Wilhelm Mestwerdt, Präsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen

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Transkript:

Wilhelm Mestwerdt, Präsident des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen Ortstagung des DArbGV Hamm, 5. April 2017 Aktuelle Entwicklungen im Recht der Sonderzahlungen Gestaltungsmöglichkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts

Fragestellungen in der Praxis Wie können Ansprüche auf Sonderzahlungen entstehen? Kann das Entstehen von vertraglichen Ansprüchen im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden? Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? Kann die Höhe einer Sonderzahlung nach 315 BGB frei bestimmt werden? Kann vertraglich vorbehalten werden, das Bonussystem zu verändern? Wie bestimmt das Gericht im Streitfall nach 315 Abs. 3 S 2 BGB die Höhe einer Sonderzahlung?

Wie können Ansprüche auf eine variable Sonderzahlung entstehen? BAG 21. April 2010 10 AZR 163/09 Ein Anspruch auf einen Jahresbonus aufgrund einer individuellen arbeitsvertraglichen konkludenten Abrede kann sich aus den jährlichen Zahlungen eines Bonus in Verbindung mit dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers ergeben. Eine konkludente Zusage künftiger Bonuszahlungen ist nicht bereits deshalb zu verneinen, weil die Zahlung nicht in einer bestimmten Höhe zugesagt worden ist.

Wie können Ansprüche auf eine variable Sonderzahlung entstehen? BAG 13. Mai 2015 10 AZR 266/14 Hat ein Arbeitgeber eine Leistung mit der Bezeichnung als "Sonderzahlung" in dreimaliger vorbehaltloser Auszahlung jeweils zum Jahresende in unterschiedlicher Höhe vorgenommen, kann ein Arbeitnehmer in verständiger Weise auf ein verbindliches Angebot des Arbeitgebers isv. 145 BGB schließen, in jedem Kalenderjahr eine Sonderzahlung zu erhalten.

Kann das Entstehen von vertraglichen Ansprüchen im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden? BAG 14.September 2011 10 AZR 526/10 Ein vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen isv. 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Nach 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Eine solche Situation ist bei der Kombination eines Freiwilligkeits- mit einem Widerrufsvorbehalt regelmäßig gegeben.

Kann das Entstehen von vertraglichen Ansprüchen im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden? BAG 19. März 2014 10 AZR 622/13 Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt ("als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch" ) handelt es sich um eine Vertragsbedingung isv. 305 Abs. 1 BGB. Mit dieser Klausel will der Arbeitgeber die vertraglichen Beziehungen der Parteien gestalten und sich ein einseitiges Recht zur Entscheidung über den Bonus vorbehalten. Selbst wenn die Klausel nur darauf zielt, die Entstehung einer betrieblichen Übung zu verhindern, wäre ihr Sinn die Festlegung der Bedeutung eines späteren Erklärungsverhaltens bereits im Vertrag. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt benachteiligt einen Arbeitnehmer unangemessen isv. 307 Abs. 1 S 1 BGB, 307 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB, wenn er dem Arbeitgeber das Recht zubilligt, trotz Abschluss einer vergütungsorientierten Zielvereinbarung nach Ablauf der Beurteilungsperiode frei darüber zu entscheiden, ob eine Vergütungszahlung erfolgt oder nicht.

Kann das Entstehen von vertraglichen Ansprüchen im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden? BAG 3. August 2016 10 AZR 710/14 Eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die es dem Arbeitgeber erlaubte, nach Ablauf eines Geschäftsjahres die versprochene Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu unterlassen, würde einer Inhaltskontrolle nach 307 Abs. 1 Satz 1 ivm. Abs. 2 BGB nicht standhalten. Es würde eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, wenn der Arbeitgeber von der Leistungsbestimmung für ein bestimmtes Geschäftsjahr absehen dürfte, obwohl der Arbeitnehmer in diesem Geschäftsjahr seine Arbeitsleistung erbracht hat und die Leistung auch Teil der Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers war.

Kann das Entstehen von vertraglichen Ansprüchen im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden? BAG 18. März 2009 10 AZR 289/08 (Vorbehalt bei Zahlung, nicht im Vertrag!) Die mit einer jährlichen Sonderzahlung verbundene schriftliche Mitteilung, dass die gewährte Leistung einmalig sei und zukünftige Ansprüche ausschließe, hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aus betrieblicher Übung. (Bei einer Zahlung formulierte) Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sonderzahlungen, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Sonderzahlung auch bei wiederholter Zahlung nicht entstehen lassen, weichen nicht von allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen ab. Die Höhe und der vom Arbeitgeber festgelegte Zweck der Sonderzahlung führen nicht dazu, dass der Ausschluss jeden Rechtsanspruchs für die Zukunft unangemessen im Sinne von 307 Abs 2 Nr 1 BGB wird.

Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? BAG 6. Mai 2009 10 AZR 443/08 Der Mitarbeiter nimmt am jeweils aktuellen Bonussystem für leitende Mitarbeiter der Gesellschaft teil. Als Bonusregelung gilt: Voraussetzung für die Auszahlung des Bonus ist ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zum Abschluss des Geschäftsjahres... Leitsatz: Eine Bestandsklausel in einem Formulararbeitsvertrag ist wirksam, soweit sie den Anspruch auf die Bonuszahlung an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Geschäftsjahr knüpft. Der am Bonussystem teilnehmende Arbeitnehmer wird dadurch nicht unangemessen benachteiligt im Sinne von 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Vorsicht: ältere Rechtsprechung vor Senatsneubesetzung!

Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? BAG 12 April 2011 1 AZR 412/09 (Betriebsvereinbarung) Eine variable Erfolgsvergütung kommt nicht zur Auszahlung, wenn der Mitarbeiter unterjährig durch Kündigung ausscheidet oder bis zum Auszahlungstag das Arbeitsverhältnis gekündigt wird Leitsatz: Die Betriebsparteien können den Anspruch auf eine im Synallagma stehende variable Erfolgsvergütung nicht davon abhängig machen, dass das Arbeitsverhältnis zu einem Auszahlungstag außerhalb des Bezugszeitraums vom Arbeitnehmer nicht gekündigt wird.

Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? BAG 18. Januar 2012 10 AZR 667/10 Der AN erhält eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von... Euro. Im Eintrittsjahr wird die Gratifikation entsprechend der Dauer der Beschäftigungszeit gezahlt. Der Anspruch auf Gratifikation ist ausgeschlossen, wenn sich das Anstellungsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet. Eine Gratifikation ist gleichzeitig Treueprämie. Soweit eine Weihnachtsgratifikation gezahlt wird, ist sie zurückzuzahlen, wenn der Angestellte aufgrund eigener oder außerordentlicher Kündigung des Praxisinhabers vor dem 31. März des Folgejahres... ausscheidet. Leitsatz: Dient eine Sonderzuwendung nicht der Vergütung geleisteter Arbeit und knüpft sie nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses an, stellt es keine unangemessene Benachteiligung gemäß 307 BGB dar, wenn der ungekündigte Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungstag als Anspruchsvoraussetzung bestimmt wird.

Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? BAG 18. Januar 2012 10 AZR 612/10 (jährliches Begleitschreiben) Wir freuen uns, ihnen mitteilen zu können, dass wir aufgrund Ihres Beitrags zum Erfolg unseres Unternehmens im Geschäftsjahr 2004 eine freiwillige einmalige Sonderzahlung in Höhe von 15.300 Euro brutto zahlen werden Neben der vorgenannten Sonderzahlung möchten wir Ihnen mitteilen, dass wir für den Fall, dass ihr Arbeitsverhältnis am 15. April 2008 ungekündigt fortbesteht, Ihnen eine Gratifikation in Höhe von 15.300 Euro brutto zur Honorierung der Betriebstreue zahlen werden. Leitsatz: Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt außerhalb des Bezugszeitraums der Sonderzahlung abhängig gemacht werden.

Können mit einer Sonderzahlung Mitarbeiter/innen an das Unternehmen gebunden werden? BAG 13. November 2013 10 AZR 848/12 Als Dank für ihren persönlichen Einsatz in diesem Jahr zahlen wir eine Weihnachtsgratifikation. Die Zahlung erfolgt an Verlagsangehörige, die sich am 31.Dezember in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden.. Verlagsangehörige, die nach dem 1. Januar eingetreten sind oder eine unbezahlte Arbeitsbefreiung aufweisen, erhalten für jeden Monat des Bestehens bzw. der bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts. Leitsatz: (so auch: BAG 13. Mai 2015 10 AZR 266/14; 3. August 2016 10 AZR 710/14-) Eine Sonderzahlung, die auch Gegenleistung für im gesamten Kalenderjahr laufend erbrachte Arbeit darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelmäßig nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des betreffenden Jahres abhängig gemacht werden.

Kann die Höhe einer Sonderzahlung nach 315 BGB frei bestimmt werden? BAG 18. Januar 2012 10 AZR 670/10 Wir zahlen unseren außertariflich besoldeten Mitarbeitern eine Abschlussvergütung, deren Höhe in unserem Ermessen liegt. Sie kommt nur zur Auszahlung, wenn die C- AG ihren Aktionären eine Dividende ausschüttet... Orientierungssatz: Es ist nicht unangemessen benachteiligend im Sinne von 307 Abs.1 BGB, die Zahlung einer Abschlussvergütung an AT-Mitarbeiter von der Zahlung einer Dividende an die Aktionäre abhängig zu machen.

Kann die Höhe einer Sonderzahlung nach 315 BGB frei bestimmt werden? BAG 15. Mai 2013 10 AZR 679/12 Sie erhalten ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt, Sonderzahlung und Leistungsbonus zusammensetzt Der Leistungsbonus richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten und dem Erfolg der Bank Er kann zwischen 0-200% des Basiswerts betragen, der zurzeit bei liegt. Orientierungssatz: Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen dienstvertraglichen Leistungsbonus, der sich aus der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank ergibt und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird, ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern im Ausnahmefall auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.

Kann die Höhe einer Sonderzahlung nach 315 BGB frei bestimmt werden? BAG 19. März 2014 10 AZR 622/13 Hat ein Arbeitgeber nach 315 BGB über einen Bonusanspruch zu entscheiden, der gleichermaßen auf der Ertragslage des Unternehmens wie auf der Leistung des Arbeitnehmers beruht, muss ein festzusetzendes Bonusbudget - in Abhängigkeit von der Ertragslage - regelmäßig eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbezug des Bonussystems beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren.

Kann die Höhe einer Sonderzahlung nach 315 BGB frei bestimmt werden? BAG 3. August 2016 10 AZR 710/14 aus den Gründen:..im Übrigen wäre eine Festsetzung (nach freiem Ermessen) eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des 315 Abs. 1 BGB, die wegen des fehlenden Korrektivs der vollen gerichtlichen Kontrolle der Leistungsbestimmung eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers isv. 307 Abs. 1 Satz 1 ivm. Abs. 2 Nr. 1 BGB darstellen würde und deshalb unwirksam wäre.

Kann vertraglich vorbehalten werden, das Bonussystem zu verändern? BAG 3. August 2016 10 AZR 710/14 aus den Gründen: dahinstehen kann, ob 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrags aufgrund der Formulierung, der Arbeitnehmer nehme am jeweils gültigen Bonussystem und/oder Deferral Plan teil, einen Änderungsvorbehalt beinhaltet, wie weit dieser reichen würde und ob ein ggf. umfassender Änderungsvorbehalt am Maßstab des 308 Nr. 4 BGB gemessen wirksam wäre.

Wie bestimmt das Gericht im Streitfall nach 315 Abs. 3 S 2 BGB die Höhe einer Sonderzahlung? BAG 3. August 2016 10 AZR 710/14 Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach 315 Abs. 3 S. 2 BGB ist auf Grundlage des Vortrags der Parteien zu treffen. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn besteht nicht. Jede Partei ist im Sinne einer Obliegenheit gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, damit sie vom Gericht berücksichtigt werden können. Erbringt ein Arbeitgeber, der sich eine einseitige Leistungsbestimmung vorbehält, keinen oder keinen hinreichenden Vortrag dazu, warum eine bestimmte Leistungsfestsetzung billigem Ermessen entsprechen soll, ist die gesetzliche Folge nach 315 Abs. 3 BGB die Unverbindlichkeit der vom Bestimmungsberechtigten getroffenen Leistungsbestimmung.

Zusammenfassende Leitthesen (1) Ein Freiwilligkeitsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag ist nicht geeignet, das Entstehen von Ansprüchen aus betrieblicher Übung oder konkludentem Vertrag zu verhindern. Ein bei der jeweiligen Leistung erklärter Vorbehalt, aus der Zahlung könne für die Zukunft kein Rechtsanspruch abgeleitet werden, kann das Entstehen eines Anspruchs auf dauerhafte Leistungsgewährung hingegen verhindern. Der Arbeitgeber kann sich im Arbeitsvertrag zu einer Sonderzahlung nach billigem Ermessen verpflichten. Die Festsetzung muss die Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber angemessen berücksichtigen. Die Festsetzung ist gerichtlich voll überprüfbar. Formuliert/vereinbart der Arbeitgeber im Rahmen variabler Vergütung bestimmte Ziele, so hat er die (teilweise) Zielerreichung bei der Festsetzung der Leistungsvergütung angemessen zu berücksichtigen. Eine Festsetzung auf 0 kommt dann regelmäßig nicht in Betracht.

Zusammenfassende Leitthesen (2) Besteht Streit über die Höhe der ins Ermessen gestellten Sonderzahlung, erfolgt die richterliche Leistungsbestimmung auf Grundlage des Vortrags beider Parteien. Eine Darlegungs- und Beweislast besteht nicht. Sollen mit einer vertraglich zugesagten Sonderzahlung die Arbeitsleistungen des vergangenen Jahres honoriert werden, sind weitere Bedingungen (Stichtagsregelungen etc.) in einem Arbeitsvertrag und in einer Betriebsvereinbarung regelmäßig unwirksam. Ausnahmen sind nur denkbar, wenn die Sonderzahlung aufgrund der betrieblichen Verhältnisse erst zu einem bestimmten Zeitpunkt verdient ist (Saisongeschäft etc). Gratifikationen mit Mischcharakter in einem Tarifvertrag sind demgegenüber nicht zu beanstanden, weil den Tarifvertragsparteien ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht