3. Ergebnis: H hat sich des Totschlags bezüglich R strafbar gemacht.

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Transkript:

1 Jannine Anton Lösungsskizze Probeklausur AG 18.12.2004 Strafbarkeit des H I. 212 I StGB Indem der H an dem PKW des R eine Bombe installierte, welche an einem Freitagabend wie geplant nach drei Minuten explodierte und den R tödlich verletzte, könnte H sich des Totschlages strafbar gemacht haben. 1. Tatbestandsmäßigkeit a. Objektiver Tatbestand: Der R ist verstorben, der Deliktserfolg des 212 I StGB eingetreten. Indem H die Bombe installiert hat und so programmiert hat, dass diese nach drei Minuten Fahrzeit explodiert, hat er die entscheidende Bedingung für den Tod des R gesetzt, somit kausal gehandelt. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. b. Subjektiver Tatbestand: H müsste mit Vorsatz gehandelt haben. Unter Vorsatz wird als Kurzformel das Wissen und Wollen bezüglich aller objektiver Tatbestandsmerkmale verstanden. Dabei werden verschiedene Vorsatzstufen unterschieden, dolus directus ersten Grades, dolus directus zweiten Grades und dolus eventualis. H zielte im Fall darauf ab, den R zu töten. Es kam ihm also gerade darauf an. Folglich handelte er mit der Absicht, dolus directus ersten Grades hinsichtlich der Tötung des R. 2. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. 3. Ergebnis: H hat sich des Totschlags bezüglich R strafbar gemacht. Dieser Teil der Prüfung weist keine sonderlichen Probleme auf und konnte daher vergleichsweise kurz abgehandelt werden. II. 212 I StGB H könnte sich auch des Totschlages bezüglich K strafbar gemacht haben, indem diese bei der Explosion der Autobombe schwer verletzt wurde und bei der diesbezüglichen Behandlung der Arzt A der unter Medikamentenunverträglichkeit leidenden K ein Schmerzmittel verabreicht, welches bei K zu einem tödlichen Herzstillstand führt. 1. Tatbestand a. Objektiver Tatbestand Die K ist ebenfalls verstorben, somit der tatbestandliche Erfolg des 212 I StGB eingetreten. Fraglich ist aber, ob der Tod der K in kausalem Zusammenhang mit der von H in Gang gesetzten Bombenexplosion steht. Nach der Adäquanztheorie 1 stellt Ursache im Rechtssinne nur die tatbestandsadäquate Bedingung dar. Der Kausalzusammenhang wird lediglich bei außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegenden Kausalverläufen verneint. 1 Maurach, Reinhart/Zipf, Heinz, Strafrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. Heidelberg 1992, 18 RN 32, BGHZ 3, 261; 7, 198.

2 Die Bearbeiter sollten diese Theorie allenfalls knapp anführen und ablehnen, da diese Ansicht Kausalität und Zurechnung zu sehr vermischt. Gleiches sollte auch für die Ausführungen zur Relevanztheorie 2 gelten. Nach der in der Rechtsprechung herrschenden Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ist jede Handlung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. Jede Handlung, die für den konkreten Erfolg conditio sine qua non ist, ist gleichwertig. 3 Demnach kommt es auf die Zahl der Zwischenursachen 4 ebenso wenig an, wie auf Reserveursachen und hypothetische Kausalverläufe 5. Indem H die Bombe installierte und diese explodierte, hat er eine Conditio sine qua non für den Tod der K gesetzt, handelte somit kausal. Dadurch, dass Zwischenursachen außer Betracht zu bleiben haben, kommt es im Rahmen der Kausalität auf den ärztlichen Behandlungsfehler ebenso wenig an, wie auf die Medikamentenunverträglichkeit selbst. Fraglich ist weiter, ob hier zu berücksichtigen ist, dass die K einige Tage später ohnehin an einer Lungenembolie gestorben wäre. Ein Hinzudenken derartiger Reserveursachen, die anstatt der wegzudenkenden Handlung wirksam geworden wären, ist allerdings unzulässig, da der tatsächliche Geschehensablauf sein Dasein und seine Wirkung nicht dadurch einbüsst, dass ein anderer an seine Stelle hätte treten können, aber nicht getreten ist 6. Demzufolge muss hier auch der nicht eingetretene Tod infolge Lungenembolie außer Betracht bleiben. H handelte somit kausal für den Tod der K. Im Schrifttum wird teilweise die Formel von der gesetzmäßigen Bedingung 7 favorisiert. Dadurch wird jedoch nur der Aspekt regularisierter Abläufe betont 8. Des weiteren ist zu prüfen, ob der Tod der K dem H objektiv zurechenbar ist. Die objektive Zurechnung begrenzt die strafrechtliche Haftung. Maßgeblich ist dabei, ob der Handelnde den tatbestandlichen Erfolg zumindest mitverursacht hat, dieser Erfolg objektiv voraussehbar und vermeidbar war, und ob sich aufgrund eines tatbestandsadäquaten Kausalverlaufs im Schadenserfolg gerade diejenige rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht hat, die durch die Verletzungshandlung oder eine Überschreitung des erlaubten Risikos vom Täter geschaffen worden ist und deren Eintritt nach dem Schutzzweck der einschlägigen Norm vermieden werden sollte. Zu diesen Punkten sollte der Bearbeiter genau Stellung nehmen. H hat durch die Bombenexplosion die rechtlich missbilligte Gefahr für K begründet, dass diese an dadurch verursachten Verletzungen oder Komplikationen bei der medizinischen Behandlung sterben kann. Fraglich ist aber, ob der Risikozusammenhang durch den Behandlungsfehler des Arztes A entfallen kann. Ein tatbestandstypischer Risikozusammenhang scheidet nämlich aus, wenn ein Dritter, das Opfer oder der Täter selbst an das gefährliche Erstverhalten anknüpft, durch die Zweithandlung aber eine völlig neue Gefahr und damit ein Erfolg geschaffen wird, der nicht mehr im Wertungszusammenhang zur Ersthandlung steht. Erfolg vermittelnde Zweithandlungen von Rettern sind dem Ersthandlenden bei Fehlern von Rettern aber zurechenbar, wenn der tatbestandliche Erfolg gerade wegen der Abwendung der vom Erstbehandelnden geschaffenen Gefahren eintritt und dem Retter 2 Wessels, Johannes/Beulke, Werner, Strafrecht AT, 34. Aufl., Heidelberg 2004, 6, RN 172ff. 3 RGSt1, 373; 75, 374; BGHSt 1, 332; 2, 24; 7, 114; 24, 34; BGH NJW 1982, 295. 4 BGHSt 37, 106, 112; BGH NJW 1995, 2930. 5 Baumann, Jürgen/Weber, Ulrich/Mitsch, Wolfgang, Strafrecht AT, 11. Aufl., Bielefeld 2003, 14, RN 17; Wessels/Beulke, aao, 6, RN 161. 6 BGHSt 2, 20; 13, 13; Kühl, Kristian, Strafrecht AT 4. Aufl., München 2002, 4, RN 11 ff. 7 Jescheck, Hans-Heinrich/Weigend, Thomas, Lehrbuch des Strafrechts AT, 5. Aufl., Berlin 1996, 283. 8 In der Praxis verlagert sich die Problematik so oder so auf die Beweisebene, da letztlich Sachverständige untersuchen müssen, ob sich an eine Handlung zeitlich nachfolgende Veränderungen der Außenwelt angeschlossen haben.

3 dabei keine grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt 9. Der Arzt A wollte die Verletzungen aus der Bombenexplosion abwenden. Komplikationen bei der Heilbehandlung liegen somit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht außerhalb aller Vorhersehbarkeit, ebenso wenig eine Medikamentenunverträglichkeit. Der Tod der K fällt auch nicht allein in den Verantwortungsbereich des Arztes A oder des Krankenhauspersonals, da ihnen angesichts der leicht nachlässigen Behandlung durch den übernächtigten Arzt nur leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Die objektive Zurechenbarkeit liegt damit ebenfalls vor. Der objektive Tatbestand ist erfüllt. b. Subjektiver Tatbestand Fraglich ist, ob H bezüglich des Todes der K vorsätzlich handelte. Es kommt hier dolus eventualis in Betracht, welchen der Gesetzgeber zur Tatbestandsverwirklichung ausreichen lässt. Dazu muss der Täter unbedingten Handlungswillen haben, jedoch nur bedingten Erfolgswillen. Einigkeit besteht hinsichtlich des Willenselementes. Der Täter muss den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges für möglich halten. Der Handlungswille fehlt folglich, wenn der Täter schon über die Möglichkeit des Erfolgseintritts nicht reflektiert hat und sich im Augenblick der Tathandlung der möglichen Tatbestandsverwirklichung nicht bewusst ist 10. Im Fall fehlt es nicht an der Handlungswillen, da H es durchaus für möglich hielt, dass R an diesem Abend in Begleitung nach hause fährt. Umstritten ist aber, wie dieser Erfolgswille beschaffen sein muss. Dies ist deshalb entscheidend, da die Möglichkeitsvorstellung des Täters auch bei der bewussten Fahrlässigkeit vorhanden sein muss. Hierzu werden verschiedene Ansätze vertreten. Die Bearbeiter sollten diese hier auch vorstellen und nicht nur die herrschende Einwilligungsoder Billigungstheorie darlegen. Dabei kann auf folgende Theorien eingegangen werden: Nach der Wahrscheinlichkeitstheorie handelt mit Eventualvorsatz, wer die Rechtsgutsverletzung nicht nur für möglich, sondern für wahrscheinlich hält 11. Gegen diesen Ansatz wird vorgebracht, dass die Wahrscheinlichkeit ein untaugliches Kriterium ist, weil auch der subjektiv wenig wahrscheinliche Erfolg vom Vorsatz umfasst sein kann, wenn der Täter diesen beabsichtigt. Nach der Möglichkeitstheorie handelt der Täter mit Eventualvorsatz, wenn er die konkrete Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung erkennt und dennoch handelt 12. Diese Ansicht kann keine Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit ermöglichen, da es unbillig erscheint, einen leichtsinnigen Täter mit Vorsatzhaftung zu belegen. Die Gleichgültigkeitstheorie geht von dolus eventualis aus, wenn der Täter innerlich keine Stellung zum Erfolg bezieht, weil ihm dieser völlig gleichgültig ist 13. Dem H war hier das Schicksal der K gleichgültig, so dass diese Theorie durchaus ausgeführt werden kann. Gegen sie spricht aber, dass damit nicht der Wille, sondern die negative Bewertung einer gefühlsmäßigen Einstellung zum Erfolg als Maßstab herangezogen wird. Ähnlich weitgreifend und deshalb abzulehnen ist die Gefährdungstheorie. Herrschend ist die Einwilligungs- oder Billigungstheorie. Diese sollte allen Bearbeitern bekannt sein und dementsprechend ausführlicher dargestellt werden. Erforderlich und ausreichend ist danach, dass der Täter den Erfolgseintritt als möglich und nicht ganz 9 Otto, JURA 1992, 90, 98; Schönke, Adolf/Schröder, Horst/Lenckner, Theodor- Lenckner, Kommentar zum StGB, 26. Aufl., München 2001, vor 13 RN 102; a.a: Roxin, Claus, Strafrecht AT I, 3. Aufl., München 1997, 11, RN 116, SK/Rudolphi, Hans-Joachim, Systematischer Kommentar zum StGB, Band I, 39. EL, Frankfurt am Main November 2004, vor 1, RN 74. 10 BGH NStZ 1999, 508; Sch/Sch/Cramer, aao, 15 RN 73. 11 Mayer, Hellmuth, Strafrecht AT, Stuttgart, Köln 1953, 250. 12 Schmidhäuser, JuS 1980, 241ff. 13 Sch/Sch/Cramer, aao 15 RN 84.

4 fernliegend erkannt und ihn gebilligt bzw. billigend in Kauf genommen hat. Billigen beschreibt dabei das Sichabfinden mit dem tatbestandlichen Erfolg. Bewusste Fahrlässigkeit liegt damit also vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten 14. In unserem Fall hat H mit einem möglichen tödlichen Ausgang für eine Begleitung des R gerechnet. Ihm war auch bewusst, dass die Bombe ein unabgeschirmtes Risiko für weitere Mitfahrer darstellt. Dem steht auch nicht entgegen, dass ihm die Begleitung des R nicht namentlich bekannt war. Denn er hat sich mit dem Tod eines weiteren Menschen durch die Bombe abgefunden. Damit handelte H vorsätzlich in Form des dolus eventualis. 2. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor. 3. Ergebnis: H hat sich auch bezüglich K einer vorsätzlichen Tötung strafbar gemacht. Konkurrenzen und Gesamtergebnis: H hat sich des Totschlages bezüglich R und K in Tateinheit ( 52 StGB ) strafbar gemacht. Wird der Totschlag bezüglich K mangels Vorsatzes abgelehnt, müsste auf 222 StGB eingegangen werden. Wer den Totschlag bezüglich K in der objektiven Zurechnung ablehnt, sollte auf 223, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB eingehen. Hingegen brauchen angesichts der Tatsache, dass die Körperverletzung ohnedies gegenüber dem Totschlag zurücktritt und die Figur des Durchgangsvorsatzes darüber hinaus noch nicht bekannt ist, diejenigen, die 212 StGB bejahen, 223 StGB nicht zu erörtern. Zu den Qualifikationen des 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB noch folgendes: 224 I Nr. 2 StGB: Bei der Bombe handelt es sich nicht um eine Waffe im technischen Sinn, da sie keine Schuß-, Hieb- oder Stichwaffe darstellt 15. Die Bombe stellt ein gefährliches Werkzeug dar, da sie nach ihrer objektiven Beschaffenheit und nach der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erheblichere Körperverletzungen zuzufügen 16. Man könnte den Begriff des gefährlichen Werkzeuges aber auch enger fassen und die Eigenschaft der Bombe als gefährliches Werkzeug problematisieren. Denn teilweise wird verlangt, dass das gefährliche Werkzeug durch menschliche Einwirkung gegen den menschlichen Körper in Bewegung gesetzt 17 und vom Täter zur Verstärkung der Einwirkung allein körperlicher Kraft eingesetzt wird 18. 224 I Nr. 3 StGB: Fraglich ist, ob gegenüber K ein hinterlistiger Überfall vorliegt. Ein Überfall ist ein Angriff auf den Verletzten, dessen er sich nicht versieht und auf den er sich nicht vorbereiten kann 19. Hinterlistig ist der Überfall, wenn sich die Absicht des Täters, dem anderen die Verteidigungsmöglichkeit zu erschweren, äußerlich manifestiert 20. Das heißt, der Täter muß planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise mit List vorgegangen sein, um dadurch dem Angegriffenen den Angriff zu erschweren 21. Indem die K ahnungslos in den Wagen des R einstieg und die an diesem befestigte Bombe nicht wahrnehmen konnte, wurde sie von H angegriffen, so dass ein Überfall vorliegt. Dieser war auch hinterlistig, da H seine Absicht, 14 Wessels/Beulke, aao 7 RN 214ff., 223; Roxin, aao, 12 RN 27; Baumann/Weber/Mitsch, aao, 20 RN 54; BGHSt 7, 363, 367; 36, 1,9; BGH NStZ 1999, 508. 15 Sch/Sch/Stree, aao 224, RN 4. 16 Tröndle, Herbert/Fischer, Thomas, Kommentar zum StGB, 52. Aufl., München 2004, 224 RN 9. 17 Joecks,Wolfgang, Strafgesetzbuch Studienkommentar, 5. Aufl., München 2004, 224 RN 22. 18 Tröndle/Fischer, aao, 224 RN 8. 19 RGSt 65, 66; BGH GA 1961, 241; Tröndle, /Fischer, aao, 224 RN 10. 20 Tröndle/Fischer, aao, 224 RN 10. 21 Joecks, aao, 224 RN 28.

5 die Verteidigungsmöglichkeiten aller Fahrzeuginsassen zu erschweren, mit dem versteckten Anbringen der Bombe und der Installation des verzögerten Zeitzünders nach außen verfestigt hat. 224 I Nr. 5 StGB: Eine lebensgefährdende Behandlung liegt hier vor. Ein ausführliches Eingehen auf die Streitfragen 22, ob die Lebensgefährdung konkret oder abstrakt bestehen soll, und dies ex ante oder ex post beurteilt werden soll, ist nicht erforderlich, da in diesem Fall die verschiedenen Ansichten zum gleichen Ergebnis gelangen. Im subjektiven Tatbestand kann diskutiert werden, ob der dolus eventualis auch bezüglich der Qualifikation des 224 I Nr. 3, 5 StGB ausreicht, oder ob diesbezüglich nicht mindestens direkter Vorsatz zu verlangen ist. Grundsätzlich genügt bedingter Vorsatz bezüglich 224 I StGB, es sei denn es wird ein zweckgerichtetes Handeln zur Tat vorausgesetzt. Das hinterlistige Vorgehen gemäß 224 I Nr. 3 StGB beinhaltet ein derartiges zweckgerichtetes Handeln, so dass diesbezüglich der dolus eventualis als nicht ausreichend betrachtet werden kann. Bezüglich 224 I Nr. 5 StGB ist beim Vorsatz auf die Frage einzugehen, ob Kenntnis bezüglich der konkreten Gefahr für das Opfer oder bloß Kenntnis der Umstände, aus denen die Lebensgefahr sich ergibt, ausreichend ist 23. Nach anderer Ansicht muß der Täter die Lebensgefährlichkeit seines Handelns zumindest für möglich halten und in Kauf genommen haben 24. 22 Tröndle/Fischer, aao, 224 RN 12. 23 BGHSt 19, 352; BGH NJW 1990, 3154. 24 Tröndle/Fischer, aao, 224 RN 13.