Wirtschaftsförderung (Beihilfen)/Subventionsrecht (8) Beihilfenaufsicht der EU (II) SS 2013 Kurt Reindl 1
Gliederung Rechtliche Grundlagen Subventions- bzw Beihilfenbegriff Beihilfenaufsicht der Europäischen Union Österreichisches Subventionsrecht Rechtsschutz Besondere Rechtsfragen 2
Übersicht Vereinbarkeit mit Binnenmarkt Beihilfenverbot mit Genehmigungsvorbehalt Gem AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen Gem Kommission mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfen A. Gruppenfreistellungen B. Einzelgenehmigungen De-Minimis-Beihilfen Beihilfeverfahren vor der Kommission Primärrecht Sekundärrecht (Verfahrensverordnung VVO) Verfahren bei angemeldeten Beihilfen (Art 2 ff VVO) Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen (Art 10 ff VVO) Verfahren bei missbräuchlicher Anwendung von Beihilfen (Art 16 VVO) Verfahren bei bestehenden Beihilferegelungen (Art 17 ff VVO) Mitteilungen und Bekanntmachungen der Kommission 3
Beihilfeverfahren vor der Kommission Bestehende Beihilfen Primärrecht Artikel 108 Abs 1 AEUV Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Binnenmarkts erfordern. Artikel 108 Abs 2 UAbs 1 und 2 AEUV Stellt die Kommission fest, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äußerung gesetzt hat, dass eine von einem Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe mit dem Binnenmarkt nach Artikel 107 unvereinbar ist oder dass sie missbräuchlich angewandt wird, so beschließt sie, dass der betreffende Staat sie binnen einer von ihr bestimmten Frist aufzuheben oder umzugestalten hat. Kommt der betreffende Staat diesem Beschluss innerhalb der festgesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission oder jeder betroffene Staat in Abweichung von den Artikeln 258 und 259 den Gerichtshof der Europäischen Union unmittelbar anrufen. 4
Beihilfeverfahren vor der Kommission Bestehende Beihilfen Artikel 108 Abs 2 UAbs 3 und 4 AEUV Der Rat kann einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats beschließen, dass eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Artikel 107 oder von den nach Artikel 109 erlassenen Verordnungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar gilt, wenn außergewöhnliche Umstände einen solchen Beschluss rechtfertigen. Hat die Kommission bezüglich dieser Beihilfe das in Unterabsatz 1 dieses Absatzes vorgesehene Verfahren bereits eingeleitet, so bewirkt der Antrag des betreffenden Staates an den Rat die Aussetzung dieses Verfahrens, bis der Rat sich geäußert hat. Äußert sich der Rat nicht binnen drei Monaten nach Antragstellung, so beschließt die Kommission. 5
Beihilfeverfahren vor der Kommission Neue Beihilfen Anmeldepflicht Artikel 108 Abs 3 AEUV Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 107 mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission einen abschließenden Beschluss erlassen hat. 6
Beihilfeverfahren vor der Kommission Anmeldepflicht Artikel 109 AEUV Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments alle zweckdienlichen Durchführungsverordnungen zu den Artikeln 107 und 108 erlassen und insbesondere die Bedingungen für die Anwendung des Artikels 108 Absatz 3 sowie diejenigen Arten von Beihilfen festlegen, die von diesem Verfahren ausgenommen sind. Primärrechtliche Ermächtigungsnorm für Verfahrensverordnung (VVO) Verfahrensverordnungen VO 1999/659/EG des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [nun Art 108 AEUV], ABl L 1999/83, 1, idf ABl L 2006/363, 1 (Verfahrensverordnung - VVO) Siehe gleich anschließend VO 2004/794/EG der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [nun: Art 108 AEUV], ABl L 2004/140, 1, idf ABl L 2009/308, 5 (Durchführungsverordnung zur Verfahrensverordnung DVOVVO) Beinhaltet in den Anhängen Fragebögen, die im Zuge einer Notifizierung vom Mitgliedstaat auszufüllen sind 7
Beihilfeverfahren vor der Kommission Verfahren gem VVO Verfahren bei angemeldeten Beihilfen (Art 2 ff VVO) Angemeldete Beihilfen Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen (Art 10 ff VVO) Rechtswidrige Beihilfen Verfahren bei missbräuchlicher Anwendung von Beihilfen (Art 16 VVO) Missbräuchliche Anwendung Verfahren bei bestehenden Beihilferegelungen (Art 17 ff VVO) Bestehende Beihilfenregelungen 8
Beihilfeverfahren Angemeldete Beihilfen Durchführungsverbot Verfahren bei angemeldeten Beihilfen (Art 108 Abs 3 AEUV; Art 2 ff VVO) Durchführungsverbot (Art 108 Abs 3 letzter Satz AEUV; Art 3 VVO) Vorläufige Prüfung der Anmeldung durch die Kommission (Art 4 f) Entscheidung innerhalb von 2 Monaten (Art 4 Abs 5 VVO) dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Art 4 Abs 2 VVO) keine Einwände zu erheben (Art 4 Abs 3 VVO) über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens (Art 4 Abs 4 VVO) Beihilfe gilt [ ] als genehmigt (Art 4 Abs 6 VVO), wenn keine Entscheidung innerhalb von zwei Monaten Mitgliedstaat darf Beihilfe aber nur durchführen, wenn er Kommission darüber in Kenntnis setzt und Kommission binnen einer weiteren Frist von 15 Tagen keine Entscheidung gem Art 4 Abs 2 bis 4 VVO trifft (Art 4 Abs 6 Satz 2 VVO) Zweimonatsfrist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Anmeldung (Art 4 Abs 5 Satz 2 VVO) Anmeldung gilt als vollständig, wenn die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Anmeldung oder nach Eingang der von ihr gegebenenfalls angeforderten zusätzlichen Informationen keine weiteren Informationen anfordert. (Art 4 Abs 5 Satz 3 VVO) 9
Beihilfeverfahren Angemeldete Beihilfen Förmliches Prüfverfahren (Art 6 f) Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens (siehe oben) Das Verfahren des Artikel 108 Absatz 2 AEUV ist unerlässlich, wenn die Kommission bei der Beurteilung, ob eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, ernsthaften Schwierigkeiten begegnet. (zb EuGH 20.3.1984, Rs C-84/82, Deutschland/Kommission, Rn 13; EuG 10.5.2000, Rs T-46/97, SIC, 88 ff) Binnen Monatsfrist Stellungnahmemöglichkeit des Mitgliedstaates und der anderen Beteiligten (Art 6 Abs 1 VVO) Binnen weiterer Monatsfrist Stellungnahmemöglichkeit des Mitgliedstaates zu den Stellungnahmen der anderen Beteiligten (Art 6 Abs 2 VVO) 10
Beihilfeverfahren Angemeldete Beihilfen Entscheidungsfrist 18 Monate + 2 Monate (Art 7 Abs 6 und [7] VVO) Entscheidung, dass Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Art 7 Abs 2 VVO) Positiv-Entscheidung (Art 7 Abs 3 VVO) Mit Bedingungen und Auflagen verbundene Entscheidung (Art 7 Abs 4 VVO) Negativ-Entscheidung (Art 7 Abs 5 VVO) Entscheidung ist zu begründen (Art 296 Abs 2 AEUV) und im Abl der EU zu veröffentlichen (Art 26 Abs 3 VVO) Verstoß gegen Begründungspflicht führt zur Nichtigerklärung der Entscheidung (vgl EuGH 3.5.2001, Rs C- 204/1997, Portugal/Kommission, Rn 50 f) 11
Beihilfeverfahren Rechtswidrige Beihilfen Aussetzung bzw einstweilige Rückforderung Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen (Art 108 Abs 2 AEUV; Art 10 ff VVO) Prüfung durch Kommission aufgrund von Informationen gleich welcher Herkunft (Art 10 Abs 1 VVO) Auskunftsersuchen bzw Anordnung zur Auskunftserteilung (Art 10 Abs 3 VVO) Fristenbindung Verfahren der Kommission grundsätzlich ohne Fristenbindung (Art 13 Abs 2 VVO) nur im Falle einer Rückforderungsanordnung Fristenbindung wie bei angemeldeten Beihilfen Anordnungen (Art 11 VVO) Aussetzungsanordnung (Art 11 Abs 1 VVO): MS wird aufgetragen, alle rechtswidrigen Beihilfen so lange auszusetzen bis Kommission Entscheidung fällt Einstweilige Rückforderungsanordnung (Art 11 Abs 2 VVO): MS wird aufgetragen, alle rechtswidrigen Beihilfen einstweilig zurückzufordern bis Kommission Entscheidung fällt, wenn nach geltender Praxis hinsichtlich des Beihilfecharakters der betreffenden Maßnahme keinerlei Zweifel bestehen, und ein Tätigwerden dringend geboten ist, und erheblicher und nicht wieder gutzumachender Schaden für einen Konkurrenten ernsthaft zu befürchten ist. 12
Beihilfeverfahren Rechtswidrige Beihilfen Entscheidungen (Art 13 VVO) Entscheidung, dass Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Art 13 Abs 1 ivm Art 4 Abs 2 VVO) Entscheidung, keine Einwände zu erheben (Art 13 Abs 1 ivm Art 4 Abs 3 VVO) Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens (Art 13 Abs 1 ivm Art 4 Abs 4 VVO) Positiventscheidung (Art 13 Abs 1 ivm Art 7 Abs 3 VVO) Mit Bedingungen und Auflagen verbundene Entscheidung (Art 13 Abs 1 ivm Art 7 Abs 4 VVO) Negativentscheidung (Art 13 Abs 1 ivm Art 7 Abs 5 VVO) Rückforderungsentscheidung (Art 14 VVO) In Negativentscheidung enthalten Ausnahmen von der Rückforderung, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde (Art 14 Abs 1 letzter Satz VVO) oder wenn seit Gewährung der Beihilfe Verstreichen einer Frist von 10 Jahren (Art 15 Abs 1 VVO) ( bestehende Beihilfe gem Art 15 Abs 3 VVO bzw Art 1 lit b sublit iv) 13
Nicht prüfungsrelevant! Beihilfeverfahren Missbräuchliche Anwendung Verfahren bei missbräuchlicher Anwendung von Beihilfen (Art 108 Abs 2 AEUV; Art 16 VVO) Förmliches Prüfverfahren (Art 16 ivm Art 4 Abs 4 VVO) Art 6, 7, 8 und 10 sowie Art 11 Abs 1, 12, 13, 14 und 15 gelten entsprechend 14
Nicht prüfungsrelevant! Beihilfeverfahren Bestehende Beihilfenregelungen Verfahren bei bestehenden Beihilferegelungen (Art 108 Abs 1; Art 17 ff VVO) Vorläufige Auffassung der Unvereinbarkeit oder nicht mehr bestehenden Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt (Art 17 Abs 2 VVO) In-Kenntnis-Setzung des Mitgliedstaates über die vorläufige Auffassung binnen Monatsfrist Stellungnahmemöglichkeit des Mitgliedstaates Endgültige Auffassung der Unvereinbarkeit oder nicht mehr bestehenden Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt (Art 18 VVO) Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen Inhaltliche Änderung der Beihilfenregelung oder Einführung von Verfahrensvorschriften oder Abschaffung der Beihilfenregelung Bei Nicht-Zustimmen seitens des Mitgliedstaats zu den vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens gem Art 4 Abs 4 VVO und Durchführung der Prüfung gem Art 6, 7 und 9 VVO (Art 19 VVO) Kein Durchführungsverbot (Art 108 Abs 3 letzter Satz AEUV) bis Kommission Unvereinbarkeit mit dem Binnenmarkt festgestellt hat 15
Nicht prüfungsrelevant! Beihilfeverfahren Mitteilungen und Bekanntmachungen der Kommission Vereinfachungspaket: Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren, ABl C 2009/136, 13 Mitteilung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für die Würdigung bestimmter Kategorien staatlicher Beihilfen, ABl C 2009/136, 3, idf ABl C 2009/157, 20 [Siehe zb http://www.berliner-gespraechskreis.eu/veranstaltungen/dokument_zum_download14/vortrag_brandtner.pdf] Bekanntmachung der Kommission Rechtswidrige und mit dem [Binnenmarkt] unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten, ABl C 2007/272, 4. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl C 2009/85, 1 16
Beihilfeverfahren Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl C 2009/85, 1 z.b. Rolle der einzelstaatlichen Gerichte bei der Durchsetzung von Artikel 108 Absatz 3 AEUV (ex-art 88 EG-Vertrag) (Rz 24 ff) Die Rechtsbehelfe vor den einzelstaatlicher Gerichten schließen Folgendes ein: a) Verhinderung der Auszahlung rechtswidriger Beihilfen, b) Rückforderung rechtswidriger Beihilfen (ungeachtet der Frage der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt), c) Zahlung von Rechtswidrigkeitszinsen, c) Schadenersatz für Mitwerber und sonstige Dritte und d) einstweilige Maßnahmen gegen rechtswidrige Beihilfen. 17