Syntax Morphosyntaktische Merkmale

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Transkript:

Syntax Morphosyntaktische Merkmale Modul 04-006-1003 Syntax und Semantik Institut für Linguistik Universität Leipzig home.uni-leipzig.de/heck

Merkmale Fragestellung: Was sind die Grundbausteine der Syntax, also die kleinsten Einheiten, über die syntaktische Prinzipien oder Regeln reden können? Antwort: Dies sind nicht Wörter (lexikalische Kategorien), wie man vielleicht erwarten würde, sondern Merkmale (engl. features). Lexikalische Kategorien sind charakterisierbar als Mengen von Merkmalen. Frage: Wie kommt man auf diese Idee?

Kongruenz Beobachtung: Es gibt im Englischen Kongruenz (Übereinstimmung, engl. agreement) zwischen Subjekt und Verb bzgl. bestimmter Eigenschaften: Person und Zahl. Diese Kongruenz ist generell, liegt also bei allen Verben vor und bei allen Nomen, die als Subjekt auftauchen, vgl. (1) und (2). (1) a. The pig grunts. b. The pigs grunt. c. *The pig grunt. d. *The pigs grunts. (2) a. The bear snuffles. b. The bears snuffle. c. *The bear snuffle. d. *The bears snuffles.

Naive Hypothese Naive Hypothese: Die zu Grunde liegende Kongruenzregel bezieht sich auf die äußere Gestalt der Wörter, d.h., auf ihre morphologische Form, und sagt z.b. etwas über die Verteilung der Endung -s: Eine Kongruenzregel für das Englische, die auf der naiven Hypothese basiert, wäre (3): (3) Nur ein -s ist möglich bei Kongruenz von Subjekt und Verb; wenn das Subjekt ein -s hat, hat das Verb keins, und umgekehrt. Problem: Diese Hypothese kann nicht stimmen, weil manchmal gar kein -s beteiligt ist bei der Kongruenz von Subjekt und Verb im Englischen.

Naive Hypothese 2 Beobachtung: Manchmal geht Kongruenz von Subjekt und Verb mit Vokalveränderung im Stamm des Nomens einher (4), manchmal mit einer anderen Endung am Nomen (5). (4) a. The man chuckles. b. The men chuckle. c. *The man chuckle. d. *The men chuckles. (5) a. The child wails. b. The children wail. c. *The child wail. d. *The children wails.

Exkurs: Morphologie Morphologische Terminologie: Wortformen sind zerlegbar in einen Stamm und Affixe. Eine Zusammenfügung von Stamm und Affix heißt Affigierung. Es gibt (neben anderen) zwei Haupttypen von Affixen, nämlich Suffixe (Endungen) und Präfixe (Affixe am Anfang eines Wortes). -s und -ren sind Suffixe: pig pigs; child children. Der Unterschied zwischen man und men ist nicht durch Suffigierung bedingt; vielmehr liegt hier ein Vokalwechsel vor. (Genauer: ein Umlaut, der durch ein im Germanischen noch vorhandenes i in der Folgesilbe ausgelöst wird; ebenso verhält es sich bei foot vs. feet, tooth vs. teeth.)

Naive Hypothese 3 Beobachtung: Manchmal gibt es überhaupt keine Änderung am Nomen (Substantiv). Oder es wird eine vollkommen andere, morphologisch nicht verwandte Wortform gewählt. (Man spricht dann von Suppletion.) (6) illustriert einen Fall aus dem Englischen, bei dem keine Änderung auftritt. (6) a. The sheep bleats. b. The sheep bleat.

Zweite Hypothese Zweite Hypothese: Die Kongruenzregel für Subjekt und Verb muss über Entitäten reden, die abstrakter sind als die morphologische Form der Wörter (bzw. Affixe). Frage: Was sind diese Entitäten? Antwort: Das sind morphosyntaktische Merkmale. Merkmale sind letztendlich Eigenschaften, wie sie auch weniger abstrakte Objekte haben (Glas ist hart, Wasser flüssig, etc.). Morphosyntaktische Merkmale heißen so, weil sie für Syntax und Morphologie relevant sind. Manche dieser Merkmale (vermutlich nicht alle) sind auch interpretierbar (relevant für die Semantik).

Numerus und Person Bisher: Das Merkmal, das für die Diskussion bisher relevant war, ist Numerus, also die Unterscheidung zwischen Singular (semantische Relevanz: Referenz auf eine Entität) und Plural (Referenz auf mehrere Entitäten). Person: Kongruenz im Englischen nimmt ebenfalls Bezug auf das Merkmal Person. Dabei unterscheidet das Englische zwischen 1. Person (semantische Relevanz: der Sprecher), 2. Person (der Angesprochene) und 3. Person (weder Sprecher noch Angesprochener). (7) a. I sleep/*sleeps. b. You sleep/*sleeps. c. He *sleep/sleeps.

Kategorienmerkmale Kategorienmerkmale: Die vielleicht wichtigsten Merkmale in der Syntax sind die Kategorienmerkmale Terminologie: Kategorienmerkmale legen die Wortart (Wortklasse) fest. Die Hauptwortarten sind Nomen Verb Adjektiv Präposition

Semantische Wortartenbestimmung? Beobachtung: Nomina referieren tendentiell auf Objekte in der Welt. Verben referieren tendentiell auf Ereignisse. Beachte: Diese Wortartenbestimmung ist vage und unzuverlässig. So finden wir neben den Beispielen in (8), die diese Diagnostik bestätigen, auch Beispiele wie die in (9), die ihr zu widersprechen scheinen. Mit anderen Worten: Kategorienmerkmale scheinen nicht interpretierbar zu sein. (8) a. Tisch, Mensch, Universität b. arbeiten, schlafen, geben (9) a. Erstürmung, Heirat, Verzweiflung, Liebe b. sein, haben, scheinen (Er scheint im Recht zu sein.)

Syntaktische Wortartenbestimmung Syntaktische Wortartenbestimmung: Bestimmte Wörter tauchen im Satz an ganz bestimmten Positionen auf, die anderen Wörtern nicht zugänglich sind. Man erklärt dies, indem man die Wörter mit der gleichen syntaktischen Distribution durch ein und dasselbe Kategorienmerkmal zusammenfasst.

Syntaktische Wortartenbestimmung 2 Kategorien im Deutschen 1: N taucht rechts neben einem Verb wie kennen auf, A, P und V nicht, siehe (10). A taucht zwischen Artikelwörtern wie ein und N auf, N, P und V nicht, siehe (11). (10) a. Fritz kennt {die Kanzlerin, keinen Schmerz, meine Adresse}. b. *Fritz kennt schön. c. *Fritz kennt auf (dem Berg). d. *Fritz kennt schläft. (11) a. *Fritz liest ein Maria Buch. b. Fritz liest ein {schönes, dickes, teures, altes} Buch. c. *Fritz liest ein auf Buch. d. *Fritz liest ein lesend Buch.

Syntaktische Wortartenbestimmung 3 Kategorien im Deutschen 2: Ein finites V (kein Infinitiv oder Partizip) steht im Hauptsatz an zweiter Stelle, N, P und A nicht, siehe (12). P steht oft zwischen finitem V und N, aber V, N und A nicht, siehe (13). (12) a. *Eckbert Bücher liest. b. *Eckbert dicke liest Bücher. c. *Eckbert auf steht Bücher. d. Eckbert {liest, schreibt, kauft, verlegt} Bücher. (13) a. *Maria steht Apfel ein(em) Karton. b. *Maria steht (zu) liegen ein(em) Karton. c. Maria steht {auf, unter, in, neben} einem Karton. d. *Maria steht schönem einem Karton.

Morphologische Wortartenbestimmung Beobachtung: Wörter mit Endungen wie -ise, -ize, -ate, -en im Englischen besetzen im Satz typischerweise Positionen, die sonst von Vs besetzt werden (syntaktische Wortartbestimmung), siehe (14). (14) a. John wants to {improvise, computerize} b. John wants to {leave, kiss, remember} c. Mary convinced John to {enervate, relegate, deflate} something d. Mary convinced John to {kill, kiss, leave} someone e. Eckbert seems to {widen, shorten, blacken} his pants f. Eckbert seems to {sell, cut, wash} his pants

Morphologische Wortartenbestimmung 2 Beobachtung: Wörter mit Endungen wie -ion, -al, -ment im Englischen besetzen im Satz typischerweise Positionen, die sonst von Ns besetzt werden, siehe (15). Diese Endungen markieren also die Kategorie N morphologisch. (15) a. John felt some {elevation, elation, eruption} b. John felt some {pain, joy, feet} c. Mary witnessed the {removal, arrival, rebuttal} d. Mary witnessed the {murder, inauguration, success} e. The {improvement, enlargement, replacement} suprised the experts f. {Mary, my sister, the banking crash} suprised the experts

Morphologische Wortartenbestimmung 3 Beobachtung: Affixe verbinden sich oft nur mit bestimmten Wörtern, aber nicht mit anderen. Das kann man erfassen, wenn sagt, dass die Affixe Bezug nehmen auf das Kategorienmerkmal dieser Wörter. So kann sich z.b. das Suffix -ed, das Präteritum im Englischen ausdrückt, nur mit V verbinden (siehe (16)), nicht aber mit N, P oder A, siehe (17). (16) a. John computerized the office. b. Eckbert widened his pants. c. Mary deflated the ballon. (17) a. *The experted was surprised. b. *The cat slept oned the mat. c. *Eckbert bought a most expensived book.

Literatur Baker, Mark 2003: Lexical Categories: Verbs, Nouns, and Adjectives. Cambridge University Press, Cambridge. Adger, David 2003: Core Syntax A Minimalist Approach. Oxford University Press, Oxford.