Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen Ein Vergleich Dipl.-Ing. M. Raschke, Dipl.-Ing. Dipl. Wirtsch. Ing. A. Marek, Dr. A. Otten, Prof. Dr. H. Widdecke Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel, Standort Wolfsburg, Fachbereich Produktions- und Verfahrenstechnik, IfR- Institut für Recycling, Robert-Koch-Platz 8a, 3844 Wolfsburg, Tel.: 5361/8314, Fax: 5361/83142 1. Einleitung Biologisch abbaubare Werkstoffe können auf der Grundlage verschiedener nachwachsender Rohstoffe wie Stärke, Zucker oder Zellulose hergestellt werden. Die Rohstoffe werden je nach Eignung direkt verarbeitet (Stärke, Öle), chemisch modifiziert (Cellulosediacetat) oder durch Fermentation (Milchsäure, PHB/V) in die gewünschte chemische Struktur gebracht. Wenn der nachwachsende Rohstoff als Ausgangsstoff allein nicht ausreichend gute Eigenschaftsprofile bezüglich der Verarbeitung oder der Kennwerte aufweist, werden teilweise auch biologisch abbaubare synthetische Polymere mit eingearbeitet. Mittlerweile haben eine Reihe von biologisch abbaubaren Polymeren ihre Marktreife erreicht und werden großtechnisch hergestellt. Daneben existieren zahlreiche Prototypen, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden und deren Eigenschaften kontinuierlich optimiert werden. Tabelle 1: Übersicht verschiedener Polymerhersteller und ihrer Produkte (Auszug) Hersteller Produktgruppe Rohstoffbasis Bayer BAK Polyesteramid Rhône Poulenc Bioceta Cellulosediacatat Dupont Biomax Polyester Biomer Biomer PHB Showa Denko Bionolle Polyester Biopolymer GmbH Biopar Stärke, synth. Polymere Biotec Bioplast Stärke, Polycaprolacton Monsanto Biopol PHB/V Solvay Capa Polycaprolacton Cargill EcoPLA Polymilchsäure IFA Tulln Fasal Holz, Mais, Naturharze Xintech Systems Floralat Stärkeacetat, Fasern Wolff Walsrode AG HPL-C (Entwicklung) Celluloseetherester Mitsui Toatsu Chemicals Lacea Polymilchsäure Borregard Lignopol Lignine, Fasern Novamont Mater-Bi Stärke, Polycaprolacton PPM PPM (Entwicklung) Pflanzenöl, Stärke Supol Supol (Entwicklung) Stärke, Pflanzenöle Buna Sow Leuna Sconacell A Stärkeacetat Union Carbide Tone Polymer Polycaprolacton 1
Obwohl die letzte Novellierung der Bioabfallverordnung in Deutschland die Einbringung von biologisch abbaubaren Kunststoffen auf der alleinigen Basis von Erdöl in die Kompostierung verhindert, sollte das bislang erreichte Entwicklungs-Know-How dieser Werkstoffgruppe beachtet werden. Die generelle Eignung zur Kompostierung und die Unbedenklichkeit dieser Kunststoffe ist wissenschaftlich u.a. in der DIN 549 belegt, so daß zumindest in naher Zukunft die Gesetzgebung eine Gleichstellung beider Werkstoffgruppen gewährleisten könnte. Aus rein ökologischer Sicht sind allerdings die Kunststoffe aus nachhaltigen Rohstoffen interessanter, da sie der von der Abfallgesetzgebung angestrebten Entwicklung von Kreislaufwirtschaftssystemen entsprechen. Am Institut für Recycling an der Fachhochschule in Wolfsburg sind viele der auf dem Markt verfügbaren biologisch abbaubaren Werkstoffe bezüglich einer Auswahl von physikalischen, thermischen und mechanischen Eigenschaften geprüft worden. Ziel war es, eine möglichst große Palette verschiedener Polymere an einer Spritzgießmaschine (Fa. Arburg, Typ: Allrounder 42 C) zu verarbeiten und anschließend an den Prüfmaschinen mit möglichst gleicher Parametereinstellung die materialspezifischen Kennwerte aufzunehmen. Durch die einheitlichen Standards sollte als Ergebnis eine gezielte Vergleichbarkeit aller Polymere vorliegen. Die Versuchsreihe mit verschiedenen Typen der einzelnen Polymerproduzenten liegt bereits vor. Weitere Kunststoffe sind demnächst zum Verspritzen und Prüfen vorgesehen. Die Ergebnisse aus dieser Arbeit werden in einer vom Institut herausgegebenen Studie veröffentlicht werden. Eine Übersicht einiger Hersteller und ihrer Produktgruppen zeigt die Tabelle 1. 2. Prüfergebnisse mehrerer Kunststofftypen ausgewählter Produktgruppen In den folgenden Schaubildern werden zu jeder Prüfung jeweils die sechs besten biologisch abbaubaren Polymere der Versuchsreihe dargestellt. g/cm² 1,28 1,26 1,24 1,22 1,2 1,18 1,16 1,14 1,12 1,1 1,8 Dichte Polyest.1 Polyest.2 PHB PLA1 PLA2 Polyest.3 Dichte Die Dichtebestimmung erfolgte in Anlehnung an die DIN 53479 nach dem Auftriebsverfahren. Als Prüfkörper wurden abgetrennte Proben von Schulterstäben verwendet. Die überwiegende Mehrzahl der untersuchten Biopolymere verfügen über relativ hohe Dichten. Im Vergleich liegen die Polyolefine PP und PE deutlich unter 1 g/cm³. Die kleinsten Werte erreichten die erdölverwandten Polyester auf fossiler Basis mit 1,15-1,18 g/cm³. Mit einigem Abstand folgte ein PHB mit 1,24 g/cm³ sowie Kunststoffe auf der Basis von Polymilchsäure. Abbildung 1: Kleinste Dichtewerte der Prüfserie MPa 7 6 5 4 3 2 1 Zugfestigkeit PLA1 PLA2 Stärke1 Cellulose1 Stärke2 Stärke3 Zugfestigkeit Der Zugversuch wurde nach den Vorgaben der EN ISO 527-1 durchgeführt. Die Prüfgeschwindigkeit betrug bis zum Erreichen einer Vorkraft von 5N 2mm/min. Danach wurde der mechanische Dehnungsaufnehmer angesetzt und mit einer Prüfgeschwindigkeit von 5 mm/min gezogen. Die besten Werte konnten zwei verschiedene Vertreter auf der Basis von Polymilchsäure mit 6 bzw. 55 MPa erzielen. Im Anschluß folgen die Zugfestigkeiten von Stärke- und Cellulosepolymere mit knapp der Hälfte in den Bereichen 32-35 MPa. Abbildung 2: Größte Zugfestigkeiten der Prüfserie 2
MPa 5 45 4 35 3 25 2 15 1 5 Zug-E-Modul Sonstige1 Stärke1 Stärke2 PLA1 PLA 2 Polyest.1 Abbildung 3: Größte Zug-E-Module der Prüfserie Zug-E-Modul Die Werte des Zug-E-Modules wurden wie die Zugfestigkeit nach den Vorgaben der EN ISO 527-1 ermittelt. Insgesamt konnten beim Vergleich der E- Module bei den BAW sehr weit gefächerte Werte beobachtet werden. Alle ungefüllten Polyester liegen bei sehr niedrigen Werten zwischen 4-8 MPa. Höhere Werte erreichen gefüllte Polyester mit Talkum oder Glimmer. Die höchsten Zugmodule sind bei Werkstoffen aus Stärke und Polymilchsäure mit 3-45 MPa zu finden. Dazwischen gibt es eine Vielzahl von Zwischenwerten anderer Biopolymere. C 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Vicat-Erweichungstemperatur PHB1 Polyest.1 Polyest.2 Polyest.3 Polyest.4 Polyest.5 Vicat-Erweichungstemperatur Die Vicat-Temperatur wurde nach der EN ISO 36 mit dem Verfahren B5 durchgeführt. Die größte Wärmestabilität weist ein Kunststoff aus der Gruppe Polyhydroxybutyrat mit 94 C auf. Sehr ähnlich gute Werte erreichen die Polyester auf fossiler Basis zwischen 7-92 C. Keiner der Werkstoffe auf Stärke- oder Cellulosebasis konnte in die obere Werteskala vordringen. Ihre Vicat-Erweichungstemperaturen liegen etwa um die 5 C. Abbildung 4: Größte Vicat-Erweichungstemperaturen der Prüfserie KJ/mm² 7 6 5 4 3 2 1 Kerbschlagzähigkeit Polyest.1 Polyest.2 Stärke1 Polyest.3 Polyest.4 Polyest.5 Kerbschlagzähigkeit Die Kerbschlagzähigkeit ist nach der EN ISO 179/1 ea bestimmt worden. Anstelle des 4 J Pendels wurde ein 15 J Pendel verwendet. Auch hier gelangen sehr wenige Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen in den oberen Wertebereich der Kerbschlagzähigkeit. Die größten Werte erreichen wieder die Polyester zwischen 8 und 6 KJ/m². Abbildung 5: Größte Kerbschlagzähigkeiten der Prüfserie 3. Substitutionsmöglichkeiten herkömmlicher Standardkunststoffe durch Biopolymere In der Kunststoffindustrie werden heute nahezu 9 % des Polymerbedarfes durch die sogenannten Massenkunststoffe abgedeckt. Dazu zählen die Polyolefine Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) sowie Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC) und Polyethylenterephthalat (PET). Hier liegt der größte Bereich für Substitutionskunststoffe aus biologisch abbaubaren Polymeren. Bislang konnten sich spritzgießtechnisch hergestellte Produkte aus biologisch abbaubaren Werkstoffen meist nur in bestimmten Nischen etablieren. Es handelt sich dabei im wesentlichen um kurzlebige Gebrauchsgüter wie Cateringartikel (Teller Becher, Bestecke, 3
etc.), Verpackungsmittel (Schalen, Trays,...), Friedhofs- und Gärtnereibedarf (Urnen, Blumentöpfe,...) und bestimmte Spezialanwendungen wie Schulbedarf und Spielzeugartikel. Viele Hersteller von Biopolymeren erwarten für die Zukunft einen steigenden Absatz ihrer Werkstoffe. Besonders erwünscht wäre ein erhöhter Einsatz als Verpackungsartikel, aber auch für Langzeitprodukte verschiedenster Art oder in Verbindung mit Naturfasern als Verbundwerkstoff für industrielle Anwendungen. Um die Eignung verschiedener Biopolymere als Substitutionswerkstoff herkömmlicher Kunststoffe abschätzen zu können, sind fünf materialspezifische Kennwerte selektiert worden. Diese sind Dichte, Zugfestigkeit, Zug-E- Modul, Kerbschlagzähigkeit und Vicat-Erweichungstemperatur. Anhand dieser Auswahl ist ein Vergleich der Parameter mit gleicher Gewichtung jedes Kennwertes durchgeführt worden. Für die Auswertung wurden die drei Massenkunststoffe PE-HD, PP und PS mit ihren in der Literatur angegeben Durchschnittswerten herangezogen. Die Ergebnisse zeigen für diese Parameter eine gute bis sehr gute Eignung bestimmter Biopolymere als Ersatzwerkstoffe. In den folgenden Abbildungen 6-8 sind die Eigenschaftsprofile der Kunststoffe relativ zu einem Bezugswert in Säulendiagrammen dargestellt. Links außen findet sich immer der zu substituierende Werkstoff und in abnehmender Reihenfolge von links nach rechts die Biopolymere mit den größten Übereinstimmungen bei diesen Parametern. Einsatz von PE-HD PE-HD wird vor allem für den Spritzguß im Bereich von Haushaltswaren, Lager- und Transportbehältern eingesetzt. Auch die Mülltonnen und die Flaschentransportkästen werden überwiegend aus diesem Werkstoff gefertigt. Der große Einsatzbereich macht diesen Kunststoff zu einem der am häufigsten verwendeten überhaupt. Subtitutionsvorschläge für PE-HD 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 PE-HD PHB1 Cellulose1 Cellulose2 Polyest.1 Anforderungsprofil für PE-HD erfüllt mit PHB1: 94 % Cellulose1: 85 % Cellulose2: 85 % Polyest.1: 84 % Abbildung 6: Substitutionsvorschläge für PE-HD Einsatz von PP Das PP ist wegen seiner guten Eigenschaften in vielen Kennwerten einer der am häufigsten eingesetzten Werkstoffe, wobei der Spritzgießbereich den größten Anteil einnimmt. PP wird für langlebige Produkte wie Bauteile für Wasch- oder Geschirrspülmaschinen, Küchengeschirr, Verschlüsse und Armaturen, aber auch im Verpackungsbereich für Flaschen, Kosmetika und ähnliches verwendet. Substitutionsvorschläge für PP 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 PP PHB1 Cellulose1 Cellulose2 Polyest.1 Anforderungsprofil für PP erfüllt mit PHB1: 84 % Cellulose1: 83 % Cellulose2: 83 % Polyest.1: 75 % Abbildung 7: Substitutionsvorschläge für PP 4
Einsatz von PS Die Anwendungsbereiche des Polystyrols sind außerordentlich vielfältig und es gibt beinahe keinen Kunststoffbereich, in den dieser Werkstoff nicht vorgedrungen ist. Eingesetzt wird er im Haushalts- und Sanitärbereich, für Spielzeug, in der Elektro-, Elektronik- und Fotoindustrie sowie in der Verpackungsindustrie. Die Artikel reichen von Blisterverpackungen, Wäscheklammern, Käfige für Kleintiere und Modelleisenbahnen bis Kühlschrankauskleidungen und vieles andere mehr. Substitutionsvorschläge für PS 1 9 8 7 6 5 4 3 2 1 PS PLA1 PLA2 Polyest.1 Cellulose1 Anforderungsprofil für PS erfüllt mit PLA1: 82 % PLA2: 82 % Polyest.1: 74 % Cellulose1: 71 % Abbildung 7: Substitutionsvorschläge für PS 4. Fazit Die Werte der Parameter für PE HD, PP und PS sowie die Einsatzgebiete dieser Kunststoffe sind aus der Literatur von H. Domininghaus, Kunststoffe und ihre Eigenschaften, Springer Verlag 1998 entnommen. Die hier dargestellten Vorschläge zur Substitution und ihre Eignung sind nicht generell auf jedes Spritzgießformteil übertragbar. Im einzelnen sind bei einer Substitution sicherlich mehr Parameter zu überprüfen. Insbesondere sollten die Kosten für die Werkstoffe und die Verarbeitungseigenschaften mit eingeschlossen werden. Dennoch zeigt eine solche Gegenüberstellung verschiedener Werkstoffparameter, daß zumindest bei der Auswahl dieser Kennwerte eine generelle Eignung zur Substitution der meistverwandten herkömmlichen Kunststoffe vorliegt. Vortrag anläßlich der NAROSSA 2 6. Internationaler Fachkongress für nachwachsende Rohstoffe; 5.- 6.6.2; Magdeburg; Deutschland Veröffentlicht im Tagungsband 5