Flüchtlingslager in Büren an der Aare 1940-1946 Das Eidgenössische Militärdepartement liess ab 1940 in Büren an der Aare ein Interniertenlager für polnische Soldaten erstellen, die im Juni 1940 vor deutschen Truppen in die Schweiz geflohen waren. Die Militärpersonen waren anfänglich an verschiedenen Orten zerstreut und improvisiert einquartiert worden. Nun sollten sie zentral in einem grossen, mit Stacheldraht umzäunten Barackendorf untergebracht werden. In der Planungsphase wurde das neu zu erstellende Lager noch als «Concentrationslager» bezeichnet. In der Folge entstand in Büren an der Aare das grösste je in der Schweiz gebaute Flüchtlingslager (STADELMANN/KRAUSE 1999: 7). Das eigentliche Lager für die Internierten umfasste rund 120 Baracken mit verschiedenen Funktionen. Das von Stacheldraht umzäunte Lager enthielt in der Mitte einen Überwachungsturm, um diesen herum waren die Schlafbaracken für die Internierten angeordnet. Die meisten Bauten waren schlichte Holzbaracken. Nur wenige Gebäude hatten gemauerte Wände. Neben der Wäscherei mit Entlausungsraum ganz im Westen der Anlage waren wohl nur die zahlreichen Küchen- und Toilettenbauten in Massivbauweise errichtet worden. Für die Bewacher wurde ausserhalb des Zauns des Interniertenlagers das «Schweizerlager» errichtet. Dieses Lager enthielt Baracken für die Bewachungstruppen sowie Bauten für Büros, Küche, Kantine, Post, Material usw. Nachdem man eingesehen hatte, dass das Lager eine Fehlkonzeption war, wurden viele Polen an andere Orte hin verlegt. Im März 1942 wurde das Häftli als militärisches Interniertenlager aufgegeben. Nur wenige Leute verblieben im Lager. Viele Baracken wurden abgebaut, so dass 1942 nur noch zirka 50 der ehemals rund 120 Baracken im Lager standen. Ab Sommer 1942 wurden die verbleibenden Unterkunftsbaracken zunehmend von Flüchtlingen bewohnt. Das weiterhin militärisch geführte Lager war nun mit Zivilflüchtlingen belegt. Die wie Gefangene bewachten Flüchtlinge lebten in katastrophalen Verhältnissen. Ab 1943 diente das ehemalige «Polenlager» in der Folge noch als Auffang- und Quarantänelager. Im Sommer 1943 hindurch stand das Lager mit nur noch etwa 100-150 Personen weitgehend leer. Doch bereits im September 1943 wurden 850 italienische «Militärflüchtlinge» im Lager untergebracht. Zu diesem Zeitpunkt standen im Häftli noch 16 Wohnbaracken. Kurz vor Kriegsende wurde das heruntergekommene Lager in Büren noch einmal als Quarantänelager für rund 1200 Personen genutzt. Nach dem Kriegsende im Mai 1945 wurden zum ersten Mal Russen im Lager in Büren untergebracht. Im Frühjahr 1946 beherbergte das Lager nur noch eine kleine Gruppe von Personen und die Baracken wurden langsam abgebaut. Im Verlauf des Jahres 1947 erhielten die Bauern definitiv ihr Land zurück (STADELMANN/KRAUSE 1999: 74-117). Bis heute stehen das Waschhaus und wohl eine ehemalige Küche auf dem Gelände im Häftli als letzte Überbleibsel des Lagers. 1
Originalplan des Polnischen Interniertenlagers im Häftli, 1940. Entworfen von Ingenieur und Oberst F. Rothpletz aus Aarau und gezeichnet von W. Mülchi, Grundbuchgeometer aus Büren (M. 1:1000, verkleinert). Die rot umrandeten Gebäude bezeichnen den ehemaligen Küchenbau im Schweizer-Lager und die Wäscherei im Westen des Polenlagers. (STADELMANN/KRAUSE 1999: 19). 2
Das Luftbild vom 9. Mai 1942 zeigt das bereits teilweise zurückgebaute Lager im Häftli an der Aare. Die beiden heute noch vorhandenen Bauten sind bezeichnet. (Staatsarchiv Bern: Fotoalbum 2 aus dem Nachlass Ulrich Gribi. N Gribi 2.10). Übersichtsplan mit Bezeichnung der ehemaligen Küche und der Wäscherei sowie Standort des Denkmals. (Digitaler Übersichtsplan Amt für Geoinformation des Kantons Bern, M 1:12 000). 3
Ehemalige Küche des Schweizer Lagers (Fahrmatt Nr. 6) An der Erschliessungstrasse zu den Bauernhöfen im Häftli steht unweit des Nidau-Büren- Kanals ein unscheinbarerer Massivbau unter Satteldach. Gemäss den vorhanden Plänen und Abbildungen des Lagers im Häftli könnte es sich um einen Küchenbau handeln. Der aus Backsteinen aufgeführte Bau präsentiert sich in einem sehr schlechten Zustand. Das nur noch marginal genutzte Gebäude zeigt mehrere Bauschäden unter anderem ein eingebrochenes Dach. Beim hier abgebildeten Gebäude mit den beiden Kaminrohren auf dem Dach könnte es sich um die ehemalige Küche des Schweizer-Lagers handeln. (Staatsarchiv Bern: Fotoalbum 2 aus dem Nachlass Ulrich Gribi. N Gribi 3.9). 4
Die ehemalige Lagerküche mit teilweise eingebrochenem Satteldach vom Nidau-Büren-Kanal her gesehen. Foto 2014 (PB). Die Südwestansicht des ehemaligen Küchenbaus mit jüngerem Schiebetor und später angefügten Schopfanbau. Foto 2014 (PB). 5
Innenansicht in Richtung Nidau-Büren-Kanal. Foto 2014 (PB). Innenansicht in Richtung Norden. Foto 2014 (PB). 6
Innenansicht der südlichen Giebelseite. Die verputzte Backsteinmauer zeigt zahlreiche Bauschäden und das Dach fehlt weitgehend. Foto 2014 (PB). Blick in die Nordwestecke des Innenraums. Die runden Öffnungen im Unterdach sind ein Hinweis auf die ehemalige Nutzung des Gebäudes als Küche. Durch diese Öffnungen wurden die Kaminrohre der Kochherde geführt. Foto 2014 (PB). 7
Ehem. Wäscherei im Polenlager (Fahrmatt Nr. 17) Das heute frei im Feld stehende Gebäude mit dem charakteristischen Kamin diente als Wäscherei ganz im Westen des ehemaligen Lagers. Gemäss den vorhandenen Planunterlagen und historischen Abbildungen muss der Bau gegen Norden wesentlich länger gewesen sein. Eine Totalansicht des Lagers aus südwestlicher Richtung zeigt im Vordergrund die Gärtnerei und die Wäscherei mit dem charakteristischen Kamin. Im Hintergrund ist die langgezogene «Vergnügungshalle», die auch als Kirche diente, und rechts davon der Wachturm zu sehen. (STADELMANN/KRAUSE 1999: 20). 8
Die Ostfassade der ehemaligen Wäscherei. Foto 2014 (PB). Die Westfassade der ehemaligen Wäscherei. Das Schiebetor wurde zu einem späteren Zeitpunkt montiert. Foto 2014 (PB). 9
Der ursprüngliche Mitteltrakt der Wäscherei mit dem charakteristischen Kamin. Dieser Gebäudeteil diente in jüngster Zeit als Hühnerstall. Foto 2014 (PB). Die Westseite des Mitteltraktes der ehemaligen Wäscherei. Foto 2014 (PB). 10
Die ehemalige Wäscherei besass ursprünglich noch einen Nordtrakt, wie die Abbruchspuren an der heutigen Giebelfassade zeigen. Foto 2014 (PB). Aufgrund der historischen Abbildung entsprach der ursprünglich angefügte Nordtrakt in etwa dem heute noch erhaltenen Südtrakt. Foto 2014 (PB). 11
Das Denkmal Das Denkmal wurde 2000 von der Vereinigung für Heimatpflege Büren in Zusammenarbeit mit der Einwohner- und Burgergemeinde Büren erstellt. Die Gedenkstätte ist im Bauinventar der Gemeinde Büren a.a. aus dem Jahr 2004 als «Anhangobjekt» aufgeführt. Das Denkmal im Häftli besteht aus drei aufeinandergeschichteten Granitblöcken. Foto 2014 (PB). 12
Die Gedenktafel. Foto 2014 (PB). Literatur: STADELMANN, Jürg; KRAUSE, Selina, 1999: «Concentrationslager» Büren an der Aare 1940-1946. Das grösste Flüchtlingslager der Schweiz im Zweiten Weltkrieg. hier + jetzt Verlag, Baden. (Auch in der Reihe: Hornerblätter der Vereinigung für Heimatpflege Büren, 1999). Das Staatsarchiv Bern besitzt eine grosse Sammlung von Fotografien zum Interniertenlager im Häftli in Büren a.a. aus dem Nachlass von Ulrich Gribi. (Singnatur: N Gribi). 13 PB, 18.6.2014