Schuldnerberatung im Paritätischen Sozialzentrum Nienburg - Jahresbericht

Ähnliche Dokumente
Jahresbericht Schuldnerberatung 1997

Schuldnerberatung Jahresbericht PARITÄTISCHES Sozialzentrum Nienburg

Schuldnerberatung Statistik 2016 Caritasverband Konstanz e.v. Uhlandstrasse Konstanz

Statistik zur Schuldnerberatung im Rahmen des Verbraucherinsolvenzverfahrens in Rheinland-Pfalz

Schuldnerberatung Jahresbericht 2006

Statistische Auswertung

Caritas. Schuldner- und Insolvenzberatung. Jahresbericht Not sehen und handeln!

Überschuldung - letzter Ausweg die Privatinsolvenz

Name, Vorname: Geburtsname: Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort): Geburtsdatum / -ort: Staatsangehörigkeit: Telefon-Nummer:

Arm trotz Arbeit? Wie man in die Schuldenfalle rutscht

Caritas. Beratung für Schwangere und Familien. Jahresbericht Not sehen und handeln!

SFZ. Statistik zur Überschuldung und. Schuldnerberatung in Rheinland-Pfalz. Forschungs- und Dokumentationsstelle für Verbraucherinsolvenz und

Paritätischer Nienburg - Mitarbeiterzeitung Die Schuldnerberatung des Paritätischen

Schuldnerhilfe Bielefeld e. V. Kath. Verein für soziale Dienste e. V. Jahresbericht der Schuldnerberatungsstellen.

Sozialdienste im Kanton Uri

Konzept der Mitarbeiterberatung

Statistik zur Überschuldung privater Personen

Laufende Beratungsfälle

Überschuldung privater Haushalte

Schuldnerberatung. Jahresbericht Paritätischer Nienburg.

Statistik zur Überschuldung privater Personen

Schuldenbarometer 2012

Mindestsicherungsquote

Schuldenbarometer 1. Quartal 2016: Weiterer Rückgang der Privatinsolvenzen in fünf Bundesländern steigen die Zahlen an

Statistisches Bundesamt

SchuldnerAtlas Region Stuttgart 2014

Individuelle Auslöser und gesellschaftliche Risiken von Überschuldungs- und Armutsprozessen

Kommentierung zur Statistik 2009

Sie möchten in der Schuldnerberatung des Landkreises Ludwigsburg beraten werden.

Schuldnerberatung im Maßregelvollzug

Insolvenzrecht. Prof. Dr. Florian Jacoby Wintersemester 2016/17

Statistische Auswertung

Beistandschaft für mein Kind

Statistische Auswertung

Name, Vorname: Geburtsname: Anschrift (Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort): Geburtsdatum / -ort: Staatsangehörigkeit: Telefon-Nummer:

Bundessozialhilfegesetz 1

20 Jahre Schuldnerberatung. des Caritasverbandes für den Landkreis Dillingen a.d.donau. am Mittwoch, 25. Juni 2014, 17:00 Uhr. in Dillingen a.d.

Was tun, wenn eine Regulierung momentan nicht möglich ist?

Grundmodul. SGB II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Modul 1. Autoren:

H. S. I. HAMBURGER SCHULDNER- UND INSOLVENZBERATUNG

Auswirkungen des Pfändungsschutzkontos auf die Vollstreckungspraxis

Umfassende Untersuchung zur wirtschaftlichen Situation von IV-Rentnern

I N F O R M A T I O N

Arbeitstherapie. 2.1 Diagnose

Die Armutsgefährdungsquote. lag 2004 in Deutschland noch bei 13%. Armutsquoten in % Deutschland 14,7 14,0 14,3. Westdeutsch- Land 13,2 12,7 12,9

Beratungsstellen für ältere Menschen und ihre Angehörigen in München

Haushalte und Erwerbstätigkeit im Wandel

Schuldnerberatung Statistik 2015 Caritasverband Konstanz e.v. Uhlandstrasse Konstanz

Insolvenzrecht. Prof. Dr. Florian Jacoby Wintersemester 2013/14

A) Hintergrund der Befragung

Konzeption für das Ambulant Betreute Wohnen psychisch Kranker

Schuldnerberatung Statistik 2014 Caritasverband Konstanz e.v. Uhlandstrasse Konstanz

Marktverhalten, Verschuldung und Überschuldung privater Haushalte in den neuen Bundesländern. Gutachten von. Dr. Dieter Korczak

Liquidität vor Rentabilität Teil 1. eine Kaufmannsweisheit, auch für Zahnärzte.

Landesmodellprojekt NRW bekämpft Energiearmut

Antrag auf Beihilfe. (in finanzieller Notsituation) Kurzzeitstipendium 4 x 200 Euro, 1 x 100 Euro (nur zur Studienabschlussfinanzierung) Herr/Frau

Arbeitszeitwünsche von Frauen und Männern wovon hängen sie ab?

Schuldenbarometer 2015: Privatinsolvenzen sinken um 6,4 Prozent vierter Anstieg in Folge bei den älteren Bundesbürgern

Thema kompakt Schuldnerberatung

SGBII Sozialgesetzbuch II

Auswertung der Erhebung 2008 zum Thema Zwangsheirat AG Zwangsheirat

Leitbild der Verbraucherzentrale Bayern

Statistische Auswertung

35% RAV 0 0% RAV 0% 0% 0% Gerichte 0 0% Gerichte 0% 0% 0% 30% 25% Sozialamt 13 8% Sozialamt 12% 8% 12% 20%

Armut in der Sozialen Marktwirtschaft

Die Entwicklung der Pflegebedürftigen in Thüringen bis 2020

Fernere Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren nach Geschlecht, 1871 bis 2060* 19,1 17,8 16,5

Vermögensungleichheit in Deutschland

Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland nach 24 Sozialgesetzbuch Teil XII SGB XII

Schuldenbarometer 1. Quartal 2013

11. Sozialgesetzgebung

Steigende Inanspruchnahme

Schuldnerberatung und definierte Qualitätskriterien wie geht das?

» Runder Tisch Sozialhilfe Würzburg. » Runder Tisch Grundsicherung und Sozialhilfe Würzburg

Zukunftsweisendes Personalmanagement

Welche Unterstützung brauchen Migrantinnen und Migranten im Landkreis?

Herzlich Willkommen. zur Informationsveranstaltung des Integrationsamtes

Vorstellung Familienhaus

Vorsorgen? Nein, danke!

Vermögensbildung nach dem Zweiten Vermögensbildungsgesetz

GRUSSWORT DER EUROPÄ ISCHEN KOMMISSION

Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland

Institutionelle Erziehungsberatung in Frankfurt

Gliederung. Überschuldungssituation privater Haushalte in Deutschland

Inhalt. Abkürzungen 13. Vorwort 17. A Ein Rat 19. B Das Schuldverhältnis - kommt man da noch raus? 20

Übersicht über die Tagungsinhalte

AMT FÜR SOZIALE DIENSTE

INFRASTRUKTURPOLITIK IN ZEITEN KNAPPER ÖFFENTLICHER BUDGETS

Der demografische und gesellschaftliche Wandel und seine Auswirkungen in den Seelsorgefachbereichen

Caritas- Kreisstelle Ingolstadt

1. Die Notwendigkeit eines Kontoschutzes... 15

Institut Arbeit und Technik plädiert für einen Wohlfahrtsmix für stärkere Aktivierung

Materielle Hilfe. Gesuch um materielle Hilfe Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (SPG) 1. Personalien des Gesuchstellers / der Gesuchstellerin

PflegeVorsorge. Jetzt handeln für eine bessere Zukunft

Erbrechtliche Vorsorge in Deutschland

Statistik zur Überschuldung privater Personen

Ihr Wunschund Wahlrecht bei der Wahl eines Pflegeheims

Zahlen für das Jahr 2013 (Zahlen für das Jahr 2014 sind erst Ende 2015 verfügbar)

Mein Recht auf Geld vom Staat

Jugendhilfeplanung: Teilplan Kindertagesbetreuung

Transkript:

Schuldnerberatung im Paritätischen Sozialzentrum Nienburg - Jahresbericht 1994 - I. Vorgeschichte Die Schuldnerberatung im Paritätischen Sozialzentrum Nienburg wurde 1985 begonnen. Ausschlaggebend war die Erkenntnis, daß die stetig steigende Verbraucherverschuldung und der damit oft verbundene Übergang zu Überschuldung, sozialem Abstieg und Armut der traditionellen Form der Sozialberatung Grenzen setzten. Es erwies sich zunehmend als unmöglich, den wirtschaftlichen Hintergrund vieler sozialer Probleme im Rahmen der vorhandenen Kompetenz entsprechend zu berücksichtigen. Dies war der Grund, eine spezialisierte Schuldnerberatung zu schaffen, die sowohl die ökonomischen als auch die psychosozialen Aspekte der Verschuldung verbindet. II. Allgemeines Die Schuldnerberatung bietet folgende Dienstleistungen an: - finanzielle und rechtliche Beratung, d.h. Überprüfung von Forderungen der Gläubiger, Hilfestellung bei Pfändungsschutzmaßnahmen, Sicherung der materiellen Lebensgrundlagen usw. - lebenspraktische Beratung, d.h. Überprüfung der individuellen Gründe der Verschuldung, gemeinsames Erarbeiten von Haushaltsplänen etc. - psychosoziale Hilfen, d.h. die Weitervermittlung an andere soziale Dienste und die Zusammenarbeit mit diesen, da Verschuldung häufig mit anderen Problemen zusammenhängt - pädagogisch-präventive Beratung, d.h. Verhinderung von erneuter Überschuldung, die Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit zu Ursachen und Entwicklung von Verschuldung etc. Die Tendenz zur Ver- und Überschuldung, verschärft durch den Abbau von sozialen Leistungen, der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und der Stagnation der Arbeitnehmereinkünfte, setzt sich bis heute fort, was folgende Zahlen illustrieren: - die gesamte Privatverschuldung in der Bundesrepublik betrug 1994 ca. 360 Milliarden DM (einschließlich Wohnungsbaudarlehen sogar über 1 Billion DM); - von 1970 bis 1992 ist das Volumen der Konsumentenkredite mit einem Durchschnitt von 11% / Jahr um fast 300 Milliarden gewachsen; - 1994 war jeder Haushalt durchschnittlich mit 10.200,-- DM verschuldet, 2 Millionen Haushalte gelten als überschuldet; - die Verschuldung aus Konsumentenkrediten betrug 1992 18% der verfügbaren Einkommen der Haushalte.

- 2 - - 2 - Die Schuldnerberatungsstelle hat im Zeitraum von 1985 bis 1994 mehr als 900 Personen aus Stadt und Landkreis Nienburg beraten. Es hat sich gezeigt, daß eine spezialisierte Schuldnerberatung, die im Bedarfsfall auf andere Beratungsdienste innerhalb des Hauses (Sucht-, Selbsthilfegruppenberatung) und bei anderen Trägern zurückgreifen und mit ihnen kooperieren kann, in eine Lücke sozialer Arbeit gestoßen ist, die auszufüllen dringend notwendig war. III. Rückblick 1994 Im Jahr 1994 wurden von der Schuldnerberatung 117 Personen aus Stadt und Landkreis Nienburg beraten, nicht eingerechnet eine Vielzahl von telefonischen Beratungsgesprächen, die nicht zahlenmäßig erfaßt werden. Dabei kamen 45 Personen aus Stadt Nienburg und 72 aus dem Bereich des Landkreises. Bei 81 Ratsuchenden war eine geringe Anzahl von Beratungsgesprächen (1-5) ausreichend, bei 36 Personen war eine längerfristige Beratungsdauer notwendig. Abb.1 zeigt die unterschiedlichen Vermittlungsagenturen im Jahr 1994: Statistik Schuldnerberatung 1994 Kontaktquellen A = Paritätische Beratungsdienste B = andere Sozial-/Beratungsdienste, Wohlfahrtsverbände C = Arbeitgeber) D = Bekanntschaft/Mund-zu-Mund- Propaganda E = öffentliche Dienste F = Geldinstitute G = RechtsanwältInnen H = Werbung (Presse, Telefonbuch, Geschäftsstellenschild etc.) 35 30 25 20 15 10 5 0 32 24 18 19 8 7 6 3 A B C D E F G H Bei den besonderen Umständen, die zur Verschuldung geführt oder beigetragen haben, sind folgende zu nennen: a) Unfall, Krankheit oder Sucht b) Ehescheidung, Trennung vom oder Tod des Ehepartners/der Ehepartnerin c) Eintreten von Arbeitslosigkeit d) gescheiterte berufliche Selbständigkeit e) die Zwangsversteigerung des ehemaligen Eigenheimes, die oft eine hohe ungedeckte Schuldsumme hinterläßt.

- 3 - - 3 - Abb.2 zeigt die Häufigkeit der Verschuldungsursachen: Statistik Schuldnerberatung 1994 Verschuldungsursachen A =Unfall/Krankheit /Sucht B = Ehescheidung/Trennung/Tod des Ehepartners C = Arbeitslosigkeit D = Straffälligkeit E = Sonstiges wie z.b. Zwangsversteigerung vom Eigenheim, gescheiterte berufliche Selbständigkeit, finanzielle Planlosigkeit etc. 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 49 30 29 14 5 A B C D E Erneut hat sich gezeigt, daß die Ergebnisse der Schuldnerberatung nicht auf die Frage reduziert werden können, ob eine effektive Verminderung der Verschuldung stattgefunden hat oder nicht. Dies kann, verursacht durch Forderungs- oder Zinsverzichte, Vergleiche oder Umschuldungen, ein Ergebnis der Beratung sein. Aber ebenso wichtig ist es, in Situationen, in denen eine Entschuldung aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, den Leidensdruck der Ratsuchenden zu mindern, z.b. durch Stundung, Ratenverminderung oder Vollstreckungsschutzmaßnahmen. Auch die Hilfe bei Kündigung von finanziell belastenden oder unseriösen Verträgen gehört zu den Bemühungen, den Verschuldeten wieder eine Perspektive zu eröffnen. Deutlich wurde, daß eine Kooperation der spezialisierten Schuldnerberatung mit anderen sozialen Diensten, RechtsanwältInnen etc. sehr gute Ergebnisse gezeigt hat. In solchen Fällen konnte den Ratsuchenden umfassend bei der Wahrnehmung ihrer Belange geholfen werden. Ver- oder Überschuldung ist häufig nur ein Symptom für andere persönliche Krisen, beispielsweise Sucht- oder Eheprobleme. Bemerkenswert ist, daß viele Menschen, die 1989 oder kurz danach die ehemalige DDR verließen und nach Westdeutschland gekommen sind, innerhalb kurzer Zeit relativ hoch verschuldet waren. Sie wurden mit einem ihnen völlig unbekannten Wirtschaftssystem, das vielfältige Konsummöglichkeiten anbot, konfrontiert und oft ausgenutzt.

Diese Personen, die in der Regel nicht nur Bankschulden, sondern auch Verbindlichkeiten bei Versandhäusern, Versicherungen, Autohändlern etc. haben, wenden sich zunehmend häufiger an die Schuldnerberatungstelle. - 4 - - 4 - Abb.3 gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Gläubiger der Ratsuchenden: Statistik Schuldnerberatung 1994 Gläubiger der Ratsuchenden A = B an k e n B = V ersicherungen C = V ersandhäuser D = Verm ieter (aktuell und früher) E = Energieversorger F = Ö ffentliche G läubigerr G = V erw andte / Bekannte H = Sonstige G läubiger 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 88 47 32 33 20 10 10 4 A B C D E F G H IV. Ausblick Die Bedeutung der Schuldnerberatung wird in Zukunft kaum geringer werden. Folgende Probleme werden die Lage der Verschuldeten sicherlich beeinflussen: a) Trotz Wirtschaftsaufschwung herrscht in der Bundesrepublik eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, die den Voraussagen zufolge auch nicht wie in der Vergangenheit wieder maßgeblich zurückgehen wird. Die Anzahl der Personen, die aufgrund von eintretender Arbeitslosigkeit ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, wird eher noch steigen. Abb.4 und 5 verdeutlichen die unterschiedlichen Einkommensarten und -höhen der Ratsuchenden:

Statistik Schuldnerberatung 1994 Einkommen der Ratsuchenden Keines 4 Sonstiges 23 Rente 7 HLU 16 AlG/AlHi/UHG 27 Lohn/Gehalt 42 0 10 20 30 40 50-5 - 5-22% Statistik Schuldnerberatung 1994 Einkommenshöhe 21% < 1.000,-- < 2.000,-- < 3.000,-- > 3.000,-- 32% 25% b) Die ständig unübersichtlicher werdenden Formen der Finanzdienstleistungen machen es für viele immer schwieriger, einen Überblick über ihre finanzielle Situation zu behalten. EC- Karten, Kreditkarten, Kundenkarten, verschiedene Formen von Darlehen mit den unterschiedlichsten Namen - diese Vielfalt spiegelt oft ein höheres verfügbares Budget vor, als wirklich vorhanden ist. Auch hier wird das Überschuldungsrisiko weiter ansteigen. Abb.6 zeigt die Anzahl der Gläubiger pro Einzelberatung:

Statistik Schuldnerberatung 1994 Anzahl Gläubiger 19% 14% 1 bis 3 4 bis 6 7 bis 10 > 10 23% 44% - 6 - - 6 - Über die Höhe der Verschuldung der Ratsuchenden gibt die Abb.7 Auskunft: Statistik Schuldnerberatung 1994 Höhe der Verschuldung > 100.000,-- 11 < 100.000,-- 21 < 50.000,-- 18 < 30.000,-- 43 < 10.000,-- 24 0 10 20 30 40 50 c) Seit der Privatisierung der Postbank zum 01.01.1995 ist es für verschuldete Personen mit negativer SCHUFA-Auskunft oft unmöglich, überhaupt noch ein Girokonto eröffnen zu können. In unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft ist ein eigenes Konto zu einem unverzichtbaren Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen fordern deshalb ein gesetzlich

verbrieftes Recht auf ein Girokonto, um auch Personen, die sich in wirtschaftlich schwierigen Situationen befinden, die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen. Bareinzahlungen sind teurer als Überweisungen vom Girokonto. Schuldnerberatungsstellen müssen das ihre dazu tun, um vor Ort in entsprechenden Einzelfällen Problembewußtsein zu schaffen d) Im Landkreis Nienburg/Weser steigt die Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Mit dem frühzeitigen Einsatz der Schuldnerberatung kann in vielen Fällen der Bezug von Sozialhilfe vermieden werden. Die gezielte Entschuldung von Sozialhilfeempfängern kann den Betroffenen neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Die folgenden Darstellungen geben einen Überblick über die persönlichen Verhältnisse der Ratsuchenden. Fast die Hälfte der Ratsuchenden im Jahr 1994 war verheiratet (45%), weitere 29% lebten getrennt (Abb.8): - 7 - - 7 - Statistik Schuldnerberatung 1994 Fam ilienstand 29% 3% 23% 45% ledig verheiratet gesch./getr. verwitwet Die eingetretene Verschuldung berührte damit unmittelbar in Dreiviertel aller Fälle noch mindestens einen weiteren Angehörigen (Abb.9):

Statistik Schuldnerberatung 1994 Anzahl Haushaltsmitglieder 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 47 19 21 16 14 Eins Zwei Drei Vier > Vier - 8 - - 8 - Zum Abschluß noch eine Übersicht über die Altersverteilung der Ratsuchenden im Jahr 1994 (Abb.10): Statistik Schuldnerberatung 1994 Alter der Ratsuchenden üb. 60 Jahre bis 60 Jahre bis 50 Jahre bis 40 Jahre bis 30 Jahre bis 20 Jahre 1 3 5 22 41 45 0 10 20 30 40 50

Diese Abbildung zeigt die Bedeutung der Schuldnerberatung für die Entwicklung neuer Perspektiven. Über 90% aller Ratsuchenden sind im erwerbstätigen Alter; die Vermeidung des Bezugs von Sozialhilfeleistungen durch Entschuldungsmaßnahmen hat erhebliche Auswirkungen auf die Sozialhilfestatistik! Nienburg, im Mai 1995

Vorwort Zehn Jahre Paritätische Schuldnerberatung in Nienburg ist ein Anlaß, all denen Dank zu sagen, die geholfen haben, dieses Beratungsangebot entstehen zu lassen und zu erhalten: Ohne die Förderung des Arbeitsamtes Nienburg wäre die Schuldnerberatungsstelle nicht entstanden! Ohne die seit Jahren gewährten Zuschüsse der Stadt Nienburg/Weser und des Landkreises Nienburg/Weser müßte die Schuldnerberatungsstelle ihren Betrieb einstellen! Wir danken den vielen Spendern, die uns geholfen haben! Und wir danken allen, mit denen wir in einem Jahrzehnt eine angenehme und konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle der Betroffenen entwickeln durften. Die große Zahl der Ratsuchenden unterstreicht die Notwendigkeit dieser Hilfen gerade in Zeiten wirtschaftlicher Rezession und hoher Arbeitslosigkeit. Eine Ausweitung der Beratung um präventive Angebote zur Verhinderung von Sozialhilfebedürftigkeit wäre sicher sinnvoll; allein die Nachricht, daß die seit 1991 gewährte Landesförderung, für die wir uns ebenfalls bedanken, mit Ablauf des Jahres eingestellt werden soll, läßt uns um den Bestand des bestehenden Angebots fürchten. Spötter behaupten, daß die Jubiläumsintervalle sozialer Einrichtungen zusehends kleiner werden, damit die Jubilare die Feiern noch erleben! Wir hoffen, daß die Paritätische Schuldnerberatung mit Ihrer Hilfe ihre Tore noch lange für die betroffenen Menschen offen halten kann. Bernhard Döring Geschäftsführer

Schuldnerberatung im Paritätischen Sozialzentrum Nienburg - Jahresbericht 1995 - I. Vorgeschichte Die Schuldnerberatung im Paritätischen Sozialzentrum Nienburg wurde 1985 begonnen. Ausschlaggebend war die Erkenntnis, daß die stetig steigende Verbraucherverschuldung und der damit oft verbundene Übergang zu Überschuldung, sozialem Abstieg und Armut der traditionellen Form der Sozialberatung Grenzen setzten. Es erwies sich zunehmend als unmöglich, den wirtschaftlichen Hintergrund vieler sozialer Probleme im Rahmen der vorhandenen Kompetenz entsprechend zu berücksichtigen. Dies war der Grund, eine spezialisierte Schuldnerberatung zu schaffen, die sowohl die ökonomischen als auch die psychosozialen Aspekte der Verschuldung verbindet. Die von Anfang an rege Inanspruchnahme der Schuldnerberatung wird durch folgende Grafik verdeutlicht: Statistik Schuldnerberatung 1995 Entwicklung Fallzahlen 1986-1995 120 110 106 117 106 A = 1986-1990 (Jahresdurchschnitt, Gesamtfallzahl = 550) B = 1991 C = 1992 D = 1993 E = 1994 F = 1995 100 80 60 40 89 91 Anzahl 20 0 A B C D E F

2 II. Allgemeines Die Schuldnerberatung bietet folgende Dienstleistungen an: - finanzielle und rechtliche Beratung, d.h. Überprüfung von Forderungen der Gläubiger, Hilfestellung bei Pfändungsschutzmaßnahmen, Sicherung der materiellen Lebensgrundlagen usw. - lebenspraktische Beratung, d.h. Überprüfung der individuellen Gründe der Verschuldung, gemeinsames Erarbeiten von Haushaltsplänen etc. - psychosoziale Hilfen, d.h. die Weitervermittlung an andere soziale Dienste und die Zusammenarbeit mit diesen, da Verschuldung häufig mit anderen Problemen zusammenhängt - pädagogisch-präventive Beratung, d.h. Verhinderung von erneuter Überschuldung, die Durchführung von Öffentlichkeitsarbeit zu Ursachen und Entwicklung von Verschuldung etc. Die Tendenz zur Ver- und Überschuldung, verschärft durch den Abbau von sozialen Leistungen, der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit und der Stagnation der Arbeitnehmereinkünfte, setzt sich bis heute fort, was folgende Zahlen illustrieren: - die gesamte Privatverschuldung in der Bundesrepublik betrug 1995 ca. 370 Milliarden DM (einschließlich Wohnungsbaudarlehen sogar über 1,1 Billion DM); - von 1970 bis 1992 ist das Volumen der Konsumentenkredite mit einem Durchschnitt von 11% / Jahr um fast 300 Milliarden gewachsen; - 1994 war jeder Haushalt durchschnittlich mit 10.200,-- DM verschuldet, 2 Millionen Haushalte gelten als überschuldet; - die Verschuldung aus Konsumentenkrediten betrug 1992 18% der verfügbaren Einkommen der Haushalte. Die Schuldnerberatungsstelle hat im Zeitraum von 1985 bis 1995 mehr als 1.000 Personen aus Stadt und Landkreis Nienburg beraten. Es hat sich gezeigt, daß eine spezialisierte Schuldnerberatung, die im Bedarfsfall auf andere Beratungsdienste innerhalb des Hauses (Sucht-, Selbsthilfegruppenberatung) und bei anderen Trägern zurückgreifen und mit ihnen kooperieren kann, in eine Lücke sozialer Arbeit gestoßen ist, die auszufüllen dringend notwendig war.

3 III. Rückblick 1995 Im Jahr 1995 wurden von der Schuldnerberatung 106 Personen aus Stadt und Landkreis Nienburg beraten, nicht eingerechnet eine Vielzahl von telefonischen Beratungsgesprächen, die nicht zahlenmäßig erfaßt werden. Dabei kamen 46 Personen aus Stadt Nienburg und 60 aus dem Bereich des Landkreises. Statistik Schuldnerberatung 1995 Einzugsbereich Nienburg 57% Stadt Nbg. Landkreis Nbg. 43% Bei 64 Ratsuchenden war eine geringe Anzahl von Beratungsgesprächen (1-5) ausreichend, bei 42 Personen war eine längerfristige Beratungsdauer notwendig. Statistik Schuldnerberatung 1995 Anzahl Beratungsgespräche pro Fall insgesamt 106 6 oder mehr 42 1 bis 5 64 0 20 40 60 80 100 120

4 Die nächste Grafik zeigt die unterschiedlichen Vermittlungsagenturen im Jahr 1995: Statistik Schuldnerberatung 1995 Kontaktquellen A =paritätische Beratungsdienste B = andere Sozial-/Beratungsdienste, Wohlfahrtsverbände C = Arbeitgeber D = Bekanntschaft/Mund-zu-Mund- Propaganda E = Öffentliche Dienste F = Geldinstitute G = RechtsanwältInnen H = Werbung (Telefonbuch, Presse, Geschäfsstellenschild etc.) 25 20 15 10 5 0 25 20 18 17 14 7 3 2 A B C D E F G H Bei den besonderen Umständen, die zur Verschuldung geführt oder beigetragen haben, sind folgende zu nennen: a) Unfall, Krankheit oder Sucht b) Ehescheidung, Trennung vom oder Tod des Ehepartners/der Ehepartnerin c) Eintreten von Arbeitslosigkeit d) gescheiterte berufliche Selbständigkeit e) die Zwangsversteigerung des ehemaligen Eigenheimes, die oft eine hohe ungedeckte Schuldsumme hinterläßt.

5 Die nächste Grafik zeigt die Häufigkeit der Verschuldungsursachen: Statistik Schuldnerberatung 1995 Verschuldungsursachen A =Unfall/Krankheit /Sucht B = Ehescheidung/Trennung/Tod des Ehepartners C = Arbeitslosigkeit D = Straffälligkeit E = Sonstiges wie z.b. Zwangsversteigerung vom Eigenheim, gescheiterte berufliche Selbständigkeit, finanzielle Planlosigkeit, geringes Familieneinkommen etc. 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 43 33 30 25 4 A B C D E Erneut hat sich gezeigt, daß die Ergebnisse der Schuldnerberatung nicht auf die Frage reduziert werden können, ob eine effektive Verminderung der Verschuldung stattgefunden hat oder nicht. Dies kann, verursacht durch Forderungs- oder Zinsverzichte, Vergleiche oder Umschuldungen, ein Ergebnis der Beratung sein. Aber ebenso wichtig ist es, in Situationen, in denen eine Entschuldung aus verschiedenen Gründen nicht möglich ist, den Leidensdruck der Ratsuchenden zu mindern, z.b. durch Stundung, Ratenverminderung oder Vollstreckungsschutzmaßnahmen. Auch die Hilfe bei Kündigung von finanziell belastenden oder unseriösen Verträgen gehört zu den Bemühungen, den Verschuldeten wieder eine Perspektive zu eröffnen. Deutlich wurde, daß eine Kooperation der spezialisierten Schuldnerberatung mit anderen sozialen Diensten, RechtsanwältInnen etc. sehr gute Ergebnisse gezeigt hat. In solchen Fällen konnte den Ratsuchenden umfassend bei der Wahrnehmung ihrer Belange geholfen werden. Ver- oder Überschuldung ist häufig nur ein Symptom für andere persönliche Krisen, beispielsweise Sucht- oder Eheprobleme. Bemerkenswert ist, daß viele Menschen, die 1989 oder kurz danach die ehemalige DDR verließen und nach Westdeutschland gekommen sind, innerhalb kurzer Zeit relativ hoch verschuldet waren.

6 Sie wurden mit einem ihnen völlig unbekannten Wirtschaftssystem, das vielfältige Konsummöglichkeiten anbot, konfrontiert und oft ausgenutzt. Diese Personen, die in der Regel nicht nur Bankschulden, sondern auch Verbindlichkeiten bei Versandhäusern, Versicherungen, Autohändlern etc. haben, wenden sich zunehmend häufiger an die Schuldnerberatungstelle. Das folgende Schaubild gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Gläubiger der Ratsuchenden: Statistik Schuldnerberatung 1995 Gläubiger der Ratsuchenden A = Banken B = Versicherungen C = Versandhäuser D = Vermieter (aktuell und früher) E = Versorger F = Öffentliche Gläubiger G = Verwandte / Bekannte H = Sonstige Glaübiger 80 70 60 50 40 30 20 10 0 72 45 29 34 27 14 8 3 A B C D E F G H IV. Ausblick Die Bedeutung der Schuldnerberatung wird in Zukunft kaum geringer werden. Folgende Probleme werden die Lage der Verschuldeten sicherlich beeinflussen: a) Trotz Wirtschaftsaufschwung herrscht in der Bundesrepublik eine anhaltend hohe Arbeitslosigkeit, die den Voraussagen zufolge auch nicht wie in der Vergangenheit wieder maßgeblich zurückgehen wird. Die Anzahl der Personen, die aufgrund von eintretender Arbeitslosigkeit ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen können, wird eher noch steigen.

7 Die nächsten Abbildungen verdeutlichen die unterschiedlichen Einkommensarten und -höhen der Ratsuchenden: Statistik Schuldnerberatung 1995 Einkommenshöhe 17% 11% < 1.000,-- < 2.000,-- < 3.000,-- > 3.000,-- 28% 44% Statistik Schuldnerberatung 1995 Einkommen der Ratsuchenden Keines 3 Sonstiges 20 Rente 6 HLU AlG/AlHi/UHG 24 25 Lohn/Gehalt 40 0 10 20 30 40 b) Die ständig unübersichtlicher werdenden Formen der Finanzdienstleistungen machen es für viele immer schwieriger, einen Überblick über ihre finanzielle Situation zu behalten. EC- Karten, Kreditkarten, Kundenkarten, verschiedene Formen von Darlehen mit den unterschiedlichsten Namen - diese Vielfalt spiegelt oft ein höheres verfügbares Budget vor, als wirklich vorhanden ist. Auch hier wird das Überschuldungsrisiko weiter ansteigen.

8 Nachfolgend wird die Anzahl der Gläubiger pro Einzelberatung gezeigt: Statistik Schuldnerberatung 1995 Anzahl Gläubiger 17% 9% 1 bis 3 4 bis 6 7 bis 10 > 10 35% 39% Über die Höhe der Verschuldung der Ratsuchenden gibt die nächste Grafik Auskunft: Statistik Schuldnerberatung 1995 Höhe der Verschuldung > 100.000,-- 5 < 100.000,-- 16 < 50.000,-- 23 < 30.000,-- 33 < 10.000,-- 29 0 10 20 30 40 c) Seit der Privatisierung der Postbank zum 01.01.1995 ist es für verschuldete Personen mit negativer SCHUFA-Auskunft oft unmöglich, überhaupt noch ein Girokonto eröffnen zu können. In unserer heutigen Dienstleistungsgesellschaft ist ein eigenes Konto zu einem unverzicht-

9 baren Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Hier muß die Zusammenarbeit mit der Sparkasse Nienburg hervorgehoben werden. Gemeinsam war es möglich, einigen Menschen wieder zu einem Girokonto zu verhelfen. Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen fordern ein gesetzlich verbrieftes Recht auf ein Girokonto, um auch Personen, die sich in wirtschaftlich schwierigen Situationen befinden, die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr zu ermöglichen. Bareinzahlungen sind teurer als Überweisungen vom Girokonto. Schuldnerberatungsstellen müssen das ihre dazu tun, um vor Ort in entsprechenden Einzelfällen Problembewußtsein zu schaffen d) Im Landkreis Nienburg/Weser steigt die Zahl der Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Mit dem frühzeitigen Einsatz der Schuldnerberatung kann in vielen Fällen der Bezug von Sozialhilfe vermieden werden. Die gezielte Entschuldung von Sozialhilfeempfängern kann den Betroffenen neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Die folgenden Darstellungen geben einen Überblick über die persönlichen Verhältnisse der Ratsuchenden. Das nächste Schaubild verdeutlicht den Familienstand des betroffenen Personenkreises: Statistik Schuldnerberatung 1995 Familienstand 26% 2% 47% 25% ledig verheiratet gesch./getr. verwitwet

10 Die eingetretene Verschuldung berührte damit unmittelbar in vielen Fällen noch mindestens einen weiteren Angehörigen: Statistik Schuldnerberatung 1995 Anzahl Haushaltsmitglieder 40 35 36 30 25 20 15 24 20 13 13 10 5 0 Eins Zwei Drei Vier > Vier Zum Abschluß noch eine Übersicht über die Altersverteilung der Ratsuchenden im Jahr 1995: Statistik Schuldnerberatung 1995 Alter der Ratsuchenden üb. 60 Jahre 4 bis 60 Jahre 5 bis 50 Jahre 22 bis 40 Jahre 33 bis 30 Jahre 42 bis 20 Jahre 0 0 10 20 30 40 50 Diese Abbildung zeigt die Bedeutung der Schuldnerberatung für die Entwicklung neuer Perspektiven. Über 90% aller Ratsuchenden sind im erwerbstätigen Alter; die Vermeidung des Bezugs von Sozialhilfeleistungen durch Entschuldungsmaßnahmen hat erhebliche Auswirkungen auf die Sozialhilfestatistik!

11 Die dauerhafte Finanzierung der Schuldnerberatung ist auch in Zeiten knapper öffentlicher Mittel eine sozial- und verbraucherpolitische Notwendigkeit. Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Finanzierung der Schuldnerberatung über die Jahre 1991 bis 1996: Statistik Schuldnerberatung 1995 Anteilsfinanzierung der Schuldnerberatungsstelle Nienburg 1991-1996 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0 Landkreis Stadt Land Paritätische r 1991 1992 1993 1994 1995 1996 Nienburg, im Mai 1996

Schuldnerberatung im PARITÄTISCHEN Sozialzentrum Nienburg - Jahresbericht 1996 - I. Vorgeschichte Die Schuldnerberatung im PARITÄTISCHEN Sozialzentrum Nienburg wurde 1985 begonnen. Ausschlaggebend war die Erkenntnis, daß die stetig steigende Verbraucherverschuldung und der damit oft verbundene Übergang zu Überschuldung, sozialem Abstieg und Armut der traditionellen Form der Sozialberatung Grenzen setzten. Es erwies sich zunehmend als unmöglich, den wirtschaftlichen Hintergrund vieler sozialer Probleme im Rahmen der vorhandenen Kompetenz entsprechend zu berücksichtigen. Dies war der Grund, eine spezialisierte Schuldnerberatung zu schaffen, die sowohl die ökonomischen als auch die psychosozialen Aspekte der Verschuldung verbindet. II. Jahresrückblick 1996 Im Jahr 1996 wurden 89 Klientinnen und Klienten beraten. Nicht erfaßt wurde eine sehr hohe Zahl von telefonischen und einmaligen Beratungen. Die nachhaltige Inanspruchnahme der Schuldnerberatung zeigt die nach wie vor bestehende Notwendigkeit einer spezialisierten Beratung auf diesem Gebiet, ebenso wie die ständigen Verweise von anderen Fachberatungsdiensten sowie von freien und öffentlichen Diensten. Auch Geldinstitute und Rechtsanwälte verweisen im Einzelfall an die Schuldnerberatung. Das gute Ansehen der Schuldnerberatung des PARITÄTISCHEN Nienburg wird auch dadurch deutlich, daß dessen Schuldnerberater Wolfgang Lippel als Koordinator des landesweiten Arbeitskreises Schuldnerberatung des PARITÄTISCHEN Niedersachsen benannt worden ist. Einzelheiten und statistische Daten für 1996 können im grafischen Anhang gefunden werden. III. Ausblick Angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit läßt sich voraussehen, daß die Schuldnerberatung auch in Zukunft in hohem Maße frequentiert werden wird. Sowohl für Geldinstitute und andere Gläubiger als auch für Rechtsanwälte etc. wird die Schuldnerberatung als kompetente und neutrale Verhandlungspartnerin notwendig bleiben.

2 Die Änderung des Insolvenzrechts ab 1.1.1999 wurde in der Öffentlichkeit aufmerksam wahrgenommen. Vor allem die Möglichkeit, nach sieben Jahren in den Genuß einer Restschuldbefreiung kommen zu können, stößt auf enormes Interesse. Dies zeigt die ständig steigende Anzahl an Anfragen von Überschuldeten, die an die Schuldnerberatung in dieser Hinsicht gerichtet werden. Leider sind viele Fragen für Niedersachsen und auch bundesweit noch offen, so daß noch keine konkreten Antworten gegeben werden können. Hier sind die Fragen zurrolle des Treuhänders zu nennen, der die eingehenden Gelder der Überschuldeten verwalten und weiterleiten muß. Dies und auch die Erstellung der Tilgungspläne sowie die laufende Betreuung der Überschuldeten kann sehr gut eine Aufgabe der Schuldnerberatung sein, sofern dies entsprechend finanziell und personell abgesichert wird. Auch die Verfahrensteilnahme von überschuldeten Personen, die keine Mittel zur Tilgung aufbringen können (z.b. Sozialhilfeempfänger), und die Frage der Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das Insolvenzverfahren sind noch nicht geklärt. Aus Sicht der Schuldnerberatung muß auch Sozialhilfeempfängern die Möglichkeit der Entschuldung durch das Insolvenzverfahren ermöglicht werden, da nur so ein neuer beruflicher Anfang z.b. für alleinerziehende Mütter, die Sozialhilfe beziehen und irgendwann wieder in den Arbeitsprozeß möchten, gesichert werden kann. Auch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ist notwendig zur Teilnahme der Personen am Verfahren, die die Verfahrenskosten nicht aufbringen können. Nienburg, im März 1997

3 IV. Anhang: Grafiken und Presseartikel Statistik Schuldnerberatung 1996 Anzahl Beratungsgespräche pro Fall insgesamt 89 6 oder mehr 26 1 bis 5 63 0 20 40 60 80 100 Statistik Schuldnerberatung 1996 Einzugsbereich Nienburg 54% Stadt Nbg. Landkreis Nbg. 46%

4 Statistik Schuldnerberatung 1996 Höhe der Verschuldung > 100.000,-- 6 < 100.000,-- 12 < 50.000,-- 22 < 30.000,-- 31 < 10.000,-- 18 0 10 20 30 40 Statistik Schuldnerberatung 1996 Familienstand 46% 0% 26% 28% ledig verheiratet gesch./getr. verwitwet

5 Statistik Schuldnerberatung 1996 Anzahl Haushaltsmitglieder 40 35 36 30 25 25 20 15 10 5 13 10 5 0 Eins Zwei Drei Vier > Vier Statistik Schuldnerberatung 1996 Alter der Ratsuchenden üb. 60 Jahre bis 60 Jahre 2 5 bis 50 Jahre 24 bis 40 Jahre 31 bis 30 Jahre 27 bis 20 Jahre 0 0 10 20 30 40

6 Statistik Schuldnerberatung 1996 Einkommenshöhe 15% 11% < 1.000,-- < 2.000,-- < 3.000,-- > 3.000,-- 16% 58% Statistik Schuldnerberatung 1996 Einkommen der Ratsuchenden Keines 2 Sonstiges 24 Rente 1 HLU 17 AlG/AlHi/UHG 40 Lohn/Gehalt 35 0 10 20 30 40

7 Statistik Schuldnerberatung 1996 Anzahl Gläubiger 19% 12% 1 bis 3 4 bis 6 7 bis 10 > 10 24% 45% Statistik Schuldnerberatung 1996 Gläubiger der Ratsuchenden A = Banken B = Versicherungen C = Versandhäuser D = Vermieter (aktuell und früher) E = Versorger F = Öffentliche Gläubiger G = Verwandte / Bekannte H = Sonstige Gläubiger 80 70 60 50 40 30 20 10 0 80 41 31 30 17 21 10 6 A B C D E F G H

8 Statistik Schuldnerberatung 1996 Verschuldungsursachen A =Unfall/Krankheit /Sucht B = Ehescheidung/Trennung/Tod des Ehepartners C = Arbeitslosigkeit D = Straffälligkeit E = Sonstiges wie z.b. Zwangsversteigerung vom Eigenheim, gescheiterte berufliche Selbständigkeit. 40 35 30 25 20 15 10 5 0 37 26 21 14 2 A B C D E Statistik Schuldnerberatung 1996 Kontaktquellen A =paritätische Beratungsdienste B = andere Sozial-/Beratungsdienste, Wohlfahrtsverbände C = Arbeitgeber D = Bekanntschaft/Mund-zu-Mund- Propaganda E = Öffentliche Dienste F = Geldinstitute G = RechtsanwältInnen H = Werbung (Telefonbuch, Presse, Geschäfsstellenschild etc.) 25 20 15 10 5 0 24 18 15 15 7 6 2 2 A B C D E F G H