der Entscheidung der Verwaltung über den Bezugsrechtsausschluss und die Förmlichkeiten des Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung geschützt. Die Förmlichkeiten des Ermächtigungsbeschlusses sichern aber nicht die Rechtmäßigkeit der späteren Ausübung der Ermächtigung. Zudem ist es regelmäßig nicht realitätsnah, vom "idealen Vorstand" auszugehen und die Wirklichkeit zu vernachlässigen. Das Aktienrecht geht vom Modell des mündigen Aktionärs aus, der notfalls auch durch Klagen für rechtmäßiges Handeln seiner Gesellschaft sorgt. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten dadurch auszuschließen, dass der Aktionär von den für Rechtsschutz erforderlichen konkreten Informationen ausgeschlossen wird, widerspricht der auch verfassungsrechtlich garantierten Ermöglichung des Rechtsschutzes. c) Nochmalige Abfassung eines Berichts? Die Frage der Pflicht zur Berichterstattung vor Bezugsrechtsausschluss ist auch keine Frage der nochmaligen Abfassung eines Berichts. Von nochmaliger Berichterstattung kann nicht die Rede sein. Der BGH spricht denn auch in der Holzmann-Entscheidung zutreffend von einem "ergänzenden Bericht". Die Berichte, die der Vorstand vor dem Beschluss der Hauptversammlung über die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss erstattet, sind regelmäßig sehr allgemein gehalten - geradezu so, als wären sie von Formularbüchern abgeschrieben. Seit Siemens-Nold dürfen diese Vorstandsberichte von größter Allgemeinheit sein. Es genügen weithin formelhafte Umschreibungen der Gründe für die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss. Das Informationsbedürfnis eines objektiv denkenden und urteilenden Aktionärs ( 131 AktG) kann durch derart allgemeine Umschreibungen, die für die Zulässigkeit der abstrakten Ermächtigung genügen mögen, für den konkreten Bezugsrechtsausschluss nicht erfüllt werden. Schließlich berücksichtigt die Ansicht von der nochmaligen Berichterstattung nicht, dass die Hauptversammlung noch überhaupt nicht über den vorgeschlagenen Ausgabebetrag unterrichtet worden ist.

d) Ermächtigungsmißbrauch Nicht zu folgen ist auch dem Argument des LG Frankfurt, eine vorherige Berichterstattung sei nicht nötig, da sich gegen die konkret geplanten Kapitalerhöhungen "kein greifbarer Ansatz (ergibt), es liege etwa ein schwerer Ermächtigungsmissbrauch vor". Denn die Berichtspflicht besteht losgelöst von der Frage, ob der Vorstandsbeschluss rechtswidrig ist. Auch der Hauptversammlung ist vor ihrem Beschluss der Bericht nach 186 Abs. 4 AktG in jedem Fall zu erstatten - gerade auch bei einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss, die ohne jeden Zweifel den Interessen der Gesellschaft und aller Aktionäre entspricht. V. Zusammenfassung Der Schutz der Minderheitsaktionäre erfordert den Bericht über den Bezugsrechtsausschluss, bevor der Vorstand entscheidet und die Kapitalerhöhung durchführt. Das Aktienrecht vertraut auf den objektiv urteilenden Aktionär, der Klagemöglichkeiten zur Sicherstellung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und zur Wahrung seiner Eigentumsrechte (Art. 14 GG) nutzt. Dazu ist er auf rechtzeitige Information angewiesen - gerade wenn Vorstand und Aufsichtsrat hinter verschlossenen Türen entscheiden und der Beschlussfassung nicht eine kontroverse Diskussion bei einer Hauptversammlung vorausgeht, bei der die Fakten auf den Tisch kommen. Das gilt zumal beim für die Aktionärsrechte existentiell wichtigen Bezugsrecht. Eine nachträgliche Unterrichtung kommt zu spät. Denn sie lässt Rechtsschutz leer laufen.