Die (Un )Möglichkeit der Ziehung von Inhaltsanalyse Stichproben in der digitalen Welt



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Einführung in die Mediensoziologie. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2015/16 Prof. Dr. phil. habil.

Transkript:

CvK Wien, 8. November 2013 1 Prof. Dr. Martin Emmer Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Arbeitsstelle Mediennutzung Martin Emmer/Christian Strippel Die (Un )Möglichkeit der Ziehung von Inhaltsanalyse Stichproben in der digitalen Welt CvK-Tagung digital methods 8. November 2013, Wien

CvK Wien, 8. November 2013 2 Hintergrund Struktureller Wandel von Öffentlichkeit als Herausforderung für Analysen öffentlicher Kommunikation: 1. Online-Medien als neue öffentliche Foren 2. Digitalisierung herkömmlicher Medien 3. Verschiebung der Mediennutzung

CvK Wien, 8. November 2013 3 Mediennutzung nach Alter 100 80 % 60 40 20 0 78 74 70 66 62 58 54 50 46 42 38 34 30 26 22 Alter Zeitung tgl. TV-Nachrichten tgl. Pol. Print-Magazine Internet 1 Std./Tag Online-Nachrichten Soziale Online-Netzwerke (Emmer/Vowe/Wolling 2011)

CvK Wien, 8. November 2013 4 Forschungsproblem 1. Wie lässt sich in einer digitalisierten Welt eine Grundgesamtheit von Beiträgen zu öffentlichen Debatten definieren? 2. Wie lassen sich daraus repräsentative Stichproben ziehen?

CvK Wien, 8. November 2013 5 Grundgesamtheiten 1. Herkömmliche Massenmedien: vollständige Listen Fernsehen und Hörfunk (Lizenzierungszwang) Presse (Werbeträgeranalysen & Zeitungszählung) (Alternativmedien) 2. Digitale Online-Medien: unklare Formen und Mengen WWW vs. Foren, soziale Netzwerke, Internetradio etc. Eine Billion Webseiten (Kelly 2010) 90 % of all data ever created was created last year (King 2012) Suchmaschinen als ein zentraler Zugang (z.b. Gerhards/Schäfer 2007, Rucht et al. 2008)

CvK Wien, 8. November 2013 6 Suchmaschinen Relevanz-Argumentation: Nur was von Google gefunden wird, ist de facto einer öffentlichen Debatte zugänglich Nachfrage- statt angebotsorientierter Relevanzdefinition Gatekeeper-Funktion (vs. Journalisten) Monopolisierung des Zugangs zu Inhalten (Google) Eigene Relevanzlogiken (unbekannte Algorithmen) (Wolling 2002, Machill et al. 2003) à Konstruktion der Online-Realität

CvK Wien, 8. November 2013 7 Problem 1: Eli Parisers Filter Bubbles Eli Pariser (2011): http://www.ted.com/talks/eli_pariser_beware_online_filter_bubbles.html

CvK Wien, 8. November 2013 8 Google-Algorithmus Über 100 Parameter (Smarty 2009) 5.12.2009: Personalisierte Suche (Datenquelle: Protokoll des Google-Kontos oder Cookies) 10.01.2012: Integration persönlicher Netzwerke in Darstellung von Suchergebnissen (Präferenzen von Freunden als Datenquelle) 08/2013: Semantische Suche (sinnhafte Verknüpfung von Suchbegriffen)

CvK Wien, 8. November 2013 9 Problem 2: Soziale Relevanz von Suchmaschinen Informations suche vs. Informations nutzung : Browsing-Strategien, Verlinkung etc. (Erlhofer 2007) Habitualisierte Nutzung (Bookmarks etc.) Beiläufige Nutzung (Portalangebote, Social Media etc.) à Suchmaschinen vermutlich zentrale, aber nicht ausreichende Grundlage von GG und Stichprobe

CvK Wien, 8. November 2013 10 Beispielstudie Salafismus Quantitative Inhaltsanalyse zur Debatte über Salafismus 2012 in der deutschen Online-Öffentlichkeit Zeitraum Deutschland April August 2012 Theoretisch relevante Quellenkategorien: - Online-Ableger herkömmlicher Medien - Journalistische Online-Medien - Politische Organisationen/Institutionen - Blogs und Foren - Nutzerkommentare - (keine Social Media Inhalte) FF 1: Eröffnet Google Zugang zu diesen Beitragsarten? FF 2: Wie reliabel sind Google-Suchen?

CvK Wien, 8. November 2013 11 Empirischer Google-Test 2 Beispielsuchen im Oktober 2013: Salafismus Deutschland Tunesien Suche von 16 privaten Studierenden-Rechnern unter realistischen Bedingungen (keine experimentelle Variation) Erfassung von Rechner-/Browsernutzung Zahl der Fundstellen gesamt konkrete Fundstellen der 1. Ergebnisseite (alternative Suchvorschläge)

CvK Wien, 8. November 2013 12 Fundstellen Salafismus Deutschland 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 professionell-journalistisch Blogs/Foren andere

CvK Wien, 8. November 2013 13 Fundstellen Salafismus Deutschland Durchschnittlich angezeigte Fundstellen: 12,1 (10-16) Fundstellen lt. Google gesamt: 130.000 Reliabilität (Holsti):.63 (.36-.91) Übereinstimmende Fundstellen: 6,1 (Zahl Fundstellen/konkrete Quellen) Anteil journalistischer Quellen: 34 %

CvK Wien, 8. November 2013 14 Fundstellen Tunesien 16 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 professionell-journalistisch Blogs/Foren andere

CvK Wien, 8. November 2013 15 Fundstellen Tunesien Durchschnittlich angezeigte Fundstellen: 11 (10-15) Fundstellen lt. Google gesamt: 25.000.000 Reliabilität (Holsti):.64 (.20-1.0) Übereinstimmende Fundstellen: 5,0 (Zahl Fundstellen/konkrete Quellen) Anteil journalistischer Quellen: 27 %

CvK Wien, 8. November 2013 16 Zwischenergebnis Abhängigkeit des Ergebnisses von Suchenden Long Tail : wenige Leuchttürme, viele Kleinquellen Relativ geringer Anteil journalistischer Quellen Kommentare nicht als eigene Beitragsarten erfasst à Kombinierte Auswahlverfahren: theoretische Bestimmung relevanter Angebotsformen sozial verteilte Suchmaschinen-Suchen (inkl. Spezialsuchmaschinen für Blogs, Foren etc.) Sammlung von Beiträgen erst innerhalb der ausgewählten Angebote (Archive) Zufallsstichproben aus archiviertem Material

Ergebnis der Stichprobenziehung CvK Wien, 8. November 2013 17

CvK Wien, 8. November 2013 18 Fazit Medienkonvergenz und Nutzungswandel: Herkömmliche Medien verlieren deutlich an Relevanz Zentrale Bedeutung & Probleme von Suchmaschinen Schlussfolgerungen für Stichprobenziehung: Mehrstufige Auswahlen... mit Kombination von Verfahren Soziale Variation bei Suchmaschineneinsatz (Kosten/Aufwand!) Forschungsdesiderate: Nutzungsgewichte: Welche konkreten Kommunikationsformen spielen für Nutzer welche Rolle bei der Nachrichtennutzung? Quantität vs. Qualität der genutzten Quellen (Kommentare, Glaubwürdigkeit etc.)?

CvK Wien, 8. November 2013 19 Prof. Dr. Martin Emmer Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Arbeitsstelle Mediennutzung Nachfragen und Hinweise bitte an: martin.emmer@fu-berlin.de christian.strippel@fu-berlin.de