Mein Kind gehört mir!

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Transkript:

Mein Kind gehört mir! Transgenerationale Traumatisierung und Umgang Michaela Huber www.michaela-huber.com www.dgtd.de

Wer ein Trauma nicht realisiert ist gezwungen, es zu wiederholen oder zu reinszenieren. (Pierre Janet, 1902) Copyright: Michaela Huber 2

Transgenerationale Traumatisierung Wird eher sozial vererbt. Durch Zuschauen und Nachmachen. Jungen lernen von Vätern zu prügeln und zu vergewaltigen. Frauen schweigen. Trauma wird auch im Genmaterial verankert. Traumatisierung verändert das Gehirn. Vererbte Traumata werden weiter erzählt. Aber Schweigen ist genauso mächtig; es schafft Familiengeheimnisse, die weiterwirken. Täter-Imitation ist ein grausames Erbe. Verschlimmert durch die Erfahrung, Lust an der Macht zu haben. Hohes elterliches Konfliktniveau und Umgang mit Täter-Eltern ist nicht kindeswohldienlich. Im Gegenteil. Schlechte Bedingungen: Armut, Mangel an Bildung, aktuelle Not.

Was ist ein zwischenmenschliches Trauma? Eine Wunde oder Verletzung, die durch andere Menschen herrührt. Gewalt, Krieg, Vertreibung, Vernachlässigung, existenzielles Verlassen, auch Entwürdigung und seelische Grausamkeiten werden von Erlittenen transgenerational vererbt. Kinder erleben dann dasselbe oder fühlen sich so. Traumatisiert wird man nicht durch ein bestimmtes Ereignis, sondern dessen körperliche, seelische, geistige und Beziehungs- Folgen. Ein Trauma entsteht, wenn die integrative Kapazität des Gehirns überfordert ist und dieses eine Notreaktion ausführt: Die Erfahrung wird in Bestandteile aufgesplittert (primäre Dissoziation). Soziale Unterstützung ist danach der wesentliche protektive Faktor vor PTBS und KTBS. PTBS: chronisches Wiedererleben Einschränkung Übererregung: sog. states entstehen. KPTBS: Dauerhafter Mangel an Impulskontrolle, Selbstfürsorge, Sinnhaftigkeit, sicherer Bindung, adäquater Körperwahrnehmung. Schwere Schäden. 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 4

Meine Mutter war immer geistig abwesend Ich hatte immer Angst vor meinem Vater 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 5

Eltern im Dauer-Stress. Dann Werden die Spiegelneurone der Kinder aktiviert. Und da seelischer wie körperlicher Schmerz verarbeitet wird Bekommen die Kinder körperliche Schmerzen, Panik, Wut, Ekel, Scham, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Hass-Attacken. Da die Bindungspersonen mit sich beschäftigt sind, erhält das Kind zudem keinen Schutz. 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 6

Traumatisierte Eltern Eigene unverarbeitete Traumaerfahrungen bei Mutter und/oder Vater, auch bei anderen Bindungspersonen wie Oma und Opa Führen dazu, dass die Bindungsperson/en ihr Trauma in stressvollen Situationen mit entsprechenden Affektdurchbrüchen gegenüber dem Partner und ihrem Kind wiederholen (sie geraten in dissoziative sog. states). Das widerspricht den Grundbedürfnissen des Kindes und kann eine traumabedingte Entwicklungsstörung auslösen. 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 7

Vorschlag von van der Kolk (2005): Developmental trauma disorder für das ICD 11 A: Chronische Traumatisierung mit Beeinträchtigung der Entwicklung; Kind reagiert mit Angst, Hilflosigkeit, Scham, Wut, Hoffnungslosigkeit B: Wiederholte und fixierte Dysregulationen im Gefühl, Verhalten und Körper sowie Beziehungen (Anklammern und/oder Misstrauen), Regulation durch Vermeidung, Aggression, Dissoziation, Selbstverletzung, Überanpassung; starke Schwankungen in Wissen, Gefühl, Verhalten C: Verallgemeinerte negative Erwartungshaltung in Bezug auf sich selbst, auf den Verlust von Bindungspersonen, auf Hilfsangebote, auf zukünftige Gewalterfahrungen D: Die Beeinträchtigung zeigt sich in wichtigen Lebensbereichen wie Schule, Familie, Freundesgruppe, Beruf; mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Copyright: Michaela Huber 8

Warum muss ein Lebewesen dissoziieren unter hohem Stress? Weil es unter existenzieller Bedrohung Verteidigungsreaktionen zeigen, und dabei alle anderen Reaktionen (Spiel, alltägliches Funktionieren ) ausblenden muss. Diese archaischen, auch bei Tieren vorkommenden, Verteidigungsreaktionen wie Fluchtreflexe, Mit aller Kraft ums Leben Kämpfen, Erstarren und Totstellen, sowie Bindungsschrei, Totale Unterwerfung, Rückzug und Erholung stellen neurobiologische Aktionssysteme dar, die dem Überleben dienen. Aber bei Bindungstrauma: Bindungssystem und Verteidigungssystem werden gleichzeitig aktiviert! 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 9

Dissoziation bedeutet eine Unterbrechung der normalerweise integrativen Funktionen von a) Bewusstsein (Trancezustände ) b) Gedächtnis (Amnesien); c) Körper- und Selbstwahrnehmung (Depersonalisation) d) Umgebungswahrnehmung (Derealisation) e) Identität (Verwirrung, wer man ist; ichdystone Verhaltenszustände werden als außer sich sein, andere/s da innen oder sogar Viele-Sein wahrgenommen) 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 10

Beispiel: Schrei-Babys Wenn eine Mutter widersprüchliche gefühlsmäßige Signale aussendet, indem sie z.b. ihr trostsuchendes Kind streichelt und gleichzeitig verbal zurückweist oder umgekehrt (traumatisierte Mütter verhalten sich oft so) Bleibt das Kind in einem Zustand erhöhter Unruhe und vegetativer Erregung Der Störungen im Essverhalten, Erbrechen, Verdauungsstörungen, Einschlaf- und Durchschlafstörungen auslösen kann. Das Schreien ist ein verzweifelter Versuch des Babys, die unregulierbare Spannung nach außen zu signalisieren und abzuführen. Das Schreien wiederum ist ein Trigger Der Traumaerinnerungen in der Mutter wachrufen kann. Diese wird desorientiert, verwirrt, geängstigt reagieren Muss sich ggf. vom Kind entfernen Oder hält das Kind auf Abstand, während sie es im Arm hält, vermeidet Blickkontakt, begrüßt es nicht nach Trennung, ist in sich versunken und für die Signale des Kindes nicht erreichbar. (s. Brisch, 2012) 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 11

Desorganisiertes Verhalten der Kinder und Verhalten der Eltern Kinder nach Vernachlässigung und Misshandlung zeigen bis zu 80 % desorganisiertes Verhalten wie Absenceartige Zustände Motorische Stereotypien Widersprüchliche Verhaltensmuster (s. Brisch, 2012; van der Hart et al., 2009) Lyons-Ruth (1996 etc): Eltern von desorganisierten Kindern handeln entweder feindselig (aufdringlich, übergriffig, parentifizierend, aggressiv-kontrollierend) oder hilflosängstlich (unsicher, verschlossen, wenig belastbar, wenig Grenzen setzend, Angst vor dem Kind ). 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 12

Gewalt und Armut Armut, Gewalt, schlechte Wohnsituation: Eltern, die solche Risikobelastungen haben Zeigen verbal und/oder im Verhalten eher ein feindseliges und/oder hilfloses Verhalten gegenüber den Kindern und Haben eher Kinder mit einem desorganisierten Bindungsmuster (s. u.a. Lyons-Ruth, 2008) 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 13

Bottom-Up oder Top-Down? Bottom-Up: Jeder einschießende Impuls, Affekt, jedes einschießende Körpergefühl bestimmt, was der Mensch denkt. Das auch in der aktuellen Beziehung, etwa in der Partnerschaft oder dem Kind gegenüber! Bei Angst: Es gibt existenzielle Not, raus hier! Bei Wut: Ich muss um mein Leben kämpfen. Bei Trauer: Nichts hilft, es ist alles zu spät, ich gebe auf. Etc. Top-Down: Einschießende Impulse, Affekte, Körpergefühle werden moduliert: Das ist von früher, nicht von heute. Ich kann später darauf eingehen, bemerke es aber. Es könnte die oder die Ursache haben. Bei Angst: Etwas macht mir Angst, was könnte das sein? Ist es wirklich so schlimm? Bei Wut: Wie kann ich die angemessen äußern? Bei Trauer: Ist das angemessene Trauer oder zu viel? Sollte ich mich ablenken? Etc. Empfehlung: Mentalisieren! ( Wie finden Sie das? Etc.) Daran kann man erkennen, ob Ereignisse, die erzählt werden, in states bleiben, also affektiv gebunden, oder ob darüber reflektiert werden kann, also durch Bewertungen und Einschätzungen die Top-Down-Bewältigung ermöglicht wird. 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 14

Trauma behindert Lernen Lernen findet in einem mittleren Erregungs-Niveau statt. Wenn ein Mensch eine traumabedingte Störung entwickelt hat, ist er/sie entweder häufig übererregt ( nervös, wie ein Flitzebogen gespannt, kann vor lauter Aufregung nicht entspannen/schlafen, immer auf der Flucht, raste leicht aus etc.) und/oder untererregt ( entsetzlich erschöpft ; buchstäblich todmüde ; ausgespaced, gar nicht richtig da ; etc.). Beides behindert das Lernen aus Erfahrung und die Fähigkeit, sich auf andere PartnerIn und Kinder zu konzentrieren. 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 15

Wenn Menschen als Kind schwere Belastungen erlebten, was macht das später? Größte Studie: ACE (Felitti et al., ab 1998) Punkte für: Emotionale, körperliche, sexuelle Misshandlung sowie Drogenmissbrauch, psychische Krankheit, Gewalt an Mutter(ersatz), Kriminalität, Trennung/Tod v. Eltern(teilen). ACE-Werte: Dosisabhängig schlimmere Folgen. Solche schädlichen Kindheits-erfahrungen sind für 50 75 % der Depressionen, Suizidversuche, Drogen- und Alkoholabhängigkeit in der Bevölkerung verantwortlich (Michaud et al., 2006). 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 16

Besonders frühe Traumata sind wesentlich für die Entstehung von struktureller Dissoziation in vom Bewusstsein nicht kontrollierbare States In Langzeit- und prospektiven Studien wurde ein Zusammenhang festgestellt zwischen aversiven Ereignissen wie mangelnde Fürsorge durch Bindungspersonen und somatoformen wie psychoformen dissoziativen Symptomen. (Nijenhuis & Van der Hart 2011) Vor allem frühe Kindheitstraumata (besonders Gewalterfahrungen) sowie frühe Bindungsstörungen und die Abwesenheit von elterlichem Schutz gehen dissoziativen Störungen häufig voraus. Epigenetik zeigt (z.b. Kaskadentheorie von Teicher): Frühe massive Stresserfahrung lässt das Gehirn und das Stress- System anders aufbauen: Präfrontaler Cortex, Balken und linke Großhirnhälfte im Aufbau geschädigt; Amygdala-System alarmiert dauernd; fragmentierte Speicherung hält an auch bei relativ normalem Stress. Man muss früh eingreifen, sonst chronifizieren die dissoziativ bedingten Störungen von Wahrnehmung, Gedächtnis, sozialen Beziehungen. 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 17

Normalität von Gewalt Mehrere Dunkelfeldstudien zum Ausmaß von elterlicher körperlicher Züchtigung in Deutschland kamen zu dem Ergebnis, dass etwa drei Viertel der (heute erwachsenen) Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern körperlich gezüchtigt wurden und etwa 10 Prozent massive Misshandlungen erlebt haben (BMI/BMJ 2001: 494 ff.) 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 18

Der gequälte Junge lernt, was Macht macht Copyright: Michaela Huber 19

Und macht das dann u.u. mit Schwächeren Copyright: Michaela Huber 20

Repräsentative Ergebnisse der Frauenstudie (1) 37% haben körperliche Gewalt ab dem 16. Lebensjahr erlebt 13% haben strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt erlebt, ab 16.Lj. 40 % haben körperliche oder sexualisierte Gewalt oder beides erlebt, nach dem 16. Lj. Plus > 10% sexuelles Kindheitstrauma Copyright: Michaela Huber 21

Ergebnisse der Frauenstudie (2) 58 % haben unterschiedliche Formen von sexueller Belästigung erlebt 42 % berichten von psychischer Gewalt (v. Einschüchterung bis Psychoterror/Stalking) 25 % erlebten oder erleben derzeit körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft. Copyright: Michaela Huber 22

Ergebnisse der Frauenstudie (3) Frauen, die in Kindheit und Jugend bereits körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt haben, sind 3x so häufig von Gewalt in Paarbeziehungen betroffen. Frauen, die sexuelle Gewalt in der Familie erlebt hatten, werden 4x so häufig Opfer sexueller Gewalt nach dem 16. Lebensjahr. Copyright: Michaela Huber 23

Täter körperliche Gewalt gegen Frauen 50,2% (Ex-)PartnerInnen 30,1% Familienmitglieder 11,8% Freunde, Bekannte, Nachbarn 15,8% MitschülerInnen, KollegInnen 10,8% flüchtige Bekannte Copyright: Michaela Huber 24

Und dann geht es in die nächste Generation Copyright: Michaela Huber 25

Beziehungsmuster in vernachlässigenden und gewalttätigen Familien Despotismus und Laissez-Faire, Double-Binds Schuldabwehr und Schuldübernahme Bestechung, Erpressung, Nötigung Verführung und brachiale Gewalt Geiselnahme und Solidarisierung mit dem Mächtigen Verrat und Schweigen Kollusive Verwicklungen und Parentifizierung Opferung und Über die Klinge springen Lassen Intergenerationelle Weitergabe Und manchmal Liebevolles, Sanftes sehr verwirrend! 27.01.2017 Copyright: Michaela Huber 26

Vererbte Traumata Kindliches Trauma hinterlässt bei manchen Opfern Spuren im Erbgut Gen-Umwelt-Interaktion bewirkt lebenslange Fehlregulation der Stresshormone Misshandelte Kinder sind erheblich gefährdet, angst- oder gemütskrank zu werden, weil der einwirkende hohe Stress die Regulation ihrer Gene dauerhaft verändern kann. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München dokumentieren nun erstmals, dass manche Varianten des FKBP5-Gens durch ein frühes Trauma epigenetisch verändert werden. Bei Menschen mit dieser genetischen Veranlagung verursacht das Trauma eine dauerhafte Fehlregulation des Stresshormonssystems. Die Folge ist eine lebenslange Behinderung im Umgang mit belastenden Situationen für den Betroffenen, welche häufig zu Depression oder Angsterkrankungen im Erwachsenenalter führt. Die Ärzte und Wissenschaftler erwarten sich von ihren aktuellen Erkenntnissen neue, auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Behandlungsmöglichkeiten, aber auch eine verstärkte gesellschaftliche Aufmerksamkeit, um Kinder vor einem Trauma und dessen Folgen zu schützen. Quelle: MPI für Psychiatrie, 2012

Der Teufelskreis Der Dissoziation 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 28

Wenn Traumatisierte Kinder haben Sehen sie an ihren Kindern, wie es ihnen im selben Alter ging. Hassen/verachten sie evtl. ihr (gleichgeschlechtliches, ältestes) Kind dafür, dass sie in sich ein unintegriertes verzweifeltes Kind haben. Solidarisieren sie sich evtl. blind mit dem Kind und beschuldigen den Partner/die Partnerin, es falsch zu behandeln stellvertretend dafür, dass sie eigentlich damals selbst Hilfe von einem Elternteil gebraucht hätten. Haben sie blinde Flecke können ihr Kind schlecht schützen, wo sie ihre eigenen Traumatisierungen noch nicht bearbeitet haben Liefern sie ihre Kinder evtl. Misshandlern aus. Bekommen die Kinder oft mit, wie schlecht es den traumatisierten Eltern geht. Sie fühlen sich als deren Opfer, als ohnmächtige Zeugen, als ihre TäterInnen. und immer wollen sie es besser machen als ihre Eltern. Manchmal gelingt es 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 29

Für ein Viertel der Kinder/Jugendlichen ist Gewalt HEUTE alltäglich Fast ein Viertel (22,3 Prozent) aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland wird von Erwachsenen oft oder manchmal geschlagen; 28 Prozent davon sind Kinder ab sechs Jahren, etwa 17 Prozent Jugendliche. Dabei gibt es seit 13 Jahren in Deutschland ein gesetzlich verankertes Recht auf eine gewaltfreie Erziehung. Die Gewaltstudie 2013 der Universität Bielefeld ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. (Quelle: http://xn--kinderfrderung- 1pb.bepanthen.de/de/kinderarmut/index.php 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 30

Täterintrojekte der Feind im Innern Durch Spiegelneurone bedingt, vermutlich. Biologisch vorgegeben (Empathielernen). Besonders brisant, wenn primäre Bindungsperson Täter ist und Traumata sich wiederholen. Zustände, Bilder, Denkweisen, Absichten des Täters, ja sein So sein werden (u.u. in voneinander separierten Teilen) nach innen genommen und bleiben bei unbearbeiteter Traumatisierung unintegriert. Bildquelle: Generationen-betrachten.de 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 31

Achtung bei häuslicher Gewalt! Ereignisse wie Polizeischutz, Flucht ins Frauenhaus, Sperre der Anschrift beim Einwohnermeldeamt, wie sie im Berliner Fall (eines vom Vater nach Zuspruch des Umgangs getöteten Kindes, MH) vorausgegangen und auch aktenkundig waren, gelten als Alarmsignale erster Ordnung. Immer wieder warnen Fachleute davor, solche Ereignisse auch im Kontext von Sorge- und Umgangsregelungen zu unterschätzen; sie fordern, in solchen Fällen häuslicher Gewalt mit größter Vorsicht und mit Bedacht vorzugehen, die Sicherheit des Kindes aber auf jeden Fall an erste Stelle zu setzen. (Salgo, 2006) Kinder, die in schweren Krisenzeiten erlittene Gewalt und Traumata schweren Herzens offenlegten, mussten schnell lernen, dass es besser ist, den Mund zu halten. Solche Erfahrungen können auch zu schweren Fehlhaltungen insbesondere bei älteren Kindern führen, die man als Identifikation mit dem Agressor bezeichnen könnte (dito)

Umgang?! Position von Psychotraumatologie und Bindungsforschung: - Erwachsene Bindungspersonen, die einander und/oder ihr Kind misshandelt haben und nicht psychotherapeutisch eine Persönlichkeitsveränderung erzielt haben, haben das Recht auf Umgang verwirkt. Denn sie lernen nicht aus Erfahrung. Expertenbefragung 2015 ergab: Der Umgang mit.täter-eltern erzeugt Angst beim Kind und aktiviert die pathologischen Bindungsmuster als Bindungsstörungen. Es kann zur Re- Traumatisierung des Kindes beim Kontakt mit den Eltern kommen Die Begleitung des Kindes gibt keine emotionale Sicherheit, da in der Regel die Besuchsbegleiterin ein für das Kind fremde Person ist. (Brisch) Auch das Amtsgericht Westerstede (81 F 1205/06 SO, 81 F 1205/06) schränkt in einem Beschluss vom 30.4.09 den Kontakt zum Täter-Eltern ein, weil nur durch eine Kontaktsperre eine wirkliche emotionale Sicherheit für das Kind gegeben ist. Weiterhin wird überwiegend empfohlen, während der Traumatherapie keinen Umgang zum Täter zu ermöglichen, da das Kind einerseits in der Therapie an schmerzhafte Erinnerungen kommt und andererseits dem Verursacher gegenüber loyal sein muss, was durch den Besuch klare Botschaft ist. Kontakte sind nur langfristig möglich, wenn die Täterin die Verantwortung für ihr Handeln übernimmt, an sich arbeitet und sich verändert. -

Traumaverarbeitung: Vom Amygdala- zum Hippocampus- System plus präfrontaler Kontrolle Hippocampus-System (Cool System of Memory under Stress, J. Metcalfe) Biografisch Episodisch Raum-zeitlich Narrativ Semantisch Die Informationen sind Moderat und Moderiert Amygdala (= hot system of memory under stress), implizites Gedächtnis Nur-Ich (EP) Nicht-Ich (ANP) Fragmentarisch Potenziell überall und immer Sprach-los Sinn-los Die Informationen sind Imperativ und Leicht triggerbar Copyright: Michaela Huber 34

Was hilft den Betroffenen und ihren Angehörigen? Frage dich: Wen vor wem schützen, wen unterstützen? Aus dem Schweigen aussteigen! Äußere Distanz zu allem was quält - auch den TäterInnen in der Familie! Sich in Sicherheit bringen. Sich vor die Kinder stellen. Früh eingreifen. Kindeswohl schützen. (Paar)-Psychotherapie, um die alten Muster zu durchbrechen. Lernen, konfliktfähig zu werden, zu bleiben. Widersprüche aushalten, ohne auszurasten. Lernen, dass Liebe stärker ist als Hass und Frieden wichtiger ist als Krieg. 27.01.2017 Copyright Michaela Huber 35