Die Zehn Gebote Predigt von Pfr. Thomas Hilsberg Rielasingen / Bodensee 07.10.2007 / 18. Sonntag nach Trinitatis 2. Mose 20, 1-17: Und Gott redete alle diese Worte. Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt habe. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen, aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich lieben und meine Gebote halten. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligst. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht der Fremdling, der der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was drinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lang lebest in dem Land, das dir der Herr, dein Gott, geben wird. Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten. Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus. Du sollst nicht begehren Weib, Knecht, Magd, Rind, Esel noch alles, was dein Nächster hat. Liebe Gemeinde, die zehn Gebote. Zehn, damit auch der Dümmste an den Fingern abzählen kann, ob er noch alle im Kopf hat. Denn die sollen wir auswendig können. Nicht nur die Konfirmanden, sondern wir alle. Damit wir sie parat haben in jeder Lebenslage. Zehn Gebote. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir es hier nur mit zehn Paragraphen zu tun hätten. Nein, wir haben es hier mit dem lebendigen Gott zu tun. Und Gott redete alle diese Worte. Ich hin der Herr, dein Gott. So beginnen die zehn Gebote. Hier redet Gott. Er redet nicht nur zu seinem Volk Israel. Nein, Gott hat mit allen Völkern zu
reden. Er hat mit den Menschen zu reden, die ihn nicht kennen. Und er redet mit seinen Kindern. I Gott hat mit allen Völkern zu reden. Allen sagt er, was gut und böse ist. Und es soll in unsere Ge-setzgebung einfließen, und in unser tägliches Miteinander. Denn Gott will, daß wir friedlich miteinander umgehen, daß wir das Leben und die Freiheit und den Ruf und den Besitz des Mitmenschen achten. Gott will keine Anarchie. Darum hat er uns ein Bewußtsein für Recht und Unrecht ins Herz gelegt. Darum hat er uns seine Gebote gegeben. Und es sind seine Gebote, auch dort, wo er nicht als der Herr anerkannt wird. Paulus schreibt im Römerbrief: Auch den Heiden, den Völ-kern, die Gott nicht kennen, ist ins Herz geschrieben, was das Gesetz fordert. Und ihr Gewissen bezeugt es ihnen. Auch ein Kannibale weiß, daß er seine Eltern ehren soll. Auch im absolut gottlosen Nordkorea stehen Mord und Diebstahl unter Strafe. Und auch im Buddhismus, wo man gar keinen Gott kennt, kennt man fünf Gebote, die den Geboten Gottes fast aufs Haar gleichen. Gottes Wille ist universal. Er gilt allen Menschen. Gott hat ihn uns nicht nur am Sinai auf Steinplatten graviert. Gott hat uns sein Gesetz ins Herz geschrieben. Und wir tun gut daran, sein Gesetz zu halten und es in gelten-des Recht umzusetzen. Unsere Gesetzgebung basiert auf den zehn Geboten. Weil Gott sagt: Du sollst nicht töten, ist es bei uns strafbar, zu morden, Ge-schwindigkeitsbegrenzungen zu übertreten oder Gammelfleisch in den Handel zu bringen. Weil Gott gebietet, die Vater und Mutter zu ehren und die Ehe nicht zu brechen, formuliert unser Grundgesetz: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatli-chen Ordnung. Weil Gott gebietet, alle sieben Tage einen Ruhetag zu halten, sind am Sonntag die Geschäfte zu. Auch wenn man es nicht gleich als solche erkennt: Es ist eine Wohltat Gottes, in einem Land mit guten Gesetzen zu leben. Da wird mir auch jeder zustimmen: Totschlag, Diebstahl und Verleum-dung müssen verboten bleiben. Die zweite Tafel der zehn Gebote, also die Vorschriften, die unser menschliches Miteinander regeln, sind eine gute Grundlage für unsere Gesetzgebung. Anders sieht es mit der ersten Tafel aus, mit den Geboten, wo es um die Ehre Gottes geht. Die sind nicht populär. Das deutsche Grund-gesetz beginnt noch mit den Worten: Im Bewußtsein seiner Verant-wortung vor Gott und den Menschen... Doch in der Präambel der europäischen Verfassung soll für Gott kein Platz mehr sein. Die Zehn Gebote beginnen mit den Worten: Ich bin der Herr, dein Gott. Wenn man diese Worte hier wegnimmt, verlieren auch die anderen Gebote ihre Autorität. Dann löst sich langsam, aber sicher alles auf. Wir brauchen den Gottesbezug in unserer Verfassung, wird argu-mentiert, damit die Menschen selbst nicht die letzte Instanz sind. Damit klar ist, daß die menschliche Macht keine absolute ist. Damit klar ist, daß es Gebote gibt, die wir uns nicht selbst gegeben haben. In dem Maß, wie Gott aus der Gesellschaft gedrängt wird, ver-schwinden auch seine Gebote aus der Gesetzgebung. Im dritten Reich ging das sehr schnell: Hitler war der Führer, der arische Mensch der Maßstab, und der Sturz in die Barbarei war nicht mehr aufzuhalten. Millionen haben diesen Abfall von Gott mit dem Le-ben bezahlt. Um eine Wiederholung dieser Katastrophe zu verhindern, kam die Verantwortung vor Gott in die Präambel unseres Grundgesetzes. Heute findet der Abfall von Gottes Gebot in unserer Gesetzgebung eher schleichend statt. Aber leider trotzdem sehr effektiv. Die Tö-tung
ungeborener Kinder ist de facto freigegeben. Die Einführung der legalen Tötung alter und behinderter Menschen dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Die Ehe war mal eine prinzipiell lebenslange Verbindung. Heute ist sie ein Vertrag bürgerlichen Rechts mit einjähriger Kündigungs-frist. Und ich fürchte, dieser irre Vorschlag, Ehen alle sieben Jahre automatisch auslaufen zu lassen, kommt mittelfristig auch wieder auf den Tisch. Die Erziehung der Kinder war bisher Recht und Pflicht der Eltern. Jetzt wird ein Recht auf Krippenerziehung ab dem ersten Lebens-jahr gefordert. Mal sehen, wann aus diesem Recht eine Pflicht wird! Du sollst Vater und Mutter ehren, auf daß du lang lebest in dem Land, das dir der Herr, dein Gott geben wird, heißt es hier. Und im fünften Mosebuch, wo die Gebote nochmal wiederholt werden, lesen wir sogar: auf daß du lang lebest und dir's wohlgehe. Einer Gesellschaft, die sich an Gottes Ordnungen hält, wird es gut-gehen. Und sie hat das Versprechen, lang zu leben. Eine Gesell-schaft, die Gottes Gebote ignoriert, hat dagegen keine Zukunft. Wenn mich nicht alles täuscht, können wir das an unserer Gesell-schaft schon sehen. Ein Drittel der Generation, die unsere Renten erwirtschaften soll, haben wir abgetrieben. Die Übrigen werden mit den Alten mal um die Reste unseres Wohlstands kämpfen. Eine Gesellschaft, die sich aus den Ordnungen Gottes verabschiedet hat, zerfällt. Es ist die Aufgabe von uns Christen, unsere Nachbarn, die Öffent-lichkeit und den Gesetzgeber an Gottes Gebot zu erinnern. Und es ist unsere Aufgabe, Vorbilder zu sein. Statt mit dem Strom zu schwimmen, sollen wir selbst ein Leben nach Gottes Gebot zu führen. II Gott hat mit den Menschen zu reden, die ihn nicht kennen. Manche meiner Kollegen versuchen, ihren Konfirmanden die zehn Gebote plausibel zu machen mit Sprüchen wie diesem: Die Zehn Gebote Gottes sind in der Tat zehn Angebote Gottes. Angebote zu einem gelingenden Leben." Kein Wunder, daß die meisten Konfirmanden dann damit tun, was man mit einem Angebot ja auch tun kann: Sie lehnen dankend ab. Nein, Gottes Gebote sind kein unverbindliches Angebot. Sie sind Gottes unbedingtes Gesetz. Wer sie hält, wird leben. Wer sie bricht, trägt die Kon-sequenzen. Und die sind schwerwie-gend. Ich bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis in die dritte und vierte Generation an den Kindern derer, die mich hassen, heißt es im Zusammenhang mit dem ersten Gebot. Wenn man Menschen auf die Gebote Gottes anspricht, dann kommt regelmäßig das entlastende Plädoyer in eigener Sache: Ich habe doch noch keinen umgebracht! Glückwunsch! Aber was ist mit den anderen neun Geboten? Schon im Zusammenhang mit so einer vermeintlichen Kleinig-keit wie dem zweiten Gebot geht es ganz hart zur Sache: Der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen miß-braucht! Mal ehrlich: Wer hat noch nie den Namen Gottes gedankenlos benutzt? Beim Schimpfen, beim Bekräftigen von irgendwel-chen Behauptungen, oder einfach so? Schon das will Gott uns nicht durchgehen lassen! Oder wer hat noch nie einen Mitmenschen um seinen Besitz beneidet oder irgendwas Böses über jemand anderen in die Welt gesetzt? Da kann uns unsere Selbstgerechtigkeit doch vergehen! An dieser Stelle kommt dann ganz zuverlässig das zweite Ar-gument derer, die zwar noch keinen umgebracht, aber sonst Gottes Gebot gründlich gebrochen haben: Gott ist die Liebe!
Gott ist doch barmherzig! Will heißen: So kleinlich kann er doch gar nicht sein! Zumindest meinen Fall wird er sicher we-gen Geringfügigkeit einstellen, oder? Schauen wir mal! Sehen wir dort nach, wo Gott uns wirklich seine Barmherzigkeit zeigt. Sehen wir nach bei Jesus Christus. In der Bergpredigt. Ihr habt gehört, sagt der Herr Jesus hier, daß gesagt ist: Du sollst nicht töten! Ich aber sage euch: Wer mit seinem Bruder zürnt, ist des Gerichts schuldig. Und wer, fährt Jesus fort, seinen Bru-der als Idioten bezeichnet, der hat die Hölle verdient. Und, sagt Jesus, ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen. Oh, oh! Der begnadete britische Satiriker Adrian Plass hat Recht, wenn er sagt: Gegen Jesus wirkt Mose wie ein Anarchist. Haß zählt wie Mord. Ein gieriger Blick und ein paar schmutzi-ge Gedanken zählen als Ehebruch. Da hat doch der brävste Bürger keine Chance! So ist es. Gemessen an Gottes Gebot sind wir alle im Defizit. Vor Gott sitzen wir alle auf der Anklagebank. Ich hatte die Titelseite des neuen Stern erwähnt: Warum es keinen Gott gibt. Hier geht es um die Thesen des Biologen Ri-chard Dawkins. In der vorletzten Welt am Sonntag war derselbe Professor Da-wkins deutlich vorsichtiger. Hier hat er, im Interview, die Wahrscheinlichkeit, daß es Gott nicht gibt, mit 98 Prozent angegeben. Umgekehrt heißt das: Selbst er sieht hier ein Restrisiko von immerhin zwei Prozent. Angesichts dieser Möglichkeit sollte sich Richard Dawkins für das jüngste Gericht vielleicht doch schon mal nach einem verdammt guten Anwalt umsehen. III Das sollten wir alle, und damit sind wir beim dritten Punkt: Gott redet hier zu seinen Kindern. Hören wir noch mal den Anfang des ersten Gebotes: Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich herausgeführt habe aus Ägypten, aus der Sklaverei. Hier redet keine Gottheit aus einem mystischen Jenseits. Hier redet einer, der mächtig in die Geschichte eingegriffen hat. Einen armseligen Haufen Sklaven hat Gott den Händen ihrer Unterdrücker entwunden. Er hat dem Pharao für sie die Aus-reisegenehmigung abgetrotzt, und er hat diese Menschen zu seinem Volk gemacht, und er hat sie in der Wüste behütet und geführt und versorgt. Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich herausgeführt habe aus Ägypten, aus der Sklaverei. Dieser Gott, der so viel für seine Menschen getan hat, der darf von ihnen auch Vertrauen und Gehorsam fordern. Und nur er! Ja, könnte man hier einwenden, aber wie ist es mit uns? Wir sind keine Kinder Israels. Unsere Vorfahren hat Gott nicht aus der Skla-verei befreit. Wer ist das, der da meint, er könnte von uns Vertrauen und absoluten Gehorsam erwarten? Ich bin sicher, wenn Gott uns heute noch mal die zehn Gebote ge-ben würde, dann würde er sie mit ungefähr folgenden Worten be-ginnen: Ich bin der Herr, dein Gott, der ich dich durch Jesus Chri-stus freigekauft habe aus der Sklaverei von Schuld und Tod! Vor Gott, hatten wir gerade festgestellt, sitzen wir alle auf der An-klagebank. So, wie wir sind, sind wir verlorene Menschen. Und ich hatte gesagt, daß wir für das jüngste Gericht alle einen guten An-walt brauchen.
Hier ist er! Wenn sonst nichts für uns spricht: Christus spricht für uns. Unsere Schuld hat er auf sich genommen, unsere Strafe getragen, unser Defizit bezahlt. Nicht daß wir die zehn Gebote haarklein einhalten, macht uns zu Christen, sondern daß wir auf Christus vertrauen. Daß wir nicht mehr auf unsere eigenen Qualitäten sehen, sondern auf das Kreuz, wo Jesus unsere Schuld getragen hat. Und jetzt ruft er jeden Menschen zur Umkehr: Nimm das an, was Jesus für dich getan hat. Vertraue ihm dein Leben an! Ich bin der Herr, dein Gott! Als Christen sind wir zu einem neuen Gehorsam gerufen. Zu einem Leben in der Nachfolge Jesu. Nein, die Gebote zu halten ist nicht die Tür ins Reich Gottes. Jesus Christus ist die Tür. Aber wenn wir drin sind, wenn wir Kinder Gottes geworden sind, dann werden wir die Gebote halten, und dann werden wir sie nicht nur halten, sondern nach Möglichkeit übertreffen. Denn dann zählt nicht mehr nur der Gehorsam, dann zählt die Liebe. Denn die Gebote sagen uns zum größten Teil nur, was wir zu lassen haben. Neun mal hören wir hier: Du sollst nicht! Die Liebe sagt uns darüber hinaus, was wir tun sollen. Luther hat das schön erklärt, im Kleinen Katechismus: Nicht nur nicht töten, sondern dem Nächsten helfen und ihn fördern in allen Nöten. Nicht nur nicht stehlen, sondern dem Nächsten seine Nahrung helfen bes-sern und behüten. Nicht nur nicht die Ehe brechen, sondern den Partner lieben und ehren. Nicht nur kein falsches Zeugnis wider den Nächsten reden, sondern für ihn reden: ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren. So versteht die Liebe die zehn Gebote. So sollen wir als Kinder Gottes leben. Und so können wir auch leben, weil Christus uns seinen Geist gibt. Weil er seine Liebe in uns wachsen läßt. Wer mich liebt, sagt der Herr Jesus, wird meine Gebote halten. Amen.